L 12 KO 491/11 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KO 2461/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 KO 491/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist in seinem Rechtsstreit S 21 R 3912/07 vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund zu einer mündlichen Verhandlung am 16. März 2009 geladen worden; sein persönliches Erscheinen war angeordnet. Die Ladung erfolgte unter der vom Antragsteller angegebenen Anschrift B.straße in S ... In der Ladung wurde der Antragsteller auf Folgendes hingewiesen: "Falls Sie Ihre Reise zum Termin von einer anderen als Ihrer im Beschluss genannten Anschrift antreten wollen, oder andere besondere Umstände Ihr Erscheinen erheblich verteuern (z.B. Transport in einem Krankenwagen, Taxi, Mietwagen oder Begleitperson) sind Sie verpflichtet, dies unter Angabe des Aktenzeichens des Verfahrens sofort mitzuteilen und weitere Nachricht des Gerichts abzuwarten." Auf der Postzustellungsurkunde berichtigte der Zusteller die Adresse in Ö.straße in S., c/o S. H ... Der Antragsteller war bereits zum 1. Januar 2009 in die B.-H.-Straße nach E. verzogen.

Der Antragsteller ist zur mündlichen Verhandlung am 16. März 2009 erschienen und hat mit Entschädigungsantrag vom 17. März 2009 Fahrtkosten unter Berücksichtigung mit dem eigenen Pkw zurückgelegter 1650 km geltend gemacht. Auf Anfrage des Kostenbeamten teilte die Vorsitzende der 21. Kammer des SG mit, dass bei einer Anzeige des Wohnsitzwechsels die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers nicht erfolgt wäre. Daraufhin setzte der Kostenbeamte des SG die Entschädigung auf 5,- EUR (20 km a 0,25 EUR) fest (Schreiben vom 23. März 2009).

Der Antragsteller beantragte die richterliche Festsetzung mit der Begründung, dass er seine Wohnung in Stuttgart zum 31. Dezember 2008 verloren habe und deshalb in seine Heimat zu seinen Geschwistern gezogen sei. Die Terminsnachricht habe er während einer Rehabilitationsmaßnahme in Saarbrücken durch seine Tochter S. H. erhalten, an deren Adresse die Post von seiner alten Stuttgarter Anschrift nachgesendet worden sei. Er sei nicht aus dem Urlaub angereist, sondern von seinem Wohnort. Von seinem Umzug habe er die Richterin in der Verhandlung in Kenntnis gesetzt. Es habe sich um eine Folge höherer Gewalt gehandelt.

Das SG hat mit Beschluss vom 28. Dezember 2010 die Erstattung der Kosten des Antragstellers für die Teilnahme an dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. März 2009 in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Kostenbeamten auf 5,- EUR festgesetzt. Eine höhere Erstattung stehe dem Antragsteller nicht zu. Bei der Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs würden dem Zeugen oder dem Dritten 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung des Kraftfahrzeugs aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere Parkentgelte (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG). Werde die Reise zum Ort des Termins von einem anderen als dem in der Ladung oder Terminsmitteilung bezeichneten oder der zuständigen Stelle unverzüglich angezeigten Ort angetreten oder werde zu einem anderen als zu diesem Ort zurückgefahren, würden Mehrkosten nach billigem Ermessen nur dann ersetzt, wenn der Berechtigte zu diesen Fahrten durch besondere Umstände genötigt gewesen sei (§ 5 Abs. 5 JVEG). Unter Zugrundelegung dieser gesetzlichen Grundlagen habe eine Erstattung in Höhe von 5,- EUR zu erfolgen. Nicht in Betracht komme die Erstattung der Fahrtkosten von E. nach Stuttgart. Dem Gericht sei der neue Aufenthaltsort des Antragstellers nicht bekannt gewesen. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Antragsteller das Gericht vor Antritt der Reise darüber informiert habe, er beabsichtige, aus E. anzureisen. Dem Antragsteller obliege insoweit die Beweisführung. Wegen dieser unterbliebenen Anzeige seien bereits die Mehrkosten der Reise aus E. nicht zu erstatten. Denn grundsätzlich würden nach § 5 Abs. 1 bis 4 JVEG nur diejenigen Kosten ersetzt, die eine Reise von dem Ort erfordern, welcher dem Gericht bekannt sei, sofern eine andere Anzeige nicht und oder nicht unverzüglich erfolge. Selbst wenn die Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten nicht an eine vorherige Anzeige geknüpft werde, stünden dem Antragsteller die Mehrkosten einer von E. aus angetretenen Fahrt nicht zu. Auch bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nach § 5 Abs. 5 JVEG unter Abwägung aller Umstände komme eine Erstattung der beantragten Fahrtkosten nicht in Betracht. Sinn der Obliegenheit, einen Wohnsitzwechsel anzuzeigen, sei es, dem Gericht die Gelegenheit zur Prüfung zu geben, ob die - oft routinemäßige - Anordnung des persönlichen Erscheinens wegen der damit verbundenen erhöhten Kosten aufgehoben werden soll. Nach Angabe der Vorsitzenden der 21. Kammer wäre das persönliche Erscheinen des Antragstellers vor dem Hintergrund der erhöhten Kosten für die Anreise verzichtbar gewesen. Das Gericht hätte es demnach bei Kenntnis des auswärtigen Anreiseortes nicht bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens belassen. "Besondere Umstände" i.S. des § 5 Abs. 5 JVEG hätten nicht vorgelegen. Die Fahrtkosten könnten daher nur bis zu der Höhe erstattet werden, wie sie bei Anreise von der dem Gericht bekannten Adresse entstanden wären. Die einfache Fahrtstrecke von der Adresse S., Ö.straße zum Gericht betrage ca. 10 km, so dass mithin 20 km a 0,25 EUR, insgesamt also 5,- EUR zu erstatten seien. Fiktive Parkentgelte könnten nicht angesetzt werden. Eine Entschädigung für Zeitverlust sei bei dem arbeitsunfähigen Antragsteller ausgeschlossen (§ 20 JVEG).

Gegen den dem Antragsteller am 20. Januar 2011 zugestellten Beschluss richtet sich seine am 27. Januar 2011 eingelegte Beschwerde. Das SG habe durch die Zustellungsurkunde von der Wohnungsveränderung Kenntnis erlangt. Er habe von einem nicht vorhandenen Wohnsitz nicht starten können, sondern in E. starten müssen. Deshalb stehe ihm auch die Vergütung der Reisekosten zu. Es habe eine Verkettung unglücklicher Umstände vorgelegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 28. Dezember 2010 ist nach § 4 Abs. 3 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) zulässig, jedoch unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihm durch die Fahrt von E. zum Gerichtstermin am 16. März 2009 nach Stuttgart entstandenen Kosten.

Nach § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG entscheidet der Kostensenat, da der zuständige Berichterstatter das Verfahren dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen hat.

Der Antragssteller ist nach § 191 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wegen der Anordnung seines persönlichen Erscheinens wie ein Zeuge nach § 5 JVEG zu entschädigen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG werden dem Zeugen bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs zur Abgeltung der Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeuges 0,25 Euro für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung des Kraftfahrzeugs aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte. Wird die Reise zum Ort des Termins von einem anderen als dem in der Ladung oder Terminsmitteilung bezeichneten oder der zuständigen Stelle unverzüglich angezeigten Ort angetreten oder wird zu einem anderen als diesem Ort zurückgefahren, werden Mehrkosten nach billigem Ermessen nur dann ersetzt, wenn der Berechtigte zu diesen Fahrten durch besondere Umstände genötigt war (§ 5 Abs. 5 JVEG).

Das SG hat den Fahrtkostenersatz zutreffend mit 5,- EUR festgesetzt. Die Erstattung der darüber hinaus geltend gemachten Fahrtkosten kommt nicht in Betracht. Die Fahrtstrecke von der dem SG bekannten Adresse des Antragstellers Ö.straße in S. zum Gericht hat das SG zutreffend mit 20 km ermittelt. Nicht in Betracht kommt die darüber hinausgehende Erstattung der Fahrtkosten für die Strecke von E. nach S. und zurück. Der Antragsteller hat dem SG vor dem Termin seine Anfahrt von E. nicht mitgeteilt, obwohl er in der Ladung ausdrücklich auf diese Verpflichtung hingewiesen worden ist. Nachdem der Antragsteller seiner Mitteilungsverpflichtung trotz ausdrücklichen Hinweises nicht nachgekommen ist, hat der Senat zu prüfen, ob die Mehrkosten trotzdem zu erstatten sind, weil er durch besondere, nicht zu vertretende Umstände genötigt war, die Reise von einem anderen als dem in der Ladung bezeichneten Ort anzutreten. Die Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Senats Bei der Abwägung aller Umstände kommt die Erstattung der beantragten Fahrtkosten nicht in Betracht. Zwar konnte der Antragsteller die Fahrt zum Gerichtstermin nur von E. aus antreten, nachdem er seinen Wohnsitz verlegt hatte, jedoch wären die Fahrtkosten nicht angefallen, wenn er rechtzeitig seinen Umzug vor dem Termin mitgeteilt hätte. Denn in diesem Fall hätte die Vorsitzende der 21. Kammer des SG die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Antragstellers aufgehoben mit der Folge, dass bei einer Anreise des Antragstellers aus E. seine Fahrtkosten nicht zu erstatten gewesen wären. Dies folgt aus der eindeutigen Stellungnahme der Vorsitzenden der 21. Kammer, wonach die Anordnung des persönlichen Erscheinens (vgl. § 111 Abs. 1 SGG) nicht ergangen wäre, wenn der Antragsteller seinen Wohnsitzwechsel angezeigt hätte. Diese Stellungnahme ist für den Senat nachvollziehbar. Ausweislich der Niederschrift nahm die mündliche Verhandlung am 16. März 2009 vor dem SG den gesetzlich vorgesehenen Verlauf (§ 112 Abs. 1 und 2 SGG). Eine gesonderte persönliche Anhörung des Antragstellers fand nicht statt und war offensichtlich zur Aufklärung des Sachverhalts nicht erforderlich, zumal er seine Einwendungen bereits zuvor schriftlich vorgetragen hatte.

Für den Senat ist auch nicht erkennbar, dass dem Antragsteller die rechtzeitige Anzeige seines Umzugs vor dem Termin unmöglich gewesen sein soll. Der Antragsteller war bereits zum 31. Dezember 2008 nach E. verzogen. Nach seinen Angaben erhielt er die Terminsladung, die an seine alte S. Adresse gerichtet und mit einem eindeutigen Hinweis zu seiner Obliegenheit versehen war, während einer medizinischen Rehabilitation im Januar 2009. Er hatte somit hinreichend Zeit, das SG entsprechend dem erteilten Hinweis vor dem auf den 16. März 2009 anberaumten Termin über seinen Wohnsitzwechsel zu unterrichten oder eine entsprechende Anzeige durch einen Dritten zu veranlassen. Warum er dies unterlassen hat, vermochte der Antragsteller nicht zu erklären. Auch aus dem Umstand, dass das SG aus der Zustellungsurkunde bzgl. der Terminsbestimmung entnehmen konnte, dass der Antragsteller mittlerweile verzogen war, folgt kein anderes Ergebnis. Denn in der Zustellungsurkunde ist die neue Anschrift Ö.straße in S. vermerkt. Dieser Ort befindet sich im Stadtteil S.-V. in geringer Entfernung vom ursprünglichen Wohnort des Klägers in der B.straße, so dass die Anreise von dieser Anschrift keine höheren Fahrtkosten hervorgerufen hätte. Dass der Kläger von seinem neuen Wohnsitz in E. anreisen wird, war für das SG nicht erkennbar. Schließlich stellen die vom Antragsteller vorgebrachten Umstände (Wohnungsverlust, Umzug, Rehabilitation) keine besonderen Umstände i.S. des § 5 Abs. 5 JVEG dar, die eine Übernahme der Mehrkosten rechtfertigen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
Saved