Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 KR 2123/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 13/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.11.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Mangenbandimplantation (gastric-banding) als adipositaschirurgische Behandlungsmaßnahme.
Die 1968 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Heilerziehungspflegerin in einer psychiatrischen Klinik, hatte 1999 erstmals eine Magenbandimplantation beantragt und hierfür das Gutachten des Klinikums Stuttgart (Prof. Dr. K., Dr. H.) vom 10.11.1999 (seinerzeit: Größe 166 cm; Gewicht 120 kg; BMI 44 (Norm 20 bis 25)) vorgelegt. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 29.12.1999 abgelehnt. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 13.4.2000) und Klage blieben erfolglos (Urt. des SG Stuttgart. vom 21.6.2001 - S 12 KR 2893/00). Bereits damals beanstandete die Beklagte, dass ein sog. integratives Gesamtkonzept, als ein Behandlungskonzept bestehend aus diätischen Maßnahmen, Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, psychologischen und verhaltenstherapeutischen Interventionen, Bewegungstherapie sowie ggfs. pharmakologischen Behandlungen in der Vergangenheit nicht konsequent durchgeführt worden sei.
Am 14.8.2007 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Magenbandimplantation. Zur Begründung legte sie das Gutachten des Klinikums St. (Prof. Dr. H./Dr. H.) vom 8.8.2007 vor. Darin ist ausgeführt, die Klägerin (Größe 166 cm; Gewicht 128 kg; BMI 46,5), die bereits seit der Kindheit übergewichtig sei, leide an einer morbiden, therapieresistenten Adipositas permagna mit ausschließlich übergewichtsbedingtem metabolischem Syndrom (u.a. Hypertonie, Fettleber). Sie sei kein "sweet-eater". Das Übergewicht sei auch nicht hormonell oder durch eine pathologische Essstörung bedingt. Die Klägerin sei ein reiner Vielesser. Seit dem ersten (erfolglosen) Leistungsantrag im Jahr 1999 habe sie weiter (um 8 kg) zugenommen. Das jetzige extreme Übergewicht liege seit 9 Jahren vor. Sie habe erfolglos mit unterschiedlichen Diäten und Sportprogrammen sowie der Einnahme von Appetitzüglern und der Teilnahme an Ernährungskursen in der ehemaligen DDR versucht, das Gewicht zu reduzieren. Außerdem habe sie (1983, 1989 und 1994) stationäre Kuren zur Gewichtsabnahme und eine ambulante Psychotherapie in Weimar absolviert. Mittlerweile seien eine diabetische Stoffwechsellage und eine Spinalkanalstenose aufgetreten. Außerdem schäme sich die Klägerin wegen ihres Aussehens. Die konservative Therapie sei gescheitert. Man habe bislang (unter Kostenzusage der Krankenkassen) bei weit über 480 Patienten Magenbandimplantationen durchgeführt.
Unter dem 3.9.2007 gab die Klägerin ergänzend an, sie habe eine von der Beklagten angebotene Ernährungsberatung sowie Diäten und Ernährungsumstellungen, teilweise vom Hausarzt angeraten, erfolglos durchgeführt. In den letzten Jahren habe sie nochmals deutlich zugenommen. Ernährungstagebücher habe sie zwar immer wieder geführt aber nicht aufbewahrt.
Die Klägerin legte außerdem das Attest des Psychotherapeuten B. vom 15.9.2007 vor. Darin ist ausgeführt, die Klägerin habe zwischen dem 6.6. und 14.9.2000 fünf verhaltenstherapeutische Probesitzungen absolviert. Aufgrund der anamnestischen und biografischen Daten habe er keine eindeutige Indikation und unzureichende Erfolgsaussichten für die seinerzeit erwogene ambulante Verhaltenstherapie gesehen.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. Br., dem die Gutachten des Klinikums St. und das Attest des Psychotherapeuten B. vorlagen, untersuchte die Klägerin, erhob eine Anamnese und diagnostizierte im Gutachten vom 19.11.2007 Adipositas per magna (Grad III, BMI 45,7), Spinalkanalstenose, Diabetes mellitus und Hypertonie. Gewichtsreduzierende Maßnahmen seien angezeigt. Grundlage des Gewichtsmanagements solle ein Basisprogramm aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sein. Verhaltenstherapeutische Ansätze könnten die Patientenmotivation bei der Einhaltung der Ernährungs- und Bewegungsempfehlung unterstützen. Der Einsatz von Techniken der Verhaltensmodifikation werde vor allem für die langfristige Gewichtsreduktion bzw. Gewichtsstabilisierung im Rahmen von Gewichtsmanagementprogrammen empfohlen. Als wichtigste Aspekte verhaltenstherapeutischer Elemente nenne die einschlägige Leitlinie zur chirurgischen Adipositasbehandlung die Selbstbeobachtung des Ess-, Trink- und Bewegungsverhaltens, beispielsweise mit Hilfe eines Ernährungstagebuchs und von Bewegungsprotokollen, die Einübung eines flexibel kontrollierten Essverhaltens, das Erlernen von Stimmungskontrolltechniken zur Reduzierung von Essreizen oder soziale Unterstützung und ein Rückfallprophylaxemanagement. Nach der genannten Leitlinie setze die Indikation zu einem operativen Eingriff das Scheitern der konservativen Behandlung voraus; diese müsse mindestens 6 bis 12 Monate nach definierten Qualitätskriterien durchgeführt worden sein. Bei den vielfältigen Maßnahmen, die die Klägerin in den letzten 20 Jahren ergriffen habe, habe eine Behandlung, die dem von der Leitlinie vorgesehenen integrativen Konzept entspreche, nicht stattgefunden. Die konservative Therapie könne deswegen nicht als gescheitert angesehen werden. Ein gastroplastischer Eingriff sei sozialmedizinisch nicht zu befürworten. Mit Bescheid vom 27.11.2007 lehnte die Beklagte den Antrag unter Bezugnahme auf das MDK-Gutachten des Dr. Br. ab.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs verwies die Klägerin auf die Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 19.12.2003, - B 1 KR 2/02 R -); die darin aufgestellten Voraussetzungen für die Gewährung einer chirurgischen Adipositastherapie seien bei ihr erfüllt. Konservative Versuche zur Gewichtsreduktion seien erfolglos geblieben; außerdem besuche sie regelmäßig Adipositas-Foren im internet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.2.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 13.3.2008 Klage beim Sozialgericht St. erhob.
Zur Begründung der Klage legte die Klägerin die den begehrten Eingriff befürwortenden Atteste des Orthopäden Dr. F. vom 4.6.2008 und vom 21.4.2009 sowie der Psychiaterin/Psychotherapeutin P. vom 7.7.2008 vor und machte geltend, sie leide seit ihrer Jugend an (nicht psychopathologisch bedingtem) Übergewicht (Gewicht derzeit 130 kg), das sie weder mit Diäten noch mit sportlicher Betätigung habe vermindern können. Die Adipositas habe zu Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypertonie, Schlafapnoe und einer Spinalkanalstenose sowie zu psychischen Belastungen geführt. Internistisch-konservative Therapien, wie Abnehmkuren und in Eigenregie durchgeführte Diäten, hätten keinen bleibenden Erfolg erzielt. Die Magenbandimplantation sei die einzig effektive Behandlung bei extremem Übergewicht. In Deutschland würden konservative Behandlungen viel zu hoch bewertet. Nach der Operation würde sie eine engmaschige Nachbetreuung wahrnehmen. Sie sei auch Mitglied einer Selbsthilfeorganisation (Bundesverband für Adipositas-Chirurgie e. V.).
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte:
Dr. S. teilte im Bericht vom 16.7.2008 mit, der Magen der Klägerin sei nicht krank. Seit ihrer Kindheit leide sie an Adipositas per magna und mittlerweile an Folgeerkrankungen wie arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus, einem metabolischen Syndrom, einem Lymphödem, MPP, KTS, Osteochondrose und Hyperlipidämie sowie einer Depression. Durchgeführte Therapien der Klägerin hinsichtlich der Adipositas seien ihm nicht bekannt. Die Klägerin habe ein vermindertes Sättigungsgefühl angegeben. Durch die Verkleinerung des Magens werde das Sättigungsgefühl viel früher erreicht. Die Klägerin sei hoch motiviert.
Prof. Dr. H./Dr. H. führten unter dem 21.7.2008 aus, aus ihrer Sicht sei die konservative Therapie bereits im November 1999 gescheitert gewesen. Wegen des Übergewichts bestünden ein metabolisches Syndrom mit medikamentenpflichtiger Hypertonie, diabetischer Stoffwechsellage, Fettleber sowie übergewichtsbedingte Gelenk- bzw. Wirbelsäulenbeschwerden und eine psychosoziale Problematik; außerdem sei die Klägerin wegen der übergewichtsbedingten Erkrankungen auch Schmerzpatientin. Der Magen der Klägerin sei nicht krank. Seit der Jugendzeit habe sie versucht, mit umfangreichen häuslichen Diäten unter ärztlicher Anleitung ihr extremes Übergewicht zu reduzieren. Medikamentöse Therapien sowie Sportprogramme und das Führen von Esstagebüchern hätten keine bleibende Gewichtsreduktion erbracht. Die Klägerin leide an einem nicht vorhandenen Sättigungsgefühl. Ohne dauerhafte Gewichtsverminderung drohten weitere orthopädische Komplikationen und der Arbeitsplatzverlust.
Der Orthopäde Dr. F. teilte im Bericht vom 23.7.2008 Diagnosen (Spinalkanalenge, Bandscheibenvorfall L4/5, ausgeprägte Einengung der Neuroforamen, Wurzelirritation L4/5 und Bandscheibenvorfall TH 8/9) mit. Eine Magenerkrankung liege nicht vor. Die Klägerin leide an Adipositas mit Folgeerkrankungen der BWS und LWS; diese würden physikalisch und medikamentös behandelt. Außerdem drohten Gelenkerkrankungen. Die Klägerin habe alle Formen der Diätmöglichkeiten hinter sich. Eine Änderung habe sich nicht eingestellt.
Die Beklagte trug hierzu vor, die von der Klägerin überwiegend in Eigenregie durchgeführten Diäten und Bewegungstherapien könnten die von der einschlägigen Leitlinie geforderte konsequente und ärztlich überwachte (zeitgleiche) Gesamtbehandlung nicht ersetzen. Auch eine Selbstbeobachtung des Essverhaltens und des Bewegungsprogramms durch entsprechende Tagebücher sei nicht dargelegt.
Vom 7. bis 28.5.2009 absolvierte die Klägerin eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Reha-Klinik am Kurpark, Bad K ... Im Entlassungsbericht vom 4.6.2009 sind die Diagnosen chronisches Schmerzsyndrom mit Cervicobrachialgie beidseits, Lumboischialgie links, Spinalkanalstenose L2/3 und L4/5, keine sicheren Ausfälle, ausgeprägte myostatische Insuffizienz, Adipositas Grad III (BMI 47,4) mit metabolischem Syndrom, (behandelte) arterielle Hypertonie sowie Diabetes mellitus Typ 2 (unter diätetischer Führung) festgehalten. Als Pflegerin in einer Suchtabteilung (des Zentrums für Psychiatrie Winnenden) könne die Klägerin weiterhin arbeiten.
Die Klägerin beantragte am 2.6.2009 die Erhebung eines Gutachtens gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG); ein Gutachter wurde (erst) mit Schriftsatz vom 2.12.2009 benannt. Das Gutachten wurde nicht mehr erhoben.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.11.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 19.2.2003, - B 1 KA 1/02 R -) und des LSG Baden-Württemberg (Urt. v. 12.7.2006, - L 5 KR 5779/04 -, und Urt. v. 29.08.2005, - L 5 KR 1676/05 –) bedürften mittelbare Behandlungen durch operative Eingriffe in ein funktionell intaktes Organ, wie die Implantation eines Magenbandes, einer speziellen Rechtfertigung. Dabei seien Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen. Da das Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen erreicht werden könne, müsse zunächst geprüft werden, ob eine Krankenhausbehandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen notwendig und wirtschaftlich sei und ob nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen für einen chirurgischen Eingriff in ein gesundes Körperorgan vorlägen. Die Implantation eines Magenbandes komme nur als ultima ratio und nur bei Patienten in Betracht, die eine Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllten (BMI )= 40 oder )= 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen; Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten; tolerables Operationsrisiko; ausreichende Motivation, keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung, u.a.). Wie Dr. Br. im MDK-Gutachten vom 19.1.2007 überzeugend dargelegt habe, seien bei der Klägerin die konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Es fehle nach wie vor an einem ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzept, das auch konsequent umgesetzt werden müsse; insoweit sei eine strenge Prüfung erforderlich. Die operative Magenverkleinerung als von der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmende Therapie extremer Adipositas setze nach der einschlägigen Leitlinie eine mindestens sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien voraus. Die Behandlung umfasse als Basisprogramm die Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sowie adjuvante medikamentöse Therapie. Die Behandlung sei ärztlich zu koordinieren, zu leiten und zu dokumentieren. Eine Gesamtbehandlung dieser Art habe bei der Klägerin nicht stattgefunden; sie sei durch die wahrgenommene Ernährungsberatung und durch Diäten bzw. die Bewegungstherapie im Rahmen der orthopädischen Behandlung oder die orthopädische Rehabilitationsbehandlung in der Reha-Klinik am Kurpark, Bad K., nicht zu ersetzen. Die Klägerin habe zwar bis 1983 an der Kinder- und Jugendsprechstunde für Übergewichtige teilgenommen, zwei stationäre Behandlungen in den 80iger Jahren durchgeführt und eine Rehabilitationskur sowie eine Mutter-Kind-Kur in den 90iger Jahren absolviert. Unbeschadet dessen, dass diese Maßnahmen zu weit zurücklägen, fehle gleichwohl ein ärztlich koordiniertes, geleitetes und dokumentiertes Gesamtprogramm mit den dargestellten Komponenten über mindestens 6 Monate. Anderes gehe auch aus den eingeholten Arztberichten nicht hervor.
Auf den ihr am 3.12.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29.12.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung bekräftigt sie ihr bisheriges Vorbringen. Sie habe nachhaltig und ausreichend konservative Methoden zur Gewichtsreduktion angewendet, ohne Erfolge zu erzielen. Als ultima ratio bleibe nur noch die auch von den behandelnden Ärzten befürwortete Implantation eines Magenbandes. Das Sozialgericht habe aus der einschlägigen Rechtsprechung falsche Schlussfolgerungen gezogen und hätte ein weiteres Gutachten erheben müssen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts St. vom 30.11.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.2.2008 zu verurteilen, ihr eine stationäre chirurgische Adipositasbehandlung durch Implantation eines Magenbands zu gewähren,
hilfsweise von Amts wegen ein Gutachten nach § 103 SGG einzuholen zu der Frage, ob bei der Klägerin im Sinne der Leitlinien eine ultima-ratio-Situation besteht,
weiter hilfsweise, die Gutachter Dr. R. und Dr. M. persönlich anzuhören.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG das Gutachten des PD Dr. M. (Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Klinikum St.) vom 27.12.2010 erhoben.
Der Gutachter hat ausgeführt, neben den bislang vorliegenden Arztunterlagen habe er außerdem die Unterlagen über eine stationäre Behandlung der Klägerin im Zentrum für Hautkrankheiten des Klinikums St. vom 10. bis 21.09.2010 und die Ergebnisse der dabei vorgenommenen internistisch-gastroenterologischen Behandlung vom 20.bis 21.09.2010 berücksichtigt. Bei der Klägerin seien folgende Erkrankungen zu diagnostizieren: Adipositas per magna (BMI 45; Größe 166 cm; Gewicht 124 kg), metabolisches Syndrom mit arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperurikämie, Hypercholesterinämie, chronisches Schmerzsyndrom mit Zervikobrachialgie rechtsbetont, Kribbelparästhesien rezidivierend rechter, größer linker Daumen, Periformissyndrom links, rezidivierende Dorsalgie rechtsbetont bei Rundrücken und präsakraler Hyperlordose, rezidivierende Zervikocephalgie, Trapeziushartspann, degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom betont L2/L3 und L4/L5, Spinalkanalstenose, Bandscheibenvorfall L4/5, ausgeprägte Einengung der Neuroforamen, Wurzelirritation L4/5, Bandscheibenvorfall Th 8/9, Arthrose der rechten Schulter, Fibromyalgie, chronisch-venöse Insuffizienz, chronisches Lymphödem Unterschenkel beidseits, chronisch mitigiertes Erysipel Unterschenkel beidseits. Es liege zweifellos eine behandlungsbedürftige Adipositas der höchsten Stufe (Grad III) vor mit einem BMI über 40. Bei einer Grad-III-Adipositas sei die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient einen Diabetes mellitus, ein Asthma bronchiale, eine Arthrose, eine arterielle Hypertonie, eine maligne Erkrankung und viele weitere Erkrankungen entwickle, massiv erhöht; so liege bei Frauen das Risiko für eine Typ-Il-Diabetes bei einem BMI über 35 bei 93,2 %. Das Mortalitätsrisiko sei bei einem BMI über 40 um das fast 2,5-fache erhöht.
Bei der Klägerin bestehe seit der Kindheit eine erhebliche Adipositas, weswegen sie schon im Alter von 11 Jahren (in der ehemaligen DDR) ein Diätprogramm bei der Hausärztin und sodann mit 13 Jahren eine erste Abnehmkur mit einem ersten Diätkurs absolviert habe. Mit 18 Jahren sei unter ärztlicher Aufsicht und stationären Bedingungen eine Nulldiät für 6 Wochen in Weimar durchgeführt worden; dabei habe die Klägerin 35 kg abgenommen. In der Folgezeit habe sie aber wieder zugenommen. Die Diätversuche hätten keine langfristigen Erfolge gehabt, vielmehr sei der so genannte "Jojo-Effekt" eingetreten. Die Klägerin habe erfolglos die unterschiedlichsten Diäten versucht (Kohlsuppendiäten, spezielle Ernährungsdiäten, kohlenhydratfreie Diäten u.a.). In den vergangenen 10 Jahren habe sie 10 kg zugenommen. Die Klägerin habe Mutter-Kind-Kuren 1994 und 1999 auch zum Abnehmen genutzt, allerdings wiederum ohne langfristig bleibenden Erfolg.
Man habe eine medikamentöse Therapie versucht; das eingesetzte Medikament sei der Klägerin nicht mehr bekannt. Die einzig wirksamen Substanzen Sibutramin und Rimonabant seien wegen massiver gesundheitlicher Schädigungen und einer signifikanten Zunahme der Selbstmordrate vom Markt genommen worden. Zugelassen sei nur noch das Medikament Orlistat, das hinsichtlich der Gewichtsreduktion sehr umstritten sei und bei den meisten Patienten keine wirkliche Gewichtsreduktion bewirke. Die unzähligen Appetithemmer seien ebenfalls umstritten. Zuletzt habe die Klägerin während der stationären Rehabilitationsbehandlung in der Reha-Klinik am Kurpark, Bad K., an Ernährungsberatungs- und Diätkursen teilgenommen (Buffetberatung, Seminar Harnsäure, Fettstoffwechselseminar, Seminar zum bewussten Ernährungsverhalten, Kurs Ernährungskunde, strukturiertes Schulungsprogramm Diabetes mellitus Typ II ohne Insulin, Lehrküche für diabetesgerechte und fettreduzierte Kost); sie habe 3 kg abgenommen.
Die Klägerin nehme seit 2009 regelmäßig am aqua cycling im Hallenbad Sch. teil, habe aber aufgrund einer Verschlechterung des Erysipels an beiden Unterschenkeln aussetzen müssen; deswegen sei auch eine stationäre Behandlung notwendig geworden. Außerdem gehe sie täglich mit dem Hund spazieren. Seit 2006 bekomme sie Krankengymnastik. Im März 2010 habe sich die Klägerin einen Magenballon (Bericht des Klinikums St. vom 20.9.2010) einsetzen lassen und sie habe danach 20 kg abgenommen. Als lediglich temporäre Maßnahme sei der Ballon planmäßig nach einem halben Jahr am 20.9.2010 wieder entfernt worden. Damit habe sich gezeigt, dass die Klägerin mit Hilfe eines bariatrischen Verfahrens ihre Essgewohnheiten zur Erzielung einer guten und nachhaltigen Gewichtsreduktion umstellen könne. Allerdings habe sie seit der Entfernung des Magenballons bereits wieder 4 kg zugenommen. Nach Studien sei die konservative Therapie nicht geeignet, bei adipösen Patienten langfristig eine Gewichtsreduktion zu erreichen.
Sämtliche konservativen Therapieoptionen seien ausgereizt worden. Medikamentöse Therapien stünden bis auf die Therapie mit Orlistat nicht zur Verfügung. Dieses Medikament hemme das Enzym Lipase im Darm und verhindere so die Spaltung von Fetten, so dass weniger Fett im Darm aufgenommen werden könne. In den bisher durchgeführten Studien habe so lediglich eine Gewichtssenkung von 3-4 kg erreicht werden können. Diätprogramme habe die Klägerin erschöpfend durchgeführt und wegen des "Jojo-Effekts" im Ergebnis sogar zugenommen. Die Bewegungstherapie könne infolge gewichtsbedingter statischer Schwierigkeiten mit Wirbelsäulenproblemen und einem ausgeprägten Schmerzsyndrom sowie aufgrund der chronischen Lymphödeme und Erysipele an den Unterschenkeln nicht intensiviert werden.
Ein bariatrischer Eingriff sei absolut indiziert. Nach der einschlägigen Leitlinie bestehe eine klare Indikation zum operativen Vorgehen (u.a.) bei Patienten mit einem BMI über 40 ohne Kontraindikationen und bei Erschöpfung der konservativen Therapie nach umfassender Aufklärung. Hier seien die konservativen Therapiemaßnahmen durchgeführt worden; sie hätten versagt. Das Operationsrisiko sei als nur minimal erhöht einzuschätzen und liege bei der Klägerin im tolerablen Bereich. Sie sei zur dauerhaften Änderung des Essensverhaltens auch motiviert und seit der Kindheit bestrebt, ihr Gewicht zu reduzieren. Die Eltern der Klägerin seien ebenfalls adipös; der Vater sei wohl deswegen auch mit 59 Jahren an einem Hirnschlag verstorben, die Mutter leide an Diabetes. Eine manifeste psychische Erkrankung bestehe nicht. Die medizinische Betreuung sei bisher ausreichend dokumentiert und werde nach dem bariatrischen Eingriff vom Adipositas-Zentrum gewährleistet.
Der Auffassung des Dr. Br. im MDK-Gutachten vom 19.11.2007 sei nicht zu folgen. Die Leitlinienkommission habe den Begriff "Versagen" (der konservativen Behandlung) durch den Begriff "Erschöpfung" ersetzt. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien erschöpft, wenn durch eine multimodale konservative Therapie innerhalb von 6-12 Monaten das Therapieziel nicht erreicht und gehalten worden sei; bei Patienten mit einem BMI von 35-39,9 würden 10-20 % und mit einem BMI über 40 10-30 % Gewichtsverlust angesetzt. Die Möglichkeiten zur Ernährung seien erschöpft, wenn mittels einer energiereduzierten Mischkost und einer weiteren ernährungsmedizinischen Maßnahme (z.B. Formuladiäten, weitere Form einer energiereduzierten Mischkost) das Therapieziel nicht erreicht worden sei. Das sei bei der Klägerin der Fall. Diese habe zuletzt in der Reha-Klinik, Bad K., ohne wirklichen Erfolg abzunehmen versucht. Auch die Bewegungstherapie sei mit aqua cycling und Spaziergängen mit dem Hund ausgeschöpft; mehr könne die Klägerin wegen der adipositasbedingten Folgekrankheiten nicht leisten.
Die Beklagte hat hierzu das MDK-Gutachten des Dr. R. vom 25.2.2011 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, Gegenstand der Diskussion sei (in erster Linie) die bisherige konservative Behandlung der Klägerin. Diese habe im Jahr 2000 verhaltenstherapeutische Probesitzungen durchgeführt. Das Attest der Psychiaterin P. vom 7.7.2008 lasse offen, ob die Klägerin die Ärztin aufgesucht habe und ob eine psychiatrische Diagnostik erfolgt sei; erwähnt würden lediglich die verhaltenstherapeutischen Probesitzungen bei dem Psychotherapeuten B ...
Nach der maßgeblichen Leitlinie seien die konservativen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft, wenn durch eine multimodale konservative Therapie innerhalb von 6-12 Monaten das Therapieziel nicht erreicht und gehalten worden sei. Bei der Klägerin seien zahlreiche Maßnahmen durchgeführt worden. Bereits mit 11 Jahren habe sie eine Diät unternommen, mit 13 sowie 18 Jahren Diätkurse und stationäre Maßnahmen absolviert. Zahlreiche Diätversuche mit nur kurzfristigem Erfolg würden nachvollziehbar beschrieben. Es sei zu mehreren stationären Rehabilitationsmaßnahmen, u.a. im Rahmen einer Mutter-Kind-Kur 1998 sowie 1999, und schließlich zu einer stationären Rehabilitationsmaßnahme mit rheumatologisch/orthopädischem Schwerpunkt vom 17. bis 28.5.2009 gekommen. Wesentliche dauerhafte Gewichtsabnahmen habe die Klägerin nicht erzielt. Bei den Rehabilitationsmaßnahmen habe sie jeweils an Ernährungsberatungen teilgenommen. Auch eine medikamentöse Behandlung mit Appetithemmern habe die Klägerin ohne wesentliche Gewichtsreduktion versucht. Bewegungstherapie als aqua cycling habe 2009 für einen unbekannten Zeitraum stattgefunden.
Insgesamt habe die Klägerin eine multimodale konservative Therapie über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten zu keinem Zeitpunkt durchgeführt. Die zahlreichen Behandlungsbemühungen seien jeweils kurzfristig und nicht multimodal zeitgleich vorgenommen worden. Insofern seien die Voraussetzungen für eine chirurgische Maßnahme nicht erfüllt. Auch das Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung sei nicht hinreichend abgeklärt; die vorliegenden Atteste genügten hierfür nicht. Die Leitlinie verlange eine Psychotherapie oder Verhaltenstherapie, falls eine Essstörung oder eine Psychopathologie vorliege. Im Attest des Klinikums St. vom 8.8.2007 werde die Klägerin als reiner Vielesser eingestuft. Hier könne eine Verhaltenstherapie ursächlich angreifen. Auch die adipositasbegleitenden psychischen Beeinträchtigungen, wie Schamgefühle oder depressive Verstimmungen, könnten psychologisch behandelt werden. Auf eine solche Verhaltenstherapie habe sich die Klägerin nicht einlassen können.
Nach den vorliegenden Unterlagen bestehe eine schwere Adipositas, die als ultima ratio chirurgisch behandelt werden solle. Die in der maßgeblichen Leitlinie genannten Voraussetzungen hierfür seien aber nicht erfüllt, da die multimodale interdisziplinäre und vor allen Dingen zeitgleiche Behandlung nicht durchgeführt worden sei und die konservative Behandlung daher als nicht ausgeschöpft angesehen werden könne. Außerdem sollten eine psychiatrische Diagnostik sowie eine verhaltenstherapeutische Begleitung und zeitgleiche ernährungstherapeutische bzw. (krankheitsbedingt sicherlich eingeschränkte) bewegungstherapeutische Behandlungen erfolgen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr eine stationäre operative Magenbandimplantation zu gewähren. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.
I. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 11 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
1.) Unter Krankheit im Sinne des Krankenversicherungsrechts ist ein regelwidriger körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand zu verstehen, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat. Der krankenversicherungsrechtliche Krankheitsbegriff unterscheidet sich damit vom medizinischen Krankheitsbegriff; dieser versteht unter Krankheit eine Erkrankung mit bestimmten Symptomen und Ursachen. Für die Feststellung der Regelwidrigkeit des Zustands ist vom Leitbild des gesunden Menschen auszugehen, der zur Ausübung normaler körperlicher und psychischer Funktionen in der Lage ist. Eine Abweichung von dieser Norm führt zur Regelwidrigkeit des körperlichen, seelischen oder geistigen Zustandes. Es muss aber eine erhebliche Abweichung vorliegen, nur geringfügige Störungen, die keine wesentliche funktionelle Beeinträchtigung zur Folge haben, genügen nicht (vgl. KassKomm/Höfler, § 27 SGB V Rdnr 9 ff.; BSG, Urt. v. 19.2.2001, - B 1 KR 1/02 R - m. w. N.). Für das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Krankheit kommt es nicht darauf an, ob (schon) gegenwärtig eine Behandlungsnotwendigkeit besteht. Behandlungsbedürftigkeit ist auch dann anzunehmen, wenn der gegenwärtige Zustand zwar noch keine Schmerzen oder Beschwerden bereitet, durch ärztliche Behandlung im Frühstadium eine wesentliche Besserung oder gar Beseitigung des Leidens und damit eine günstige Wirkung auf die spätere Erwerbsfähigkeit erreicht werden kann.
Die Krankenbehandlung, deren Notwendigkeit (und Zweckmäßigkeit) nach den Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin zu beurteilen ist, umfasst gem. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 5 SGB V die ärztliche Behandlung sowie die Krankenhausbehandlung. Gem. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V besteht Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfasst nach § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung.
Gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen und damit auch der (ambulanten oder stationären) Krankenbehandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. In der (ambulanten) vertragsärztlichen Versorgung setzt das für neue (also noch nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistung (EBM-Ä) enthaltene) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden voraus, dass der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat; diese Richtlinien legen damit (auch) den Umfang der von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest (§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V). In der stationären Versorgung dürfen Krankenhäuser (§ 107 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) demgegenüber Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen ohne Weiteres anwenden, solange der Gemeinsame Bundesausschuss insoweit nicht eine negative Empfehlung abgegeben hat (§ 137c Abs. 1 SGB V). Wie jede Leistung der Krankenversicherung muss auch die Krankenbehandlung aber im Übrigen dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V entsprechen. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht übersteigen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Die Krankenkassen gewähren die dem Versicherten danach zustehenden Leistungen der Krankenbehandlung grundsätzlich als Sach- und Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V); Kostenerstattung findet nur nach näherer Maßgabe des § 13 SGB V statt.
2.) Die Krankenbehandlung setzt bei körperlichen Erkrankungen regelmäßig unmittelbar am erkrankten Körperteil oder Organ selbst an und braucht deswegen nicht zusätzlich legitimiert zu werden. Soll der Behandlungserfolg hingegen mittelbar durch einen Eingriff an einem an sich gesunden Organ erreicht werden, bedarf die Notwendigkeit der Krankenbehandlung einer besonderen Rechtfertigung im Rahmen einer umfassenden Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und den möglichen gesundheitlichen Schäden, zumal ein operativer Eingriff stets mit einem Operationsrisiko verbunden ist. In diese Abwägungsentscheidung sind auch Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit des Eingriffs und etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung einzubeziehen (BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 9/04 R -; BSGE 85, 86). Ist der therapeutische Nutzen einer mittelbaren Behandlungsmaßnahme durch die Operation an einem gesunden Organ nicht ausreichend gesichert, besteht grundsätzlich kein Leistungsanspruch. Das Gleiche gilt auch dann, wenn durch andere, dem Versicherten zumutbare Maßnahmen eine Besserung oder Heilung möglich ist (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 7.2.2002, - L 5 KR 65/01 -). Im Hinblick darauf sind etwa Operationen am gesunden Körper (wie Brustoperationen) zur Behebung psychischer Störungen grundsätzlich nicht gerechtfertigt, vor allem, weil die psychischen Wirkungen körperlicher Veränderungen nicht hinreichend verlässlich zu prognostizieren sind (Senatsurteil vom 26.1.2011, - L 5 KR 4906/09 - m N. zur Rspr. des BSG).
Für Eingriffe der chirurgischen Adipositasbehandlung, die, wie die Implantation eines Magenbandes, am gesunden Magen durchgeführt werden, hat das BSG die Anforderungen in seinem Urteil vom 16.12.2008 (- B 1 KR 2/08 R -) weiter präzisiert. Da das Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, ist danach zunächst zu prüfen, ob eine Krankenhausbehandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen (diätetische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) notwendig und wirtschaftlich ist (§§ 12 Abs. 1, 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Sodann muss untersucht werden, ob nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen für einen chirurgischen Eingriff in ein gesundes Körperorgan gegeben sind. Die Implantation eines Magenbandes - für die eine negative Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses gem. § 137c Abs. 1 SGB V nicht vorliegt - kommt nur als ultima ratio in Betracht für Versicherte, die eine Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllen. Diese sind in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie/Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie (derzeit) vom Juni 2010 (S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas: im Folgenden S3-Leitlinie) näher festgelegt. Hiernach richtet sich, ob eine stationäre Magenbandimplantation nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse als Krankenhausbehandlung notwendig ist. Ist das der Fall, muss außerdem geprüft werden, ob der Eingriff nach der für mittelbare Behandlungen geforderten speziellen Güterabwägung (zusätzlich) gerechtfertigt ist.
Die Indikationen für eine chirurgische Adipositasbehandlung sind unter Nr. 3.2 der S3-Leitlinie umschrieben: Voraussetzung ist danach (soweit hier von Belang) zunächst ein BMI von oder über 40 oder ein BMI zwischen 35 und 40 bei gleichzeitigem Vorliegen einer oder mehrerer Adipositas-assoziierten Folge- oder Begleiterkrankungen. Außerdem muss die konservative Therapie erschöpft sein. Insoweit sind Anforderungen an Art und Dauer der Behandlung und das Setting zu stellen.
Die Art der Behandlung umfasst die Ernährungs-, Bewegungs- und Psychotherapie. Die Möglichkeiten zur Ernährungstherapie sind erschöpft, wenn mittels einer energiereduzierten Mischkost und einer weiteren ernährungsmedizinischen Maßnahme (z. B. Formula-Diät, weitere Form einer energiereduzierten Mischkost) das Therapieziel nicht erreicht wurde. Zur Bewegungstherapie gehört die Durchführung einer Ausdauer- und/oder Kraftausdauersportart mit mindestens zwei Stunden Umfang pro Woche, falls keine Barrieren bestehen (z. B. Gonarthrose für Gehsportarten oder Scham beim Schwimmen). Die Psychotherapie besteht in der Durchführung einer ambulanten oder stationären Psychotherapie (Verhaltenstherapie oder Tiefenpsychologie), falls eine Essstörung (binge-eating, night-eating) oder eine Psychopathologie (z. B. Depression, Ängstlichkeit) vorliegt. Hinsichtlich der Dauer der Behandlung müssen die genannten Therapiearten mindestens 6 Monate durchgeführt werden. Sie werden spätestens nach 12 Monaten abschließend beurteilt. Was das Setting angeht, sollten Behandlungen zum Lebensstil nach Möglichkeit in der Gruppe (Leitung idealerweise durch Fachpersonal) erfolgen. Eine primäre (Operations-)Indikation kann in Ausnahmefällen gestellt werden, wenn Art und/oder Schwere der Krankheit bzw. psychosoziale Gegebenheiten bei Erwachsenen annehmen lassen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist. Die (primäre) Indikation ist durch einen in der Adipositastherapie qualifizierten Arzt und einen bariatrischen Chirurgen gemeinsam zu stellen (S. 15, 16 der S3-Leitlinie). Nach Adipositas-chirurgischen Eingriffen ist in jedem Fall eine regelmäßige Nachsorge durch einen in der Adipositastherapie erfahrenen Arzt und eine Ernährungsfachkraft notwendig (näher zur Nachsorge S. 35 ff. der S3-Leitlinie).
II. Davon ausgehend hat die Beklagte die Gewährung einer Magenbandimplantation zu Recht abgelehnt.
1.) Eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinn, wofür eine etwaige Magenvergrößerung aufgrund übermäßiger Nahrungsaufnahme ohne sonstige Funktionsbeeinträchtigung nicht genügt, liegt am Magen der Klägerin nicht vor; hierüber herrscht (auch unter den behandelnden und begutachtenden Ärzten) kein Streit (vgl. nur den Bericht des Prof. Dr. H./Dr. H. vom 21.7.2008). Anderes gilt freilich für die Adipositas per magna Grad III mit einem Körpergewicht von 124 kg bei einer Körpergröße von 166 cm, zu der weitere behandlungsbedürftige Begleit- und Folgeerkrankungen, wie (u.a.) Diabetes mellitus und Bluthochdruck, hinzukommen. Bei starkem Übergewicht (im allgemeinen ab einem BMI von 30) ist eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich, weil andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von (weiteren) Begleit- und Folgeerkrankungen wie Stoffwechselkrankheiten, Herz- und Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen, gastrointestinale Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungsapparates und bösartige Neubildungen besteht (vgl. etwa Senatsurteil vom 12.7.2006, - L 5 KR 5779/04 -).
2.) Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R und Parallelentscheidungen), der der Senat folgt, kann die Leistungspflicht für eine chirurgische Therapie der Adipositas-Krankheit nicht mit der Erwägung verneint werden, dass für das Übergewicht das krankhafte Essverhalten der von den Ärzten als "reiner Vielesser" eingestuften Klägerin und nicht eine Funktionsstörung des Magens verantwortlich ist. Zwar stellt die operative Verkleinerung bzw. Veränderung des Magens durch Implantation eines Magenbands keine kausale Behandlung dar, da damit die Verhaltensstörung (das gestörte, übermäßige Essverhalten) durch eine zwangsweise Begrenzung der Nahrungsmenge lediglich indirekt beeinflusst wird. Eine solche mittelbare Therapie wird jedoch vom Leistungsanspruch grundsätzlich mitumfasst, wenn sie ansonsten die in § 12 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V aufgestellten Anforderungen erfüllt, also ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist sowie dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht.
3.) Die Voraussetzungen der S3-Richtlinie für die Notwendigkeit einer chirurgischen Adipositastherapie sind nicht erfüllt. Das geht insbesondere aus dem MDK-Gutachten des Dr. R. schlüssig und überzeugend hervor. Der abweichenden Auffassung (vor allem) des PD Dr. M. in dessen auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten vom 27.12.2010 kann sich der Senat nicht anschließen.
Die Klägerin hat - beginnend schon in der Kindheit – nach eigenen Angaben eine Vielzahl von Versuchen unternommen, ihr (extremes) Übergewicht zu vermindern. Darunter finden sich auch ärztliche Behandlungen, teilweise im Rahmen stationärer Kuren sowie in Eigenregie (erfolglos) durchgeführte Diäten. All das genügt jedoch nicht für die Notwendigkeit einer Magenbandoperation i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Erforderlich ist – bei einem strengen Maßstab - vielmehr ein multimodales Therapiekonzept aus sachlich und zeitlich aufeinander abgestimmten und aufeinander bezogenen Therapieelementen, das unter ärztlicher Koordination und Begleitung konsequent und stringent umgesetzt wird und das auch hinreichend ärztlich dokumentiert ist. Es umfasst regelmäßig Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie, ggf. pharmakologisch-ärztliche Behandlung und ggf. – sofern notwendig - eine kombinierte psychotherapeutische Intervention. Eine multimodale und integrative Gesamtbehandlung dieser Art ist nicht dadurch zu ersetzen, dass einzelne, ggf. auch alle Therapieelemente auf längere Zeiträume, hier über viele Jahre beginnend schon in der Kindheit, verteilt oder auch wiederholt und unkoordiniert, meist ohne Anleitung oder Dokumentation in Eigenregie angewendet werden. Dass eine auf lange Sicht weithin planlose Vorgehensweise dieser Art in einer Vielzahl der Fälle nicht nur erfolglos bleibt, sondern sogar zu einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustands und (im Hinblick auf den so genannten "Jojo-Effekt") zu weiterer Gewichtszunahme führt, ist bekannt. Das Erfordernis der Erschöpfung konservativer Behandlungsmaßnahmen i. S. d. S3-Leitlinie ist damit nicht auszufüllen (vgl. auch Senatsurteil vom 12.7.2006, - L 5 KR 5779/04 -).
Der Senat folgt insoweit der Einschätzung des MDK. Dr. R. (ebenso bereits Dr. Br. im Gutachten vom 19.11.2007) hat im MDK-Gutachten vom 25.2.2011 dargelegt, dass bei der Klägerin in der Summe zwar zahlreiche Maßnahmen zur Gewichtsreduktion durchgeführt worden sind, darunter viele Diätversuche mit jeweils nur kurzfristigem Erfolg. Eine den dargestellten Anforderungen genügende multimodale konservative Therapie über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten hat aber keinem Zeitpunkt stattgefunden. Die vielfältigen Behandlungsbemühungen sind vielmehr jeweils mehr oder weniger kurzfristig und vor allem nicht zeitgleich und sachlich miteinander verknüpft unter umfassender ärztlicher Leitung vorgenommen worden, weswegen auch eine entsprechende ärztliche Dokumentation weder der einzelnen Maßnahmen noch der Gesamtbehandlung vorliegt. Anderes geht aus dem Gutachten des PD Dr. M. oder den übrigen, die Magenbandoperation befürwortenden Äußerungen behandelnder Ärzte nicht hervor. Diese stellen - auf der Grundlage der eigenen, nicht näher nachprüfbaren Angaben der Klägerin - jeweils die Einzelmaßnahmen heraus, berücksichtigen dabei aber nicht ausreichend das Erfordernis, dass diese im Rahmen einer ärztlich geleiteten – und ärztlich auch dokumentierten – Gesamtbehandlung stattzufinden haben.
Auch die Erschöpfung speziell psychotherapeutischer Behandlungsoptionen – nämlich einer Verhaltenstherapie – ist nicht hinreichend belegt. Darauf hat Dr. R. ebenfalls zu Recht hingewiesen. Die Klägerin ist als "reine Vielesserin" eingestuft worden. Hier kann, wie Dr. R. schlüssig dargelegt hat, aber die Verhaltenstherapie ansetzen und das Essverhalten verändern. Eine Therapie dieser Art hat die Klägerin freilich nicht unternommen. Mit der Absolvierung der (fünf) probatorischen Sitzungen bei dem Psychotherapeuten B. ist es insoweit nicht getan. Aus dem Attest des Psychotherapeuten B. vom 15.9.2007 oder dem Bericht der Psychiaterin P. vom 7.7.2008 ist nicht nachvollziehbar zu entnehmen, dass und weshalb eine Therapie dieser Art von vornherein, ohne jeglichen weitergehenden Therapieversuch, zum Scheitern verurteilt sein sollte. Auch die adipositasbegleitenden psychischen Beeinträchtigungen, wie Schamgefühle oder depressive Verstimmungen, können entsprechend psychotherapeutisch – im Rahmen der genannten multimodalen Gesamtbehandlung - angegangen werden.
Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsanträgen war nicht zu entsprechen. Die gut-achterliche Abklärung einer ultima-ratio Situation wäre nur sinnvoll, wenn eine multimodale Therapie bereits stattgefunden hätte und der Streit darum ginge, ob die bisherigen Bemühungen um Gewichtsabnahme bereits als (endgültig) gescheitert anzusehen sind oder ob die konventionellen ambulanten Maßnahmen zur Gewichtsreduktion noch weiter fortgesetzt werden sollen. So liegt der Fall indes nicht. Soweit ersichtlich hat die Klägerin seit dem Urteil des SG Stuttgart vom 21.6.2001 keine Bemühungen im Sinne des geforderten multimodalen Therapiekonzeptes unternommen, um eine Gewichtsreduzierung erreichen; jedenfalls fehlen insoweit nachvollziehbare Dokumentationen. Intensive Bemühungen um Gewichtsabnahme mit Hilfe konservativer Maßnahmen unter ärztlicher Anleitung haben offensichtlich nicht stattgefunden. So fehlt jedenfalls der Nachweis der Teilnahme an Bewegungsprogrammen (die seit 2008 erfolgte Teilnahme am Aqua cycling, die alsbald wegen des Erysipels an beiden Unterschenkeln eingestellt werden musste, war zwar ein Schritt in die richtige Richtung, kann aber nicht die geforderte mehrmalige intensive körperliche Aktivität pro Woche ersetzen) sowie an einem kontrollierten kalorienreduzierten und durch Esstagebücher belegten Ernährungsprogramm über mindestens ein halbes Jahr. Zudem ist die Gewichtsabnahme während der stationären Reha-Behandlung der Klägerin vom 7. bis 28.5.2009 in Bad K. um gut 2 kg ein Indiz für die Wirksamkeit auch konventioneller Maßnahmen.
Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, welche weiteren Erkenntnisse nach der vom Bevollmächtigten der Klägerin geforderten persönlichen Anhörung der Sachverständigen Dr. R. und Dr. M. zu erwarten gewesen wäre. Die persönliche Anhörung dient nicht der Wiederholung bereits vorliegender gutachterlicher Aussagen sondern der Klärung bislang unklar gebliebener medizinischer Fragen; solche Fragen sind aber vom Bevollmächtigten der Klägerin weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung aufgezeigt worden und auch dem Senat nach Lektüre der vorliegenden schriftlichen Gutachten nicht ersichtlich. Zu Fragen, die sich im konkreten Fall nicht stellen - wie hier die nach dem Vorliegen einer ultima-ratio Situation - , müssen auch Sachverständige nicht angehört werden.
4.) Da mit der begehrten Magenbandimplantation ein Eingriff an einem gesunden Organ zur mittelbaren Therapie der Adipositas bzw. ihrer Begleit- und Folgeerkrankungen vorgenommen werden soll, wäre – worauf es nach dem Gesagten aber ausschlaggebend nicht mehr ankommt - außerdem eine zusätzliche Legitimation der Behandlung im Rahmen einer Abwägung auch unter Einbeziehung etwaiger Folgelasten für die Versichertengemeinschaft und der mit dem Eingriff verbundenen Risiken notwendig. Selbst wenn bei der operativen Applikation eines anpassbaren Magenbandes zur horizontalen Magensegmentation anatomische Veränderungen am Magen offenbar nicht vorgenommen werden, bleibt das jeder Operation innewohnende Risiko von Komplikationen, das wegen der extremen Adipositas der Klägerin und den vorliegenden Begleiterkrankungen – wie auch PD Dr. M. einräumt - eher größer als im Normfall ausfallen wird. Dies unterstreicht zusätzlich die Notwendigkeit, an die ultima ratio der Magenbandimplantation strenge Anforderungen zu stellen, die bei der Klägerin derzeit nicht erfüllt sind.
III. Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben kann. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Mangenbandimplantation (gastric-banding) als adipositaschirurgische Behandlungsmaßnahme.
Die 1968 geborene Klägerin, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Heilerziehungspflegerin in einer psychiatrischen Klinik, hatte 1999 erstmals eine Magenbandimplantation beantragt und hierfür das Gutachten des Klinikums Stuttgart (Prof. Dr. K., Dr. H.) vom 10.11.1999 (seinerzeit: Größe 166 cm; Gewicht 120 kg; BMI 44 (Norm 20 bis 25)) vorgelegt. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 29.12.1999 abgelehnt. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 13.4.2000) und Klage blieben erfolglos (Urt. des SG Stuttgart. vom 21.6.2001 - S 12 KR 2893/00). Bereits damals beanstandete die Beklagte, dass ein sog. integratives Gesamtkonzept, als ein Behandlungskonzept bestehend aus diätischen Maßnahmen, Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, psychologischen und verhaltenstherapeutischen Interventionen, Bewegungstherapie sowie ggfs. pharmakologischen Behandlungen in der Vergangenheit nicht konsequent durchgeführt worden sei.
Am 14.8.2007 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung einer Magenbandimplantation. Zur Begründung legte sie das Gutachten des Klinikums St. (Prof. Dr. H./Dr. H.) vom 8.8.2007 vor. Darin ist ausgeführt, die Klägerin (Größe 166 cm; Gewicht 128 kg; BMI 46,5), die bereits seit der Kindheit übergewichtig sei, leide an einer morbiden, therapieresistenten Adipositas permagna mit ausschließlich übergewichtsbedingtem metabolischem Syndrom (u.a. Hypertonie, Fettleber). Sie sei kein "sweet-eater". Das Übergewicht sei auch nicht hormonell oder durch eine pathologische Essstörung bedingt. Die Klägerin sei ein reiner Vielesser. Seit dem ersten (erfolglosen) Leistungsantrag im Jahr 1999 habe sie weiter (um 8 kg) zugenommen. Das jetzige extreme Übergewicht liege seit 9 Jahren vor. Sie habe erfolglos mit unterschiedlichen Diäten und Sportprogrammen sowie der Einnahme von Appetitzüglern und der Teilnahme an Ernährungskursen in der ehemaligen DDR versucht, das Gewicht zu reduzieren. Außerdem habe sie (1983, 1989 und 1994) stationäre Kuren zur Gewichtsabnahme und eine ambulante Psychotherapie in Weimar absolviert. Mittlerweile seien eine diabetische Stoffwechsellage und eine Spinalkanalstenose aufgetreten. Außerdem schäme sich die Klägerin wegen ihres Aussehens. Die konservative Therapie sei gescheitert. Man habe bislang (unter Kostenzusage der Krankenkassen) bei weit über 480 Patienten Magenbandimplantationen durchgeführt.
Unter dem 3.9.2007 gab die Klägerin ergänzend an, sie habe eine von der Beklagten angebotene Ernährungsberatung sowie Diäten und Ernährungsumstellungen, teilweise vom Hausarzt angeraten, erfolglos durchgeführt. In den letzten Jahren habe sie nochmals deutlich zugenommen. Ernährungstagebücher habe sie zwar immer wieder geführt aber nicht aufbewahrt.
Die Klägerin legte außerdem das Attest des Psychotherapeuten B. vom 15.9.2007 vor. Darin ist ausgeführt, die Klägerin habe zwischen dem 6.6. und 14.9.2000 fünf verhaltenstherapeutische Probesitzungen absolviert. Aufgrund der anamnestischen und biografischen Daten habe er keine eindeutige Indikation und unzureichende Erfolgsaussichten für die seinerzeit erwogene ambulante Verhaltenstherapie gesehen.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. Br., dem die Gutachten des Klinikums St. und das Attest des Psychotherapeuten B. vorlagen, untersuchte die Klägerin, erhob eine Anamnese und diagnostizierte im Gutachten vom 19.11.2007 Adipositas per magna (Grad III, BMI 45,7), Spinalkanalstenose, Diabetes mellitus und Hypertonie. Gewichtsreduzierende Maßnahmen seien angezeigt. Grundlage des Gewichtsmanagements solle ein Basisprogramm aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sein. Verhaltenstherapeutische Ansätze könnten die Patientenmotivation bei der Einhaltung der Ernährungs- und Bewegungsempfehlung unterstützen. Der Einsatz von Techniken der Verhaltensmodifikation werde vor allem für die langfristige Gewichtsreduktion bzw. Gewichtsstabilisierung im Rahmen von Gewichtsmanagementprogrammen empfohlen. Als wichtigste Aspekte verhaltenstherapeutischer Elemente nenne die einschlägige Leitlinie zur chirurgischen Adipositasbehandlung die Selbstbeobachtung des Ess-, Trink- und Bewegungsverhaltens, beispielsweise mit Hilfe eines Ernährungstagebuchs und von Bewegungsprotokollen, die Einübung eines flexibel kontrollierten Essverhaltens, das Erlernen von Stimmungskontrolltechniken zur Reduzierung von Essreizen oder soziale Unterstützung und ein Rückfallprophylaxemanagement. Nach der genannten Leitlinie setze die Indikation zu einem operativen Eingriff das Scheitern der konservativen Behandlung voraus; diese müsse mindestens 6 bis 12 Monate nach definierten Qualitätskriterien durchgeführt worden sein. Bei den vielfältigen Maßnahmen, die die Klägerin in den letzten 20 Jahren ergriffen habe, habe eine Behandlung, die dem von der Leitlinie vorgesehenen integrativen Konzept entspreche, nicht stattgefunden. Die konservative Therapie könne deswegen nicht als gescheitert angesehen werden. Ein gastroplastischer Eingriff sei sozialmedizinisch nicht zu befürworten. Mit Bescheid vom 27.11.2007 lehnte die Beklagte den Antrag unter Bezugnahme auf das MDK-Gutachten des Dr. Br. ab.
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs verwies die Klägerin auf die Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 19.12.2003, - B 1 KR 2/02 R -); die darin aufgestellten Voraussetzungen für die Gewährung einer chirurgischen Adipositastherapie seien bei ihr erfüllt. Konservative Versuche zur Gewichtsreduktion seien erfolglos geblieben; außerdem besuche sie regelmäßig Adipositas-Foren im internet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.2.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, worauf die Klägerin am 13.3.2008 Klage beim Sozialgericht St. erhob.
Zur Begründung der Klage legte die Klägerin die den begehrten Eingriff befürwortenden Atteste des Orthopäden Dr. F. vom 4.6.2008 und vom 21.4.2009 sowie der Psychiaterin/Psychotherapeutin P. vom 7.7.2008 vor und machte geltend, sie leide seit ihrer Jugend an (nicht psychopathologisch bedingtem) Übergewicht (Gewicht derzeit 130 kg), das sie weder mit Diäten noch mit sportlicher Betätigung habe vermindern können. Die Adipositas habe zu Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, Hypertonie, Schlafapnoe und einer Spinalkanalstenose sowie zu psychischen Belastungen geführt. Internistisch-konservative Therapien, wie Abnehmkuren und in Eigenregie durchgeführte Diäten, hätten keinen bleibenden Erfolg erzielt. Die Magenbandimplantation sei die einzig effektive Behandlung bei extremem Übergewicht. In Deutschland würden konservative Behandlungen viel zu hoch bewertet. Nach der Operation würde sie eine engmaschige Nachbetreuung wahrnehmen. Sie sei auch Mitglied einer Selbsthilfeorganisation (Bundesverband für Adipositas-Chirurgie e. V.).
Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte:
Dr. S. teilte im Bericht vom 16.7.2008 mit, der Magen der Klägerin sei nicht krank. Seit ihrer Kindheit leide sie an Adipositas per magna und mittlerweile an Folgeerkrankungen wie arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus, einem metabolischen Syndrom, einem Lymphödem, MPP, KTS, Osteochondrose und Hyperlipidämie sowie einer Depression. Durchgeführte Therapien der Klägerin hinsichtlich der Adipositas seien ihm nicht bekannt. Die Klägerin habe ein vermindertes Sättigungsgefühl angegeben. Durch die Verkleinerung des Magens werde das Sättigungsgefühl viel früher erreicht. Die Klägerin sei hoch motiviert.
Prof. Dr. H./Dr. H. führten unter dem 21.7.2008 aus, aus ihrer Sicht sei die konservative Therapie bereits im November 1999 gescheitert gewesen. Wegen des Übergewichts bestünden ein metabolisches Syndrom mit medikamentenpflichtiger Hypertonie, diabetischer Stoffwechsellage, Fettleber sowie übergewichtsbedingte Gelenk- bzw. Wirbelsäulenbeschwerden und eine psychosoziale Problematik; außerdem sei die Klägerin wegen der übergewichtsbedingten Erkrankungen auch Schmerzpatientin. Der Magen der Klägerin sei nicht krank. Seit der Jugendzeit habe sie versucht, mit umfangreichen häuslichen Diäten unter ärztlicher Anleitung ihr extremes Übergewicht zu reduzieren. Medikamentöse Therapien sowie Sportprogramme und das Führen von Esstagebüchern hätten keine bleibende Gewichtsreduktion erbracht. Die Klägerin leide an einem nicht vorhandenen Sättigungsgefühl. Ohne dauerhafte Gewichtsverminderung drohten weitere orthopädische Komplikationen und der Arbeitsplatzverlust.
Der Orthopäde Dr. F. teilte im Bericht vom 23.7.2008 Diagnosen (Spinalkanalenge, Bandscheibenvorfall L4/5, ausgeprägte Einengung der Neuroforamen, Wurzelirritation L4/5 und Bandscheibenvorfall TH 8/9) mit. Eine Magenerkrankung liege nicht vor. Die Klägerin leide an Adipositas mit Folgeerkrankungen der BWS und LWS; diese würden physikalisch und medikamentös behandelt. Außerdem drohten Gelenkerkrankungen. Die Klägerin habe alle Formen der Diätmöglichkeiten hinter sich. Eine Änderung habe sich nicht eingestellt.
Die Beklagte trug hierzu vor, die von der Klägerin überwiegend in Eigenregie durchgeführten Diäten und Bewegungstherapien könnten die von der einschlägigen Leitlinie geforderte konsequente und ärztlich überwachte (zeitgleiche) Gesamtbehandlung nicht ersetzen. Auch eine Selbstbeobachtung des Essverhaltens und des Bewegungsprogramms durch entsprechende Tagebücher sei nicht dargelegt.
Vom 7. bis 28.5.2009 absolvierte die Klägerin eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Reha-Klinik am Kurpark, Bad K ... Im Entlassungsbericht vom 4.6.2009 sind die Diagnosen chronisches Schmerzsyndrom mit Cervicobrachialgie beidseits, Lumboischialgie links, Spinalkanalstenose L2/3 und L4/5, keine sicheren Ausfälle, ausgeprägte myostatische Insuffizienz, Adipositas Grad III (BMI 47,4) mit metabolischem Syndrom, (behandelte) arterielle Hypertonie sowie Diabetes mellitus Typ 2 (unter diätetischer Führung) festgehalten. Als Pflegerin in einer Suchtabteilung (des Zentrums für Psychiatrie Winnenden) könne die Klägerin weiterhin arbeiten.
Die Klägerin beantragte am 2.6.2009 die Erhebung eines Gutachtens gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG); ein Gutachter wurde (erst) mit Schriftsatz vom 2.12.2009 benannt. Das Gutachten wurde nicht mehr erhoben.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.11.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach der Rechtsprechung des BSG (Urt. v. 19.2.2003, - B 1 KA 1/02 R -) und des LSG Baden-Württemberg (Urt. v. 12.7.2006, - L 5 KR 5779/04 -, und Urt. v. 29.08.2005, - L 5 KR 1676/05 –) bedürften mittelbare Behandlungen durch operative Eingriffe in ein funktionell intaktes Organ, wie die Implantation eines Magenbandes, einer speziellen Rechtfertigung. Dabei seien Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen. Da das Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen erreicht werden könne, müsse zunächst geprüft werden, ob eine Krankenhausbehandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen notwendig und wirtschaftlich sei und ob nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen für einen chirurgischen Eingriff in ein gesundes Körperorgan vorlägen. Die Implantation eines Magenbandes komme nur als ultima ratio und nur bei Patienten in Betracht, die eine Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllten (BMI )= 40 oder )= 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen; Erschöpfung konservativer Behandlungsmöglichkeiten; tolerables Operationsrisiko; ausreichende Motivation, keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung, u.a.). Wie Dr. Br. im MDK-Gutachten vom 19.1.2007 überzeugend dargelegt habe, seien bei der Klägerin die konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Es fehle nach wie vor an einem ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzept, das auch konsequent umgesetzt werden müsse; insoweit sei eine strenge Prüfung erforderlich. Die operative Magenverkleinerung als von der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmende Therapie extremer Adipositas setze nach der einschlägigen Leitlinie eine mindestens sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien voraus. Die Behandlung umfasse als Basisprogramm die Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sowie adjuvante medikamentöse Therapie. Die Behandlung sei ärztlich zu koordinieren, zu leiten und zu dokumentieren. Eine Gesamtbehandlung dieser Art habe bei der Klägerin nicht stattgefunden; sie sei durch die wahrgenommene Ernährungsberatung und durch Diäten bzw. die Bewegungstherapie im Rahmen der orthopädischen Behandlung oder die orthopädische Rehabilitationsbehandlung in der Reha-Klinik am Kurpark, Bad K., nicht zu ersetzen. Die Klägerin habe zwar bis 1983 an der Kinder- und Jugendsprechstunde für Übergewichtige teilgenommen, zwei stationäre Behandlungen in den 80iger Jahren durchgeführt und eine Rehabilitationskur sowie eine Mutter-Kind-Kur in den 90iger Jahren absolviert. Unbeschadet dessen, dass diese Maßnahmen zu weit zurücklägen, fehle gleichwohl ein ärztlich koordiniertes, geleitetes und dokumentiertes Gesamtprogramm mit den dargestellten Komponenten über mindestens 6 Monate. Anderes gehe auch aus den eingeholten Arztberichten nicht hervor.
Auf den ihr am 3.12.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29.12.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung bekräftigt sie ihr bisheriges Vorbringen. Sie habe nachhaltig und ausreichend konservative Methoden zur Gewichtsreduktion angewendet, ohne Erfolge zu erzielen. Als ultima ratio bleibe nur noch die auch von den behandelnden Ärzten befürwortete Implantation eines Magenbandes. Das Sozialgericht habe aus der einschlägigen Rechtsprechung falsche Schlussfolgerungen gezogen und hätte ein weiteres Gutachten erheben müssen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts St. vom 30.11.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.2.2008 zu verurteilen, ihr eine stationäre chirurgische Adipositasbehandlung durch Implantation eines Magenbands zu gewähren,
hilfsweise von Amts wegen ein Gutachten nach § 103 SGG einzuholen zu der Frage, ob bei der Klägerin im Sinne der Leitlinien eine ultima-ratio-Situation besteht,
weiter hilfsweise, die Gutachter Dr. R. und Dr. M. persönlich anzuhören.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG das Gutachten des PD Dr. M. (Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Klinikum St.) vom 27.12.2010 erhoben.
Der Gutachter hat ausgeführt, neben den bislang vorliegenden Arztunterlagen habe er außerdem die Unterlagen über eine stationäre Behandlung der Klägerin im Zentrum für Hautkrankheiten des Klinikums St. vom 10. bis 21.09.2010 und die Ergebnisse der dabei vorgenommenen internistisch-gastroenterologischen Behandlung vom 20.bis 21.09.2010 berücksichtigt. Bei der Klägerin seien folgende Erkrankungen zu diagnostizieren: Adipositas per magna (BMI 45; Größe 166 cm; Gewicht 124 kg), metabolisches Syndrom mit arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperurikämie, Hypercholesterinämie, chronisches Schmerzsyndrom mit Zervikobrachialgie rechtsbetont, Kribbelparästhesien rezidivierend rechter, größer linker Daumen, Periformissyndrom links, rezidivierende Dorsalgie rechtsbetont bei Rundrücken und präsakraler Hyperlordose, rezidivierende Zervikocephalgie, Trapeziushartspann, degeneratives Lendenwirbelsäulensyndrom betont L2/L3 und L4/L5, Spinalkanalstenose, Bandscheibenvorfall L4/5, ausgeprägte Einengung der Neuroforamen, Wurzelirritation L4/5, Bandscheibenvorfall Th 8/9, Arthrose der rechten Schulter, Fibromyalgie, chronisch-venöse Insuffizienz, chronisches Lymphödem Unterschenkel beidseits, chronisch mitigiertes Erysipel Unterschenkel beidseits. Es liege zweifellos eine behandlungsbedürftige Adipositas der höchsten Stufe (Grad III) vor mit einem BMI über 40. Bei einer Grad-III-Adipositas sei die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient einen Diabetes mellitus, ein Asthma bronchiale, eine Arthrose, eine arterielle Hypertonie, eine maligne Erkrankung und viele weitere Erkrankungen entwickle, massiv erhöht; so liege bei Frauen das Risiko für eine Typ-Il-Diabetes bei einem BMI über 35 bei 93,2 %. Das Mortalitätsrisiko sei bei einem BMI über 40 um das fast 2,5-fache erhöht.
Bei der Klägerin bestehe seit der Kindheit eine erhebliche Adipositas, weswegen sie schon im Alter von 11 Jahren (in der ehemaligen DDR) ein Diätprogramm bei der Hausärztin und sodann mit 13 Jahren eine erste Abnehmkur mit einem ersten Diätkurs absolviert habe. Mit 18 Jahren sei unter ärztlicher Aufsicht und stationären Bedingungen eine Nulldiät für 6 Wochen in Weimar durchgeführt worden; dabei habe die Klägerin 35 kg abgenommen. In der Folgezeit habe sie aber wieder zugenommen. Die Diätversuche hätten keine langfristigen Erfolge gehabt, vielmehr sei der so genannte "Jojo-Effekt" eingetreten. Die Klägerin habe erfolglos die unterschiedlichsten Diäten versucht (Kohlsuppendiäten, spezielle Ernährungsdiäten, kohlenhydratfreie Diäten u.a.). In den vergangenen 10 Jahren habe sie 10 kg zugenommen. Die Klägerin habe Mutter-Kind-Kuren 1994 und 1999 auch zum Abnehmen genutzt, allerdings wiederum ohne langfristig bleibenden Erfolg.
Man habe eine medikamentöse Therapie versucht; das eingesetzte Medikament sei der Klägerin nicht mehr bekannt. Die einzig wirksamen Substanzen Sibutramin und Rimonabant seien wegen massiver gesundheitlicher Schädigungen und einer signifikanten Zunahme der Selbstmordrate vom Markt genommen worden. Zugelassen sei nur noch das Medikament Orlistat, das hinsichtlich der Gewichtsreduktion sehr umstritten sei und bei den meisten Patienten keine wirkliche Gewichtsreduktion bewirke. Die unzähligen Appetithemmer seien ebenfalls umstritten. Zuletzt habe die Klägerin während der stationären Rehabilitationsbehandlung in der Reha-Klinik am Kurpark, Bad K., an Ernährungsberatungs- und Diätkursen teilgenommen (Buffetberatung, Seminar Harnsäure, Fettstoffwechselseminar, Seminar zum bewussten Ernährungsverhalten, Kurs Ernährungskunde, strukturiertes Schulungsprogramm Diabetes mellitus Typ II ohne Insulin, Lehrküche für diabetesgerechte und fettreduzierte Kost); sie habe 3 kg abgenommen.
Die Klägerin nehme seit 2009 regelmäßig am aqua cycling im Hallenbad Sch. teil, habe aber aufgrund einer Verschlechterung des Erysipels an beiden Unterschenkeln aussetzen müssen; deswegen sei auch eine stationäre Behandlung notwendig geworden. Außerdem gehe sie täglich mit dem Hund spazieren. Seit 2006 bekomme sie Krankengymnastik. Im März 2010 habe sich die Klägerin einen Magenballon (Bericht des Klinikums St. vom 20.9.2010) einsetzen lassen und sie habe danach 20 kg abgenommen. Als lediglich temporäre Maßnahme sei der Ballon planmäßig nach einem halben Jahr am 20.9.2010 wieder entfernt worden. Damit habe sich gezeigt, dass die Klägerin mit Hilfe eines bariatrischen Verfahrens ihre Essgewohnheiten zur Erzielung einer guten und nachhaltigen Gewichtsreduktion umstellen könne. Allerdings habe sie seit der Entfernung des Magenballons bereits wieder 4 kg zugenommen. Nach Studien sei die konservative Therapie nicht geeignet, bei adipösen Patienten langfristig eine Gewichtsreduktion zu erreichen.
Sämtliche konservativen Therapieoptionen seien ausgereizt worden. Medikamentöse Therapien stünden bis auf die Therapie mit Orlistat nicht zur Verfügung. Dieses Medikament hemme das Enzym Lipase im Darm und verhindere so die Spaltung von Fetten, so dass weniger Fett im Darm aufgenommen werden könne. In den bisher durchgeführten Studien habe so lediglich eine Gewichtssenkung von 3-4 kg erreicht werden können. Diätprogramme habe die Klägerin erschöpfend durchgeführt und wegen des "Jojo-Effekts" im Ergebnis sogar zugenommen. Die Bewegungstherapie könne infolge gewichtsbedingter statischer Schwierigkeiten mit Wirbelsäulenproblemen und einem ausgeprägten Schmerzsyndrom sowie aufgrund der chronischen Lymphödeme und Erysipele an den Unterschenkeln nicht intensiviert werden.
Ein bariatrischer Eingriff sei absolut indiziert. Nach der einschlägigen Leitlinie bestehe eine klare Indikation zum operativen Vorgehen (u.a.) bei Patienten mit einem BMI über 40 ohne Kontraindikationen und bei Erschöpfung der konservativen Therapie nach umfassender Aufklärung. Hier seien die konservativen Therapiemaßnahmen durchgeführt worden; sie hätten versagt. Das Operationsrisiko sei als nur minimal erhöht einzuschätzen und liege bei der Klägerin im tolerablen Bereich. Sie sei zur dauerhaften Änderung des Essensverhaltens auch motiviert und seit der Kindheit bestrebt, ihr Gewicht zu reduzieren. Die Eltern der Klägerin seien ebenfalls adipös; der Vater sei wohl deswegen auch mit 59 Jahren an einem Hirnschlag verstorben, die Mutter leide an Diabetes. Eine manifeste psychische Erkrankung bestehe nicht. Die medizinische Betreuung sei bisher ausreichend dokumentiert und werde nach dem bariatrischen Eingriff vom Adipositas-Zentrum gewährleistet.
Der Auffassung des Dr. Br. im MDK-Gutachten vom 19.11.2007 sei nicht zu folgen. Die Leitlinienkommission habe den Begriff "Versagen" (der konservativen Behandlung) durch den Begriff "Erschöpfung" ersetzt. Die konservativen Behandlungsmöglichkeiten seien erschöpft, wenn durch eine multimodale konservative Therapie innerhalb von 6-12 Monaten das Therapieziel nicht erreicht und gehalten worden sei; bei Patienten mit einem BMI von 35-39,9 würden 10-20 % und mit einem BMI über 40 10-30 % Gewichtsverlust angesetzt. Die Möglichkeiten zur Ernährung seien erschöpft, wenn mittels einer energiereduzierten Mischkost und einer weiteren ernährungsmedizinischen Maßnahme (z.B. Formuladiäten, weitere Form einer energiereduzierten Mischkost) das Therapieziel nicht erreicht worden sei. Das sei bei der Klägerin der Fall. Diese habe zuletzt in der Reha-Klinik, Bad K., ohne wirklichen Erfolg abzunehmen versucht. Auch die Bewegungstherapie sei mit aqua cycling und Spaziergängen mit dem Hund ausgeschöpft; mehr könne die Klägerin wegen der adipositasbedingten Folgekrankheiten nicht leisten.
Die Beklagte hat hierzu das MDK-Gutachten des Dr. R. vom 25.2.2011 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, Gegenstand der Diskussion sei (in erster Linie) die bisherige konservative Behandlung der Klägerin. Diese habe im Jahr 2000 verhaltenstherapeutische Probesitzungen durchgeführt. Das Attest der Psychiaterin P. vom 7.7.2008 lasse offen, ob die Klägerin die Ärztin aufgesucht habe und ob eine psychiatrische Diagnostik erfolgt sei; erwähnt würden lediglich die verhaltenstherapeutischen Probesitzungen bei dem Psychotherapeuten B ...
Nach der maßgeblichen Leitlinie seien die konservativen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft, wenn durch eine multimodale konservative Therapie innerhalb von 6-12 Monaten das Therapieziel nicht erreicht und gehalten worden sei. Bei der Klägerin seien zahlreiche Maßnahmen durchgeführt worden. Bereits mit 11 Jahren habe sie eine Diät unternommen, mit 13 sowie 18 Jahren Diätkurse und stationäre Maßnahmen absolviert. Zahlreiche Diätversuche mit nur kurzfristigem Erfolg würden nachvollziehbar beschrieben. Es sei zu mehreren stationären Rehabilitationsmaßnahmen, u.a. im Rahmen einer Mutter-Kind-Kur 1998 sowie 1999, und schließlich zu einer stationären Rehabilitationsmaßnahme mit rheumatologisch/orthopädischem Schwerpunkt vom 17. bis 28.5.2009 gekommen. Wesentliche dauerhafte Gewichtsabnahmen habe die Klägerin nicht erzielt. Bei den Rehabilitationsmaßnahmen habe sie jeweils an Ernährungsberatungen teilgenommen. Auch eine medikamentöse Behandlung mit Appetithemmern habe die Klägerin ohne wesentliche Gewichtsreduktion versucht. Bewegungstherapie als aqua cycling habe 2009 für einen unbekannten Zeitraum stattgefunden.
Insgesamt habe die Klägerin eine multimodale konservative Therapie über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten zu keinem Zeitpunkt durchgeführt. Die zahlreichen Behandlungsbemühungen seien jeweils kurzfristig und nicht multimodal zeitgleich vorgenommen worden. Insofern seien die Voraussetzungen für eine chirurgische Maßnahme nicht erfüllt. Auch das Vorliegen einer psychiatrischen Erkrankung sei nicht hinreichend abgeklärt; die vorliegenden Atteste genügten hierfür nicht. Die Leitlinie verlange eine Psychotherapie oder Verhaltenstherapie, falls eine Essstörung oder eine Psychopathologie vorliege. Im Attest des Klinikums St. vom 8.8.2007 werde die Klägerin als reiner Vielesser eingestuft. Hier könne eine Verhaltenstherapie ursächlich angreifen. Auch die adipositasbegleitenden psychischen Beeinträchtigungen, wie Schamgefühle oder depressive Verstimmungen, könnten psychologisch behandelt werden. Auf eine solche Verhaltenstherapie habe sich die Klägerin nicht einlassen können.
Nach den vorliegenden Unterlagen bestehe eine schwere Adipositas, die als ultima ratio chirurgisch behandelt werden solle. Die in der maßgeblichen Leitlinie genannten Voraussetzungen hierfür seien aber nicht erfüllt, da die multimodale interdisziplinäre und vor allen Dingen zeitgleiche Behandlung nicht durchgeführt worden sei und die konservative Behandlung daher als nicht ausgeschöpft angesehen werden könne. Außerdem sollten eine psychiatrische Diagnostik sowie eine verhaltenstherapeutische Begleitung und zeitgleiche ernährungstherapeutische bzw. (krankheitsbedingt sicherlich eingeschränkte) bewegungstherapeutische Behandlungen erfolgen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr eine stationäre operative Magenbandimplantation zu gewähren. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.
I. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 11 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
1.) Unter Krankheit im Sinne des Krankenversicherungsrechts ist ein regelwidriger körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand zu verstehen, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat. Der krankenversicherungsrechtliche Krankheitsbegriff unterscheidet sich damit vom medizinischen Krankheitsbegriff; dieser versteht unter Krankheit eine Erkrankung mit bestimmten Symptomen und Ursachen. Für die Feststellung der Regelwidrigkeit des Zustands ist vom Leitbild des gesunden Menschen auszugehen, der zur Ausübung normaler körperlicher und psychischer Funktionen in der Lage ist. Eine Abweichung von dieser Norm führt zur Regelwidrigkeit des körperlichen, seelischen oder geistigen Zustandes. Es muss aber eine erhebliche Abweichung vorliegen, nur geringfügige Störungen, die keine wesentliche funktionelle Beeinträchtigung zur Folge haben, genügen nicht (vgl. KassKomm/Höfler, § 27 SGB V Rdnr 9 ff.; BSG, Urt. v. 19.2.2001, - B 1 KR 1/02 R - m. w. N.). Für das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Krankheit kommt es nicht darauf an, ob (schon) gegenwärtig eine Behandlungsnotwendigkeit besteht. Behandlungsbedürftigkeit ist auch dann anzunehmen, wenn der gegenwärtige Zustand zwar noch keine Schmerzen oder Beschwerden bereitet, durch ärztliche Behandlung im Frühstadium eine wesentliche Besserung oder gar Beseitigung des Leidens und damit eine günstige Wirkung auf die spätere Erwerbsfähigkeit erreicht werden kann.
Die Krankenbehandlung, deren Notwendigkeit (und Zweckmäßigkeit) nach den Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin zu beurteilen ist, umfasst gem. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 5 SGB V die ärztliche Behandlung sowie die Krankenhausbehandlung. Gem. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V besteht Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfasst nach § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung.
Gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen und damit auch der (ambulanten oder stationären) Krankenbehandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. In der (ambulanten) vertragsärztlichen Versorgung setzt das für neue (also noch nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistung (EBM-Ä) enthaltene) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden voraus, dass der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat; diese Richtlinien legen damit (auch) den Umfang der von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest (§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V). In der stationären Versorgung dürfen Krankenhäuser (§ 107 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) demgegenüber Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen ohne Weiteres anwenden, solange der Gemeinsame Bundesausschuss insoweit nicht eine negative Empfehlung abgegeben hat (§ 137c Abs. 1 SGB V). Wie jede Leistung der Krankenversicherung muss auch die Krankenbehandlung aber im Übrigen dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V entsprechen. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht übersteigen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Die Krankenkassen gewähren die dem Versicherten danach zustehenden Leistungen der Krankenbehandlung grundsätzlich als Sach- und Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V); Kostenerstattung findet nur nach näherer Maßgabe des § 13 SGB V statt.
2.) Die Krankenbehandlung setzt bei körperlichen Erkrankungen regelmäßig unmittelbar am erkrankten Körperteil oder Organ selbst an und braucht deswegen nicht zusätzlich legitimiert zu werden. Soll der Behandlungserfolg hingegen mittelbar durch einen Eingriff an einem an sich gesunden Organ erreicht werden, bedarf die Notwendigkeit der Krankenbehandlung einer besonderen Rechtfertigung im Rahmen einer umfassenden Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und den möglichen gesundheitlichen Schäden, zumal ein operativer Eingriff stets mit einem Operationsrisiko verbunden ist. In diese Abwägungsentscheidung sind auch Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit des Eingriffs und etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung einzubeziehen (BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 9/04 R -; BSGE 85, 86). Ist der therapeutische Nutzen einer mittelbaren Behandlungsmaßnahme durch die Operation an einem gesunden Organ nicht ausreichend gesichert, besteht grundsätzlich kein Leistungsanspruch. Das Gleiche gilt auch dann, wenn durch andere, dem Versicherten zumutbare Maßnahmen eine Besserung oder Heilung möglich ist (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 7.2.2002, - L 5 KR 65/01 -). Im Hinblick darauf sind etwa Operationen am gesunden Körper (wie Brustoperationen) zur Behebung psychischer Störungen grundsätzlich nicht gerechtfertigt, vor allem, weil die psychischen Wirkungen körperlicher Veränderungen nicht hinreichend verlässlich zu prognostizieren sind (Senatsurteil vom 26.1.2011, - L 5 KR 4906/09 - m N. zur Rspr. des BSG).
Für Eingriffe der chirurgischen Adipositasbehandlung, die, wie die Implantation eines Magenbandes, am gesunden Magen durchgeführt werden, hat das BSG die Anforderungen in seinem Urteil vom 16.12.2008 (- B 1 KR 2/08 R -) weiter präzisiert. Da das Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, ist danach zunächst zu prüfen, ob eine Krankenhausbehandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen (diätetische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) notwendig und wirtschaftlich ist (§§ 12 Abs. 1, 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Sodann muss untersucht werden, ob nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen für einen chirurgischen Eingriff in ein gesundes Körperorgan gegeben sind. Die Implantation eines Magenbandes - für die eine negative Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses gem. § 137c Abs. 1 SGB V nicht vorliegt - kommt nur als ultima ratio in Betracht für Versicherte, die eine Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung erfüllen. Diese sind in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie/Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie (derzeit) vom Juni 2010 (S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas: im Folgenden S3-Leitlinie) näher festgelegt. Hiernach richtet sich, ob eine stationäre Magenbandimplantation nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse als Krankenhausbehandlung notwendig ist. Ist das der Fall, muss außerdem geprüft werden, ob der Eingriff nach der für mittelbare Behandlungen geforderten speziellen Güterabwägung (zusätzlich) gerechtfertigt ist.
Die Indikationen für eine chirurgische Adipositasbehandlung sind unter Nr. 3.2 der S3-Leitlinie umschrieben: Voraussetzung ist danach (soweit hier von Belang) zunächst ein BMI von oder über 40 oder ein BMI zwischen 35 und 40 bei gleichzeitigem Vorliegen einer oder mehrerer Adipositas-assoziierten Folge- oder Begleiterkrankungen. Außerdem muss die konservative Therapie erschöpft sein. Insoweit sind Anforderungen an Art und Dauer der Behandlung und das Setting zu stellen.
Die Art der Behandlung umfasst die Ernährungs-, Bewegungs- und Psychotherapie. Die Möglichkeiten zur Ernährungstherapie sind erschöpft, wenn mittels einer energiereduzierten Mischkost und einer weiteren ernährungsmedizinischen Maßnahme (z. B. Formula-Diät, weitere Form einer energiereduzierten Mischkost) das Therapieziel nicht erreicht wurde. Zur Bewegungstherapie gehört die Durchführung einer Ausdauer- und/oder Kraftausdauersportart mit mindestens zwei Stunden Umfang pro Woche, falls keine Barrieren bestehen (z. B. Gonarthrose für Gehsportarten oder Scham beim Schwimmen). Die Psychotherapie besteht in der Durchführung einer ambulanten oder stationären Psychotherapie (Verhaltenstherapie oder Tiefenpsychologie), falls eine Essstörung (binge-eating, night-eating) oder eine Psychopathologie (z. B. Depression, Ängstlichkeit) vorliegt. Hinsichtlich der Dauer der Behandlung müssen die genannten Therapiearten mindestens 6 Monate durchgeführt werden. Sie werden spätestens nach 12 Monaten abschließend beurteilt. Was das Setting angeht, sollten Behandlungen zum Lebensstil nach Möglichkeit in der Gruppe (Leitung idealerweise durch Fachpersonal) erfolgen. Eine primäre (Operations-)Indikation kann in Ausnahmefällen gestellt werden, wenn Art und/oder Schwere der Krankheit bzw. psychosoziale Gegebenheiten bei Erwachsenen annehmen lassen, dass eine chirurgische Therapie nicht aufgeschoben werden kann oder die konservative Therapie ohne Aussicht auf Erfolg ist. Die (primäre) Indikation ist durch einen in der Adipositastherapie qualifizierten Arzt und einen bariatrischen Chirurgen gemeinsam zu stellen (S. 15, 16 der S3-Leitlinie). Nach Adipositas-chirurgischen Eingriffen ist in jedem Fall eine regelmäßige Nachsorge durch einen in der Adipositastherapie erfahrenen Arzt und eine Ernährungsfachkraft notwendig (näher zur Nachsorge S. 35 ff. der S3-Leitlinie).
II. Davon ausgehend hat die Beklagte die Gewährung einer Magenbandimplantation zu Recht abgelehnt.
1.) Eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinn, wofür eine etwaige Magenvergrößerung aufgrund übermäßiger Nahrungsaufnahme ohne sonstige Funktionsbeeinträchtigung nicht genügt, liegt am Magen der Klägerin nicht vor; hierüber herrscht (auch unter den behandelnden und begutachtenden Ärzten) kein Streit (vgl. nur den Bericht des Prof. Dr. H./Dr. H. vom 21.7.2008). Anderes gilt freilich für die Adipositas per magna Grad III mit einem Körpergewicht von 124 kg bei einer Körpergröße von 166 cm, zu der weitere behandlungsbedürftige Begleit- und Folgeerkrankungen, wie (u.a.) Diabetes mellitus und Bluthochdruck, hinzukommen. Bei starkem Übergewicht (im allgemeinen ab einem BMI von 30) ist eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich, weil andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von (weiteren) Begleit- und Folgeerkrankungen wie Stoffwechselkrankheiten, Herz- und Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen, gastrointestinale Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungsapparates und bösartige Neubildungen besteht (vgl. etwa Senatsurteil vom 12.7.2006, - L 5 KR 5779/04 -).
2.) Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteile vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R und Parallelentscheidungen), der der Senat folgt, kann die Leistungspflicht für eine chirurgische Therapie der Adipositas-Krankheit nicht mit der Erwägung verneint werden, dass für das Übergewicht das krankhafte Essverhalten der von den Ärzten als "reiner Vielesser" eingestuften Klägerin und nicht eine Funktionsstörung des Magens verantwortlich ist. Zwar stellt die operative Verkleinerung bzw. Veränderung des Magens durch Implantation eines Magenbands keine kausale Behandlung dar, da damit die Verhaltensstörung (das gestörte, übermäßige Essverhalten) durch eine zwangsweise Begrenzung der Nahrungsmenge lediglich indirekt beeinflusst wird. Eine solche mittelbare Therapie wird jedoch vom Leistungsanspruch grundsätzlich mitumfasst, wenn sie ansonsten die in § 12 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V aufgestellten Anforderungen erfüllt, also ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist sowie dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht.
3.) Die Voraussetzungen der S3-Richtlinie für die Notwendigkeit einer chirurgischen Adipositastherapie sind nicht erfüllt. Das geht insbesondere aus dem MDK-Gutachten des Dr. R. schlüssig und überzeugend hervor. Der abweichenden Auffassung (vor allem) des PD Dr. M. in dessen auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten vom 27.12.2010 kann sich der Senat nicht anschließen.
Die Klägerin hat - beginnend schon in der Kindheit – nach eigenen Angaben eine Vielzahl von Versuchen unternommen, ihr (extremes) Übergewicht zu vermindern. Darunter finden sich auch ärztliche Behandlungen, teilweise im Rahmen stationärer Kuren sowie in Eigenregie (erfolglos) durchgeführte Diäten. All das genügt jedoch nicht für die Notwendigkeit einer Magenbandoperation i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Erforderlich ist – bei einem strengen Maßstab - vielmehr ein multimodales Therapiekonzept aus sachlich und zeitlich aufeinander abgestimmten und aufeinander bezogenen Therapieelementen, das unter ärztlicher Koordination und Begleitung konsequent und stringent umgesetzt wird und das auch hinreichend ärztlich dokumentiert ist. Es umfasst regelmäßig Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie, ggf. pharmakologisch-ärztliche Behandlung und ggf. – sofern notwendig - eine kombinierte psychotherapeutische Intervention. Eine multimodale und integrative Gesamtbehandlung dieser Art ist nicht dadurch zu ersetzen, dass einzelne, ggf. auch alle Therapieelemente auf längere Zeiträume, hier über viele Jahre beginnend schon in der Kindheit, verteilt oder auch wiederholt und unkoordiniert, meist ohne Anleitung oder Dokumentation in Eigenregie angewendet werden. Dass eine auf lange Sicht weithin planlose Vorgehensweise dieser Art in einer Vielzahl der Fälle nicht nur erfolglos bleibt, sondern sogar zu einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustands und (im Hinblick auf den so genannten "Jojo-Effekt") zu weiterer Gewichtszunahme führt, ist bekannt. Das Erfordernis der Erschöpfung konservativer Behandlungsmaßnahmen i. S. d. S3-Leitlinie ist damit nicht auszufüllen (vgl. auch Senatsurteil vom 12.7.2006, - L 5 KR 5779/04 -).
Der Senat folgt insoweit der Einschätzung des MDK. Dr. R. (ebenso bereits Dr. Br. im Gutachten vom 19.11.2007) hat im MDK-Gutachten vom 25.2.2011 dargelegt, dass bei der Klägerin in der Summe zwar zahlreiche Maßnahmen zur Gewichtsreduktion durchgeführt worden sind, darunter viele Diätversuche mit jeweils nur kurzfristigem Erfolg. Eine den dargestellten Anforderungen genügende multimodale konservative Therapie über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten hat aber keinem Zeitpunkt stattgefunden. Die vielfältigen Behandlungsbemühungen sind vielmehr jeweils mehr oder weniger kurzfristig und vor allem nicht zeitgleich und sachlich miteinander verknüpft unter umfassender ärztlicher Leitung vorgenommen worden, weswegen auch eine entsprechende ärztliche Dokumentation weder der einzelnen Maßnahmen noch der Gesamtbehandlung vorliegt. Anderes geht aus dem Gutachten des PD Dr. M. oder den übrigen, die Magenbandoperation befürwortenden Äußerungen behandelnder Ärzte nicht hervor. Diese stellen - auf der Grundlage der eigenen, nicht näher nachprüfbaren Angaben der Klägerin - jeweils die Einzelmaßnahmen heraus, berücksichtigen dabei aber nicht ausreichend das Erfordernis, dass diese im Rahmen einer ärztlich geleiteten – und ärztlich auch dokumentierten – Gesamtbehandlung stattzufinden haben.
Auch die Erschöpfung speziell psychotherapeutischer Behandlungsoptionen – nämlich einer Verhaltenstherapie – ist nicht hinreichend belegt. Darauf hat Dr. R. ebenfalls zu Recht hingewiesen. Die Klägerin ist als "reine Vielesserin" eingestuft worden. Hier kann, wie Dr. R. schlüssig dargelegt hat, aber die Verhaltenstherapie ansetzen und das Essverhalten verändern. Eine Therapie dieser Art hat die Klägerin freilich nicht unternommen. Mit der Absolvierung der (fünf) probatorischen Sitzungen bei dem Psychotherapeuten B. ist es insoweit nicht getan. Aus dem Attest des Psychotherapeuten B. vom 15.9.2007 oder dem Bericht der Psychiaterin P. vom 7.7.2008 ist nicht nachvollziehbar zu entnehmen, dass und weshalb eine Therapie dieser Art von vornherein, ohne jeglichen weitergehenden Therapieversuch, zum Scheitern verurteilt sein sollte. Auch die adipositasbegleitenden psychischen Beeinträchtigungen, wie Schamgefühle oder depressive Verstimmungen, können entsprechend psychotherapeutisch – im Rahmen der genannten multimodalen Gesamtbehandlung - angegangen werden.
Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsanträgen war nicht zu entsprechen. Die gut-achterliche Abklärung einer ultima-ratio Situation wäre nur sinnvoll, wenn eine multimodale Therapie bereits stattgefunden hätte und der Streit darum ginge, ob die bisherigen Bemühungen um Gewichtsabnahme bereits als (endgültig) gescheitert anzusehen sind oder ob die konventionellen ambulanten Maßnahmen zur Gewichtsreduktion noch weiter fortgesetzt werden sollen. So liegt der Fall indes nicht. Soweit ersichtlich hat die Klägerin seit dem Urteil des SG Stuttgart vom 21.6.2001 keine Bemühungen im Sinne des geforderten multimodalen Therapiekonzeptes unternommen, um eine Gewichtsreduzierung erreichen; jedenfalls fehlen insoweit nachvollziehbare Dokumentationen. Intensive Bemühungen um Gewichtsabnahme mit Hilfe konservativer Maßnahmen unter ärztlicher Anleitung haben offensichtlich nicht stattgefunden. So fehlt jedenfalls der Nachweis der Teilnahme an Bewegungsprogrammen (die seit 2008 erfolgte Teilnahme am Aqua cycling, die alsbald wegen des Erysipels an beiden Unterschenkeln eingestellt werden musste, war zwar ein Schritt in die richtige Richtung, kann aber nicht die geforderte mehrmalige intensive körperliche Aktivität pro Woche ersetzen) sowie an einem kontrollierten kalorienreduzierten und durch Esstagebücher belegten Ernährungsprogramm über mindestens ein halbes Jahr. Zudem ist die Gewichtsabnahme während der stationären Reha-Behandlung der Klägerin vom 7. bis 28.5.2009 in Bad K. um gut 2 kg ein Indiz für die Wirksamkeit auch konventioneller Maßnahmen.
Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, welche weiteren Erkenntnisse nach der vom Bevollmächtigten der Klägerin geforderten persönlichen Anhörung der Sachverständigen Dr. R. und Dr. M. zu erwarten gewesen wäre. Die persönliche Anhörung dient nicht der Wiederholung bereits vorliegender gutachterlicher Aussagen sondern der Klärung bislang unklar gebliebener medizinischer Fragen; solche Fragen sind aber vom Bevollmächtigten der Klägerin weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung aufgezeigt worden und auch dem Senat nach Lektüre der vorliegenden schriftlichen Gutachten nicht ersichtlich. Zu Fragen, die sich im konkreten Fall nicht stellen - wie hier die nach dem Vorliegen einer ultima-ratio Situation - , müssen auch Sachverständige nicht angehört werden.
4.) Da mit der begehrten Magenbandimplantation ein Eingriff an einem gesunden Organ zur mittelbaren Therapie der Adipositas bzw. ihrer Begleit- und Folgeerkrankungen vorgenommen werden soll, wäre – worauf es nach dem Gesagten aber ausschlaggebend nicht mehr ankommt - außerdem eine zusätzliche Legitimation der Behandlung im Rahmen einer Abwägung auch unter Einbeziehung etwaiger Folgelasten für die Versichertengemeinschaft und der mit dem Eingriff verbundenen Risiken notwendig. Selbst wenn bei der operativen Applikation eines anpassbaren Magenbandes zur horizontalen Magensegmentation anatomische Veränderungen am Magen offenbar nicht vorgenommen werden, bleibt das jeder Operation innewohnende Risiko von Komplikationen, das wegen der extremen Adipositas der Klägerin und den vorliegenden Begleiterkrankungen – wie auch PD Dr. M. einräumt - eher größer als im Normfall ausfallen wird. Dies unterstreicht zusätzlich die Notwendigkeit, an die ultima ratio der Magenbandimplantation strenge Anforderungen zu stellen, die bei der Klägerin derzeit nicht erfüllt sind.
III. Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben kann. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
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