Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2619/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 276/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 20. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Nach in den Jahren 1995 (Bescheid vom 11. März 1996, Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 1996, klagabweisender Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 25. April 1997 - S 4 J 1690/96 -), 1999 (Bescheid vom 12. August 1999, Widerspruchsbescheid 10. November 1999, Rücknahme der vor dem SG erhobenen Klage - S 3 RJ 357/00 -), 2000 (Bescheid vom 01. Februar 2001, Widerspruchsbescheid 29. März 2001, klagabweisender Gerichtsbescheid des SG vom 19. August 2002 - S 3 RJ 1057/01 -) und 2003 (Bescheide vom 11. Juli 2003 und 31. Oktober 2003, Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2004, klagabweisender Gerichtsbescheid des SG vom 27. Oktober 2005 - S 3 R 489/04 -) erfolglos gebliebenen Rentenanträgen beantragte die am 1960 geborene Klägerin am 17. Januar 2006 erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte diesen Rentenantrag mit Bescheid vom 23. März 2006 ab. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2006 zurückgewiesen. Die von der Klägerin am 26. Juli 2006 dagegen wiederum erhobene Klage zum SG wurde unter dem Aktenzeichen S 4 R 2741/06 geführt. Die Klägerin reichte verschiedene medizinische Unterlagen ein. Die Beklagte, die der Klage entgegentrat, legte eine beratungsärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Chirurgie - Sozialmedizin - Dr. L. vom 11. Juni 2008 vor. Das SG holte sachverständige Zeugenauskünfte der die Klägerin behandelnden Ärzte ein. Am 24. Juni 2008 nahm die anwaltlich vertretene Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG (Vorsitzender: Richter am Sozialgericht V.) die Klage zurück. Die von der Klägerin dagegen eingelegte "Berufung" verwarf der erkennende Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 15. Oktober 2008 als unzulässig (L 4 R 3469/08). Er führte aus, soweit sich die Klägerin gegen den Gerichtsbescheid vom 27. Oktober 2005 wenden wolle, sei die Berufung deswegen unzulässig, weil die Berufungsfrist bei Weitem abgelaufen sei, denn der Gerichtsbescheid sei der Klägerin bereits am 02. November 2005 zugestellt worden. Soweit sich die Klägerin auf das mit ihrer Klagerücknahme vom 24. Juni 2008 beendete Verfahren S 4 R 2741/06 beziehe und damit mit ihrer Berufung auch die Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 23. Februar 2006 (Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2006) begehren wollte, sei in diesem Verfahren eine Endentscheidung (Urteil oder Gerichtsbescheid) nicht ergangen. Durch die Klagerücknahme sei der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Damit seien die entsprechenden Bescheide bestandskräftig geworden. Die Bestandskraft der Bescheide stehe einer Nachprüfung durch das Berufungsgericht entgegen. Die Klagerücknahme als Prozesshandlung sei auch nicht mit der Berufung anfechtbar. Die Klagerücknahme könne auch gegenüber dem Sozialgericht grundsätzlich nicht widerrufen und auch nicht angefochten werden. Darüber, ob hier bei Vorliegen der Voraussetzungen der Wiederaufnahme ein Widerruf der Klagerücknahmeerklärung in Betracht kommen könnte, sei mangels Entscheidung des SG darüber nicht im Rahmen der von der Klägerin anhängig gemachten Berufung zu entscheiden.
Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 01. Juli 2008 erläuterte C. F. als "Bevollmächtigter", weshalb der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren sei. Mit an das Bundessozialgericht (BSG) gerichtetem Schreiben vom 03. Mai 2010, eingegangen beim BSG am 17. Mai 2010, erhob die Klägerin durch den bevollmächtigten C. F. Klage gegen die Beklagte. Sie trug vor, im Jahr 2008 sei die Klage auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zurückgenommen worden. Aufgrund ihrer Erkrankungen wäre ihr eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuzusprechen gewesen. Das BSG, bei dem die Klage unter dem Aktenzeichen B 13 R 13/10 S geführt wurde, erklärte sich mit Beschluss vom 06. Juli 2010 für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das SG, bei dem er am 22. Juli 2010 einging.
Auf Nachfrage des SG teilte C. F. zunächst mit, dass er der Klägerin auf freundschaftlicher Basis helfe, legte die Vertretung dann nieder. Auf weitere Nachfrage des SG gegen welchen Bescheid/Widerspruchsbescheid der Beklagten sich die Klage richte, führte die Klägerin aus, es handele sich um den Ablehnungsbescheid vom 23. März 2006 sowie das Schreiben mit Datum vom 01. Juli 2008. Richter am Sozialgericht V. werde sie bei einem erneuten Rechtsstreit gegen die Beklagte ablehnen. Sie wies darauf hin, dass seit Jahren Arbeitsunfähigkeit vorliege und legte ein ärztliches Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin W. vom 11. Mai 2006 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Beck vom 29. Januar 2007 vor. Aufgrund des Gutachtens von Dr. Sc. vom 19. Februar 2009 sei ersichtlich, dass sie nicht mehr erwerbsfähig sei. Sie legte hierzu eine Epikrise des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sc. vom 19. Februar 2009 mit der Diagnose rezidivierende neurasthenische Symptomatik bei nicht ausgeschlossener schizoaffektiver Erkrankung; nach wie vor sei eine kontinuierliche Leistungssituation mit Tätigsein von wirtschaftlichem Wert undenkbar bzw. unrealistisch, sowie ein nervenärztliches Gutachten des Dr. Sc. vom 29. November 2010 vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2010 wies die 4. Kammer des SG durch Richter am Sozialgericht V. die Klage ab. Die Klage sei unzulässig mangels eines anfechtbaren Bescheides. Die Ablehnung sämtlicher Anträge der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung sei bestandskräftig geworden. Einen neuen Rentenantrag habe die Klägerin nicht gestellt. Die nunmehr erhobene Klage sei damit unzulässig mangels eines vorangegangenen Verwaltungsverfahrens.
Dagegen hat die Klägerin am 17. Januar 2011 beim LSG Berufung eingelegt. Sie habe Richter am SG V. abgelehnt. Er nehme dem Anschein nach neue Arztberichte (Befunde) nicht zur Kenntnis.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 20. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01. Juni 2010 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt unter Verweis auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid vor, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die Vorprozessakten des SG S 4 J 1690/96, S 3 RJ 357/00, S 3 RJ 1057/01 und S 4 R 2741/06 und des LSG L 4 R 3469/08 sowie die Akte des BSG B 13 R 13/10 S Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.
1. Soweit sich die Klage gegen die seit 1996 von der Beklagten erlassenen Bescheide richtet, ist die Klage unzulässig, denn sämtliche die Rente ablehnenden Bescheide der Beklagten sind bestandskräftig geworden. Bezüglich des Bescheids vom 11. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 1996 wurde die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. April 1997 abgewiesen. Der Antrag aus dem Jahr 1999 wurde mit Bescheid vom 12. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 1999 abgelehnt. Die dagegen von der Klägerin erhobene Klage wurde zurückgenommen. Auf den Antrag aus dem Jahr 2000 erging der Bescheid vom 01. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. März 2001. Die dagegen erhobene Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 19. August 2002 abgewiesen. Die Anträge aus dem Jahr 2003 wurden durch Bescheide vom 11. Juni 2003 und 31. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2004 abgelehnt. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 27. Oktober 2005 abgewiesen. Auch der auf den Antrag der Klägerin vom 17. Januar 2006 ergangene Bescheid der Beklagten vom 23. März 2006, den die Klägerin in ihrem Schreiben vom 28. Oktober 2010 an das SG als den Bescheid benennt, gegen den sich die Klage richtet, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 2006 ist bestandskräftig geworden, nachdem die hiergegen am 26. Juli 2006 erhobene Klage in der mündlichen Verhandlung des SG am 24. Juni 2008 zurückgenommen wurde. Damit ist der Rechtsstreit wegen des Bescheids vom 23. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 2006 in der Hauptsache erledigt (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Bestandskraft sämtlicher Bescheide steht einer weiteren Nachprüfung durch die Gerichte entgegen. Die Prüfung, ob der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, ist den Gerichten verwehrt. Es ist deshalb nicht zu prüfen, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Etwas anderes lässt sich auch nicht auf das von der Klägerin dem SG gegenüber erwähnte Schreiben des C. F. an die Beklagte vom 01. Juli 2008 stützen, denn hierbei handelt es sich um keinen Verwaltungsakt der Beklagten, der von den Gerichten, vorausgesetzt die Fristen und sonstigen Voraussetzungen wären eingehalten, überprüft werden könnte.
Einen neuen Rentenantrag hat die Klägerin in der Zeit vom 17. Januar 2006 bis zur mündlichen Verhandlung des Senats nicht gestellt. Die Beklagte hat aus diesem Grund auch nicht über einen Neuantrag der Klägerin entschieden und ist hierzu auch nicht verpflichtet gewesen. Damit fehlt es an einem in die Rechte der Klägerin eingreifenden anfechtbaren Verwaltungsakt und damit auch an einer notwendigen Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage. Einer Entscheidung der Beklagten bedarf es erst aufgrund des von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats gestellten Rentenantrags.
Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) setzt ebenso wie die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) voraus, dass der Sozialleistungsträger die begehrte Leistung abgelehnt hat, mithin einen entsprechenden Bescheid erlassen hat. Da die Beklagte über alle von der Klägerin gestellten Rentenanträge entschieden hat, ist die Klage auch nicht als Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) zulässig.
2. Richter am Sozialgericht V. war zur Entscheidung befugt. Er ist von der Klägerin für das Verfahren S 4 R 2619/10 nicht wegen Befangenheit abgelehnt worden. Mit ihrer Äußerung im Schriftsatz vom 05. Oktober 2010, sie werde Richter am Sozialgericht V. bei einem erneuten Rechtsstreit gegen die Beklagte ablehnen, kündigte die Klägerin die Ablehnung des Richters am Sozialgericht V. lediglich an, abgesehen davon, dass die Erklärung von C. F. abgegeben wurde, der zu diesem Zeitpunkt bereits die Vertretung niedergelegt hatte. Für das bei der 4. Kammer des SG anhängige Verfahren S 4 R 2619/10 war Richter am Sozialgericht V. damit nicht abgelehnt und an der Entscheidung deshalb nicht gehindert.
Selbst wenn diese Äußerung der Klägerin nicht nur als Ankündigung, sondern als Ablehnung zu werten ist, ist der angefochtene Gerichtsbescheid nicht wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben. Denn das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen Richter am Sozialgericht V. ist jedenfalls unbegründet. Der Senat kann die Ablehnungsgründe im Rahmen der ihm aufgrund der eingelegten Berufung zustehenden Entscheidungsbefugnis prüfen und darüber auch entscheiden, wenn hinreichende Tatsachenfeststellungen möglich sind (Bundessozialgericht - BSG - Beschluss vom 29. März 2007 - B 9a SB 18/06 B - = SozR 4-1500 § 60 Nr. 4). Dies ist hier der Fall. Nach §§ 60 Abs. 1 Satz 1 SGG, 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten (vgl. z.B. BSG, SozR 4-1500 § 60 Nr. 7, ständige Rechtsprechung). Eine rein subjektive Vorstellung des Ablehnenden scheidet aus. Ein solcher Grund ist nicht gegeben. Denn die Klägerin hat ihr Ablehnungsgesuch nur darauf gestützt, dass Richter am Sozialgericht V. in dem vorangegangenen Klageverfahren S 4 R 2741/06 tätig war. Allein die Mitwirkung eines Richters an einer früheren Klageverfahren ist kein Ablehnungsgrund. Vielmehr müssten - von der Klägerin nicht behauptete - besondere zusätzliche Umstände hinzutreten, um in den Fällen der Vorbefassung die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BSG, Beschluss vom 19. Januar 2010 - B 11 AL 13/09 C - = SozR 4-1500 § 60 Nr. 7).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Nach in den Jahren 1995 (Bescheid vom 11. März 1996, Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 1996, klagabweisender Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 25. April 1997 - S 4 J 1690/96 -), 1999 (Bescheid vom 12. August 1999, Widerspruchsbescheid 10. November 1999, Rücknahme der vor dem SG erhobenen Klage - S 3 RJ 357/00 -), 2000 (Bescheid vom 01. Februar 2001, Widerspruchsbescheid 29. März 2001, klagabweisender Gerichtsbescheid des SG vom 19. August 2002 - S 3 RJ 1057/01 -) und 2003 (Bescheide vom 11. Juli 2003 und 31. Oktober 2003, Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2004, klagabweisender Gerichtsbescheid des SG vom 27. Oktober 2005 - S 3 R 489/04 -) erfolglos gebliebenen Rentenanträgen beantragte die am 1960 geborene Klägerin am 17. Januar 2006 erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte diesen Rentenantrag mit Bescheid vom 23. März 2006 ab. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2006 zurückgewiesen. Die von der Klägerin am 26. Juli 2006 dagegen wiederum erhobene Klage zum SG wurde unter dem Aktenzeichen S 4 R 2741/06 geführt. Die Klägerin reichte verschiedene medizinische Unterlagen ein. Die Beklagte, die der Klage entgegentrat, legte eine beratungsärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Chirurgie - Sozialmedizin - Dr. L. vom 11. Juni 2008 vor. Das SG holte sachverständige Zeugenauskünfte der die Klägerin behandelnden Ärzte ein. Am 24. Juni 2008 nahm die anwaltlich vertretene Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG (Vorsitzender: Richter am Sozialgericht V.) die Klage zurück. Die von der Klägerin dagegen eingelegte "Berufung" verwarf der erkennende Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) mit Beschluss vom 15. Oktober 2008 als unzulässig (L 4 R 3469/08). Er führte aus, soweit sich die Klägerin gegen den Gerichtsbescheid vom 27. Oktober 2005 wenden wolle, sei die Berufung deswegen unzulässig, weil die Berufungsfrist bei Weitem abgelaufen sei, denn der Gerichtsbescheid sei der Klägerin bereits am 02. November 2005 zugestellt worden. Soweit sich die Klägerin auf das mit ihrer Klagerücknahme vom 24. Juni 2008 beendete Verfahren S 4 R 2741/06 beziehe und damit mit ihrer Berufung auch die Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 23. Februar 2006 (Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2006) begehren wollte, sei in diesem Verfahren eine Endentscheidung (Urteil oder Gerichtsbescheid) nicht ergangen. Durch die Klagerücknahme sei der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Damit seien die entsprechenden Bescheide bestandskräftig geworden. Die Bestandskraft der Bescheide stehe einer Nachprüfung durch das Berufungsgericht entgegen. Die Klagerücknahme als Prozesshandlung sei auch nicht mit der Berufung anfechtbar. Die Klagerücknahme könne auch gegenüber dem Sozialgericht grundsätzlich nicht widerrufen und auch nicht angefochten werden. Darüber, ob hier bei Vorliegen der Voraussetzungen der Wiederaufnahme ein Widerruf der Klagerücknahmeerklärung in Betracht kommen könnte, sei mangels Entscheidung des SG darüber nicht im Rahmen der von der Klägerin anhängig gemachten Berufung zu entscheiden.
Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 01. Juli 2008 erläuterte C. F. als "Bevollmächtigter", weshalb der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren sei. Mit an das Bundessozialgericht (BSG) gerichtetem Schreiben vom 03. Mai 2010, eingegangen beim BSG am 17. Mai 2010, erhob die Klägerin durch den bevollmächtigten C. F. Klage gegen die Beklagte. Sie trug vor, im Jahr 2008 sei die Klage auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zurückgenommen worden. Aufgrund ihrer Erkrankungen wäre ihr eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zuzusprechen gewesen. Das BSG, bei dem die Klage unter dem Aktenzeichen B 13 R 13/10 S geführt wurde, erklärte sich mit Beschluss vom 06. Juli 2010 für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das SG, bei dem er am 22. Juli 2010 einging.
Auf Nachfrage des SG teilte C. F. zunächst mit, dass er der Klägerin auf freundschaftlicher Basis helfe, legte die Vertretung dann nieder. Auf weitere Nachfrage des SG gegen welchen Bescheid/Widerspruchsbescheid der Beklagten sich die Klage richte, führte die Klägerin aus, es handele sich um den Ablehnungsbescheid vom 23. März 2006 sowie das Schreiben mit Datum vom 01. Juli 2008. Richter am Sozialgericht V. werde sie bei einem erneuten Rechtsstreit gegen die Beklagte ablehnen. Sie wies darauf hin, dass seit Jahren Arbeitsunfähigkeit vorliege und legte ein ärztliches Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin W. vom 11. Mai 2006 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Beck vom 29. Januar 2007 vor. Aufgrund des Gutachtens von Dr. Sc. vom 19. Februar 2009 sei ersichtlich, dass sie nicht mehr erwerbsfähig sei. Sie legte hierzu eine Epikrise des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sc. vom 19. Februar 2009 mit der Diagnose rezidivierende neurasthenische Symptomatik bei nicht ausgeschlossener schizoaffektiver Erkrankung; nach wie vor sei eine kontinuierliche Leistungssituation mit Tätigsein von wirtschaftlichem Wert undenkbar bzw. unrealistisch, sowie ein nervenärztliches Gutachten des Dr. Sc. vom 29. November 2010 vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2010 wies die 4. Kammer des SG durch Richter am Sozialgericht V. die Klage ab. Die Klage sei unzulässig mangels eines anfechtbaren Bescheides. Die Ablehnung sämtlicher Anträge der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung sei bestandskräftig geworden. Einen neuen Rentenantrag habe die Klägerin nicht gestellt. Die nunmehr erhobene Klage sei damit unzulässig mangels eines vorangegangenen Verwaltungsverfahrens.
Dagegen hat die Klägerin am 17. Januar 2011 beim LSG Berufung eingelegt. Sie habe Richter am SG V. abgelehnt. Er nehme dem Anschein nach neue Arztberichte (Befunde) nicht zur Kenntnis.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 20. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01. Juni 2010 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt unter Verweis auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid vor, aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten und die Vorprozessakten des SG S 4 J 1690/96, S 3 RJ 357/00, S 3 RJ 1057/01 und S 4 R 2741/06 und des LSG L 4 R 3469/08 sowie die Akte des BSG B 13 R 13/10 S Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.
1. Soweit sich die Klage gegen die seit 1996 von der Beklagten erlassenen Bescheide richtet, ist die Klage unzulässig, denn sämtliche die Rente ablehnenden Bescheide der Beklagten sind bestandskräftig geworden. Bezüglich des Bescheids vom 11. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 1996 wurde die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. April 1997 abgewiesen. Der Antrag aus dem Jahr 1999 wurde mit Bescheid vom 12. August 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 1999 abgelehnt. Die dagegen von der Klägerin erhobene Klage wurde zurückgenommen. Auf den Antrag aus dem Jahr 2000 erging der Bescheid vom 01. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. März 2001. Die dagegen erhobene Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 19. August 2002 abgewiesen. Die Anträge aus dem Jahr 2003 wurden durch Bescheide vom 11. Juni 2003 und 31. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2004 abgelehnt. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 27. Oktober 2005 abgewiesen. Auch der auf den Antrag der Klägerin vom 17. Januar 2006 ergangene Bescheid der Beklagten vom 23. März 2006, den die Klägerin in ihrem Schreiben vom 28. Oktober 2010 an das SG als den Bescheid benennt, gegen den sich die Klage richtet, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 2006 ist bestandskräftig geworden, nachdem die hiergegen am 26. Juli 2006 erhobene Klage in der mündlichen Verhandlung des SG am 24. Juni 2008 zurückgenommen wurde. Damit ist der Rechtsstreit wegen des Bescheids vom 23. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 2006 in der Hauptsache erledigt (§ 102 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Bestandskraft sämtlicher Bescheide steht einer weiteren Nachprüfung durch die Gerichte entgegen. Die Prüfung, ob der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, ist den Gerichten verwehrt. Es ist deshalb nicht zu prüfen, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Etwas anderes lässt sich auch nicht auf das von der Klägerin dem SG gegenüber erwähnte Schreiben des C. F. an die Beklagte vom 01. Juli 2008 stützen, denn hierbei handelt es sich um keinen Verwaltungsakt der Beklagten, der von den Gerichten, vorausgesetzt die Fristen und sonstigen Voraussetzungen wären eingehalten, überprüft werden könnte.
Einen neuen Rentenantrag hat die Klägerin in der Zeit vom 17. Januar 2006 bis zur mündlichen Verhandlung des Senats nicht gestellt. Die Beklagte hat aus diesem Grund auch nicht über einen Neuantrag der Klägerin entschieden und ist hierzu auch nicht verpflichtet gewesen. Damit fehlt es an einem in die Rechte der Klägerin eingreifenden anfechtbaren Verwaltungsakt und damit auch an einer notwendigen Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage. Einer Entscheidung der Beklagten bedarf es erst aufgrund des von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung des Senats gestellten Rentenantrags.
Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) setzt ebenso wie die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) voraus, dass der Sozialleistungsträger die begehrte Leistung abgelehnt hat, mithin einen entsprechenden Bescheid erlassen hat. Da die Beklagte über alle von der Klägerin gestellten Rentenanträge entschieden hat, ist die Klage auch nicht als Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) zulässig.
2. Richter am Sozialgericht V. war zur Entscheidung befugt. Er ist von der Klägerin für das Verfahren S 4 R 2619/10 nicht wegen Befangenheit abgelehnt worden. Mit ihrer Äußerung im Schriftsatz vom 05. Oktober 2010, sie werde Richter am Sozialgericht V. bei einem erneuten Rechtsstreit gegen die Beklagte ablehnen, kündigte die Klägerin die Ablehnung des Richters am Sozialgericht V. lediglich an, abgesehen davon, dass die Erklärung von C. F. abgegeben wurde, der zu diesem Zeitpunkt bereits die Vertretung niedergelegt hatte. Für das bei der 4. Kammer des SG anhängige Verfahren S 4 R 2619/10 war Richter am Sozialgericht V. damit nicht abgelehnt und an der Entscheidung deshalb nicht gehindert.
Selbst wenn diese Äußerung der Klägerin nicht nur als Ankündigung, sondern als Ablehnung zu werten ist, ist der angefochtene Gerichtsbescheid nicht wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben. Denn das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen Richter am Sozialgericht V. ist jedenfalls unbegründet. Der Senat kann die Ablehnungsgründe im Rahmen der ihm aufgrund der eingelegten Berufung zustehenden Entscheidungsbefugnis prüfen und darüber auch entscheiden, wenn hinreichende Tatsachenfeststellungen möglich sind (Bundessozialgericht - BSG - Beschluss vom 29. März 2007 - B 9a SB 18/06 B - = SozR 4-1500 § 60 Nr. 4). Dies ist hier der Fall. Nach §§ 60 Abs. 1 Satz 1 SGG, 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten (vgl. z.B. BSG, SozR 4-1500 § 60 Nr. 7, ständige Rechtsprechung). Eine rein subjektive Vorstellung des Ablehnenden scheidet aus. Ein solcher Grund ist nicht gegeben. Denn die Klägerin hat ihr Ablehnungsgesuch nur darauf gestützt, dass Richter am Sozialgericht V. in dem vorangegangenen Klageverfahren S 4 R 2741/06 tätig war. Allein die Mitwirkung eines Richters an einer früheren Klageverfahren ist kein Ablehnungsgrund. Vielmehr müssten - von der Klägerin nicht behauptete - besondere zusätzliche Umstände hinzutreten, um in den Fällen der Vorbefassung die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BSG, Beschluss vom 19. Januar 2010 - B 11 AL 13/09 C - = SozR 4-1500 § 60 Nr. 7).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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