Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 P 209/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 4773/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Änderung der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I statt nach der Pflegestufe II mit Wirkung zum 1. September 2007.
Der am 1998 geborene Kläger ist familienversichertes Mitglied der Beklagten. Er wurde mit einer Lipomeningomyelocele (Vorwölbung von Rückenmark und Meningen; häufigste Fehlbildung des Rückenmarks bei Spina bifida) im Bereich der Lendenwirbelkörper 1 bis 5 geboren, die am 23. September 1998 operativ versorgt wurde. Des Weiteren wurde ein Hydrocephalus mit einem Shunt versorgt. Es bestehen eine schlaffe Beinparese links, in geringem Maße auch rechts sowie Blasenentleerungsstörungen. Der Kläger ist mit Oberschenkelorthesen links (seit 2000) versorgt sowie mit einem Rollstuhl. Er besuchte bis zum 7. Lebensjahr einen Kindergarten für körperbehinderte Kinder, seitdem besucht er eine Schule für körperbehinderte Kinder.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 1. Mai 2000 Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 25. September 2000) und ab 1. März 2002 Pflegegeld nach der Pflegestufe II (Bescheid vom 28. Juni 2002). Dem zu Grunde lag das Gutachten der Pflegefachkraft K., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), vom 21. Juni 2002. Sie schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 125 Minuten (280 Minuten [Körperpflege 81 Minuten, Ernährung 45 Minuten, Mobilität 90 Minuten] abzüglich 155 Minuten für ein gesundes gleichaltriges Kind).
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Pflegefachkraft F., MDK, das Gutachten vom 20. August 2004. Sie kam zu einem geschätzten täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege von 81 Minuten (Körperpflege 37 Minuten und Mobilität 44 Minuten). Die Beklagte hörte den Vater des Klägers zu einer Herabstufung des Pflegegelds an (Anhörungsschreiben der Beklagten vom 31. August 2004). Der Vater des Klägers erhob Einwände. Pflegefachkraft L., MDK, erstattete daraufhin das Gutachten vom 21. Januar 2005. Sie schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege im Vergleich zu einem gleichaltrigen gesunden Kind mit 130 Minuten (Körperpflege 50 Minuten und Mobilität 80 Minuten). Der Kläger werde von den Eltern täglich geduscht und abgetrocknet. Bei Ein- und Ausstieg aus der Dusche und der Badewanne bestehe Hilfebedarf. Wegen vermehrter Schweißsekretion sei ein zusätzliches Teilwaschen sowie zusätzlicher Wechsel der Bekleidung erforderlich. Zur Durchführung der Zahnpflege würden alle Pflegeutensilien zugereicht, zeitweise sei Nachbürsten erforderlich. Aufgrund der Blasenentleerungsstörung seien häufige Toilettengänge notwendig. Zur Blasen- und Darmentleerung werde der Kläger auf die Toilette gehoben. Die Eltern reinigten nach der Blasen- und Darmentleerung die Genitalen und übernähmen vor und nach den Toilettengängen das Richten der Bekleidung. Einzelne Verrichtungen im Bereich der Körperpflege seien erschwert, da der Kläger häufig trotzig reagiere und sich wehre. Ein deutlicher Mehraufwand im Vergleich zu einem gesunden gleichaltrigen Kind sei beim Wechsel der Bekleidung festzustellen. Es sei das häufige Anlegen der Orthese, ohne die der Kläger nicht stehen und gehen könne, zu berücksichtigen. Nach Anlegen der Orthese sei der Kläger in der Lage, mit dem Rollator selbstständig zum Esstisch und zur Toilette gehen. Ebenso könne er sich mit dem Rollstuhl innerhalb der Wohnung selbstständig fortbewegen. Der Kläger müsse von den Eltern aus dem Bett gehoben werden. Die Beklagte zahlte weiterhin Pflegegeld nach der Pflegestufe II, was sie dem Vater des Klägers am 27. Januar 2005 telefonisch mitteilte.
Im weiteren Gutachten vom 26. Februar 2007 schätzte Pflegefachkraft L. den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege im Vergleich zu einem gesunden gleichaltrigen Kind mit 57 Minuten (Körperpflege 17 Minuten und Mobilität 40 Minuten). Im Vergleich zum Vorgutachten habe sich der grundpflegerische Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege und Mobilität deutlich reduziert. Mittlerweile sei der Einsatz des Rollators zur Fortbewegung innerhalb der Wohnung nicht mehr notwendig. Vor allem im Bereich der Mobilität habe der Kläger große Fortschritte erzielt, sei aber dennoch bei vielen Basisaktivitäten des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen. Den Rollstuhl könne der Kläger innerhalb der Wohnung auf der Ebene selbstständig fortbewegen. Die Kraft der Hände sei ausreichend, die Greiffunktion und Feinmotorik der Fingergelenke sei gut. Der Kläger müsse vermehrt zu Toilettengängen aufgefordert werden. Trage er die Orthese, könne er selbstständig zur Toilette gehen. Übernommen werde das Waschen des Rückens, der Füße, der Beine, des Gesäßes, die Reinigung nach der Darmentleerung sowie das An- und Ablegen der Orthese. Teilhilfebedarf bestehe beim Hochziehen der Hose, was aufgrund der Orthese erschwert sei, und beim Wechsel der Bekleidung des Unterkörpers. Hilfebedarf bestehe beim Transfer auf den Duschstuhl, da der Kläger hierfür die Orthese nicht trage, und einmal wöchentlich beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zur notwendigen Krankengymnastik.
Auf die Anhörung der Beklagten erhob der Vater des Klägers Einwände gegen die Änderung der Bewilligung in Pflegestufe I. In dem daraufhin von der Beklagten veranlassten weiteren Gutachten vom 18. Juli 2007 schätzte Pflegefachkraft S., MDK, den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege im Vergleich zu einem gesunden gleichaltrigen Kind mit 91 Minuten (Körperpflege 24 Minuten und Mobilität 67 Minuten). Gehen ohne Hilfsmittel sei nicht möglich. Bei einem in der Nacht erforderlichen Toilettengang werde der Kläger zur Toilette getragen. Er könne zwar auch mit dem Rollstuhl selbst hinfahren, wäre dann aber auf Hilfe bei den Transfers angewiesen, da er mit den Nachtschienen nicht stehen könnte. Ebenso könne der Kläger sich nicht selbst drehen, wenn er die Schienen trage. Unter die Orthese werde ein spezieller Strumpf gezogen. Die Pflegeperson übernehme das An- und Ausziehen der Orthese, die nicht den ganzen Tag getragen werden könne. Der Oberkörper sei frei beweglich, Nacken- und Schürzengriff seien beidseits möglich, die Greiffunktion beider Hände sei erhalten. Die Kraft sei ausreichend und die Feinmotorik sei unauffällig. Der Kläger bastle und zeichne gerne. Beim Lernen zeige er allerdings keine solche Ausdauer. Ein Toilettengang während des Hausbesuches habe keine fünf Minuten gedauert. Das wegen der Blasenentleerungsstörungen ärztlicherseits angeratene Katheterisieren habe die Mutter abgelehnt. Sie versuche es mit Klopfen, um die Blase zu stimulieren und erinnere immer wieder an den Toilettengang. Der Kläger werde morgens von der Mutter mittels Analstimulation abgeführt. Er trage keine Windelvorlagen. Appetit und Durstgefühl seien altersentsprechend. Der Umgang mit Besteck sei möglich.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2007 bewilligte die Beklagte ab 1. September 2007 Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Unter dem 31. Juli 2007 gab die Beklagte weiter unter der Angabe "Aufhebungsbescheid über die Pflegestufe II für Ihren Sohn ..." und unter Bezugnahme auf das Gutachten der Pflegefachkraft S. dem Vater des Klägers bekannt, dass sie deshalb zum 1. September 2007 die "Rückstufung in die Pflegestufe I vornehmen" werde. Der Kläger erhob Widerspruch und verwies darauf, dass die Pflegeperson den ganzen Tag über in Bereitschaft sein müsse. Auch benötige er wegen rezidivierender Harnwegsinfekte eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr, wozu er regelmäßig tagsüber anzuhalten sei. Regelmäßig habe eine Überprüfung auf Bildung eines Dekubitus zu erfolgen. Er erhalte pflegeunterstützende Maßnahmen nach der Bobath-Methode durch seine Pflegeperson. Auch erfolge zur Mobilitätsverbesserung eine aktivierende Pflege. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2007). Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Vergleich zum Bewilligungszeitpunkt sei eingetreten. Der beim Kläger jetzt vorhandene Hilfebedarf bei der Grundpflege erfülle nach dem Gutachten vom 18. Juli 2007 nicht mehr die Voraussetzungen für die Pflegestufe II. Der Kläger könne sich inzwischen auch ohne Rollator in der Wohnung fortbewegen und selbstständig die Toilette aufsuchen. Nur nachts werde er zur Toilette getragen, da er mit den Nachtschienen nicht gehen könne. Für das Wasserlassen und das Heben auf die Toilette (Transfer) sei damit ein Hilfebedarf im Umfang von täglich 31 Minuten entfallen. Aufgrund der verbesserten Mobilität sei auch der Hilfebedarf für die Körperreinigung geringer geworden (13 statt 21 Minuten). Der Kläger sei insoweit in größerem Umfang als bisher in der Lage, mitzuhelfen. Eine vollständige Übernahme durch die Pflegeperson, wie noch im Januar 2005 beim Duschen, sei nicht mehr notwendig. Die mit dem Widerspruch geltend gemachte Dekubitusprüfung sowie die Übungen nach Bobath gehörten zur Behandlungspflege, die ebenso wie die ständige Bereitschaft der Eltern - nicht berücksichtigt werden könnten. Hinsichtlich einer erhöhten Flüssigkeitszufuhr habe der MDK keinen Hilfebedarf festgestellt. Motorische Einschränkungen, aus denen sich ein Hilfebedarf beim Trinken ableiten ließe, seien im Gutachten nicht angegeben. Ebenso habe der MDK ausgeführt, dass der Kläger keine Windelvorlagen trage. Im Übrigen falle ein hier bestehender Hilfebedarf unter Berücksichtigung des Orientierungswerts nach den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch SGB XI - (Begutachtungs-Richtlinien) von ein bis zwei Minuten kaum ins Gewicht. Eine Notwendigkeit dafür, dass der Kläger bis zu zehnmal täglich auf die Toilette gebracht werden müsse, sei nicht erkennbar, da er mit seinen Orthesen in der Lage sei, die Toilette selbst aufzusuchen.
Der Kläger erhob am 9. Januar 2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Die Gutachten vom 26. Februar und 18. Juli 2007 schätzten seinen Gesundheitszustand falsch ein, setzten zu niedrige Zeitpauschalen an und berücksichtigten einige Leistungen nicht. Beim Duschen/Baden seien nicht nur acht Minuten, sondern zumindest 20 Minuten, bei der Zahnpflege nicht lediglich zwei Minuten, sondern fünf Minuten und beim Stuhlgang nicht lediglich drei Minuten, sondern ein wesentlich höherer Zeitbedarf zu berücksichtigen. Weiterer Zeitbedarf ergebe sich für die Wegezeiten und Aufenthaltsdauer wegen der Ergotherapie und Krankengymnastik, die jeweils einmal wöchentlich verordnet seien, wegen der Übungen, die zwischenzeitlich von Bobath auf Vojta umgestellt worden seien (drei- bis viermal täglich à 15 Minuten, durchschnittlich 53 Minuten) sowie wegen dreimal täglich erforderlicher Teilwäschen des Unterkörpers (15 Minuten). Die Bewegungsübungen seien Teil der Grundpflege und nicht der Behandlungspflege zuzuordnen.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid entgegen.
Im Auftrag des SG erstattete Ärztin für Anästhesie und praktische Ärztin Dr. K.-L. das Gutachten vom 29. Januar 2009. Sie schätzte einen täglichen Zeitbedarf für die Verrichtungen der Grundpflege von 39 Minuten (Körperpflege 13 Minuten, Ernährung fünf Minuten, Mobilität 21 Minuten). Der geringere Zeitbedarf sei teilweise damit zu begründen, dass der Kläger in den zwischenzeitlich vergangenen 16 oder 19 Monaten - wie nicht anders zu erwarten - weiter an Selbstständigkeit hinzugewonnen habe. Dies gelte insbesondere für die Toilettengänge, die auch nach Angaben der Mutter völlig selbstständig durchgeführt würden, früher aber einen ganz erheblichen pflegerischen Mehraufwand verursacht hätten. Den krankheitsbedingten Mehraufwand für Duschen oder Baden (täglich zehn Minuten) habe sie (die Sachverständige) angesichts der eher geringen notwendigen Teilhilfen sehr großzügig bemessen. Der Kläger könne durchaus im altersentsprechendem Umfang Gesicht, Haare, Oberkörper vorne, Arme, Intimbereich und Oberschenkel selbst waschen, so dass ein Hilfebedarf im Bereich des Rückens, des Gesäßes und eventuell der Füße plausibel sei. Die Anrechnung der Zahnpflege in den Gutachten vom 26. Februar und 18. Juli 2007 sei nicht nachvollziehbar, da die Aufforderung dazu auch bei gesunden Zehnjährigen häufig notwendig sei sowie ein krankheitsbedingter Hilfebedarf nicht bestehe, da der Kläger seine Hände uneingeschränkt nutzen könne und keine geistige Behinderung vorliege. Anzurechnen sei mit einer Minute täglich das einmal wöchentlich durchzuführende Rasieren der übermäßigen Behaarung im Lumbalbereich. Der Kläger könne zwar im altersentsprechende Maße selbstständig essen und trinken, zu berücksichtigen sei aber, dass er aufgrund der Restharnbildung mit Infektionsgefahr drei Liter täglich trinken solle und hierzu animiert werden müsse (durchschnittlich fünf Minuten täglich), was bei gesunden Kindern nicht in diesem Umfang notwendig sei. Aufgrund seiner motorischen Fähigkeiten könne der Kläger selbstständig ins Bett und heraus gelangen, was auch von der Mutter bestätigt worden sei. Dies gelte ebenso für Transfers und inzwischen auch für das Treppensteigen. Das Umlagern des linken Unterschenkels bzw. die Kontrolle sei im Gegensatz zum Gutachten vom 26. Februar 2007 anzurechnen, verursache aber nur einen minimalen Zeitaufwand von einer Minute täglich. Die notwendigen Hilfen beim eigentlichen An- und Auskleiden seien inzwischen minimal und beschränkten sich auf das Überstreifen von Hosen über den linken Fuß, wenn die Orthese getragen werde (eine Minute täglich). Den umfangreichsten Hilfebedarf verursache das Anlegen der Orthese (fünf Minuten täglich). Ein Zeitaufwand für das Verlassen der Wohnung wegen der Krankengymnastik und der damit verbundene Aufwand könne entgegen den Gutachten vom 26. Februar und 18. Juli 2007 nicht angerechnet werden, weil diese eindeutig eine primär rehabilitative Zielsetzung habe. Häusliche Vojta-Therapie zähle nicht zu den definierten Verrichtungen. Die Voraussetzungen der Pflegestufe I seien etwa ab September 2008 nicht mehr erfüllt gewesen, spätestens im Zeitpunkt der jetzigen Begutachtung November 2008. Dem Gutachten beigefügt war der Bericht des Prof. Dr. K. vom 8. Oktober 2008 über die Vorstellung in der interdisziplinären Spina-bifida-Ambulanz des Universitätsklinikums F. am 24. September 2009. Dieser gab an, bei der Untersuchung hätten sich keine Hinweise auf eine Fehlfunktion des Shunt gefunden. Der Kläger sei sicher in großem Maße auf Hilfe angewiesen. Sehr aufwändig sei das regelmäßige An- und Ausziehen der Orthesen und die regelmäßige (viermal tägliche) Kontrolle von Druckstellen. Ein vermehrtes Waschen und Pflegen der Beine sei notwendig, da sie durch die Orthesen schneller verschwitzt seien. Aufgrund der neurogenen Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung müsse der Kläger regelmäßig an das Trinken erinnert werden. Zu den Toilettengängen müsse die Mutter ihn oft begleiten. Wegen der Gehbehinderung benötige er auch immer wieder Stütze beim Gehen und Stehen. Pflegestufe II sei gerechtfertigt.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Pflegesachverständige Le. das Gutachten vom 30. August 2009. Sie schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf täglich durchschnittlich "124" (richtig 128) Minuten (Körperpflege 57 Minuten und Mobilität "67" [richtig 71] Minuten). Bei der täglichen Dusche könne der Kläger den Oberkörper und das Gesicht selbst waschen, bedürfe jedoch der Anleitung und Beaufsichtigung. Das Waschen des Rückens, der Beine, des Intimbereichs und der Haare müssten von der Mutter übernommen werden (20 Minuten). Wegen des starken Schwitzens sei nach der Schule eine zusätzliche Wäsche des Unterkörpers erforderlich, die der Kläger nicht selbstständig durchführen könne (zehn Minuten). Die Zahnpflege führe der Kläger alleine aus, benötige jedoch auch hier Beaufsichtigung und Anleitung (vier Minuten). Der Kläger sei nicht immer in der Lage, die Toilette rechtzeitig aufzusuchen oder dem Harndrang folgerichtig nachzugehen, so dass er häufig nass sei und manchmal mehrmals am Tag umgezogen werden müsse. Bei ihm werde ein Toilettentraining durchgeführt (23 Minuten). Ein Aufstehen und Zubettgehen sei dem Kläger ohne Hilfe einer Pflegeperson nicht möglich (zwei Minuten). Um das Bett zu verlassen, benötige er eine Orthese, die nur durch die Pflegeperson angelegt werden könne. Der Kläger könne selbstständig das Bett aufsuchen und sich hinlegen, jedoch nicht selbstständig die Orthese abnehmen. Als zusätzliche Erschwernisfaktor werde das Anlegen der Orthese mit 15 Minuten gewertet, das Ausziehen der Orthese mit fünf Minuten, zweimal täglich mithin mit 40 Minuten. Der Kläger könne sich den Oberkörper unter Anleitung, Beaufsichtigung und ständiger Motivation selbstständig anziehen. Das Anziehen des Unterkörpers müsse demgegenüber voll von der Pflegeperson übernommen werden. Der durchschnittliche Zeitbedarf für das Ankleiden betrage 15 Minuten und für das Entkleiden acht Minuten. Ein Hilfebedarf im Bereich des Gehens (vier Minuten) und Treppensteigens (zwei Minuten) im Zusammenhang mit dem Aufstehen und Zubettgehen ergebe sich dadurch, dass sich das Schlafzimmer des Klägers im oberen Bereich des Hauses befinde und er deshalb eine Treppe überwinden müsste, wozu er die Hilfe der Pflegeperson benötige. Der von ihr (der Sachverständigen) befragte Klassenlehrer des Klägers habe berichtet, bei einem kurze Zeit vor der Begutachtung erfolgten Besuch eines Schullandheims habe der Kläger eine "1:1-Beaufsichtigung" benötigt. Der Kläger habe ständige Aufforderung benötigt, um seine Körperpflege durchzuführen. Der Kläger habe den Entwicklungszustand eines Sieben- bis Achtjährigen. Die Vorgutachten berücksichtigten das Anlegen der Orthese nicht und würdigten die beim Kläger notwendige Beaufsichtigung und Anleitung nicht.
Schließlich erstattete im Auftrag des SG Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sc. das Gutachten vom 19. März 2010. Er schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf täglich durchschnittlich 93 Minuten (Körperpflege 49 Minuten und Mobilität 44 Minuten). Der Kläger sei in der Lage, unter Anleitung und Aufforderung Gesicht, Oberkörper und die Arme selbst zu reinigen. Ausreichend seien bei der morgendlichen Anleitung bei der Oberkörperwasche fünf Minuten und bei der nachmittäglichen Reinigung des Unterkörpers, insbesondere des linken Beines, acht Minuten. Beim Duschen sei eine teilweise Übernahme (Waschen des Rückens, des Unterkörpers, des Intimbereichs, der Beine und der Haare) sowie eine konkrete Beaufsichtigung teilweise Anleitung notwendig (15 Minuten), bei der Zahnpflege sei zweimal täglich eine Anleitung und Beaufsichtigung notwendig (zwei Minuten). Der Kläger benötige teilweise Hilfestellung für eine Intimhygiene nach Stuhlgang einmal täglich (drei Minuten) und nach dem Wasserlassen achtmal täglich (acht Minuten) sowie für das Richten der Hose (acht Minuten). Hilfestellung benötige der Kläger für das morgendliche Aufstehen (eine Minute) und das abendliche Zubettgehen (eine Minute). Für das Ankleiden des Oberkörpers sei Beaufsichtigung und Anleitung notwendig (zwei Minuten). Das Ankleiden des Unterkörpers müsse zweimal täglich vollständig übernommen werden (zehn Minuten). Notwendig sei zweimal täglich das Entkleiden des Unterkörpers (sechs Minuten). Der Zeitbedarf liege für das Anlegen der Orthese bei acht Minuten, für das Ausziehen der Orthese bei vier Minuten, insgesamt bei zweimal täglicher Notwendigkeit bei 16 und acht Minuten. Stehen und Gehen seien mit Hilfsmitteln selbstständig möglich. Das Schlafzimmer befinde sich jetzt im Erdgeschoss. Der gegenüber der Sachverständigen Dr. K.-L. bei der Körperpflege angenommene höhere Pflegebedarf sei durch die Verhaltensauffälligkeiten, die Entwicklungsverzögerung und körperliche Einschränkungen bedingt. Der Zeitbedarf für das An- und Ausziehen der Orthese sei von der Sachverständigen Dr. K.-L. nicht ausreichend, von der Sachverständigen Le. deutlich zu hoch angesetzt worden.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. Oktober 2010 ab. Der Zeitaufwand für die Pflegestufe II werde im Bereich der Grundpflege gegenüber den letzten bindenden Feststellungen sowie dem zu Grunde liegenden Gutachten vom 21. Januar 2005 nicht mehr erreicht. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse in der Verminderung des Hilfebedarfs sei aufgrund des schlüssigen, in sich widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Gutachtens des MDK vom 26. Februar und 18. Juli 2007 sowie dem Gutachten des Dr. Sc. vom 19. März 2010 nachgewiesen. Die Sachverständige Le. erreiche mit dem Zeitbedarf von "124" (richtig 128) Minuten gerade eben die Mindestzeit von 120 Minuten. Die Zugrundelegung der von Dr. Sc. angenommenen Zeiten für das An- und Ausziehen der Orthese führe zu dem (faktischen) Ergebnis, dass damit bereits auch nach ihrem Gutachten die Voraussetzungen der Pflegestufe II nicht mehr erfüllt seien. Soweit der Kläger die von Dr. Sc. ermittelten Zeitkorridore für das Duschen, die Ausscheidungen sowie für das An- und Entkleiden als zu niedrig erachtet, könne dem im Hinblick auf die Begutachtungs-Richtlinien nicht gefolgt werden. Die häusliche Vojta-Therapie zähle nicht zu den abschließend als pflegebegründende definierten Verrichtungen. Gleiches gelte für die Wegezeiten und Aufenthaltsdauer anlässlich der Therapien und die noch geltend gemachten gesonderten Zeiten für die Mobilisation.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 8. Oktober 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Oktober 2010 Berufung eingelegt. Beim An- und Ausziehen der Orthesen handle es sich um eine sehr aufwändige Maßnahme, so dass die Einschätzung der Sachverständigen Le. realistisch sei. Auch sei der von der Sachverständigen Le. berücksichtigte Zeitbedarf im Rahmen der Körperpflege, der Ausscheidungen sowie des An- und Auskleidens zutreffend. Zu berücksichtigen seien weiter der erforderliche tägliche Zeitaufwand von 53 Minuten für die Vojta-Übungen, die der behandelnde Kinderarzt Dr. Sp. verordnet habe und die der Behandlung der komplexen Grundkrankheit und der regelmäßig auftretenden Komplikationen, die ohne diese Therapie dramatisch zunähmen, diene, und die Mobilisation, wobei es sich bei beidem nicht um behandlungspflegerische Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege handle, die Wegezeiten und die Aufenthaltsdauer während der ärztlich verordneten Krankengymnastik (täglich ca. 17 Minuten) sowie die regelmäßigen Arztbesuche (ein- bis fünfmal jährlich bei verschiedenen Ärzten oder Kliniken). Der Kläger hat vorgelegt den Bericht des Psychotherapeuten Lu. vom 16. Mai 2008, die ärztlichen Berichte des Kinderarztes Dr. Sp. vom 26. November 2010 und 13. April 2011, den Bericht der Manual-, Vojta- und Bobaththerapeutin H. (ohne Datum) sowie weitere Arztbriefe aus den Jahren 2007 bis 2010.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Oktober 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei der vom Kläger durchgeführten Krankengymnastik handele sei es sich um eine rehabilitative Maßnahme, die bei der Bemessung des Zeitaufwands nicht berücksichtigt werden könne. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2007 habe sie den mündlichen Verwaltungsakt vom 27. Januar 2005 aufgehoben.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten, der beigezogenen Rentenakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben. Denn streitig sind höhere Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2007. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte die mit (schriftlichem) Bescheid vom 28. Juni 2002 und mit (mündlichem) Bescheid vom 27. Januar 2005 bestätigte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II mit Wirkung zum 1. September 2007 teilweise aufgehoben und ab diesem Zeitpunkt nur noch Pflegegeld nach der Pflegestufe I bewilligt. Obwohl dies ausdrücklich in den genannten Bescheiden so nicht verfügt worden ist, lässt sich dies mit gerade noch hinreichender Bestimmtheit den genannten Bescheiden entnehmen (zu den Anforderungen an die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld siehe z.B. Urteil des erkennenden Senats vom 5. März 2010 - L 4 P 4773/08 - in juris).
Gegen diesen Bescheid kann sich der Kläger nur mit der reinen Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG wenden. Denn mit der Aufhebung dieses Bescheids bleibt die in den genannten ursprünglichen Bewilligungsbescheiden enthaltene Verfügung über die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II wirksam und die Beklagte wäre verpflichtet, diese bewilligte Leistung auch für die Zeit ab 1. September 2007 zu zahlen. Eine daneben erhobene Leistungsklage ist deshalb unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzinteresse fehlt (vgl. z.B. BSG SozR 4100 § 119 Nr. 11).
2. Rechtsgrundlage für die Herabstufung des Pflegegeldes von Pflegestufe II in Pflegestufe I zum 1. September 2007 ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. inhaltlich verändert (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG] SozR 1300 § 45 Nr. 6; SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG SozR 4-1300 § 48 Nr. 6).
Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen erfolgte im Januar 2005, so dass dies der maßgebliche Vergleichszeitpunkt und maßgebliches Vergleichsgutachten das Gutachten der Pflegefachkraft L. vom 21. Januar 2005 ist. Die Beklagte beabsichtigte auf der Grundlage des Gutachtens der Pflegefachkraft F. vom 20. August 2004 die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II teilweise aufzuheben (Anhörungsschreiben der Beklagten vom 31. August 2004). Aufgrund der vom Kläger erhobenen Einwände sah die Beklagte allerdings unter Berücksichtigung des deswegen eingeholten Gutachtens der Pflegefachkraft L. vom 21. Januar 2005 ab, worüber sie dem Vater des Klägers telefonisch am 27. Januar 2005 unterrichtete.
Bei der Prüfung, ob die Aufhebung der Bewilligung zu Recht erfolgte, ist bei der reinen Anfechtungsklage die Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt maßgebend, in dem der angefochtene Verwaltungsakt erlassen worden ist (vgl. z.B. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Maßgeblich sind daher die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheids, nicht aber die Frage, ob sich die tatsächlichen Verhältnisse zu einem späteren Zeitpunkt geändert haben. Damit ist es für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens unerheblich, welche Auswirkungen die im Jahre 2009 erlittenen Frakturen auf den Pflegebedarf des Klägers haben.
Gegenüber dem genannten maßgeblichen Zeitpunkt ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Der Kläger hat ab 1. September 2007 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II mehr, weil der erforderliche Zeitaufwand für die im Gesetz abschließend genannten Verrichtungen der Grundpflege (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 2) nicht mehr mindestens 120 Minuten täglich betrug.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Begutachtungs-Richtlinien zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, veröffentlicht in juris).
Bei Kindern ist nach § 15 Abs. 2 SGB XI für die Zuordnung zu einer Pflegestufe nur der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend. Damit wird klargestellt, dass der natürliche, altersentsprechende Pflegebedarf von Kindern, der jeweils vom Lebensalter der Betroffenen abhängt (vgl. dazu u.a. BSG, SozR 3-3300 § 14 Nr. 11), unberücksichtigt bleibt und allein auf den das altersübliche Maß übersteigenden Aufwand abzustellen ist (BSG SozR 3-3300 § Nr. 9). Der (zusätzliche) Hilfebedarf bei Kindern ist dabei nicht in einem zweistufigen Verfahren zu ermitteln, indem zunächst der Gesamtpflegeaufwand bei den maßgebenden berücksichtigungsfähigen Verrichtungen im konkreten Fall festgestellt wird und sodann der Pflegeaufwand für ein gleichaltriges gesundes Kind abzuziehen ist, wovon ersichtlich die Begutachtungs-Richtlinien in der bis 30. August 2006 geltenden Fassung ausgegangen sind. Es ist vielmehr im Hinblick auf die konkrete Erkrankung bzw. Behinderung auf den Mehraufwand bei den einzelnen Verrichtungen abzustellen. Dabei ist jedoch die Verwendung allgemeiner Erfahrungswerte zu der Frage, von welchem Alter an Verrichtungen der Grundpflege von gesunden Kindern eigenständig erbracht werden, sachgerecht (vgl. BSG SozR 3-2500 § 53 Nr. 8; BSG SozR 3-2500 § 14 Nr. 9). Daran orientieren sich die Begutachtungs-Richtlinien in der ab 1. September 2006 geltenden Fassung unter Abschnitt D Nr. 4.0/III.9 mit der Hilfebedarfstabelle eines gesunden Kindes. Auf diese Erfahrungswerte bezüglich des Hilfebedarfs eines gesunden Kindes bei den einzelnen Verrichtungen der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität greift der Senat hier auch für die zu beurteilende Zeit vor dem 1. September 2006 zurück. Denn die genannten Zeitansätze geben Erfahrungswerte wieder, die auf Erkenntnissen aus der Zeit davor beruhen.
Der Kläger leidet seit seiner Geburt an einem so genannten offenen Rücken, der am Tag nach der Geburt operativ versorgt wurde. Weiter liegt ein Hydrocephalus vor, der mit einem Shunt versorgt ist. Es bestehen eine Lähmung des linken Beines, weshalb der Kläger mit einer Orthese und einem Rollstuhl versorgt ist, sowie eine Blasen- und Mastdarmstörung. Hiervon sind die Gutachter und Sachverständigen übereinstimmend ausgegangen.
Zum September 2007 ist gegenüber den Verhältnissen im Januar 2005 eine Änderung insoweit eingetreten, als sich der Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege vermindert hat. Der Zeitaufwand beträgt weniger als 120 Minuten täglich. Sowohl die Gutachten der Pflegefachkraft L. vom 26. Februar 2007 und der Pflegefachkraft S. vom 18. Juli 2007 als auch die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. K.-L. vom 29. Januar 2009 und Dr. Sc. vom 19. März 2010 beschreiben nachvollziehbar eine Verminderung des Pflegebedarfs. Insbesondere die Sachverständige Dr. K.-L. legt im Einzelnen schlüssig dar, dass der Kläger aufgrund des zunehmenden Alters Fortschritte gemacht und eine größere Selbstständigkeit erlangt hat, insbesondere im Bereich der Mobilität. Die Fortbewegung innerhalb der Wohnung erfolgt mit Hilfsmitteln selbstständig, sobald die Orthese angelegt ist. Deshalb ist insbesondere ein geringerer Hilfebedarf bei den Verrichtungen im Bereich der Mobilität nachvollziehbar. Im Dezember 2004 (Zeitpunkt der Untersuchung durch die Pflegefachkraft L. für ihr Gutachten vom 21. Januar 2005) war das Gehen innerhalb der Wohnung mit Rollator teilweise nur in Begleitung möglich. Demgegenüber konnte der Kläger bei der weiteren Untersuchung durch die Pflegefachkraft L. im Februar 2007 sich ohne Rollator in der Wohnung bewegen. Die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. K.-L. und Dr. Sc. bestätigen, dass der Kläger mit Hilfsmitteln sich selbstständig in der Wohnung bewegen kann. Dies gilt insbesondere für den Rollstuhl, den er selbstständig bewegen kann, wie sich auch aus dem Gutachten der Sachverständigen Le. ergibt.
Die beim Kläger bestehenden Erkrankungen haben keine Mobilitätseinschränkungen im Bereich des Oberkörpers zur Folge, so dass es nachvollziehbar ist, dass der Kläger in der Lage ist, bei der Körperpflege bestimmte Tätigkeiten selbst vorzunehmen, und er allenfalls hierfür der Anleitung und Beaufsichtigung bedarf. Der Kläger kann den Oberkörper selbst waschen, was sich den insoweit übereinstimmenden Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen, auch der Sachverständigen Le., ergibt. Auch Pflegefachkraft L. nennt in ihrem Gutachten vom 26. Februar 2007 nur die Übernahme des Waschens des Rückens, der Füße, der Beine und des Gesäßes. Allein schon aus diesem Grund kann der Zeitbedarf für Verrichtungen des Duschens nicht in dem Bereich liegen, den die Zeitkorridore der Begutachtungs-Richtlinien als Höchstwert nennen, beim Duschen 20 Minuten, wie dies die Sachverständigen Le. angenommen hat. Dies entspräche der vollen Übernahme der Verrichtung. Deshalb sind die Schätzungen des Zeitaufwand für die Verrichtungen im Bereich der Körperpflege durch die Pflegefachkräfte L. und S. sowie die gerichtlichen Sachverständigen Dr. K.-L. und Dr. Sc. nachvollziehbar, nicht aber die Schätzungen der Sachverständigen Le., die diesen Höchstwert mit der Begründung annimmt, die Mutter des Klägers müsse unmittelbar während der gesamten Verrichtung beim Kläger verbleiben. Weshalb dies notwendig sei, hat die Sachverständige Le. nicht dargelegt.
Die Verrichtungen, bei denen der Kläger im Bereich der Mobilität einen Hilfebedarf hat, werden von den Pflegefachkräften L. und S. sowie den gerichtlichen Sachverständigen Dr. K.-L. und Dr. Sc. übereinstimmend genannt. Insoweit ist der größte Zeitaufwand für das An- und Ablegen der Orthese erforderlich, was nach Schätzung der Sachverständigen Dr. K.-L. 15 Minuten und nach Schätzung des Sachverständigen Dr. Sc. 24 Minuten erfordert. Der Sachverständige Dr. Sc. hat sich das Anlegen und Ausziehen der Orthesen demonstrieren lassen und kam zu einem Zeitaufwand von acht Minuten für das Anlegen sowie vier Minuten für das Ausziehen. Die Schätzung des Sachverständigen Le. mit 40 Minuten erscheint dem Senat zu großzügig.
Da der Kläger mit der Orthese sich selbstständig innerhalb der Wohnung bewegen kann, kann sich für die Verrichtungen Gehen und Stehen kein zusätzlich erheblicher Zeitaufwand ergeben.
Aus den genannten Gründen vermag der Senat deshalb der Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen Le. nicht zu folgen. Ihre Schätzung erscheint dem Senat insgesamt zu großzügig. Da sie den Zeitaufwand mit "124" (richtig 128) Minuten nur geringfügig über der für die Pflegestufe II erforderlichen Zeitgrenze von 120 Minuten bei den Verrichtungen der Grundpflege annimmt, belegt letztlich auch ihr Gutachten, dass sich der Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege verringert hat.
Die sich aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. K.-L. ergebende Minderung des Pflegebedarfs ist unabhängig von dem von ihr für die einzelnen Verrichtungen angegebenen Zeitaufwand. Dieser mag möglicherweise etwas zu gering ausgefallen sein. Da jedoch nicht die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld insgesamt streitig ist, ist dies insoweit unerheblich.
Ein Zeitbedarf für die Verrichtungen des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung ist nicht zu berücksichtigen. Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG SozR 3-3300 § 14 Nrn. 5 und 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist u.a. nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist. Dies ist hier nicht der Fall. Arztbesuche erfolgen schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht mindestens einmal wöchentlich, sondern ein- bis fünfmal jährlich bei verschiedenen Ärzten oder Kliniken. Wege zur Krankengymnastik oder zur Ergotherapie sind nur dann berücksichtigungsfähig, soweit sie der Behandlung einer Krankheit dienen und nicht die Stärkung oder Verbesserung der Fähigkeit zu eigenständiger Lebensführung im Vordergrund steht (vgl. BSG SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 m.w.N.). Beim Kläger steht Letzteres im Vordergrund. Dies ergibt sich aus den Bericht des Psychotherapeuten Lu. vom 16. Mai 2008. Danach dient die Behandlung, vorrangig nach Vojta, der Verbesserung von Störungsmeldung und damit Eigenständigkeit und Lebensqualität. Gleiches gilt dann auch für die zuhause von der Mutter als Pflegeperson durchgeführten Therapien, zunächst die Bobath-Therapie, später dann die Vojta-Therapie. Entsprechendes ergibt sich auch aus den ärztlichen Berichten des Dr. Sp. vom 26. November 2010 und 13. April 2011. Diese Therapien sind damit nicht lediglich Bestandteil der in § 14 SGB XI genannten Verrichtungen, sondern gehen darüber hinaus. Im Übrigen hat das BSG gezielte Bewegungsübungen, die den Folgen bestimmter Erkrankungen und nicht nur den Folgen der Bettlägerigkeit entgegenwirken sollen, als Maßnahmen der Behandlungspflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege, die von den Krankenkassen zu gewähren sind, angesehen (SozR 4-2500 § 37 Nr. 4).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Änderung der Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe I statt nach der Pflegestufe II mit Wirkung zum 1. September 2007.
Der am 1998 geborene Kläger ist familienversichertes Mitglied der Beklagten. Er wurde mit einer Lipomeningomyelocele (Vorwölbung von Rückenmark und Meningen; häufigste Fehlbildung des Rückenmarks bei Spina bifida) im Bereich der Lendenwirbelkörper 1 bis 5 geboren, die am 23. September 1998 operativ versorgt wurde. Des Weiteren wurde ein Hydrocephalus mit einem Shunt versorgt. Es bestehen eine schlaffe Beinparese links, in geringem Maße auch rechts sowie Blasenentleerungsstörungen. Der Kläger ist mit Oberschenkelorthesen links (seit 2000) versorgt sowie mit einem Rollstuhl. Er besuchte bis zum 7. Lebensjahr einen Kindergarten für körperbehinderte Kinder, seitdem besucht er eine Schule für körperbehinderte Kinder.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 1. Mai 2000 Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 25. September 2000) und ab 1. März 2002 Pflegegeld nach der Pflegestufe II (Bescheid vom 28. Juni 2002). Dem zu Grunde lag das Gutachten der Pflegefachkraft K., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK), vom 21. Juni 2002. Sie schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege mit 125 Minuten (280 Minuten [Körperpflege 81 Minuten, Ernährung 45 Minuten, Mobilität 90 Minuten] abzüglich 155 Minuten für ein gesundes gleichaltriges Kind).
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Pflegefachkraft F., MDK, das Gutachten vom 20. August 2004. Sie kam zu einem geschätzten täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege von 81 Minuten (Körperpflege 37 Minuten und Mobilität 44 Minuten). Die Beklagte hörte den Vater des Klägers zu einer Herabstufung des Pflegegelds an (Anhörungsschreiben der Beklagten vom 31. August 2004). Der Vater des Klägers erhob Einwände. Pflegefachkraft L., MDK, erstattete daraufhin das Gutachten vom 21. Januar 2005. Sie schätzte den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege im Vergleich zu einem gleichaltrigen gesunden Kind mit 130 Minuten (Körperpflege 50 Minuten und Mobilität 80 Minuten). Der Kläger werde von den Eltern täglich geduscht und abgetrocknet. Bei Ein- und Ausstieg aus der Dusche und der Badewanne bestehe Hilfebedarf. Wegen vermehrter Schweißsekretion sei ein zusätzliches Teilwaschen sowie zusätzlicher Wechsel der Bekleidung erforderlich. Zur Durchführung der Zahnpflege würden alle Pflegeutensilien zugereicht, zeitweise sei Nachbürsten erforderlich. Aufgrund der Blasenentleerungsstörung seien häufige Toilettengänge notwendig. Zur Blasen- und Darmentleerung werde der Kläger auf die Toilette gehoben. Die Eltern reinigten nach der Blasen- und Darmentleerung die Genitalen und übernähmen vor und nach den Toilettengängen das Richten der Bekleidung. Einzelne Verrichtungen im Bereich der Körperpflege seien erschwert, da der Kläger häufig trotzig reagiere und sich wehre. Ein deutlicher Mehraufwand im Vergleich zu einem gesunden gleichaltrigen Kind sei beim Wechsel der Bekleidung festzustellen. Es sei das häufige Anlegen der Orthese, ohne die der Kläger nicht stehen und gehen könne, zu berücksichtigen. Nach Anlegen der Orthese sei der Kläger in der Lage, mit dem Rollator selbstständig zum Esstisch und zur Toilette gehen. Ebenso könne er sich mit dem Rollstuhl innerhalb der Wohnung selbstständig fortbewegen. Der Kläger müsse von den Eltern aus dem Bett gehoben werden. Die Beklagte zahlte weiterhin Pflegegeld nach der Pflegestufe II, was sie dem Vater des Klägers am 27. Januar 2005 telefonisch mitteilte.
Im weiteren Gutachten vom 26. Februar 2007 schätzte Pflegefachkraft L. den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege im Vergleich zu einem gesunden gleichaltrigen Kind mit 57 Minuten (Körperpflege 17 Minuten und Mobilität 40 Minuten). Im Vergleich zum Vorgutachten habe sich der grundpflegerische Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege und Mobilität deutlich reduziert. Mittlerweile sei der Einsatz des Rollators zur Fortbewegung innerhalb der Wohnung nicht mehr notwendig. Vor allem im Bereich der Mobilität habe der Kläger große Fortschritte erzielt, sei aber dennoch bei vielen Basisaktivitäten des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen. Den Rollstuhl könne der Kläger innerhalb der Wohnung auf der Ebene selbstständig fortbewegen. Die Kraft der Hände sei ausreichend, die Greiffunktion und Feinmotorik der Fingergelenke sei gut. Der Kläger müsse vermehrt zu Toilettengängen aufgefordert werden. Trage er die Orthese, könne er selbstständig zur Toilette gehen. Übernommen werde das Waschen des Rückens, der Füße, der Beine, des Gesäßes, die Reinigung nach der Darmentleerung sowie das An- und Ablegen der Orthese. Teilhilfebedarf bestehe beim Hochziehen der Hose, was aufgrund der Orthese erschwert sei, und beim Wechsel der Bekleidung des Unterkörpers. Hilfebedarf bestehe beim Transfer auf den Duschstuhl, da der Kläger hierfür die Orthese nicht trage, und einmal wöchentlich beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung zur notwendigen Krankengymnastik.
Auf die Anhörung der Beklagten erhob der Vater des Klägers Einwände gegen die Änderung der Bewilligung in Pflegestufe I. In dem daraufhin von der Beklagten veranlassten weiteren Gutachten vom 18. Juli 2007 schätzte Pflegefachkraft S., MDK, den täglichen Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege im Vergleich zu einem gesunden gleichaltrigen Kind mit 91 Minuten (Körperpflege 24 Minuten und Mobilität 67 Minuten). Gehen ohne Hilfsmittel sei nicht möglich. Bei einem in der Nacht erforderlichen Toilettengang werde der Kläger zur Toilette getragen. Er könne zwar auch mit dem Rollstuhl selbst hinfahren, wäre dann aber auf Hilfe bei den Transfers angewiesen, da er mit den Nachtschienen nicht stehen könnte. Ebenso könne der Kläger sich nicht selbst drehen, wenn er die Schienen trage. Unter die Orthese werde ein spezieller Strumpf gezogen. Die Pflegeperson übernehme das An- und Ausziehen der Orthese, die nicht den ganzen Tag getragen werden könne. Der Oberkörper sei frei beweglich, Nacken- und Schürzengriff seien beidseits möglich, die Greiffunktion beider Hände sei erhalten. Die Kraft sei ausreichend und die Feinmotorik sei unauffällig. Der Kläger bastle und zeichne gerne. Beim Lernen zeige er allerdings keine solche Ausdauer. Ein Toilettengang während des Hausbesuches habe keine fünf Minuten gedauert. Das wegen der Blasenentleerungsstörungen ärztlicherseits angeratene Katheterisieren habe die Mutter abgelehnt. Sie versuche es mit Klopfen, um die Blase zu stimulieren und erinnere immer wieder an den Toilettengang. Der Kläger werde morgens von der Mutter mittels Analstimulation abgeführt. Er trage keine Windelvorlagen. Appetit und Durstgefühl seien altersentsprechend. Der Umgang mit Besteck sei möglich.
Mit Bescheid vom 31. Juli 2007 bewilligte die Beklagte ab 1. September 2007 Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Unter dem 31. Juli 2007 gab die Beklagte weiter unter der Angabe "Aufhebungsbescheid über die Pflegestufe II für Ihren Sohn ..." und unter Bezugnahme auf das Gutachten der Pflegefachkraft S. dem Vater des Klägers bekannt, dass sie deshalb zum 1. September 2007 die "Rückstufung in die Pflegestufe I vornehmen" werde. Der Kläger erhob Widerspruch und verwies darauf, dass die Pflegeperson den ganzen Tag über in Bereitschaft sein müsse. Auch benötige er wegen rezidivierender Harnwegsinfekte eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr, wozu er regelmäßig tagsüber anzuhalten sei. Regelmäßig habe eine Überprüfung auf Bildung eines Dekubitus zu erfolgen. Er erhalte pflegeunterstützende Maßnahmen nach der Bobath-Methode durch seine Pflegeperson. Auch erfolge zur Mobilitätsverbesserung eine aktivierende Pflege. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2007). Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Vergleich zum Bewilligungszeitpunkt sei eingetreten. Der beim Kläger jetzt vorhandene Hilfebedarf bei der Grundpflege erfülle nach dem Gutachten vom 18. Juli 2007 nicht mehr die Voraussetzungen für die Pflegestufe II. Der Kläger könne sich inzwischen auch ohne Rollator in der Wohnung fortbewegen und selbstständig die Toilette aufsuchen. Nur nachts werde er zur Toilette getragen, da er mit den Nachtschienen nicht gehen könne. Für das Wasserlassen und das Heben auf die Toilette (Transfer) sei damit ein Hilfebedarf im Umfang von täglich 31 Minuten entfallen. Aufgrund der verbesserten Mobilität sei auch der Hilfebedarf für die Körperreinigung geringer geworden (13 statt 21 Minuten). Der Kläger sei insoweit in größerem Umfang als bisher in der Lage, mitzuhelfen. Eine vollständige Übernahme durch die Pflegeperson, wie noch im Januar 2005 beim Duschen, sei nicht mehr notwendig. Die mit dem Widerspruch geltend gemachte Dekubitusprüfung sowie die Übungen nach Bobath gehörten zur Behandlungspflege, die ebenso wie die ständige Bereitschaft der Eltern - nicht berücksichtigt werden könnten. Hinsichtlich einer erhöhten Flüssigkeitszufuhr habe der MDK keinen Hilfebedarf festgestellt. Motorische Einschränkungen, aus denen sich ein Hilfebedarf beim Trinken ableiten ließe, seien im Gutachten nicht angegeben. Ebenso habe der MDK ausgeführt, dass der Kläger keine Windelvorlagen trage. Im Übrigen falle ein hier bestehender Hilfebedarf unter Berücksichtigung des Orientierungswerts nach den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch SGB XI - (Begutachtungs-Richtlinien) von ein bis zwei Minuten kaum ins Gewicht. Eine Notwendigkeit dafür, dass der Kläger bis zu zehnmal täglich auf die Toilette gebracht werden müsse, sei nicht erkennbar, da er mit seinen Orthesen in der Lage sei, die Toilette selbst aufzusuchen.
Der Kläger erhob am 9. Januar 2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Die Gutachten vom 26. Februar und 18. Juli 2007 schätzten seinen Gesundheitszustand falsch ein, setzten zu niedrige Zeitpauschalen an und berücksichtigten einige Leistungen nicht. Beim Duschen/Baden seien nicht nur acht Minuten, sondern zumindest 20 Minuten, bei der Zahnpflege nicht lediglich zwei Minuten, sondern fünf Minuten und beim Stuhlgang nicht lediglich drei Minuten, sondern ein wesentlich höherer Zeitbedarf zu berücksichtigen. Weiterer Zeitbedarf ergebe sich für die Wegezeiten und Aufenthaltsdauer wegen der Ergotherapie und Krankengymnastik, die jeweils einmal wöchentlich verordnet seien, wegen der Übungen, die zwischenzeitlich von Bobath auf Vojta umgestellt worden seien (drei- bis viermal täglich à 15 Minuten, durchschnittlich 53 Minuten) sowie wegen dreimal täglich erforderlicher Teilwäschen des Unterkörpers (15 Minuten). Die Bewegungsübungen seien Teil der Grundpflege und nicht der Behandlungspflege zuzuordnen.
Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid entgegen.
Im Auftrag des SG erstattete Ärztin für Anästhesie und praktische Ärztin Dr. K.-L. das Gutachten vom 29. Januar 2009. Sie schätzte einen täglichen Zeitbedarf für die Verrichtungen der Grundpflege von 39 Minuten (Körperpflege 13 Minuten, Ernährung fünf Minuten, Mobilität 21 Minuten). Der geringere Zeitbedarf sei teilweise damit zu begründen, dass der Kläger in den zwischenzeitlich vergangenen 16 oder 19 Monaten - wie nicht anders zu erwarten - weiter an Selbstständigkeit hinzugewonnen habe. Dies gelte insbesondere für die Toilettengänge, die auch nach Angaben der Mutter völlig selbstständig durchgeführt würden, früher aber einen ganz erheblichen pflegerischen Mehraufwand verursacht hätten. Den krankheitsbedingten Mehraufwand für Duschen oder Baden (täglich zehn Minuten) habe sie (die Sachverständige) angesichts der eher geringen notwendigen Teilhilfen sehr großzügig bemessen. Der Kläger könne durchaus im altersentsprechendem Umfang Gesicht, Haare, Oberkörper vorne, Arme, Intimbereich und Oberschenkel selbst waschen, so dass ein Hilfebedarf im Bereich des Rückens, des Gesäßes und eventuell der Füße plausibel sei. Die Anrechnung der Zahnpflege in den Gutachten vom 26. Februar und 18. Juli 2007 sei nicht nachvollziehbar, da die Aufforderung dazu auch bei gesunden Zehnjährigen häufig notwendig sei sowie ein krankheitsbedingter Hilfebedarf nicht bestehe, da der Kläger seine Hände uneingeschränkt nutzen könne und keine geistige Behinderung vorliege. Anzurechnen sei mit einer Minute täglich das einmal wöchentlich durchzuführende Rasieren der übermäßigen Behaarung im Lumbalbereich. Der Kläger könne zwar im altersentsprechende Maße selbstständig essen und trinken, zu berücksichtigen sei aber, dass er aufgrund der Restharnbildung mit Infektionsgefahr drei Liter täglich trinken solle und hierzu animiert werden müsse (durchschnittlich fünf Minuten täglich), was bei gesunden Kindern nicht in diesem Umfang notwendig sei. Aufgrund seiner motorischen Fähigkeiten könne der Kläger selbstständig ins Bett und heraus gelangen, was auch von der Mutter bestätigt worden sei. Dies gelte ebenso für Transfers und inzwischen auch für das Treppensteigen. Das Umlagern des linken Unterschenkels bzw. die Kontrolle sei im Gegensatz zum Gutachten vom 26. Februar 2007 anzurechnen, verursache aber nur einen minimalen Zeitaufwand von einer Minute täglich. Die notwendigen Hilfen beim eigentlichen An- und Auskleiden seien inzwischen minimal und beschränkten sich auf das Überstreifen von Hosen über den linken Fuß, wenn die Orthese getragen werde (eine Minute täglich). Den umfangreichsten Hilfebedarf verursache das Anlegen der Orthese (fünf Minuten täglich). Ein Zeitaufwand für das Verlassen der Wohnung wegen der Krankengymnastik und der damit verbundene Aufwand könne entgegen den Gutachten vom 26. Februar und 18. Juli 2007 nicht angerechnet werden, weil diese eindeutig eine primär rehabilitative Zielsetzung habe. Häusliche Vojta-Therapie zähle nicht zu den definierten Verrichtungen. Die Voraussetzungen der Pflegestufe I seien etwa ab September 2008 nicht mehr erfüllt gewesen, spätestens im Zeitpunkt der jetzigen Begutachtung November 2008. Dem Gutachten beigefügt war der Bericht des Prof. Dr. K. vom 8. Oktober 2008 über die Vorstellung in der interdisziplinären Spina-bifida-Ambulanz des Universitätsklinikums F. am 24. September 2009. Dieser gab an, bei der Untersuchung hätten sich keine Hinweise auf eine Fehlfunktion des Shunt gefunden. Der Kläger sei sicher in großem Maße auf Hilfe angewiesen. Sehr aufwändig sei das regelmäßige An- und Ausziehen der Orthesen und die regelmäßige (viermal tägliche) Kontrolle von Druckstellen. Ein vermehrtes Waschen und Pflegen der Beine sei notwendig, da sie durch die Orthesen schneller verschwitzt seien. Aufgrund der neurogenen Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung müsse der Kläger regelmäßig an das Trinken erinnert werden. Zu den Toilettengängen müsse die Mutter ihn oft begleiten. Wegen der Gehbehinderung benötige er auch immer wieder Stütze beim Gehen und Stehen. Pflegestufe II sei gerechtfertigt.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Pflegesachverständige Le. das Gutachten vom 30. August 2009. Sie schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf täglich durchschnittlich "124" (richtig 128) Minuten (Körperpflege 57 Minuten und Mobilität "67" [richtig 71] Minuten). Bei der täglichen Dusche könne der Kläger den Oberkörper und das Gesicht selbst waschen, bedürfe jedoch der Anleitung und Beaufsichtigung. Das Waschen des Rückens, der Beine, des Intimbereichs und der Haare müssten von der Mutter übernommen werden (20 Minuten). Wegen des starken Schwitzens sei nach der Schule eine zusätzliche Wäsche des Unterkörpers erforderlich, die der Kläger nicht selbstständig durchführen könne (zehn Minuten). Die Zahnpflege führe der Kläger alleine aus, benötige jedoch auch hier Beaufsichtigung und Anleitung (vier Minuten). Der Kläger sei nicht immer in der Lage, die Toilette rechtzeitig aufzusuchen oder dem Harndrang folgerichtig nachzugehen, so dass er häufig nass sei und manchmal mehrmals am Tag umgezogen werden müsse. Bei ihm werde ein Toilettentraining durchgeführt (23 Minuten). Ein Aufstehen und Zubettgehen sei dem Kläger ohne Hilfe einer Pflegeperson nicht möglich (zwei Minuten). Um das Bett zu verlassen, benötige er eine Orthese, die nur durch die Pflegeperson angelegt werden könne. Der Kläger könne selbstständig das Bett aufsuchen und sich hinlegen, jedoch nicht selbstständig die Orthese abnehmen. Als zusätzliche Erschwernisfaktor werde das Anlegen der Orthese mit 15 Minuten gewertet, das Ausziehen der Orthese mit fünf Minuten, zweimal täglich mithin mit 40 Minuten. Der Kläger könne sich den Oberkörper unter Anleitung, Beaufsichtigung und ständiger Motivation selbstständig anziehen. Das Anziehen des Unterkörpers müsse demgegenüber voll von der Pflegeperson übernommen werden. Der durchschnittliche Zeitbedarf für das Ankleiden betrage 15 Minuten und für das Entkleiden acht Minuten. Ein Hilfebedarf im Bereich des Gehens (vier Minuten) und Treppensteigens (zwei Minuten) im Zusammenhang mit dem Aufstehen und Zubettgehen ergebe sich dadurch, dass sich das Schlafzimmer des Klägers im oberen Bereich des Hauses befinde und er deshalb eine Treppe überwinden müsste, wozu er die Hilfe der Pflegeperson benötige. Der von ihr (der Sachverständigen) befragte Klassenlehrer des Klägers habe berichtet, bei einem kurze Zeit vor der Begutachtung erfolgten Besuch eines Schullandheims habe der Kläger eine "1:1-Beaufsichtigung" benötigt. Der Kläger habe ständige Aufforderung benötigt, um seine Körperpflege durchzuführen. Der Kläger habe den Entwicklungszustand eines Sieben- bis Achtjährigen. Die Vorgutachten berücksichtigten das Anlegen der Orthese nicht und würdigten die beim Kläger notwendige Beaufsichtigung und Anleitung nicht.
Schließlich erstattete im Auftrag des SG Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sc. das Gutachten vom 19. März 2010. Er schätzte den Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege auf täglich durchschnittlich 93 Minuten (Körperpflege 49 Minuten und Mobilität 44 Minuten). Der Kläger sei in der Lage, unter Anleitung und Aufforderung Gesicht, Oberkörper und die Arme selbst zu reinigen. Ausreichend seien bei der morgendlichen Anleitung bei der Oberkörperwasche fünf Minuten und bei der nachmittäglichen Reinigung des Unterkörpers, insbesondere des linken Beines, acht Minuten. Beim Duschen sei eine teilweise Übernahme (Waschen des Rückens, des Unterkörpers, des Intimbereichs, der Beine und der Haare) sowie eine konkrete Beaufsichtigung teilweise Anleitung notwendig (15 Minuten), bei der Zahnpflege sei zweimal täglich eine Anleitung und Beaufsichtigung notwendig (zwei Minuten). Der Kläger benötige teilweise Hilfestellung für eine Intimhygiene nach Stuhlgang einmal täglich (drei Minuten) und nach dem Wasserlassen achtmal täglich (acht Minuten) sowie für das Richten der Hose (acht Minuten). Hilfestellung benötige der Kläger für das morgendliche Aufstehen (eine Minute) und das abendliche Zubettgehen (eine Minute). Für das Ankleiden des Oberkörpers sei Beaufsichtigung und Anleitung notwendig (zwei Minuten). Das Ankleiden des Unterkörpers müsse zweimal täglich vollständig übernommen werden (zehn Minuten). Notwendig sei zweimal täglich das Entkleiden des Unterkörpers (sechs Minuten). Der Zeitbedarf liege für das Anlegen der Orthese bei acht Minuten, für das Ausziehen der Orthese bei vier Minuten, insgesamt bei zweimal täglicher Notwendigkeit bei 16 und acht Minuten. Stehen und Gehen seien mit Hilfsmitteln selbstständig möglich. Das Schlafzimmer befinde sich jetzt im Erdgeschoss. Der gegenüber der Sachverständigen Dr. K.-L. bei der Körperpflege angenommene höhere Pflegebedarf sei durch die Verhaltensauffälligkeiten, die Entwicklungsverzögerung und körperliche Einschränkungen bedingt. Der Zeitbedarf für das An- und Ausziehen der Orthese sei von der Sachverständigen Dr. K.-L. nicht ausreichend, von der Sachverständigen Le. deutlich zu hoch angesetzt worden.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. Oktober 2010 ab. Der Zeitaufwand für die Pflegestufe II werde im Bereich der Grundpflege gegenüber den letzten bindenden Feststellungen sowie dem zu Grunde liegenden Gutachten vom 21. Januar 2005 nicht mehr erreicht. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse in der Verminderung des Hilfebedarfs sei aufgrund des schlüssigen, in sich widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Gutachtens des MDK vom 26. Februar und 18. Juli 2007 sowie dem Gutachten des Dr. Sc. vom 19. März 2010 nachgewiesen. Die Sachverständige Le. erreiche mit dem Zeitbedarf von "124" (richtig 128) Minuten gerade eben die Mindestzeit von 120 Minuten. Die Zugrundelegung der von Dr. Sc. angenommenen Zeiten für das An- und Ausziehen der Orthese führe zu dem (faktischen) Ergebnis, dass damit bereits auch nach ihrem Gutachten die Voraussetzungen der Pflegestufe II nicht mehr erfüllt seien. Soweit der Kläger die von Dr. Sc. ermittelten Zeitkorridore für das Duschen, die Ausscheidungen sowie für das An- und Entkleiden als zu niedrig erachtet, könne dem im Hinblick auf die Begutachtungs-Richtlinien nicht gefolgt werden. Die häusliche Vojta-Therapie zähle nicht zu den abschließend als pflegebegründende definierten Verrichtungen. Gleiches gelte für die Wegezeiten und Aufenthaltsdauer anlässlich der Therapien und die noch geltend gemachten gesonderten Zeiten für die Mobilisation.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 8. Oktober 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Oktober 2010 Berufung eingelegt. Beim An- und Ausziehen der Orthesen handle es sich um eine sehr aufwändige Maßnahme, so dass die Einschätzung der Sachverständigen Le. realistisch sei. Auch sei der von der Sachverständigen Le. berücksichtigte Zeitbedarf im Rahmen der Körperpflege, der Ausscheidungen sowie des An- und Auskleidens zutreffend. Zu berücksichtigen seien weiter der erforderliche tägliche Zeitaufwand von 53 Minuten für die Vojta-Übungen, die der behandelnde Kinderarzt Dr. Sp. verordnet habe und die der Behandlung der komplexen Grundkrankheit und der regelmäßig auftretenden Komplikationen, die ohne diese Therapie dramatisch zunähmen, diene, und die Mobilisation, wobei es sich bei beidem nicht um behandlungspflegerische Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege handle, die Wegezeiten und die Aufenthaltsdauer während der ärztlich verordneten Krankengymnastik (täglich ca. 17 Minuten) sowie die regelmäßigen Arztbesuche (ein- bis fünfmal jährlich bei verschiedenen Ärzten oder Kliniken). Der Kläger hat vorgelegt den Bericht des Psychotherapeuten Lu. vom 16. Mai 2008, die ärztlichen Berichte des Kinderarztes Dr. Sp. vom 26. November 2010 und 13. April 2011, den Bericht der Manual-, Vojta- und Bobaththerapeutin H. (ohne Datum) sowie weitere Arztbriefe aus den Jahren 2007 bis 2010.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 1. Oktober 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Bei der vom Kläger durchgeführten Krankengymnastik handele sei es sich um eine rehabilitative Maßnahme, die bei der Bemessung des Zeitaufwands nicht berücksichtigt werden könne. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2007 habe sie den mündlichen Verwaltungsakt vom 27. Januar 2005 aufgehoben.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten, der beigezogenen Rentenakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) entschieden hat, ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund des § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nicht gegeben. Denn streitig sind höhere Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Dezember 2007. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte die mit (schriftlichem) Bescheid vom 28. Juni 2002 und mit (mündlichem) Bescheid vom 27. Januar 2005 bestätigte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II mit Wirkung zum 1. September 2007 teilweise aufgehoben und ab diesem Zeitpunkt nur noch Pflegegeld nach der Pflegestufe I bewilligt. Obwohl dies ausdrücklich in den genannten Bescheiden so nicht verfügt worden ist, lässt sich dies mit gerade noch hinreichender Bestimmtheit den genannten Bescheiden entnehmen (zu den Anforderungen an die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld siehe z.B. Urteil des erkennenden Senats vom 5. März 2010 - L 4 P 4773/08 - in juris).
Gegen diesen Bescheid kann sich der Kläger nur mit der reinen Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG wenden. Denn mit der Aufhebung dieses Bescheids bleibt die in den genannten ursprünglichen Bewilligungsbescheiden enthaltene Verfügung über die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II wirksam und die Beklagte wäre verpflichtet, diese bewilligte Leistung auch für die Zeit ab 1. September 2007 zu zahlen. Eine daneben erhobene Leistungsklage ist deshalb unzulässig, weil ihr das Rechtsschutzinteresse fehlt (vgl. z.B. BSG SozR 4100 § 119 Nr. 11).
2. Rechtsgrundlage für die Herabstufung des Pflegegeldes von Pflegestufe II in Pflegestufe I zum 1. September 2007 ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach einer bestimmten Pflegestufe ist als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu qualifizieren. Ein solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sich der Verwaltungsakt nicht in einem einmaligen Gebot oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes und in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet bzw. inhaltlich verändert (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG] SozR 1300 § 45 Nr. 6; SozR 4-1300 § 48 Nr. 6). Wesentlich ist die Änderung, soweit der ursprüngliche Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Zu vergleichen sind nach § 48 Abs. 1 SGB X stets die zum Zeitpunkt der Aufhebung bzw. des Aufhebungstermins bestehenden tatsächlichen Verhältnisse mit jenen, die zum Zeitpunkt der letzten Leistungsbewilligung, bei der die Anspruchsvoraussetzungen vollständig geprüft worden sind, vorhanden gewesen sind (BSG SozR 4-1300 § 48 Nr. 6).
Die letzte vollständige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen erfolgte im Januar 2005, so dass dies der maßgebliche Vergleichszeitpunkt und maßgebliches Vergleichsgutachten das Gutachten der Pflegefachkraft L. vom 21. Januar 2005 ist. Die Beklagte beabsichtigte auf der Grundlage des Gutachtens der Pflegefachkraft F. vom 20. August 2004 die Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II teilweise aufzuheben (Anhörungsschreiben der Beklagten vom 31. August 2004). Aufgrund der vom Kläger erhobenen Einwände sah die Beklagte allerdings unter Berücksichtigung des deswegen eingeholten Gutachtens der Pflegefachkraft L. vom 21. Januar 2005 ab, worüber sie dem Vater des Klägers telefonisch am 27. Januar 2005 unterrichtete.
Bei der Prüfung, ob die Aufhebung der Bewilligung zu Recht erfolgte, ist bei der reinen Anfechtungsklage die Sach- und Rechtslage zu dem Zeitpunkt maßgebend, in dem der angefochtene Verwaltungsakt erlassen worden ist (vgl. z.B. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Maßgeblich sind daher die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheids, nicht aber die Frage, ob sich die tatsächlichen Verhältnisse zu einem späteren Zeitpunkt geändert haben. Damit ist es für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens unerheblich, welche Auswirkungen die im Jahre 2009 erlittenen Frakturen auf den Pflegebedarf des Klägers haben.
Gegenüber dem genannten maßgeblichen Zeitpunkt ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Der Kläger hat ab 1. September 2007 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe II mehr, weil der erforderliche Zeitaufwand für die im Gesetz abschließend genannten Verrichtungen der Grundpflege (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 2) nicht mehr mindestens 120 Minuten täglich betrug.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB XI können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI). Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (Nr. 2) und der Mobilität (Nr. 3). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, bei der Zahnpflege, beim Kämmen, Rasieren sowie bei der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Begutachtungs-Richtlinien zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, veröffentlicht in juris).
Bei Kindern ist nach § 15 Abs. 2 SGB XI für die Zuordnung zu einer Pflegestufe nur der zusätzliche Hilfebedarf gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind maßgebend. Damit wird klargestellt, dass der natürliche, altersentsprechende Pflegebedarf von Kindern, der jeweils vom Lebensalter der Betroffenen abhängt (vgl. dazu u.a. BSG, SozR 3-3300 § 14 Nr. 11), unberücksichtigt bleibt und allein auf den das altersübliche Maß übersteigenden Aufwand abzustellen ist (BSG SozR 3-3300 § Nr. 9). Der (zusätzliche) Hilfebedarf bei Kindern ist dabei nicht in einem zweistufigen Verfahren zu ermitteln, indem zunächst der Gesamtpflegeaufwand bei den maßgebenden berücksichtigungsfähigen Verrichtungen im konkreten Fall festgestellt wird und sodann der Pflegeaufwand für ein gleichaltriges gesundes Kind abzuziehen ist, wovon ersichtlich die Begutachtungs-Richtlinien in der bis 30. August 2006 geltenden Fassung ausgegangen sind. Es ist vielmehr im Hinblick auf die konkrete Erkrankung bzw. Behinderung auf den Mehraufwand bei den einzelnen Verrichtungen abzustellen. Dabei ist jedoch die Verwendung allgemeiner Erfahrungswerte zu der Frage, von welchem Alter an Verrichtungen der Grundpflege von gesunden Kindern eigenständig erbracht werden, sachgerecht (vgl. BSG SozR 3-2500 § 53 Nr. 8; BSG SozR 3-2500 § 14 Nr. 9). Daran orientieren sich die Begutachtungs-Richtlinien in der ab 1. September 2006 geltenden Fassung unter Abschnitt D Nr. 4.0/III.9 mit der Hilfebedarfstabelle eines gesunden Kindes. Auf diese Erfahrungswerte bezüglich des Hilfebedarfs eines gesunden Kindes bei den einzelnen Verrichtungen der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität greift der Senat hier auch für die zu beurteilende Zeit vor dem 1. September 2006 zurück. Denn die genannten Zeitansätze geben Erfahrungswerte wieder, die auf Erkenntnissen aus der Zeit davor beruhen.
Der Kläger leidet seit seiner Geburt an einem so genannten offenen Rücken, der am Tag nach der Geburt operativ versorgt wurde. Weiter liegt ein Hydrocephalus vor, der mit einem Shunt versorgt ist. Es bestehen eine Lähmung des linken Beines, weshalb der Kläger mit einer Orthese und einem Rollstuhl versorgt ist, sowie eine Blasen- und Mastdarmstörung. Hiervon sind die Gutachter und Sachverständigen übereinstimmend ausgegangen.
Zum September 2007 ist gegenüber den Verhältnissen im Januar 2005 eine Änderung insoweit eingetreten, als sich der Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege vermindert hat. Der Zeitaufwand beträgt weniger als 120 Minuten täglich. Sowohl die Gutachten der Pflegefachkraft L. vom 26. Februar 2007 und der Pflegefachkraft S. vom 18. Juli 2007 als auch die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. K.-L. vom 29. Januar 2009 und Dr. Sc. vom 19. März 2010 beschreiben nachvollziehbar eine Verminderung des Pflegebedarfs. Insbesondere die Sachverständige Dr. K.-L. legt im Einzelnen schlüssig dar, dass der Kläger aufgrund des zunehmenden Alters Fortschritte gemacht und eine größere Selbstständigkeit erlangt hat, insbesondere im Bereich der Mobilität. Die Fortbewegung innerhalb der Wohnung erfolgt mit Hilfsmitteln selbstständig, sobald die Orthese angelegt ist. Deshalb ist insbesondere ein geringerer Hilfebedarf bei den Verrichtungen im Bereich der Mobilität nachvollziehbar. Im Dezember 2004 (Zeitpunkt der Untersuchung durch die Pflegefachkraft L. für ihr Gutachten vom 21. Januar 2005) war das Gehen innerhalb der Wohnung mit Rollator teilweise nur in Begleitung möglich. Demgegenüber konnte der Kläger bei der weiteren Untersuchung durch die Pflegefachkraft L. im Februar 2007 sich ohne Rollator in der Wohnung bewegen. Die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. K.-L. und Dr. Sc. bestätigen, dass der Kläger mit Hilfsmitteln sich selbstständig in der Wohnung bewegen kann. Dies gilt insbesondere für den Rollstuhl, den er selbstständig bewegen kann, wie sich auch aus dem Gutachten der Sachverständigen Le. ergibt.
Die beim Kläger bestehenden Erkrankungen haben keine Mobilitätseinschränkungen im Bereich des Oberkörpers zur Folge, so dass es nachvollziehbar ist, dass der Kläger in der Lage ist, bei der Körperpflege bestimmte Tätigkeiten selbst vorzunehmen, und er allenfalls hierfür der Anleitung und Beaufsichtigung bedarf. Der Kläger kann den Oberkörper selbst waschen, was sich den insoweit übereinstimmenden Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen, auch der Sachverständigen Le., ergibt. Auch Pflegefachkraft L. nennt in ihrem Gutachten vom 26. Februar 2007 nur die Übernahme des Waschens des Rückens, der Füße, der Beine und des Gesäßes. Allein schon aus diesem Grund kann der Zeitbedarf für Verrichtungen des Duschens nicht in dem Bereich liegen, den die Zeitkorridore der Begutachtungs-Richtlinien als Höchstwert nennen, beim Duschen 20 Minuten, wie dies die Sachverständigen Le. angenommen hat. Dies entspräche der vollen Übernahme der Verrichtung. Deshalb sind die Schätzungen des Zeitaufwand für die Verrichtungen im Bereich der Körperpflege durch die Pflegefachkräfte L. und S. sowie die gerichtlichen Sachverständigen Dr. K.-L. und Dr. Sc. nachvollziehbar, nicht aber die Schätzungen der Sachverständigen Le., die diesen Höchstwert mit der Begründung annimmt, die Mutter des Klägers müsse unmittelbar während der gesamten Verrichtung beim Kläger verbleiben. Weshalb dies notwendig sei, hat die Sachverständige Le. nicht dargelegt.
Die Verrichtungen, bei denen der Kläger im Bereich der Mobilität einen Hilfebedarf hat, werden von den Pflegefachkräften L. und S. sowie den gerichtlichen Sachverständigen Dr. K.-L. und Dr. Sc. übereinstimmend genannt. Insoweit ist der größte Zeitaufwand für das An- und Ablegen der Orthese erforderlich, was nach Schätzung der Sachverständigen Dr. K.-L. 15 Minuten und nach Schätzung des Sachverständigen Dr. Sc. 24 Minuten erfordert. Der Sachverständige Dr. Sc. hat sich das Anlegen und Ausziehen der Orthesen demonstrieren lassen und kam zu einem Zeitaufwand von acht Minuten für das Anlegen sowie vier Minuten für das Ausziehen. Die Schätzung des Sachverständigen Le. mit 40 Minuten erscheint dem Senat zu großzügig.
Da der Kläger mit der Orthese sich selbstständig innerhalb der Wohnung bewegen kann, kann sich für die Verrichtungen Gehen und Stehen kein zusätzlich erheblicher Zeitaufwand ergeben.
Aus den genannten Gründen vermag der Senat deshalb der Schätzung des Zeitaufwands der Sachverständigen Le. nicht zu folgen. Ihre Schätzung erscheint dem Senat insgesamt zu großzügig. Da sie den Zeitaufwand mit "124" (richtig 128) Minuten nur geringfügig über der für die Pflegestufe II erforderlichen Zeitgrenze von 120 Minuten bei den Verrichtungen der Grundpflege annimmt, belegt letztlich auch ihr Gutachten, dass sich der Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege verringert hat.
Die sich aus dem Gutachten der Sachverständigen Dr. K.-L. ergebende Minderung des Pflegebedarfs ist unabhängig von dem von ihr für die einzelnen Verrichtungen angegebenen Zeitaufwand. Dieser mag möglicherweise etwas zu gering ausgefallen sein. Da jedoch nicht die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld insgesamt streitig ist, ist dies insoweit unerheblich.
Ein Zeitbedarf für die Verrichtungen des Verlassens und Wiederaufsuchens der Wohnung ist nicht zu berücksichtigen. Hilfe im Bereich der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung bei der Verrichtung Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung ist als Pflegebedarf der sozialen Pflegeversicherung nur berücksichtigungsfähig, wenn sie erforderlich ist, um das Weiterleben in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, also Krankenhausaufenthalte und die stationäre Pflege in einem Pflegeheim zu vermeiden (grundlegend dazu BSG SozR 3-3300 § 14 Nrn. 5 und 6 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist u.a. nur dann gegeben, wenn ein mindestens einmal wöchentlicher Hilfebedarf beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für Arztbesuche oder das Aufsuchen ärztlich verordneter Behandlungen gegeben ist. Dies ist hier nicht der Fall. Arztbesuche erfolgen schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht mindestens einmal wöchentlich, sondern ein- bis fünfmal jährlich bei verschiedenen Ärzten oder Kliniken. Wege zur Krankengymnastik oder zur Ergotherapie sind nur dann berücksichtigungsfähig, soweit sie der Behandlung einer Krankheit dienen und nicht die Stärkung oder Verbesserung der Fähigkeit zu eigenständiger Lebensführung im Vordergrund steht (vgl. BSG SozR 4-3300 § 15 Nr. 1 m.w.N.). Beim Kläger steht Letzteres im Vordergrund. Dies ergibt sich aus den Bericht des Psychotherapeuten Lu. vom 16. Mai 2008. Danach dient die Behandlung, vorrangig nach Vojta, der Verbesserung von Störungsmeldung und damit Eigenständigkeit und Lebensqualität. Gleiches gilt dann auch für die zuhause von der Mutter als Pflegeperson durchgeführten Therapien, zunächst die Bobath-Therapie, später dann die Vojta-Therapie. Entsprechendes ergibt sich auch aus den ärztlichen Berichten des Dr. Sp. vom 26. November 2010 und 13. April 2011. Diese Therapien sind damit nicht lediglich Bestandteil der in § 14 SGB XI genannten Verrichtungen, sondern gehen darüber hinaus. Im Übrigen hat das BSG gezielte Bewegungsübungen, die den Folgen bestimmter Erkrankungen und nicht nur den Folgen der Bettlägerigkeit entgegenwirken sollen, als Maßnahmen der Behandlungspflege im Rahmen der häuslichen Krankenpflege, die von den Krankenkassen zu gewähren sind, angesehen (SozR 4-2500 § 37 Nr. 4).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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