L 11 R 2916/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1417/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2916/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der am 1. Februar 1956 in der Türkei geborene Kläger siedelte im Februar 1972 in die Bundesrepublik Deutschland über. Von 1974 bis 1977 nahm er an einer Ausbildung zum Bäcker teil (Bestätigung der Handwerkskammer P. vom 30. Juli 2010) und unterzog sich im Juli 1977 der Gesellenprüfung (Bescheinigung der Bäcker-Innung V. vom 18. Juli 1977). Im Anschluss daran war er nach eigenen Angaben bis April 1979 als Bäcker beschäftigt. Bis Dezember 1983 übte er sodann eine Tätigkeit als Schlosser aus. Von Januar 1984 bis August 2001 war er durchgehend als Gießer in einer Gießerei in L. versicherungspflichtig beschäftigt. Dort war er zunächst Mitglied des Betriebsrats und von 1991 bis 2001 Betriebsratsvorsitzender. In den Jahren 1995 (Quetschung der linken Hand) und 1999 (Verletzung des linken Ellenbogens) hatte der Kläger zwei Arbeitsunfälle erlitten, die jeweils zur Arbeitsunfähigkeit führten. Das Arbeitsverhältnis endete aus krankheitsbedingten Gründen mit Aufhebungsvertrag vom 2. Juli 2001. Seither ist der Kläger arbeitslos. Er bezog zunächst Arbeitslosengeld und ab dem 1. Januar 2007 Arbeitslosengeld II (Bescheinigung der Arbeitsgemeinschaft JobCenter M. vom 8. Juni 2007). In der Zeit vom 10. Mai 2002 bis 9. Mai 2007 wurden mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet, insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden (Versicherungsverlauf vom 27. Juli 2007). Es ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 seit 27. Februar 2006 (Bescheid des Landratsamtes R.-N.-Kreis vom 16. August 2006) und von 70 seit 10. Juni 2010 anerkannt (Bescheid vom 7. Oktober 2010).

Vom 16. November bis 14. Dezember 2004 nahm der Kläger an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Rehabilitationsklinik K. in N. teil. Internist Dr. D. gab im Entlassungsbericht vom 20. Dezember 2004 folgende Diagnosen an: chronisch rezidivierende Cephalgie links, Verdacht auf Migräne mit verlängerter Aura, Cervicocephalgie, rezidivierendes Cervicalsyndrom bei Bandscheibenprolapps HWK 5/6, Instabilität und Bewegungseinschränkung linkes Ellenbogengelenk bei Pseudoarthrose und Hyperlipidämie. Er wurde als arbeitsfähig entlassen.

Am 10. Mai 2007 beantragte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, die den Antrag an die Beklagte weiterleitete, die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Hierbei legte er ua das Abgangszeugnis der berufsbildenden Schule F. vom 28. Juni 1977 und die Bescheinigung der Bäcker-Innung V. vom 18. Juli 1977 vor. Die Beklagte zog daraufhin ärztliche Befundberichte bei, ua das Gutachten der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. P. von der Agentur für Arbeit vom 4. Juni 2007 sowie das ärztliche Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. G.-Y. vom 16. Mai 2007 bei. Dr. P. gab an, der Kläger sei von 1988 bis 2001 als Gießereihilfsarbeiter beschäftigt gewesen und sei in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Dr. G.-Y. gab ua an, beim Kläger sei es 1980 zu einer Magenteilresektion bei Magenulcus gekommen. Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. R. vom 23. Juli 2007 ein. Der Kläger gab gegenüber dem Gutachter an, dass er von 1983 bis 2001 als angestellter Gießereihilfsarbeiter tätig gewesen sei. Dr. R. gelangte für den Kläger zu folgenden Diagnosen: wiederkehrendes Cervicalsyndrom bei Bandscheibenvorfall C 5/6 und degenerative Bandscheibenveränderungen C 3/4 und C 4/5, Ellengelenksarthrose bei Pseudoarthrosenbildung und Bewegungseinschränkung des linken Ellengelenkes nach Unfall 1961, endgradige Einschränkung des Faustschlusses der linken Hand nach Langfingerquetschung 1995, leichte Rundrückenfehlhaltung mit initialen Aufbrauchserscheinungen der Brustwirbelsäule ohne funktionelle Einschränkung und angegebenes Lendenwirbelsäulensyndrom ohne qualitative und quantitative Funktionseinschränkungen. Als Gießereihilfsarbeiter könne der Kläger nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könne der Kläger jedoch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Mit Bescheid vom 27. Juli 2007 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Bei diesem Leistungsvermögen liege weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung bzw Berufsunfähigkeit vor.

Hiergegen erhob der Kläger am 16. August 2007 Widerspruch und trug zur Begründung vor, er leide in erster Linie an massiven anfallartig auftretenden Kopfschmerzen und sei deshalb nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts Tätigkeiten im Umfang von drei oder mehr Stunden täglich auszuüben. Seit ca 1993 leide er an erheblichen Kopfschmerzen bzw Migräneanfällen, die regelmäßig bis zu zwei bis dreimal wöchentlich aufträten und auch bei Einnahme von Schmerzmitteln so massiv seien, dass ihm bis zum Erbrechen übel werde. Die Schmerzattacken dauerten regelmäßig mehrere Stunden und häufig auch mehrere Tage an. Zur weiteren Begründung legte er das Attest der Dr. G.-Y. vom 11. September 2007 vor, wonach der Kläger seit Jahren über Kopfschmerzattacken bei Migräne und zeitweise auch über Clusterkopfschmerzen klage. Er werde deshalb ein- bis zweimal im Monat notfallmäßig mit Aspirin und Novalgin-Infusionen behandelt. Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 22. Januar 2008 ein. Hierbei gab der Kläger an, er leide bereits seit 1993 an Kopfschmerzen und es sei nie besser geworden. Der Gutachter gelangte zu der Einschätzung, dass eine eigenständige depressive Symptomatik nicht bestehe. Eine nervenärztliche Behandlung finde nicht statt. Der Kläger leide an chronisch-rezidivierendem Kopfschmerz, vermutlich multifaktorieller Genese mit cervicogenen Komponenten, an einer psychischen Überlagerung und Perpetuierung durch Analgetika-Abusus. Des Weiteren bestehe ein Schulter-Arm-Syndrom links (klinisch ohne Anhalt für radikuläre Ausfälle). Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts könne der Kläger unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr verrichten. Gestützt hierauf wies der Widerspruchsausschuss den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 26. März 2008).

Hiergegen hat der Kläger am 29. April 2008 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und nochmals auf seine massiven seit 1993 andauernden anfallartig auftretenden chronischen Kopfschmerzen hingewiesen. Des Weiteren leide er an Erkrankungen des Bewegungsapparates und des Magens. Aufgrund der starken Schmerzen könne er nächtelang nicht schlafen. Auch während seiner früheren Tätigkeit als Hilfsarbeiter in der Firma L. Aluguß GmbH & Co KG sei es zu zahlreichen Arbeitsausfällen wegen der Kopfschmerzattacken gekommen. Er habe sich deshalb des Öfteren in der Türkei behandeln und auch sämtliche Zähne des Oberkiefers ziehen lassen, ohne dass eine wesentliche Verbesserung eingetreten sei. Zwischenzeitlich habe sich das Beschwerdebild weiter verschlechtert.

Zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts hat das SG Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Orthopäde Dr. E. hat mitgeteilt (Auskunft vom 28. August 2008), trotz der Deformierung des linken Ellenbogengelenkes bestehe eine "erstaunlich gute" Beweglichkeit und nur eine leichte Minderung der groben Kraft in der linken Hand. Der Kläger sei noch in der Lage, täglich mindestens sechs Stunden eine leichte körperliche Tätigkeit zu verrichten. Dr. G.-Y. hat ausgeführt (Auskunft vom 6. Oktober 2008), der Kläger sei zwei- bis dreimal im Monat in hausärztlicher Behandlung. Seit 2007 sei es eher zu einer Verschlimmerung der Beschwerden mit zunehmender depressiver Symptomatik gekommen. Es bestehe ein nur noch unterhalbschichtiges Leistungsvermögen. Die Ärztin hat ihrer Auskunft mehrere Arztbriefe und Befundberichte beigefügt, ua den Arztbrief des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 25. April 2007, wonach der Kläger an einer chronischen Cephalgie, an einem Cervicobrachialgiesyndrom links und an einer Ellenbogenfraktur/-deformierung links leide.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das SG zudem das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. vom 10. Dezember 2008 eingeholt. Der Kläger gab gegenüber dem Gutachter an, am besten helfe ihm ein sogenanntes Königswasser, das er aus der Türkei besorge und dann entweder einatme oder mit dem er sich die Stirn und den Nacken bestreiche. Zu seinem Nervenarzt sei er letztmals vor einem Jahr gegangen, da er ihm sowieso nicht viel helfen könne. Bis vor zwei Jahren sei er noch im Fußballverein des Sohnes aktiv gewesen, wobei er über 20 Jahre lang Mitglied des Vorstands gewesen sei. Er habe ua als Kassenwart gearbeitet und kleinere Arbeiten auf dem Sportplatz erledigt. Noch immer sei er gelegentlich am Wochenende auf dem Fußballplatz. Nachmittags ginge er oft spazieren. Er könne sich gut vorstellen, wenn er die Rente habe, einige Monate im Jahr in der Türkei zu verbringen. Im Sommer habe er einen längeren Türkeiurlaub unternommen. Der Gutachter gelangte für den Kläger zu folgenden Diagnosen: gemischtes Kopfschmerzsyndrom aus Migräne mit Aura sowie linksbetontem Spannungskopfschmerz, degeneratives HWS-Syndrom ohne neurologische Ausfälle sowie Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten im regelmäßigen Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen, ohne Akkord- oder Schichtarbeit mit einfachen Ansprüchen an die geistige und psychische Belastbarkeit acht Stunden pro Tag auszuüben. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht notwendig.

Mit Urteil vom 15. Mai 2009, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 27. Mai 2009, hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, aus den Gutachten des Dr. N. und des Dr. B. ergebe sich, dass der Kläger noch in der Lage sei, leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung und ohne besondere Ansprüche an die geistige oder psychische Belastbarkeit mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Im Vordergrund der gesundheitlichen Problematik stehe das Kopfschmerzsyndrom, das nach Angaben des Klägers im wesentlich unveränderten Ausmaß seit Mitte der neunziger Jahre bestehe. Allerdings habe nicht die Kopfschmerzsymptomatik zum Verlust des Arbeitsplatzes in der Gießerei geführt, sondern die beiden Arbeitsunfälle in den Jahren 1995 und 1999. Dr. N. habe zudem verdeutlicht, dass die von dem Kläger beschriebenen starken Schmerzen, die nahezu jede Betätigung ausschließen würden, in einem objektiven Widerspruch dazu stünden, dass der Kläger noch bis vor zwei Jahren im Vorstand eines Fußballvereins regelmäßig tätig gewesen sei und im letzten Sommer noch einen längeren Türkeiurlaub habe unternehmen können. Eine relevante psychische Störung sei nicht nachweisbar, lediglich ein diskretes depressives Syndrom. Auffällig sei, dass zu keinem Zeitpunkt eine ambulante fachpsychiatrische Behandlung stattgefunden habe. Der neurologisch-psychiatrische Befund sei ebenso wie das weiter festgestellte degenerative HWS-Syndrom (ohne neurologische Ausfälle) lediglich geeignet, qualitative, nicht aber quantitative Leistungseinschränkungen zu bewirken. Die von Dr. G.-Y. behauptete Leistungsminderung sei hingegen nicht nachweisbar.

Hiergegen hat der Kläger am 29. Juni 2009 (Montag) Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, das Gutachten des Dr. N. sei insoweit fehlerhaft, als er davon ausgehe, dass die Kopfschmerzen in unverändertem Ausmaß seit mindestens Mitte der neunziger Jahre bestünden. Dr. G.-Y. habe in ihrem Attest vom 6. Oktober 2008 vielmehr angegeben, dass es in letzter Zeit zu keiner Besserung, sondern zu einer Verschlimmerung der Beschwerden mit zunehmend depressiver Symptomatik seit 2007 gekommen sei. Zudem habe er seine Tätigkeiten im Fußballverein seit mehreren Jahren eingestellt und sei lediglich wegen der erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes seines Vaters in die Türkei gereist. Auf dem Fußballplatz sei er nur noch gelegentlich am Wochenende und bleibe dort im Wesentlichen für sich. Auch innerhalb der eigenen Familie habe ein sozialer Rückzug stattgefunden. Er leide des Weiteren an einer schwerwiegend gestörten Antriebsfähigkeit. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass die Auswertung der neuropsychologischen Zusatzdiagnostik nach der Hamilton-Depression-Skala (HDS) durch Dr. N. fehlerhaft sei. Denn dieser habe nur einen Gesamtpunktwert von 10 Punkten ermittelt. Tatsächlich habe er jedoch einen Gesamtpunktwert von über 25 erzielt, was auf eine schwere Depression hindeute. Schließlich sei er in ständiger Behandlung bei Dr. G.-Y., die Ärztin für Psychotherapie sei. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Greiffähigkeit der linken Hand erheblich eingeschränkt sei und er aufgrund der Magen- und Gallenentfernung zusätzliche betriebsunübliche Pausen benötige. Zur weiteren Begründung hat der Kläger eine Kopie der HDS-Interviewfragen vorgelegt.

Nachdem der Senat den Kläger aufgefordert hatte, zur Frage des zuletzt ausgeübten Berufes näher Stellung zu nehmen, hat dieser vorgetragen, er sei von 1983 bis 2001 durchgehend als Gießer in der Gießerei in L. beschäftigt gewesen. Arbeitsverträge oder Verdienstabrechnungen seien nicht mehr vorhanden. Bereits 1988 sei er als Vorarbeiter und Schichtführer eingesetzt worden, wobei er als Schichtführer auch gegenüber den in seiner Schicht eingesetzten Facharbeitern und gelernten Gießern weisungsbefugt gewesen sei. Er habe zuletzt ein Bruttoarbeitslohn von ca 28,50 DM erzielt. Tariflich eingestuft sei er nicht gewesen. Im Hinblick auf das vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelte Mehrstufenschema könne er in die Stufe der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion eingruppiert werden. Der Kläger hat diesbezüglich das Zeugnis der R. Leichtmetallräder GmbH vom 28. Februar 1996 mit dazugehöriger Stellenbeschreibung (Vorarbeiter Gießerei), das Zeugnis der L. Aluguß GmbH & Co KG vom 18. Juli 2001 sowie den Aufhebungsvertrag vom 2. Juli 2001 vorgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhalts wird auf Blatt 78 - 82 der LSG-Akte Bezug genommen. Darüber hinaus hat der Kläger die Gehaltsabrechnung für die Monate Oktober und Dezember 1996, Januar und Februar 1997 sowie die Bestätigung der Handwerkskammer P. vom 30. Juli 2010 vorgelegt, wonach er am 17. September 1974 in die Lehrlingsrolle der Handwerkskammer eingetragen worden sei und die Ausbildungszeit vom 1. Mai 1974 bis 1. Oktober 1976 gedauert habe. Zudem hat der Kläger den Befundbericht der Dr. G.-Y. vom 30. Juli 2010 und den Bescheid des Landratsamtes R.-N.-Kreis (Versorgungsamt) vom 7. Oktober 2010 eingereicht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15. Mai 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1. Mai 2007 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist darauf hin, dass den vorliegenden Unterlagen nur entnommen werden könne, dass sich der Kläger der Gesellenprüfung unterzogen habe. Die Bescheinigung vom Juli 1977 lasse aber nicht erkennen, dass die Prüfung auch bestanden worden sei. In der Unfallanzeige vom 31. März 1999 habe der Kläger angegeben, dass er als "Röntger" eingesetzt worden sei. In einem Gutachten vom 9. August 1999 sei festgehalten worden, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers um eine monotone Fließbandtätigkeit gehandelt habe. Im beruflichen Werdegang, den das Arbeitsamt mitgeteilt habe, sei der Kläger als "Gießereihilfsarbeiter" bezeichnet worden. Es sei mithin nicht bewiesen, dass der Kläger über das Wissen und Können eines Gießereimechanikers mit dreieinhalbjähriger Ausbildung verfüge. Des Weiteren sei nicht erkennbar, dass er tarifvertraglich wie ein gelernter Facharbeiter eingestuft und entlohnt worden sei. Wenn der Kläger jedoch als Facharbeiter einzustufen sei, so sei er auf die Tätigkeit eines Registrators verweisbar. Die Beklagte hat zur weiteren Begründung Auszüge aus dem BERUFENET (Gießereimechaniker) vorgelegt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer Arbeitgeberauskunft. Rechtsanwalt Dr. K. hat als Insolvenzverwalter am 11. März 2010 mitgeteilt, dass das Amtsgericht S. mit Beschluss vom 8. Januar 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der L. Aluguß GmbH & Co KG eröffnet und ihn zum Insolvenzverwalter bestellt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger kein Arbeitnehmer der Schuldnerin gewesen. Trotz intensiver Überprüfung stünden keinerlei Unterlagen im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers bei der Schuldnerin zur Verfügung. Nach dem Erinnerungsvermögen ehemaliger Arbeitnehmer müsse der Kläger in der Gießerei des Unternehmens tätig gewesen und 2003/2004 aus dem Unternehmen ausgeschieden sein.

Der Berichterstatter des Senats hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 10. August 2010 erörtert. Auf den Inhalt der Niederschrift wird Bezug genommen (Bl 93/94 der LSG-Akte).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Denn das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 26. März 2008 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer vollen oder teilweisen Rente wegen Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I, 554). Dies folgt aus § 300 Abs 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs 1 SGB VI).

Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach diesen Maßstäben ist der Kläger, wie das SG zutreffend entschieden hat, unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil er noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den er verweisbar ist, unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Senat entnimmt dies den Gutachten des Dr. R., Dr. B. und Dr. N ...

Der Kläger leidet im Wesentlichen an Erkrankungen auf nervenärztlichem Fachgebiet. Im Vordergrund steht das gemischte Kopfschmerzsyndrom aus Migräne mit Aura sowie linksbetontem Spannungskopfschmerz. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. N. und wurde zuvor auch schon durch Dr. Brandi und die den Kläger behandelnden Ärzte bestätigt. Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger seit 1993 an wiederkehrenden starken Kopfschmerzen leidet. Dabei hat der Kläger in seiner Klagebegründungsschrift selbst angegeben, dass er bereits seit 1993 an massiven Kopfschmerzen leidet. Trotz der glaubhaft vorgetragenen stetigen Zunahme der Kopfschmerzen war der Kläger jedoch noch in der Lage, von 1991 bis 2001 als Betriebsratsvorsitzender tätig zu sein. Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn trotz der wiederkehrenden Kopfschmerzen ist der Kläger weiterhin noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ohne besondere Ansprüche an die geistige und psychische Belastbarkeit und an die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsgabe mehr als sechs Stunden pro Tag zu verrichten. Dies entnimmt der Senat sowohl dem Gutachten des Dr. N. als auch dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. B., das im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden konnte. Dr. N. hat in diesem Zusammenhang für den Senat nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Diskrepanz zwischen den als schwer vorgetragenen Beschwerden und der Verhaltensbeobachtung einerseits und der durch die Analyse der Gestaltungsfähigkeit des Alltags erkennbaren, noch erhaltenen Restleistungsfähigkeit andererseits, Zweifel an der vom Kläger subjektiv wahrgenommenen Arbeitsunfähigkeit bestehen. Denn trotz der vom Kläger angegebenen sozialen Rückzugstendenzen ist dieser noch in der Lage, regelmäßig am Wochenende Fußballspiele zu besuchen. Dies hat er auch im Erörterungstermin am 10. August 2010 bestätigt. Des Weiteren besucht er regelmäßig die Moschee, wenn er sich hierzu in der Lage fühlt. Dafür benutzt er auch öffentliche Verkehrsmittel (Straßenbahn). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 20. Juli 2010 - L 11 R 5140/09; Urteil vom 24. September 2009 - L 11 R 742/09) wird der Schweregrad psychischer Erkrankungen und Schmerzstörungen aus den hieraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen. Die Analyse der geschilderten Alltagsaktivitäten spricht - trotz eines vom Kläger angegebenen Rückzugsverhaltens - zur Überzeugung des Senats gegen eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens.

Der Kläger leidet des Weiteren an einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion. Auch dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. N ... Der Senat konnte sich hierbei aber nicht davon überzeugen, dass der Kläger an einer mittelschweren oder schweren Depression leidet. Zwar hat der Kläger zu Recht darauf hingewiesen, dass die HDS-Auswertung durch Dr. N. insofern unzutreffend war, als dieser von einem Gesamtpunktwert von 10 Punkten ausgegangen ist. Aus den von dem Kläger vorgelegten Kopien der HDS-Interviewfragen geht jedoch hervor, dass er einen Gesamtpunktwert von über 25 Punkten erzielt hat. Dies erschüttert jedoch das Ergebnis, dass beim Kläger lediglich eine längere depressive Reaktion mit einer Anpassungsstörung vorliegt, nicht. Denn zum einen hat Dr. N. selbst angegeben, dass es sich bei der HDS-Auswertung lediglich um eine Zusatzdiagnostik handelt. Zum anderen misst der Senat - wie bereits dargelegt - den Schweregrad psychischer Erkrankungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit. Die Beantwortung von Interviewfragen haben hierbei lediglich Indizcharakter, da der Kläger hier nur subjektive Angaben macht und diese anhand der genannten Parameter objektiviert werden müssen. Diese sprechen jedoch gegen das Vorliegen einer mittelschweren oder schweren Depression. Wie bereits dargelegt, besucht der Kläger weiterhin gelegentlich am Wochenende Fußballspiele und geht nachmittags oft spazieren. Schließlich kann er sich - wie er gegenüber Dr. N. angegeben hat - auch weiterhin vorstellen, nach Erhalt einer Rente einige Monate im Jahr in der Türkei zu verbringen. Gerade letzterer Umstand zeigt jedoch, dass beim Kläger auch subjektiv noch eine Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sowie eine gewisse Stresstoleranz besteht, wenn er einen Teil des Jahres in der Bundesrepublik Deutschland und den anderen Teil des Jahres in der Türkei verbringen will, mithin ein mehrfacher Wechsel des örtlichen und sozialen Umfelds angestrebt wird. Schließlich ergeben sich auch aus den im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten ärztlichen Unterlagen keine Hinweise auf das Vorliegen einer manifesten Depression. So haben weder Dr. H. in seinem Arztbrief vom 25. April 2007 noch Dr. G.-Y. in ihrem Attest vom 16. Mai 2007 die Diagnose einer Depression genannt. Auch Dr. B. konnte in seinem Gutachten nicht das Vorliegen einer Depression feststellen.

Darüber hinaus leidet der Kläger an einem wiederkehrenden Cervikalsyndrom bei Bandscheibenvorfall C 5/6 und degenerativen Bandscheibenveränderungen C 3/4 und C 4/5, an einer Ellengelenksarthrose bei Pseudoarthrosenbildung und Bewegungseinschränkung des linken Ellengelenkes, an einer endgradigen Einschränkung des Faustschlusses der linken Hand, an einer leichten Rundrückenfehlhaltung mit initialen Aufbraucherscheinungen der Brustwirbelsäule (ohne funktionelle Einschränkung) und an einem angegebenen Lendenwirbelsäulensyndrom (ohne qualitative und quantitative Funktionseinschränkungen). Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. R ... Aus der Auskunft des Dr. E. vom 28. August 2008 folgt jedoch, dass trotz der Beschwerden im linken Ellenbogengelenk eine "erstaunlich gute" Beweglichkeit besteht.

Mit den festgestellten Gesundheitsstörungen kann der Kläger noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Der Senat folgt den überzeugenden und schlüssigen Leistungseinschätzungen des Dr. N., Dr. B., Dr. R. und Dr. E ... Auch Dr. P. gelangte in ihrem Gutachten vom 4. Juni 2007 zu dieser Einschätzung. Zu vermeiden sind danach lediglich Tätigkeiten mit Akkord- oder Schichtarbeit, wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten mit Überkopfarbeiten sowie Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 12 kg ohne mechanische Hilfsmittel. Gleiches gilt für Tätigkeiten in Zwangshaltungen, Tätigkeiten, die eine besondere Gebrauchsfähigkeit des linken Armes in Form von Tragen oder Abstützen erfordern. Zu vermeiden sind des Weiteren Arbeiten mit besonderem Zeitdruck, mit besonderen nervlichen Ansprüchen an die geistige und psychische Belastbarkeit, an unmittelbar gefährdenden Maschinen sowie Arbeiten mit erhöhter Stressbelastung. Diese Einschränkungen entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. R., Dr. B. und des Dr. N ...

Der Leistungseinschätzung der Dr. G.-Y. folgt der Senat - ebenso wie das SG - hingegen nicht. Sie hat nicht nachvollziehbar begründet, weshalb der Kläger nur noch in der Lage sein soll, unterhalbschichtig leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen zu verrichten. Daran ändert auch ihr Befundbericht vom 30. Juli 2010 nichts. Soweit sie angegeben hat, dass sich der Kläger seit mindestens drei Jahren nicht mehr aus dem Haus traue, widerspricht dies seinen eigenen Angaben im Erörterungstermin (vgl Bl 94 der LSG-Akte). Hierbei hat er nämlich mitgeteilt, dass er die Moschee unregelmäßig besuche und hierfür die Straßenbahn benutze. Zudem geht er nach seinen Angaben immer noch sonntags auf den Fußballplatz, wenn das Spiel für ihn interessant ist. Im Hinblick auf die von Dr. G.-Y. angegebenen zwei Suizidversuche des Klägers ist darauf hinzuweisen, dass nach ihrer eigenen Einschätzung derzeit keine suizidale Gefahr besteht. Aus dem Bescheid des Landratsamtes R.-N.-Kreis folgt zudem, dass eine Hirnleistungsminderung nicht vorliegt.

Der für den Kläger in Betracht kommende Arbeitsmarkt ist auch nicht verschlossen. Denn der Kläger kann unter betriebsüblichen Bedingungen erwerbstätig sein. Er benötigt insbesondere keine betriebsunüblichen Pausen. Der Kläger kann bei einer zugrundegelegten Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden die erforderlichen Pausen in den ihm arbeitsrechtlich zustehenden Pausen von einer halben Stunde (§ 4 Arbeitszeitgesetz - ArbZG -), die im Übrigen nach Maßgabe der §§ 4 und 7 ArbZG auch in kleinere Zeitabschnitte aufgeteilt werden könne, bewerkstelligen, ohne dass es dafür betriebsunüblicher Pausen bedarf (vgl hierzu bereits Senatsurteil vom 20. März 2007 - L 11 R 684/06 = veröffentlicht in juris). Er kann auch sog persönliche Verteilzeiten in Anspruch nehmen (vgl hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. August 2003 - L 14 RJ 137/01). Kurzpausen von weniger als 15 Minuten alle zwei Stunden gelten zudem im Bereich des öffentlichen Dienstes nicht als arbeitszeitverkürzende Pausen (vgl Senatsurteil vom 20. Oktober 2009 - L 11 R 4832/08). Es ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar, dass der Kläger wegen seiner Magenteil- und Gallenentfernung zusätzliche betriebsunübliche Pausen benötigt.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Art 1 Nr 61 des RV-Altergrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl I, 554) auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Deshalb besteht ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht bereits dann, wenn der bisherige Beruf (Hauptberuf) nicht mehr ausgeübt werden kann, sondern erst, wenn der Versicherte nicht auf eine zumutbare andere Tätigkeit verwiesen werden kann. Das Gesetz verlangt dazu einen zumutbaren beruflichen Abstieg. Um bestimmen zu können, auf welche Berufe der Versicherte verweisbar ist, hat die Rechtsprechung des BSG ein sogenanntes Mehrstufenschema entwickelt, das die Angestellten- und Arbeiterberufe in mehrere, durch unterschiedliche "Leitberufe" charakterisierte Gruppen untergliedert. Hiernach sind sowohl für gewerbliche als auch für Angestellten-Berufe mittlerweile sechs Stufen zu unterscheiden (zuletzt BSG, Beschluss vom 27. August 2009, B 13 R 85/09 B, juris). Die erste Stufe bilden dabei ungelernte Berufe; auf der zweiten Stufe folgen Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Angelernte); die dritte Stufe bilden sodann Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Ausgebildete). Grundsätzlich darf im Rahmen des Mehrstufenschemas der Versicherte lediglich auf Tätigkeiten der gleichen oder jeweils nächstniedrigeren Gruppe verwiesen werden (BSG, Urteil vom 24. März 1983, 1 RA 15/82, SozR 2200 § 1246 Nr 107; zuletzt BSG, Beschluss vom 27. August 2009, B 13 RJ 85/09 B, aaO).

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich somit nach der Wertigkeit des Hauptberufs. Dieser bestimmt sich in der Regel nach der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist. Die Einordnung eines bestimmten Berufs in das Mehrstufenschema des BSG erfolgt dabei nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Ausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr die Qualität der verrichteten Arbeit und deren Gesamtbild (BSG, Urteil vom 12. Februar 2004, B 13 RJ 49/03 R, juris mwN).

Vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Kläger aufgrund der Qualität seiner zuletzt verrichteten Arbeit als Gießereiarbeiter bei der Firma L. Aluguß GmbH & Co KG als Facharbeiter einzustufen war. Zum einen hat der Kläger erst im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten, dass seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit derjenigen eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (vgl hierzu BSG, Urteil vom 7. Juni 1988 - 815a AKn 14/87 = juris Rn 13) entspreche. Noch im Klageverfahren hat er sich in seiner Klagebegründungsschrift als "Hilfsarbeiter" (Seite 3 des Schriftsatzes vom 14. August 2008) bezeichnet. Auch aus den im Berufungsverfahren vorgelegten Zeugnissen vom 28. Februar 1996 und 18. Juli 2001 folgt nicht, dass der Kläger über das Wissen und Können eines Gießereimechanikers mit dreieinhalbjähriger Ausbildung verfügt, zumal er nach eigenen Angaben auch nicht tarifvertraglich (wie ein gelernter Facharbeiter) entlohnt wurde. Aus dem Zeugnis vom 28. Februar 1996 und der beigefügten Stellenbeschreibung folgt vielmehr, dass der Kläger in der Gießerei lediglich als Vorarbeiter beschäftigt war und hierbei den Schichtführer unterstützte und sich mit diesem abzustimmen hatte. Eine Facharbeiter- oder gar Vorgesetztenfunktion lässt sich hieraus nicht ableiten. Auch im Zeugnis vom 18. Juli 2001 wird der Kläger weiterhin (nur) als Vorarbeiter bezeichnet, wobei des Weiteren darauf hingewiesen wurde, dass er auch an der automatischen Röntgenanlage eingesetzt wurde. Allein das selbständige Bedienen der Gießmaschinen und das Aufbauen und Einrichten neuer Kokillen, das Anheizen der Kokillen und das Schlichten lassen nicht darauf schließen, dass der Kläger die Kenntnisse und das Wissen eines ausgebildeten Gießereimechanikers (Ausbildungsdauer von dreieinhalb Jahren, vgl die von der Beklagten vorgelegten Auszüge aus dem BERUFENET) durch seine praktische Tätigkeit erworben hat. Nachdem der Kläger keine Ausbildung zum Gießereimechaniker absolviert hat und auch keinen Berufsschutz als Facharbeiter erworben hat und auch keine Nachweise für entsprechende (außer-)betriebliche Lehrgänge vorlegen konnte, kann der Kläger nach Ansicht des Senats lediglich in die Stufe der Angelernten im unteren Bereich zugeordnet werden. Dem unteren Bereich dieser Stufe sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 45). Eine konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist daher nicht erforderlich.

Selbst wenn jedoch davon auszugehen wäre, dass der Kläger den Berufsschutz eines Facharbeiters erworben hat und die Tätigkeit als Gießereimechaniker nicht mehr ausüben kann, kann er noch auf die Tätigkeit eines Registrators verwiesen werden. Diese Tätigkeit ist ihm sozial zumutbar und kann von ihm trotz der gesundheitlichen Einschränkungen ausgeübt werden. Die qualitativen Einschränkungen, die der Kläger beachten muss, stehen jedenfalls einer Tätigkeit als Registrator in der Entgeltgruppe 3 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) nicht entgegen. Eine solche Tätigkeit ist einem Facharbeiter sozial zumutbar (stRspr des Senats, vgl zuletzt Urteil vom 24. August 2010 - L 11 R 715/10 - zur Verweisung eines gelernten Maschinenschlossers und Rohrnetzfacharbeiters). Das fachliche Leistungsprofil der Tätigkeit eines Registrators wird gekennzeichnet durch die Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach Anleitung, das Entwerfen von dabei zu erledigenden Schreiben nach skizzierten Angaben, die Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung, das Führen von Brieftagebüchern schwieriger Art und von nach technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordneten Karteien und ähnliche Arbeiten. Es müssen von den zuständigen Sachbearbeitern zu bearbeitende Schriftstücke nach den Vorgaben von Aktenplänen oder anderen Organisationsmerkmalen sortiert oder betriebsintern weitergeleitet, Statistiken oder Terminüberwachungslisten und Karteien geführt, Ordner oder Akten gezogen und abgestellt werden. Insgesamt handelt sich im Wesentlichen um eine einfach strukturierte Bürotätigkeit, für die keine geistigen Anforderungen erforderlich sind, die über das normal übliche Maß hinausgehen (vgl hierzu insbesondere die Senatsentscheidung vom 25.1.2005, - L 11 RJ 4993/03 – unter Hinweis auf Auskünfte des Landesarbeitsamts Baden-Württemberg; auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 30.8.2005, - L 12 R 91/05 -). Für die Verrichtung der genannten Tätigkeiten mag eine abgeschlossene Ausbildung, etwa in einem kaufmännischen- oder Verwaltungsberuf, von Vorteil sein (so etwa BERUFENET Registrator/in der Bundesagentur für Arbeit); sie ist aber nicht Voraussetzung für den Zugang zu diesem Beruf. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger keine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten und keine kaufmännische Ausbildung absolviert hat, verfügt er über Kenntnisse, die es ihm ermöglichen, qualifizierte Tätigkeiten in der Registratur, die der Vergütungsgruppe 3 TVöD entsprechen, in einer dreimonatigen Einarbeitungszeit zu erlernen. Der Senat stützt sich hierbei auf den Umstand, dass der Kläger zehn Jahre lang Betriebsratsvorsitzender war und auch im Vorstand eines Fußballvereins - ua als Kassenwart - tätig war. In beiden Funktionen musste sich der Kläger mit Verwaltungsaufgaben auseinandersetzen.

Bei der Tätigkeit als Registrator handelt es sich des Weiteren um eine im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ausgeübte Beschäftigung, die überwiegend leichter Art ist. Bücken, in die Hocke gehen, das Besteigen von kleinen Leitern und Hantieren über Kopfhöhe wird nur ausnahmsweise verlangt. Das Heben und Tragen von Lasten ist auf bis zu 10 kg beschränkt, wobei diese Lasten selten sind; darüber hinaus stehen die üblichen, gängigen Hilfsmittel wie leichte Hand- und Korbwagen zur Verfügung (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. August 2010, aaO, sowie Urteil vom 23. Januar 2007 - L 11 R 4310/06 - veröffentlicht in juris). Diese Arbeit kann der Kläger noch mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. Der Senat stützt sich hierbei auf die Leistungseinschätzungen des Dr. R., Dr. N. und des Dr. E ... Dr. R. hat lediglich Tätigkeiten mit einer "besonderen" Gebrauchsfähigkeit des linken Armes für nicht mehr zumutbar gehalten. Derartige Anforderungen sind aber mit dem Beruf des Registrators nicht verbunden. Darüber hinaus hat Dr. E. auf die gute Beweglichkeit des linken Ellenbogens hingewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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