L 4 KR 3059/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 4771/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3059/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, seit 01. Mai 1993 bei dem Beigeladenen zu 1), ihrem Ehemann, nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt zu sein.

Der Ehemann der Klägerin und Beigeladene zu 1) ist Bäckermeister und betreibt seit 01. Mai 1993 eine Bäckerei mit Hauptgeschäft und drei Filialen. Er hatte den Betrieb zu diesem Zeitpunkt von seinem Vater übernommen und führt ihn als Einzelfirma.

Die am 1968 geborene Klägerin und der Beigeladene zu 1) heirateten am 1987. Die Klägerin ist gelernte Krankenschwester. Sie war bereits vor dem 01. Mai 1993 zeitweise im damaligen Betrieb ihres Schwiegervaters tätig. Zum 01. Mai 1993 meldete sie der Beigeladene zu 1) als seine versicherungspflichtige Arbeitnehmerin zur Sozialversicherung an. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nach Angaben der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) nicht geschlossen. Die Klägerin erhielt ein monatliches Entgelt, von dem Lohnsteuer sowie Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge abgeführt wurden. Ausweislich der Einkommenssteuerbescheide für die Eheleute für die Jahre 1993 bis einschließlich 2005 sowie der Gehaltsabrechnungen der Klägerin für September, November und Dezember 1999, sämtliche Monate des Jahres 2000, die Monate Januar bis einschließlich April sowie Juni bis einschließlich Dezember 2001, sämtliche Monate des Jahres 2002, der Lohnkonten des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin für die Monate Oktober, November und Dezember 2003, der Gehaltsabrechnungen der Klägerin für die Monate Januar bis einschließlich September 2003 sowie Dezember 2003, den Lohnkonten des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin für das Gesamtjahr 2004, der Gehaltsabrechnungen der Klägerin für Februar, Mai, September, Oktober, November und Dezember 2004, der Lohnkonten des Beigeladenen zu 1) für die Klägerin für das Gesamtjahr 2005, der Gehaltsabrechnungen der Klägerin für die Monate Januar bis März 2005 sowie Mai bis Juli 2005, September, November und Dezember 2005 und des Ausdrucks der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für die Klägerin für 2005 - alle Unterlagen vorgelegt auf Anforderung des Senats - entwickelte sich dabei das von der Klägerin erzielte Entgelt wie folgt:. Die Klägerin erzielte 1994 noch einen Bruttoarbeitslohn von DM 33.424,00 im Gesamtjahr, 1995 DM 31.746,00, 1996 DM 31.746,00, 1997 DM 30.810,00, 1998 DM 30.810,00, 1999 DM 32.611,00, 2000 DM 36.936,00, 2001 DM 36.936,00, 2002 EUR 21.846,00, 2003 EUR 13.378,00, 2004 EUR 5.278,00, 2005 ebenfalls EUR 5.278,00. Die Klägerin erhielt vermögensbildende Leistungen sowie Zahlungen für eine Direktversicherung. Nach Angaben der Klägerin und des Beigeladenen zu 1) ist die Klägerin in dem Betrieb im Verkauf im Hauptgeschäft tätig und leitet den Verkauf insgesamt, während der Beigeladene zu 1) für die Herstellung der Backwaren zuständig ist. Die Klägerin erledigt auch die Buchführung.

Anlässlich der Geschäftsübernahme durch den Beigeladenen zu 1) zum 01. Mai 1993 nahmen der Beigeladene zu 1) und die Klägerin ein gemeinschaftliches Darlehen über DM 500.000,00 zur Finanzierung der Übernahme von Geschäft und Haus auf. Mit Kaufkreditvertrag vom 30. Juni 1994 folgte ein Kredit über einen Nettokreditbetrag von DM 111.100,00 zur Finanzierung der Anschaffung eines Speziallangrollers, einer Brötchenanlage und einer Tortenvitrine. Mit Kaufkreditvertrag vom 26. Juni 1995 nahmen die Eheleute ein weiteres Darlehen über einen Nettokreditbetrag von DM 79.800,00 zur Finanzierung des Kaufs einer Tiefkühlzelle, dreier Öfen und eines Dampfkondensators auf. Weitere Darlehensaufnahmen zur Verstärkung laufender Betriebsmittel, Anzahlung eines Frosters sowie zur Finanzierung einer Nachzahlung an die Berufsgenossenschaft fanden am 22. Februar, 06. Oktober und 30. November 1995 sowie 05. August 1996 in Höhe von zuletzt DM 166.222,39 statt. Laut der zu den letztgenannten Krediten zugehörigen Zweckerklärung für Grundschulden haftet für das Darlehen das Grundstück des Beigeladenen zu 1) in der W.-straße (Betriebssitz und Wohnhaus der Eheleute) in K.-D ... Nach Angaben der Klägerin wurden die genannten Darlehen zusammengefasst in einem Festdarlehen über EUR 399.723,23 mit Laufzeit bis 30. Juli 2015 und Tilgung durch Besparung eines Bausparvertrages über EUR 400.000,00 mit monatlich EUR 1.420,00. Auch dieses Darlehen haben die Eheleute gemeinsam aufgenommen (Darlehen der Sparkasse Karlsruhe vom 05. August 2005).

Bei der Beklagten, bei der die Kranken- und Pflegeversicherung für die Klägerin besteht, beantragten die Klägerin und der Beigeladene zu 1) am 05. September 2005 die Überprüfung der Sozialversicherungspflicht der Klägerin rückwirkend für die Zeit seit 01. Mai 1993. Sie führten an, die Tätigkeit der Klägerin beim Beigeladenen zu 1) sei nicht als abhängige Beschäftigung zu qualifizieren. Es existiere kein schriftlicher Arbeitsvertrag. Die Mitarbeit sei durch familiäre Rücksichtnahme und ein gleichberechtigtes Nebeneinander mit dem Betriebsinhaber geprägt. Die Klägerin absolviere eine durchschnittliche Wochenstundenzahl von 55 Stunden und nehme maximal 14 Tage im Jahr Urlaub, da sie aufgrund des ihrer alleinigen Verantwortung unterliegenden Aufgabenbereichs nicht länger als zwei Wochen dem Betrieb fernbleiben könne. Ihr Aufgabengebiet sei sehr umfangreich und es müssten daher zwei bis drei fremde Mitarbeiter eingestellt werden, wenn sie dieses Aufgabenfeld nicht abdecken würde. Das von ihr erzielte Arbeitsentgelt sei in Relation zur Arbeitsleistung äußerst gering und habe nur noch Taschengeldcharakter. Sie führe eigenverantwortlich Vertragsverhandlungen und Kundenbesuche mit Großkunden durch, leite weisungsunabhängig Rechnungs- und Mahnwesen, vorbereitende Buchhaltung sowie Bankgeschäfte und Scheckverkehr. Ihr unterliege weisungsungebunden die Mitarbeiterführung und Verwaltung der im Betrieb beschäftigten Arbeitskräfte. Sie unterliege keinem Weisungsrecht, habe Handlungs- und Bankvollmacht, sei bei finanziellen Engpässen zur Reduzierung des Arbeitsentgelts bereit gewesen und unterstütze die Firma mit erheblichen Darlehen. Das Gesamtbild sei das einer unternehmerischen Tätigkeit. Eine Betriebsprüfung, bei der die Versicherungspflicht der Klägerin geprüft worden wäre, habe nicht stattgefunden. Bloße Buchung des Arbeitsentgeltes als Betriebsausgabe und Zahlung von Lohnsteuer auf das Arbeitsentgelt begründeten nicht das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Durch die Darlehensaufnahme trage die Klägerin auch ein unternehmerisches Risiko.

Die Beklagte legte den Vorgang der Beigeladenen zu 2) zur Stellungnahme vor. Diese teilte mit, sie gehe sowohl für die Vergangenheit seit 01. Mai 1993 als auch über den 01. Juli 2003 hinaus vom Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung aus. Alleine durch die Haftung bzw. Darlehensgewährung werde ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht ausgeschlossen. Die gewählte Rechtsform einer Einzelfirma spreche für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Mit einem entsprechenden Willen der Beteiligten hätte durch die Gründung einer Personengesellschaft dokumentiert werden können, dass eine selbstständige Tätigkeit vorliege.

Die Beklagte schloss sich dieser Einschätzung an und teilte der Klägerin mit Bescheid vom 21. Juni 2006 mit, es handle sich um ein jahrelang gelebtes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, das nach einem Motivwechsel der Versicherten und des Arbeitgebers rückwirkend als selbstständige Tätigkeit dargestellt werden solle. Anmeldung zur Sozialversicherung, steuerrechtliche Behandlung und das Führen des Betriebs in der Rechtsform der Einzelfirma sprächen für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.

Den hiergegen mit Telefax vom 21. Juli 2006 eingelegten Widerspruch der Klägerin, den sie ergänzend damit begründete, es würden auch für einen Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH Lohnsteuer abgeführt und die Zahlungen an den Geschäftsführer als Betriebsausgaben gebucht, ohne dass es sich um eine abhängige Beschäftigung handle, wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 2006 zurück. Die von der Klägerin seit dem 01. Mai 1993 in dem vom Beigeladenen zu 1) betriebenen Einzelunternehmen ausgeübte Tätigkeit werde im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung verrichtet und unterliege der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht in der Kranken-, Pflege- (ab 01. Januar 1995), Renten- und Arbeitslosenversicherung. Bei der Tätigkeit von Familienangehörigen sei es zur Annahme einer entgeltlichen Beschäftigung nicht erforderlich, dass Entgelt in einer Höhe gezahlt werde, welches dem eines "fremden" Beschäftigten entspreche. Betriebsorganisation und Geschäftsablauf lägen in der Hand des Beigeladenen zu 1) als Inhaber des Einzelunternehmens, zumal die Klägerin nach den Angaben in den abgegebenen Meldungen als Verkäuferin (Tätigkeitsschlüssel "682") tätig sei. Daran ändere auch nichts, dass sie nach den Angaben auf dem Feststellungsbogen und ihren Ausführungen "weisungsfrei" tätig sei, da eine enge familiäre Beziehung zu einer milderen Form des Über- und Unterordnungsverhältnisses führen könne. Bei der Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages dürfte es sich eher um ein Ehegattenrisiko handeln. Diese Verfahrensweise der Banken sei auch bei nicht mitarbeitenden Ehegatten üblich.

Am 12. Oktober 2006 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und betonte, gleichberechtigt neben dem Beigeladenen zu 1) als Betriebsinhaber tätig zu sein und in alleiniger Verantwortung den Bereich der Verkaufsleitung zu betreuen.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid entgegen.

Mit Beschluss vom 13. Februar 2007 lud das SG zum Verfahren bei: C. H. als Inhaber von H. Backstube (Beigeladener zu 1), die Deutsche Rentenversicherung Bund (Beigeladene zu 2), die Pflegekasse der Beklagten (Beigeladene zu 3) sowie die Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 4).

Die Beigeladene zu 2) und 3) schlossen sich der Beurteilung der Beklagten an. Der Beigeladene zu 1) erteilte auf Nachfrage des SG schriftliche Auskunft über die in seinem Betrieb tätigen Mitarbeiter.

In einem Erörterungstermin am 13. November 2007 befragte das SG eingehend die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) sowie vernahm die Mitarbeiterin A. M. und den früheren Mitarbeiter G. F. des Beigeladenen zu 1) als Zeugen. Die Klägerin und der Beigeladene zu 1) berichteten über ihren Arbeitsalltag und ihre Aufgabenbereiche sowie die Darlehensaufnahmen. Die Zeugin M., Bäckereifachverkäuferin, berichtete, die Klägerin sei ihre Chefin und für sie als Verkäuferin zuständig. Sie regele Arbeitszeiten und Urlaub der Verkäuferinnen und sei verantwortlich für die Bestellungen in der Bäckerei. Der Zeuge F. berichtete, in der Backstube tätig gewesen zu sein. Sein vorrangiger Ansprechpartner sei der Beigeladene zu 1) gewesen. In dessen Abwesenheit habe er aber alle anfallenden Fragen und Probleme mit der Klägerin besprochen. Er habe immer beide gleichermaßen als seine Chefs angesehen.

Nach entsprechender Anhörung der Beteiligten wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 03. Juni 2009 die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Umstände sprächen überwiegend für eine abhängige Beschäftigung der Klägerin beim Beigeladenen zu 1). Zur seiner (des SG) Überzeugung übe die Klägerin typische Aufgaben einer abhängig beschäftigten Bereichsleiterin aus. Ihr Arbeitsfeld erstrecke sich auf Verkaufstätigkeiten, Einräumen des Ladens, Angebotserstellung für und Abwicklung von Kundenbestellungen, Einteilung des Verkaufspersonals auf die einzelnen Filialen und die Bestellung von Waren für die Filiale. Des Weiteren sei sie für die Buchhaltung verantwortlich. Im Rahmen der anfallenden Arbeitsabläufe finde im Wesentlichen eine Arbeitsteilung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) statt. Abgesehen von den fest umrissenen Aufgabenbereichen arbeiteten die Klägerin und der Beigeladene zu 1) aber "Hand in Hand." Insgesamt sei der Verkaufsbereich in die Organisation des Unternehmens des Beigeladenen zu 1) eingegliedert. Dafür, dass der Klägerin über ihren Bereich hinaus auch ein freies Entscheidungsrecht für Belange des gesamten Unternehmens zustehe, sei nichts ersichtlich. Auch habe der Beigeladene zu 1) und nicht die Klägerin selbst die Qualifikation des Bäckermeisters. Von entscheidender Bedeutung sei, dass die Tätigkeit der Klägerin bisher als abhängiges Beschäftigungsverhältnis abgewickelt worden sei. Die Mitübernahme von Darlehen sei nicht mit einer Einräumung weitergehender Befugnisse innerhalb des Unternehmens verbunden gewesen und begründe daher ebenfalls nicht eine Mitunternehmerschaft und Aufhebung des zuvor bestehenden Arbeitsverhältnisses.

Am 06. Juli 2009 hat die Klägerin gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 08. Juni 2009 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Ergänzend zum bisherigen Vorbringen weist sie darauf hin, erneut eine Privateinlage von EUR 30.000,00 aus einer Erbschaft in den Betrieb erbracht zu haben. Insgesamt führten der Beigeladene zu 1) und sie den Betrieb gemeinsam und seien beide bereit, das volle finanzielle Risiko zu tragen. Die Klägerin hat die oben genannten Einkommensteuerbescheide und Gehaltsabrechnungen vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03. Juni 2009 sowie den Bescheid vom 21. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. September 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass die Tätigkeit der Klägerin beim Beigeladenen zu 1) seit dem 01. Mai 1993 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidend sei, dass der Beigeladene zu 1) Betriebsinhaber sei und die entsprechende Rechtsmacht zur Führung des Unternehmens besitze. Die Mithaftung für Darlehen diene in erster Linie dazu, die Klägerin als Ehegattin in die Haftung zu nehmen, um Vermögensverschiebungen vom Beigeladenen zu 1) hin zu ihr zu verhindern. Dieses Unternehmensrisiko hänge nicht von eigener unternehmerischer Tätigkeit ab, sondern sei die Übernahme des Risikos für die Tätigkeit des Ehepartners. Eine Pflicht, das obligatorische Anfrageverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) einzuleiten, bestehe nicht, da die Tätigkeit der Klägerin bereits seit Jahren ausgeübt werde.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt. Die Beigeladene zu 2) hat ebenfalls die Auffassung vertreten, ein obligatorisches Anfrageverfahren habe nicht durchgeführt werden müssen.

Die Beteiligten haben alle schriftlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG. Denn die Klage betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung noch einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid vom 21. Juni 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. September 2006 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin seit 01. Mai 1993 bei dem Beigeladenen zu 1) eine abhängige Beschäftigung ausübt und deshalb der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.

Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die nach § 28i Satz 1 SGB IV zuständige Einzugsstelle war hier die Beklagte, weil diese im betroffenen Zeitraum bei der Klägerin die Krankenversicherung durchführte. Eine Zuständigkeit der Beigeladenen zu 2) für die Feststellung der Sozialversicherungspflicht, die eine Zuständigkeit der Beklagten ausschließt, ergibt sich für den vorliegenden Fall auch nicht aus § 7a Abs. 1 Satz 2 SGB IV, eingefügt mit Wirkung vom 01. Januar 2005 durch Art. 4 Nr. 3 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 2954). Hiernach hat die Einzugsstelle einen Antrag bei der Beigeladenen zu 4) zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28 a SGB IV) ergibt, dass der Beschäftigte (bis 31. Dezember 2008) Angehöriger des Arbeitgebers, (seit 01. Januar 2009) Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers (geändert durch Art. 1 Nr. 1 des Zweites Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 21. Dezember 2008 [BGBl. I, 2933]) oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist. Dieses obligatorische Statusfeststellungsverfahren ist bei Ehegatten nämlich erst bei Anmeldungen durchzuführen, die erstmals ab 30. März 2005 bei den Einzugsstellen erfolgen (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 10. Oktober 2008 - L 4 KR 4374/06 -, nicht veröffentlicht; Marschner in Kreikebohm, Kommentar zum SGB IV, § 71 RdNr. 3; Lüdtke in LPK-SGB IV, § 7a RdNr. 11). Bei zuvor erfolgten Anmeldungen verbleibt es bei der Zuständigkeit der Einzugsstelle nach § 28 h Abs. 2 SGB IV. Die Anmeldung der Klägerin zur Sozialversicherung erfolgte aber bereits zu Beginn ihrer hauptberuflichen Tätigkeit im Betrieb des Beigeladenen zu 1) am 01. Mai 1993 und damit vor dem 30. März 2005.

Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch ([SGB III], bis zum 31. Dezember 1997 § 168 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz [AFG]) sowie (ab 01. Januar 1995) in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbstständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht [BVerfG] SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 16).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse sind in diesem Sinne die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4; SozR 3-4100 § 168 Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSGE 45, 199, 200 ff.; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13; BSGE 87, 53, 56; jeweils m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 17).

Hierbei hat das BSG in zahlreichen Entscheidungen in ständiger Rechtsprechung betont, dass es auch bei einer Familiengesellschaft wesentlich auf die Kapitalbeteiligung und die damit verbundene Einflussnahme auf die Gesellschaft und deren Betrieb ankommt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSG Urteile vom 10. Mai 2007 - B 7a AL 8/06 - und vom 17. Dezember 2002 - B 7 AL 34/02 R -; jeweils veröffentlicht in juris). Zwar führt das Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung nicht zwingend zu einer abhängigen Beschäftigung, jedoch ist in diesen Fällen von einer abhängigen Beschäftigung nur in sehr eng begrenzten Einzelfällen abzugehen. Ein solcher Ausnahmefall kann beispielsweise bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die beispielsweise dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG Urteil vom 08. Dezember 1987 - 7 RAr 25/86 -, veröffentlicht in juris). Dies bedeutet aber nicht, dass jede familiäre Verbundenheit zum Ausschluss eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses führt. Die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist vielmehr ebenfalls unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ziehen (BSGE 3, 30, 39 f.; 17, 1, 7 f.; 74, 275, 278 f.; BSG SozR 2200 § 165 Nr. 90; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11).

Bei der Tätigkeit eines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung des Beschäftigten in den Betrieb und dem gegebenenfalls abgeschwächten Weisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Familienangehörige ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht. Dabei kommt der Höhe des Entgelts lediglich Indizwirkung zu. Es gilt nicht der Rechtssatz, dass eine untertarifliche oder eine erheblich übertarifliche Bezahlung die Annahme eines beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (BSG Urteil vom 17. Dezember 2002 - B 11 AL 34/02 R -, veröffentlicht in juris). Weitere Abgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabe verbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird, und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für die Bejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dass der Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist (BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 17). Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich auch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie im Allgemeinen weniger stark ausgeprägt ist und deshalb das Weisungsrecht möglicherweise nur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSGE 34, 207, 210; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 1; SozR 3-4100 § 168 Nr. 11).

Vor dem dargelegten rechtlichen Hintergrund gelangt der Senat in Würdigung des Einzelfalles zur Feststellung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Trotz der von der Klägerin schlüssig dargelegten Freiheiten in der Ausübung der Tätigkeit und der von ihr getragenen Verantwortung überwiegen danach qualitativ die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Zwar haben die Klägerin und der Beigeladene zu 1) nach ihren Behauptungen keinen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen, jedoch ihre Rechtsbeziehung in der Firma des Beigeladenen zu1) von Anfang an als Arbeitsverhältnis gestaltet und abgewickelt. Die Klägerin erhielt ein monatliches Bruttoentgelt, das ihr nach den Angaben im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses vom 01. September 2005 auf ein privates Bank-/Girokonto überwiesen wurde, für das sie verfügungsberechtigt war. Diese Vergütungspraxis entspricht typischerweise der Vergütung abhängig Beschäftigter. Das Arbeitsentgelt enthielt keine Bestandteile, die auch nur ansatzweise auf eine (gegebenenfalls geringe) Gewinn- bzw. Umsatzbeteiligung schließen lassen. Es wäre möglich gewesen, die Bäckerei gemeinsam von den Eltern des Beigeladenen zu 1) zu übernehmen und gemeinsam als Inhaber etwa in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch nach außen zu führen. Stattdessen entschieden sich Klägerin und Beigeladener zu 1) bewusst dafür, dass der Beigeladene zu 1) die Bäckerei einschließlich des Grundstücks übernahm und die Klägerin, die zuvor schon im damaligen Betrieb ihres Schwiegervaters gearbeitet hatte, anstellte. Aus dem gezahlten Bruttoentgelt, das als Betriebsausgabe bei dem Beigeladenen zu 1) verbucht und für das Lohnsteuer entrichtet wurde, wurden von Anfang an Beiträge zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie ab Einführung der sozialen Pflegeversicherung ab 01. Januar 1995 auch zur Pflegeversicherung abgeführt. Die Einnahmen wurden von der Klägerin unter Inanspruchnahme des Arbeitnehmerpauschbetrags auch durchgehend als solche aus nicht selbstständiger Arbeit versteuert. Die Verbuchung der Vergütung als Betriebsausgabe und die tatsächliche zeitnahe Entrichtung von Lohnsteuer ist ein (weiteres) Indiz für eine abhängige Beschäftigung (BSG SozR Nr. 22 zu § 165 RVO). Die Klägerin hat auch in den Jahren 1994 bis einschließlich 2002 im Wesentlichen Entgelt in gleichbleibender Höhe erhalten. So erhielt sie im Jahre 1994 einen Bruttoarbeitslohn von DM 33.424,00 und im Jahr 2002 von EUR 21.846,00 (nach den Steuerbescheiden). Eine gravierende Verringerung des Entgelts hat erst ab 2003 stattgefunden. Die nur in geringem Maße schwankende Entgelthöhe über einen Zeitraum von nahezu zehn Jahren hinweg, offensichtlich unabhängig von der im jeweiligen Jahr bestehenden wirtschaftlichen Situation des Betriebes, spricht ebenfalls für die Einordnung des gezahlten Entgeltes als Arbeitsentgelt aus abhängiger Beschäftigung. Den Einkommenssteuerbescheiden und Lohnabrechnungen ist weiter zu entnehmen, dass der Beigeladene zu 1) in eine Direktversicherung für die Klägerin eingezahlt hat und vermögenswirksame Leistungen überwiesen hat. Diese wurden in einem Bausparvertrag angelegt, für den im Jahre 1999 auch Arbeitnehmersparzulage in Anspruch genommen wurde (laut Einkommenssteuerbescheid). Die Entgeltform hat somit keine Züge unternehmerischen Risikos getragen. Eine Gewinnbeteiligung wurde zu keinem Zeitpunkt gezahlt.

Die Behauptung der Klägerin und des Beigeladenen zu 1), es sei keine schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen worden, ist überraschend. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Arbeitsverhältnisse unter nahen Angehörigen steuerlich nur anzuerkennen, wenn sie klar vereinbart und ernsthaft gewollt sind, tatsächlich durchgeführt werden und einem Fremdvergleich standhalten (BFHE 155, 114). Erfahrungsgemäß legen die Finanzämter deshalb Wert darauf, dass in diesen Fällen ein schriftlicher Arbeitsvertrag vorgelegt wird. Das Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrages spricht aber nicht gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Denn der wirksame Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages gemäß § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bedurfte weder zu Beginn der Beschäftigung noch bedarf er heute der Schriftform (vgl. LSG, Urteil vom 01. Februar 2011 - L 11 KR 1541/09 -, veröffentlicht in Juris).

Zu Beginn der Beschäftigung bei dem Beigeladenen zu 1) hat offenbar kein Interesse bestanden, sich der Versicherungspflicht und damit des Versicherungsschutzes (einschließlich der Familienversicherung für die gemeinsamen Kinder in der Krankenversicherung) zu entledigen oder dies wenigstens seitens der Versicherungsträger bzw. der Einzugsstelle prüfen zu lassen, auch nicht im Rahmen von Betriebsprüfungen. Damit fehlt es an jeglichem Nachweis einer rechtsverbindlich gewordenen Begründung einer Mitunternehmerschaft der Klägerin. Das Arbeitsverhältnis mag aus steuerrechtlichen Gründen Verbuchung als Betriebsausgabe und Unterwerfung unter das Lohnsteuerrecht - begründet worden sein. Es kann aber bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung nicht außer Betracht gelassen werden.

Der Annahme eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Tätigkeit weitgehend frei von Einzelweisungen ausübt und auch in dem streitigen Zeitraum ausgeübt hat. Zunächst ist die Abhängigkeit unter Ehegatten, wie ausgeführt, im Allgemeinen ohnehin weniger stark ausgeprägt und das Weisungsrecht kann deshalb mit gewissen Einschränkungen ausgeübt werden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 5 Nr. 17 m.w.N.). Zum anderen ist die inhaltliche oder fachliche Weisungsbefugnis bei höher qualifizierten Tätigkeiten eingeschränkt. Nach ständiger Rechtsprechung kann das Weisungsrecht des Arbeitgebers vornehmlich bei Diensten höherer Art auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein, wenn der Versicherte nur in dem Betrieb eingegliedert ist (BSG SozR 3-2400 § 2 Nr. 19 m.w.N.).

So bezweifelt der Senat nicht, dass die Klägerin als Ehefrau des Beigeladenen zu 1), Bäckermeister und Betriebsinhaber, eine herausgehobene Stellung in dem Betrieb hat. Über die auch von allen anderen Bäckereiverkäuferinnen auszuübenden Tätigkeiten des Verkaufs, des Nachräumens von Ware, der Anforderung benötigter Ware in der Backstube und auch der Abwicklung von Kundenbestellungen - all dies sind Tätigkeiten, die generell in Betrieben des Bäckerhandwerks nicht alleine dem Betriebsinhaber vorbehalten bleiben können - ist die Klägerin nach ihren und des Beigeladenen zu 1) unbestrittenen Angaben auch mit der Erstellung von Angeboten für größere Aufträge, mit der Buchhaltung und mit der Einteilung und Führung des Verkaufspersonals betraut. Hierbei handelt es sich jedoch um Funktionen, wie sie auch eine angestellte Verkaufsleiterin auszuüben hätte.

Nach den Darstellungen des Beigeladenen zu 1) und der Klägerin in dem Erörterungstermin des SG bespricht der Beigeladene zu 1) mit der Klägerin auch grundlegende Fragen des Betriebs wie etwa die Sortimentsgestaltung, Bankangelegenheiten oder die Einstellung und Entlassung von Personal. Dies ergibt sich indes aus der ehelichen Verbundenheit und nicht aus der rechtlichen Stellung der Klägerin. Die insoweit nicht ausgeübte Rechtsmacht des Beigeladenen zu 1) und die damit der Klägerin eröffnete Dispositionsfreiheit beseitigt nicht die rechtlich bestehende persönliche Abhängigkeit (vgl. BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4).

Ein sozialversicherungsrechtlich relevantes Unternehmerrisiko lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die Klägerin "Kopf und Seele" des Betriebes wäre. Dass der geschäftliche Erfolg des Betriebes auch erheblich vom Engagement der Klägerin abhängt, unterscheidet ihre Position qualitativ nicht wesentlich von derjenigen Leitender Angestellter, die sich für die Prosparität des Unternehmens einsetzen und im Übrigen auch unternehmerische (Teil-)Aufgaben wahrzunehmen haben (§ 5 Abs.3 Satz 2 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz, vgl. Bundesarbeitsgericht [BAG] NJW 2010, 2746).

Auch ist die Klägerin gelernte Krankenschwester, während der Beigeladene zu 1) Bäckermeister ist und den Betrieb von seinem Vater, gleichfalls Bäckermeister, übernommen hat. Die Klägerin verfügt also auch nicht als einzige über die zur Führung des Betriebes erforderlichen Branchenkenntnisse.

Maßgebend für ein - im Sinne des vom Senat regelmäßig besonders gewichteten Kriteriums - Unternehmerrisiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes tatsächlichen und persönlichen Mittel also wesentlich ungewiss ist (vgl. BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - veröffentlicht in Juris). Hier führt der Beigeladene zu 1) das Unternehmen als Einzelunternehmen und haftet für sämtliche Verbindlichkeiten des Unternehmens. Ein sozialversicherungsrechtlich entscheidendes Unternehmerrisiko ergibt sich auch nicht aus der Mitübernahme von Darlehen. Dass die Klägerin in erheblichem Umfang gemeinsam mit dem Beigeladenen zu 1) zur Finanzierung von Investitionen in den Betrieb Darlehen aufgenommen hat, spricht zwar für ein Interesse der Klägerin an dem Wohl und Wehe des Unternehmens. Dieses ergibt sich jedoch bereits aus der ehelichen Verbundenheit mit dem Beigeladenen zu 1). Auch wenn solche Geschäfte eine Einstandspflicht und Haftung der Klägerin mit dem Privatvermögen begründen, haben sie gleichwohl keinerlei förmliche und materielle Beteiligung am Unternehmen des Beigeladenen zu 1) herbeigeführt. Das Risiko der Haftung mit dem privaten Vermögen tritt im Hinblick auf die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Kriterien in den Hintergrund. Mit dem Einstehen für derartige Geschäfte verfolgen Eheleute oder andere Angehörige lediglich das gesteigerte - private - Interesse am wirtschaftlichen Erfolg des (Familien-)Unternehmens (vgl. Urteil des Senats vom 15. August 2008, L 4 KR 4577/06, veröffentlicht in Juris).

Gleichermaßen stellt sich die zumindest vorübergehende deutliche Verringerung des bezogenen Gehalts als Ausdruck ehelicher Verbundenheit dar und nicht als Ausprägung einer selbstständigen unternehmerischen Tätigkeit. Eine Änderung der sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Behandlung der Tätigkeit der Klägerin im Betrieb des Beigeladenen zu 1) haben die Klägerin und der Beigeladene zu 1) mit der Verringerung des Entgelts nämlich gerade nicht verbunden und nach ihrem Vortrag auch bis heute nicht vorgenommen. So führte auch eine unentgeltliche Mitarbeit im Betrieb des Ehegatten nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, nachdem sie sich zur Sache nicht geäußert und keine Anträge gestellt haben.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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