L 4 R 4073/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 3509/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 4073/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 09. August 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1968 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und zog am 09. Januar 1973 aus der Türkei nach Deutschland zu. Nach Abschluss der Schulausbildung übte er zeitweise Hilfsarbeitertätigkeiten aus. Eine Berufsausbildung absolvierte er nicht. Über lange Zeit hin war er arbeitslos. Ab Mitte der neunziger Jahre übte er in unterschiedlichem Umfang auch Tätigkeiten im Bereich der Immobilienvermittlung aus. Sein Versicherungsverlauf bei der Beklagten (vom 21. September 2010) weist Pflichtbeitragszeiten ab 18. August 1986 mit Unterbrechungen bis 17. April 1998 auf. Dabei handelt es sich seit 04. April 1991 nur noch um Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezugs von Sozialleistungen, insbesondere solcher von der damaligen Bundesanstalt für Arbeit, abgesehen von den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen vom 19. August bis 17. September 1991, 01. Februar bis 10. April 1992, 03. bis 21. August 1992, 16. September bis 16. Oktober 1992, 05. bis 19. November 1993, 01. bis 18. März 1994, 15. August bis 31. Dezember 1994 sowie 10. bis 13. Februar 1998. Nach dem 17. April 1998 sind im Versicherungsverlauf des Klägers nurmehr eine sog. "Überbrückungszeit" vom 28. April bis 31. Juli 1998 sowie Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug (keine Pflichtbeitragszeit) vom 05. November 2003 bis 01. Juli 2004 aufgeführt.

Einen Antrag des Klägers auf Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe vom 08. September 1998 lehnte die Bundesanstalt für Arbeit mit Bescheid vom 30. September 1998 ab, da der Anspruch wegen des Eintritts zweier Sperrzeiten erloschen sei.

Einen ersten Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 10. August 1999 lehnte die Landesversicherungsanstalt Württemberg als Rechtsvorgängerin der Beklagten (im folgenden einheitlich: Beklagte) mit Bescheid vom 25. Oktober 1999 ab.

Vom 15. November 2001 bis 04. November 2003 verbüßte der Kläger Strafhaft. Während dessen verrichtete er an insgesamt 205 Tagen eine versicherungspflichtige Beschäftigung. Nach Haftentlassung arbeitete der Kläger nach eigenen Angaben stundenweise für seinen Bruder, einen Immobilienmakler.

Sein Antrag auf Arbeitslosengeld vom 05. November 2003 wurde von der Bundesagentur für Arbeit mit Bescheid vom 19. November 2003 abgelehnt. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2004). Das Sozialgericht Heilbronn (SG) wies mit Gerichtsbescheid vom 15. August 2004 (S 3 AL 1880/04) die Klage hiergegen ab, das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) wies die Berufung mit Urteil vom 22. Juni 2005 zurück (L 5 AL 3589/04).

Den erneuten Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 10. Dezember 2003 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09. März 2004 ab, weil im maßgeblichen Zeitraum vom 10. Dezember 1998 bis 09. Dezember 2003 nur 0 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt seien. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2004 zurück.

Der Kläger erhob Klage zum SG Heilbronn (S 8 R 1710/04). Das SG hörte die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B.-F. schriftlich als sachverständige Zeugin. Sie führte unter dem 03. September 2004 unter Beifügung ihrer Krankenakte, die im Wesentlichen aus eigenen Arztbriefen und Bescheinigungen, einem Arztbrief des Facharztes für Psychotherapeutische Medizin Dr. H. vom 23. Dezember 1999 und einer Stellungnahme des Psychologen G. vom 14. November 2001 besteht, aus, der Kläger habe sich im Mai 1996, zwischen Januar 2000 und Oktober 2001 durchgehend sowie im September 2003 in ihrer Behandlung befunden. Sie sei bei ihm diagnostisch von einer gemischten Persönlichkeitsstörung mit vor allem abhängigen, unreifen, ängstlich-vermeidenden Zügen ausgegangen. Im Behandlungszeitraum habe zudem auf dieser Grundlage eine mittelgradige, zeitweise auch schwere Depression, insbesondere reaktiv im Zusammenhang mit der Angst von der anstehenden Haftstrafe, bestanden. In körperlicher Hinsicht neige der Kläger auch zu somatischen Reaktionen. Es bestehe sicher eine verminderte Belastbarkeit. Zum Verlauf seit 31. Oktober 2001 könne sie keine Angaben machen. Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie C. berichtete dem SG als sachverständige Zeugin unter dem 13. Januar 2005 ebenfalls unter Beifügung ihrer Krankenakte, der Kläger habe sich bei ihr zuletzt im Dezember 1999 vorgestellt. Es seien eine verlängerte depressive Reaktion, Verdacht auf Soziopathie und eine akute Belastungsreaktion diagnostiziert worden. In körperlicher Hinsicht hätten sich keine Auswirkungen gezeigt.

Das SG beauftragte Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sc. mit der Erstattung eines Gutachtens über den Kläger. Im Gutachten vom 11. Mai 2005, gestützt auf die Aktenlage und zwei ausführliche fachpsychiatrische Explorationen und Untersuchungen des Klägers am 18. April und 25. April 2005, stellte er die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leichte depressive Episode, eine undifferenzierten Somatisierungsstörung und einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional-instabilen, ängstlich-vermeidenden sowie narzisstischen Zügen. Der vollschichtigen Erbringung einer leichten körperlichen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne deutlich erhöhte Stressbelastung und ohne erhöhte Anforderungen an die soziale Kompetenz stünden die Gesundheitsstörungen nicht entgegen. Das aktuell beschriebene Leistungsbild bestehe seit Beendigung der Inhaftierung im November 2003 und habe sich seither weder verbessert noch verschlechtert. Vor der Inhaftierung am 15. November 2001 habe zufolge der eigenanamnestischen Angaben des Klägers und der aktenkundigen nervenärztlichen Vorbefunde offenkundig ein noch geringeres, hier wahrscheinlich auch quantitativ reduziertes Leistungsvermögen bestanden. Jedenfalls dürfte die von Dr. B. zwischen Januar 2000 und Oktober 2001 zeitweise als schwer qualifizierte depressive Störung auch zu quantitativen Leistungseinschränkungen geführt haben.

Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15. Juli 2005 (S 8 R 1710/04) ab, die Berufung des Klägers wies das LSG mit Urteil vom 25. Oktober 2005 (L 11 R 3109/05) zurück. Das LSG führte zur Begründung u.a. aus, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals am 31. März 2000 erfüllt gewesen seien und dass der Kläger nach Ende der Inhaftierung im November 2003 nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sc. in der Lage gewesen sei, vollschichtig eine Erwerbstätigkeit nachzugehen

Die zunächst erfolgte Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab 01. Januar 2005 hob die ARGE SoziAl Schwäbisch Hall mit Bescheid vom 30. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2007 wieder auf mit der Begründung, das Finanzamt Heilbronn habe mitgeteilt, der Kläger habe nach von seinem Bruder seit 15. November 2003 ununterbrochen einen Monatslohn in Höhe von EUR 800,00 erhalten. Der Kläger nahm hiergegen einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch, was indes erfolgslos blieb (Beschluss des SG vom 13. März 2007, S 3 AS 501/07 ER sowie Beschluss des LSG vom 08. Mai 2007, L 2 AS 1648/07 ER-B). Auch Gegenvorstellung und Anhörungsrüge insoweit blieben erfolglos (Beschluss des LSG vom 21. Mai 2007,: L 2 AS 2490/07 R). Die gegen den Bescheid vom 30. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2007 beim SG erhobene Klage (S 3 AS 1521/07) nahm der Kläger zurück.

Am 10. Mai 2009, bei der Beklagten am 13. Mai 2009 eingegangen, beantragte der Kläger bei der Beklagten erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab an, die beantragte Rente solle am 01. Oktober 2009 beginnen. Seine Erwerbsminderung sei durch die Inhaftierung in Heilbronn verursacht worden.

Mit Bescheid vom 02. Juli 2009 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Dem Antrag könne nicht entsprochen werden, weil in den letzten fünf Jahren drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht vorhanden seien. Im maßgeblichen Zeitraum vom 13. Mai 2004 bis 12. Mai 2009 seien nur 0 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt.

Mit seinem hiergegen eingelegten und am 08. Juli 2009 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch machte der Kläger erneut geltend, durch unmenschliche Inhaftierung und Haftunterbringung sei er dauerhaft voll erwerbsgemindert. Er sei nervlich und seelisch kaputt und habe nachts Albträume.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. September 2009 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück. Der Kläger habe keine weiteren rentenrechtlichen Zeiten geltend gemacht. Zwar sei die allgemeine Wartezeit bei ihm zum Zeitpunkt der Antragstellung erfüllt. Allerdings habe er in den letzten fünf Jahren vor Antragstellung keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet. Darüber hinaus sei auch der Zeitraum vom 01. Januar 1984 bis 31. Juli 2009 nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wären nur erfüllt, wenn Erwerbsminderung spätestens am 31. März 2000 eingetreten wäre. Hierfür ergäben sich jedoch keine Anhaltspunkte.

Am 07. Oktober 2009 erhob der Kläger Klage zum SG. Zur Begründung trug er vor, er könne aus gesundheitlichen Gründen nie mehr arbeiten. Niemand stelle ihn ein. Er sei traumatisiert und nicht krankenversichert. Es müsse doch eine Lösung geben.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 09. August 2010 wies das SG nach Anhörung der Beteiligten die Klage ab. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vom 13. Mai 2004 bis 12. Mai 2009 sei kein Monat mit Pflichtbeiträgen vorhanden. Auch lägen weder Anrechnungszeiten im Sinne des § 58 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) noch die Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 SGB VI vor. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen würden bei Eintritt eines Leistungsfalls bis einschließlich 31. März 2000 erfüllt, jedoch sei der Kläger seit Beendigung der Inhaftierung im November 2003 wieder vollschichtig leistungsfähig gewesen (Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Urteils des LSG vom 25. Oktober 2005 - L 11 R 3109/05 -).

Gegen den ihm am 18. August 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Schreiben vom gleichen Tag, eingegangen beim SG am 23. August 2010, Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, in der Justizvollzugsanstalt Heilbronn sei er misshandelt und gefoltert worden. Er könne niemandem mehr vertrauen und die Justiz habe sein Leben kaputt gemacht. Er sei seitens der ARGE Schwäbisch Hall arbeitssuchend gemeldet, erhalte aber keine Leistungen. Er könne nicht einmal zwei Stunden am Stück arbeiten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 09. August 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 01. Oktober 2009 Rente wegen voller, hilfsweiser wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Aus der Berufungsschrift ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen. Sie hat den Versicherungsverlauf vom 21. September 2007 vorgelegt.

In einem Erörterungstermin am 20. Oktober 2010 hat der Berichterstatter des Senats die Sach- und Rechtslage mit einem Vertreter der Beklagten erörtert. Zu diesem Termin ist auch der Kläger auf 11:45 Uhr geladen gewesen. Er hat um 11.27 Uhr telefonisch mitgeteilt, er stehe in einem Stau 35 km vor Stuttgart. Nachdem der Kläger bis 12:50 Uhr nicht erschienen gewesen ist, hat der Berichterstatter den Termin in Abwesenheit des Klägers bis 13:00 Uhr durchgeführt. Dem Kläger ist die Niederschrift über diesen Erörterungstermin mit den vom Berichterstatter gegebenen Hinweisen übersandt worden.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt, die Beklagte durch ihren Vertreter im Erörterungstermin am 20. Oktober 2010, der Kläger mit schriftlicher Erklärung vom 01. November 2010.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie folgender beigezogener Vorakten Bezug genommen: S 8 RJ 1710/04, S 3 AL 1880/04, S 1 AS 4310/05, S 3 AS 1521/07 und S 3 AS 501/07 ER (SG) sowie L 11 R 3109/05, L 5 AL 3589/04 und L 2 AS 1648/07 ER-B (LSG).

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 09. August 2010 hat das SG zu Recht die Klage abgewiesen. Die Ablehnung des Antrags auf Rente wegen Erwerbsminderung durch den Bescheid der Beklagten vom 02. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gegen die Beklagte.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ist nicht beantragt, würde aber vorliegend ohnehin bereits daran scheitern, dass der Kläger nicht vor dem 02. Januar 1961 geboren ist ( § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

1. Ausgehend vom Datum der Rentenantragstellung, dem 10. Mai 2009, scheitert ein Rentenanspruch des Klägers bereits daran, dass in den letzten fünf Jahren vor diesem Zeitpunkt drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht vorliegen. Dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden von einer Rentenantragstellung am 13. Mai 2009, dem Tag des Eingangs des Rentenantrags bei ihr, ausging, ist unschädlich. Ausweislich des aktuellen Versicherungsverlaufs vom 21. September 2010 liegen in dem maßgeblichen Zeitraum vom 10. Mai 2004 bis 09. Mai 2009 keinerlei Pflichtbeitragszeiten. Tatbestände, die nach § 43 Abs. 4 SGB VI den Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängern würden, sind ebenfalls nicht gegeben. So erfüllt auch die im Versicherungsverlauf angegebene Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug (keine Pflichtbeitragszeit) von 05. November 2003 bis 01. Juli 2004 nicht die Voraussetzungen des § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI. In den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeit liegt nämlich kein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, keine Anrechnungszeit, keine Zeit des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und auch keine Berücksichtigungszeit.

Ebenso liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten wäre, durch den § 53 SGB VI die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt das Erfordernis einer Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nicht entbehrlich ist (§ 43 Abs. 5 SGB VI). Ebenso wenig ist ersichtlich, dass der Kläger bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert gewesen wäre und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert wäre (§ 43 Abs. 6 SGB VI).

Auch die besonderen Voraussetzungen des § 241 SGB VI sind nicht erfüllt. So sind insbesondere keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Erwerbsminderung vor dem 01. Januar 1984 eingetreten sein könnte. Ebensowenig ist die Zeit vom 01. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung lückenlos mit Zeiten i. S. d. § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI belegt.

Der Senat hat auch weder dem Vortrag des Klägers noch dem gesamten Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten sowie den gerichtlichen Vorakten Anhaltspunkte dafür entnehmen können, dass im Versicherungsverlauf der Beklagten Pflichtbeitragszeiten fehlen würden. Vielmehr erklärt sich der Versicherungsverlauf ohne weiteres dadurch, dass der Arbeitslosenhilfeanspruch des Klägers, wie die Bundesanstalt für Arbeit mit Bescheid vom 30. September 1998 festgestellt hatte, zu diesem Zeitpunkt erloschen war. Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, die selbst eine Pflichtbeitragszeit hätte begründen können und zur Erfüllung der Voraussetzungen für Sozialleistungen hätte dienen können, die wiederum zur Entrichtung von Pflichtbeiträgen oder zumindest zu Anrechnungszeiten hätten führen können, hat der Kläger danach nicht mehr aufgenommen. Lediglich während der Strafhaft war er versicherungspflichtig beschäftigt. Strafgefangene, die nach den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes Arbeitsentgelt erhalten, sind zwar beitragspflichtig zur Bundesagentur für Arbeit (§ 26 Abs. 1 Nr. 4 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -) und sie unterfallen auch der Unfallversicherung (§ 2 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -). Anders als in diesen Versicherungszweigen hat der Gesetzgeber bezüglich der Rentenversicherung aber gerade nicht vorgesehen, dass eine während des Strafvollzugs geleistete oder zu leistende Arbeit Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auslöst. Vielmehr wurde die entsprechende Regelung des § 190 Strafvollzugsgesetz vom 16. März 1976 (BGBl. I Seite 581 ff) nicht durch das dazu erforderliche besondere Bundesgesetz (§ 198 Abs. 3 Strafvollzugsgesetz) in Kraft gesetzt. Hierin liegt auch kein Verstoß gegen Verfassungsrecht oder Europäisches Recht (vgl. hierzu etwa Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13. August 2008, L 4 R 67/08, juris). Ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger sich länger als ein Jahr in Strafhaft befand, hat er dennoch die Anwartschaftszeit von zwölf Monaten für einen neuen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach dem SGB III nicht erfüllen können. Maßgeblich sind für die Erfüllung der Anwartschaftszeiten insoweit nämlich die tatsächlich geleisteten 205 Kalendertage versicherungspflichtiger Beschäftigung und nicht die Dauer der Haftzeit (BSG, Beschluss vom 05. Dezember 2001, B 7 AL 74/01 B, juris). Im Übrigen wurde der im Anschluss an die Haft gestellte Arbeitslosengeldantrag des Klägers auch rechtskräftig abgelehnt. Nachdem etwaiger Sozialhilfebezug nach dem Bundessozialhilfegesetz rentenrechtliche Zeiten nicht begründete, konnte die Begründung erneuter Pflichtbeitragszeiten ab 01. Januar 2005 auf der Grundlage eines Leistungsbezugs nach dem SGB II in Betracht kommen. Die diesbezügliche Leistungsbewilligung ist jedoch von der zuständigen ARGE SoziAl Schwäbisch Hall wieder aufgehoben worden, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt keine weiteren rentenrechtlichen Zeiten entstehen konnten. Der Kläger selbst hat auch nochmals bestätigt, nunmehr ohne Leistungsbezug arbeitssuchend gemeldet zu sein (Schreiben vom 27. September und 06. Oktober 2010).

2. Letztmals erfüllt waren die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung bis 31. März 2000. Bereits im April 2000 waren im maßgeblichen Fünfjahreszeitraum keine 36 Monate Pflichtbeitragszeiten mehr vorhanden, nachdem im Versicherungsverlauf des Klägers insbesondere Lücken insoweit vorhanden sind, als die Monate August 1995 und September 1997 nicht mit Pflichtbeitragszeiten belegt sind und im Übrigen der letzte mit Pflichtbeitragszeiten belegte Monat der April 1998 ist. Wie das LSG bereits im Urteil vom 25. Oktober 2005 (L 11 R 3109/05) ausgeführt hat, kann indes jedenfalls nicht festgestellt werden, dass der Kläger durchgehend seit 31. März 2000 erwerbsgemindert gewesen wäre. Auch wenn nach dem Gutachten von Dr. Sc. im Verfahren des SG Heilbronn S 8 R 1710/04 für die Zeit vor der Inhaftierung am 15. November 2001 nach den eigenanamnestischen Angaben des Klägers und den aktenkundigen nervenärztlichen Vorbefunden offenkundig wohl ein geringeres, wahrscheinlich auch quantitativ reduziertes Leistungsvermögen bestanden hat, hatte sich jedenfalls in der Zwischenzeit seine Leistungsfähigkeit wieder gebessert. Der Kläger war jedenfalls seit Beendigung der Inhaftierung im November 2003 nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. Sc. in der Lage, einer Erwerbsfähigkeit vollschichtig nachzugehen. Diese Einschätzung ist durch ärztliche Unterlagen nicht widerlegt. Insbesondere die sachverständigen Zeugenauskünfte von Dr. B.-F. und der Ärztin C. im damaligen SG-Verfahren S 8 R 1710/04 können nicht als Beleg einer verminderten Erwerbsfähigkeit im November 2003 dienen. Beide haben den Kläger in dem betreffenden Zeitraum nicht gesehen, vielmehr zuletzt im Dezember 1999 (Ärztin C.) bzw. Oktober 2001 (Dr. B.-F., abgesehen von einer einmaligen Behandlung im September 2003). Insbesondere zeigt auch die Tatsache, dass der Kläger im Strafvollzug nach eigener Darstellung vollschichtig gearbeitet hat, dass jedenfalls keine durchgängige Erwerbsminderung in dieser Zeit bestand.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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