L 11 R 957/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 957/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers, ihm für das Berufungsverfahren L 11 R 957/11 Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.

Gründe:

Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe (PKH), wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Rechtsschutzverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl BVerfG NJW 1997, 2102, 2103; Bundesgerichtshof NJW 1998, 1154; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27. November 1998 - VI B 120/98 (juris)) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl BVerfG NJW-RR 2002, 1069; NJW 2003, 2976, 2977). Darüber hinaus soll die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren zu verlagern. Dieses Verfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. März 2000, 1 BvR 2224/98, NJW 2000, 2098).

Die Berufung des Klägers, mit der er zum wiederholten Mal die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, zuletzt ab Dezember 2008 anstrebt, hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach der im PKH-Bewilligungsverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage gelangt der Senat zu der Auffassung, dass das Sozialgericht Konstanz (SG) die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen hat. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren hält der Senat eine weitere Beweiserhebung durch Einholung eines Gutachtens nicht für erforderlich.

Der Kläger hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt bis 1999 in einer Papierfabrik als Entrindungsgehilfe und Klärwärter mit Tätigkeiten beschäftigt, die keine Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten erfordert haben. Dies ergibt sich aus den Angaben der Firma S. E., dem letzten Arbeitgeber des Klägers, vom 12. September 2001, wonach eine Einarbeitungszeit von vierzehn Tagen erforderlich war. Daher sind ihm alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar.

Beim Kläger bestehen insbesondere auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sich auf die berufliche Leistungsfähigkeit auswirken können. Der Kläger leidet an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer Dysthymie. Ferner hat er aus psychischen Gründen körperliche Symptome entwickelt. Dies entnimmt der Senat dem vom SG nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Amts wegen eingeholten Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. vom 20. Dezember 2010. Insbesondere aufgrund der Schmerzsymptomatik sind dem Kläger dauerhaft mittelschwere und schwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr zumutbar. Auch ist die psychische Belastbarkeit durch die anhaltende somatoforme Schmerzstörung und die Dysthymie herabgesetzt, sodass der Kläger Tätigkeiten unter Zeitdruck sowie Tätigkeiten im Schichtbetrieb nicht mehr ausüben kann. Dies gilt auch für Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an die Aufmerksamkeit und Konzentration fordern sowie für Beschäftigungen in Verbindung mit kompletten Steuerungsvorgängen. Tätigkeiten im Publikumsverkehr sind dem Kläger ebenfalls nicht mehr möglich. Dies gilt auch für Beschäftigungen in Kälte, Nässe und Zugluft. Diese Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens führen jedoch nicht zu einer Herabsetzung des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers hinsichtlich leichter Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf ein untervollschichtiges Maß. Dies hat das SG bereits zutreffend in seinem Urteil vom 17. Februar 2011 dargelegt. Die Auffassung von Dr. W. wird insbesondere durch die bereits zuvor im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Gutachter Dr. F. und Dr. H., die ebenfalls keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens angenommen haben, bestätigt. Gleiches gilt für das Gerichtsgutachten von Dr. H. im Verfahren S 8 R 2736/07 vor dem SG. Der Senat vermag sich hingegen der Auffassung des den Kläger behandelnden Nervenfacharztes Dr. M.-J. in seiner Stellungnahme vom 14. März 2011 nicht anzuschließen. Danach leidet der Kläger an einer posttraumatischen Verbitterungsstörung als Sonderform einer Anpassungsstörung, die auch sein quantitatives Leistungsvermögen auf ein untervollschichtiges Maß herabsetzt. Dr. M.-J. hat allerdings seine Leistungsbeurteilung, die er bereits im Verfahren vor dem SG abgegeben und im Berufungsverfahren wiederholt hat, nicht nachvollziehbar begründet. Insbesondere hat der Gutachter Dr. W. deutliche Hinweise für Aggravation bzw Simulation beim Kläger gesehen. Dr. M.-J. hat demgegenüber nicht erkennbar die nicht objektivierbaren Schmerzangaben des Klägers kritisch hinterfragt. Auch seine Anmerkung, der Arbeitsmarkt sei für den Kläger nach zehnjähriger Arbeitslosigkeit im fortgeschrittenen Alter mit hinzugekommener Schwerbehinderung faktisch verschlossen, führt zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage und insbesondere nicht zu einem Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Der den Kläger behandelnde Arzt stellt damit auf die potenzielle Möglichkeit ab, einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhalten. Dies ist jedoch ein Risiko, das von der Arbeitslosenversicherung, nicht hingegen von der Rentenversicherung getragen wird.

Der Kläger wird deshalb darauf hingewiesen, dass der Senat die Berufung nach § 153 Abs 4 SGG auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Eine solche Verfahrensweise ist, falls die Berufung aufrecht erhalten wird, beabsichtigt. Der Kläger erhält Gelegenheit, sich zum Verfahren und zur Entscheidung zu äußern. Hierfür wird eine Frist gesetzt bis 14. Juni 2011.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved