L 12 AS 1409/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 3464/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1409/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juni 2007 bis zum 30. September 2008 sowie die Übernahme des Beitrages der Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 156,20 EUR für die 2. Jahreshälfte 2007 streitig.

Bei dem 1945 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt Heidelberg einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie die Voraussetzungen der Merkzeichen "aG" und "G" fest. Nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld erhielt der erwerbsfähige Kläger, der über kein Einkommen und Vermögen verfügt, ab 1. Mai 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II). Zuletzt bewilligte die Beklagte für die Zeit vom 1. Mai 2007 bis zum 30. September 2007 Alg II in Höhe der Regelleistung von 345,00 EUR (bestandskräftiger Bescheid vom 18. September 2006); Kosten für Unterkunft und Heizung werden vom zuständigen kommunalen Träger getragen, u.a. monatlich 40,- EUR für Heizstrom.

Im Juni 2007 reichte der Kläger bei der Beklagten die Jahresrechnung des Energieversorgungsunternehmens ... vom 31. Mai 2007 ein, wonach der Kläger ab 15. Juni 2007 einen monatlichen Abschlag für Haushalts- und Heizstrom in Höhe von 113,- EUR zu entrichten hat, und bat um Übernahme der Stromkosten über den in der Regelleistung enthaltenen Betrag von 20,74 EUR hinaus (Schreiben vom 5. Juni 2007). Weiterhin beantragte er die Übernahme des zum 1. Juli 2007 fällig werdenden Beitrages seiner Kfz-Haftpflichtversicherung für sechs Monate in Höhe von 156,20 EUR mit der Begründung, dass er aufgrund seiner Behinderung auf ein Auto angewiesen sei und die Versicherung nicht aus dem Regelsatz bestreiten könne (Schreiben vom 23. Juni 2007). Mit Bescheiden vom 6. Juli 2007 lehnte die Beklagte diese Anträge ab. Stromkosten für Verbrauchsstrom ohne Heizstrom seien in der Regelleistung enthalten. Die Übernahme der Kosten für den Verbrauchsstrom sei deshalb nicht möglich. Die Kosten der Kraftfahrzeugversicherung würden von den Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitslose nicht erfasst. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein (Schreiben vom 31. Juli 2007).

Mit Schreiben vom 22. August 2007 beantragte er einen Zuschlag für Schwerbeschädigte. Die Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. März 2008 und vom 1. April 2008 bis 30. September 2008 Alg II in Höhe von monatlich 347,00 EUR (Bescheide vom 27. August 2007) und berücksichtigte dabei die Regelleistung, jedoch keinen Mehrbedarf. Kosten für Unterkunft und Heizung wurden vom kommunalen Träger erbracht. Weiterhin lehnte die Beklagte die Zahlung eines Mehrbedarfs für Schwerbehinderte ab (Schreiben vom 27. August 2007). Der Kläger gehöre weder zum Personenkreis nach § 21 Abs. 4 SGB II noch nach § 28 SGB II. Auch gegen die Ablehnung des Mehrbedarfs wegen Behinderung legte der Kläger Widerspruch ein (Niederschrift vom 12. September 2007).

Die Beklagte wies die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 6. Juli 2007 wegen der Kfz-Haftpflichtversicherung und des Haushaltsstroms als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheide vom 13. September 2007, Geschäftszeichen W 1444/07 und W 1445/07). Das SGB II sehe Absetzungen vom Einkommen für Aufwendungen und Beiträge zu öffentlichen und privaten Versicherungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder dem Grund und der Höhe nach angemessen seien, vor. Soweit der Kläger über kein Einkommen verfüge, sei eine Absetzung nicht möglich. Im Falle des fehlenden Einkommens wirke sich der Aufwand für die Versicherungsbeiträge nicht bedarfserhöhend aus. Nach § 20 Abs. 2 SGB II betrage der monatliche Regelsatz für den Lebensunterhalt seit 1. Juli 2007 347,00 EUR. Dieser Regelbedarf umfasse u.a. auch einen Anteil für die Haushaltsenergie. Die Regelleistungshöhe setze sich aus der Summe der regelsatzrelevanten durchschnittlichen Haushaltsverbrauchsausgaben nach der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS 2003) zusammen. Die Verteilung des Regelsatzes auf die Haushaltsverbrauchsausgaben entspreche einer durchschnittlichen Verteilung und müsse deshalb nicht mit jedem Einzelfall übereinstimmen. Das SGB II sehe nicht vor, im Falle höherer tatsächlicher Abschlagszahlung einen monatlich höheren Leistungssatz zu gewähren. Auch den Widerspruch wegen der Nichtberücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen Behinderung wies die Beklagte als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheide vom 13. September 2007; W 1743/07, W 1744/07 und W 1745/07). Der Kläger gehöre nicht zum Personenkreis nach § 21 Abs.4 SGB II und § 28 Abs. 1 SGB II.

Hiergegen hat der Kläger vier Klagen zum Sozialgericht Mannheim (SG), die das SG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat (Beschluss vom 16. November 2007), erhoben und zur Begründung vorgetragen, zwar seien in dem monatlichen Regelsatz für den Lebensunterhalt nach § 20 SGB II auch Aufwendungen für Haushaltsenergie enthalten, jedoch seien diese zur Bestreitung der tatsächlichen Haushaltsenergiekosten der Wohnung keinesfalls ausreichend. Die Regelleistung sei nicht bedarfsdeckend. Es werde daher das Existenzminimum unterschritten, wenn die Haushaltsstromkosten aus dem Regelsatz bestritten werden müssten. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger auch mit Tagstrom Heizgeräte (Lüfter im Bad) sowie einen Warmwasserboiler betreibe. Unter Berücksichtigung des Anteils für Haushaltsenergie in der Regelleistung sowie der Leistung für Heizung seitens des kommunalen Trägers verbleibe hinsichtlich der Abschlagszahlungen für Strom ab Juni 2007 in Höhe von monatlich 113,00 EUR eine Differenz von 45,24 EUR, die die Beklagte zu übernehmen habe. Weiterhin benötige der Kläger wegen seiner Behinderung zusätzliche finanzielle Mittel, die von der gewährten Regelleistung nicht bestritten werden könnten. Dieser Mehrbedarf entstehe unabhängig davon, ob er erwerbstätig sei oder nicht. Geltend gemacht werde ein pauschaler Mehrbedarf in Höhe von 35% des Regelsatzes entsprechend der Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB XII. Schließlich sei der Kläger aufgrund seiner Behinderung unbedingt auf die Fortbewegung mit einem PKW angewiesen, da er sich nicht zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegen könne. Aus dem Regelsatz könne er die gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung des PKWs nicht aufbringen, die für das erste Halbjahr 2008 157,24 EUR betrage.

Das SG hat mit Schreiben vom 14. Februar 2008 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter zu entscheiden, und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 13. März 2008 eingeräumt. Die seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Klägers nahmen Bezug auf das klägerische Schreiben vom 13. Februar 2008, in dem er darum bat, nach einer Anhörung der Parteien zu einer Urteilsfindung zu kommen, und baten ebenfalls um eine Entscheidung in der Hauptsache (Schriftsatz vom 19. Februar 2008).

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29. Februar 2008 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe in ihren Bescheiden zutreffend die von ihr gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II geschuldete Regelleistung zum Lebensunterhalt in Höhe von 347,00 EUR monatlich bewilligt. Weder wegen der geltend gemachten Stromkosten noch der anerkannten Schwerbehinderung oder dem Aufwand für die Kfz-Haftpflichtversicherung stünden dem Kläger gegenüber der Beklagten weitere Leistungen zu. Die dem Kläger zuerkannte Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 347,00 EUR umfasse gemäß § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Insbesondere seien Energiekosten für Kochfeuer, Warmwasserbereitung und Beleuchtung aus dem Regelsatz zu bestreiten und könnten nicht als Bestandteil der Leistungen für Unterkunft und Heizung gesondert übernommen werden. Gegen die gesetzlich festgeschriebene Höhe der Regelleistung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Soweit der Kläger im Hinblick auf die Stromkosten geltend mache, er habe einen ungedeckten monatlichen Stromaufwand in Höhe von 45,24 EUR, sei darauf hinzuweisen, dass die Regelleistung von 347,00 EUR eine Budgetleistung sei, innerhalb derer dem Leistungsempfänger die notwendige Umschichtung bei Änderung von Preisen einzelner Bedarfe obliege. Im Übrigen könne der Kläger zumindest einen Teil des von ihm geltend gemachten zusätzlichen Stromaufwandes in Höhe von 45,24 EUR vom kommunalen Träger beanspruchen, wenn die Behauptung des Klägers zutreffe, die Leistung des kommunalen Trägers in Höhe von 40,00 EUR monatlich decke den anfallenden Strombedarf für die Heizung nicht ab. Insoweit sei er auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem kommunalen Kostenträger zu verweisen. Weiter hat das SG zur Begründung ausgeführt, dass dem Kläger ein zusätzlicher behinderungsbedingter Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 4 SGB II nicht zustehe. Solche Leistungen erhielten nur erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie sonstige Leistungen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen erbracht werden. Zu diesem Personenkreis zähle der Kläger nicht. Soweit der Kläger eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 Grundgesetz gegenüber Sozialgeldempfängern gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II bzw. gleichaltrigen voll erwerbsgeminderten Personen gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII rüge, greife dieser Einwand nicht durch. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes setze einen vergleichbaren Sachverhalt voraus, der hier nicht bestehe. Der Kläger beziehe seine Leistungen gemäß §§ 19 ff. SGB II unter der tatbestandlichen Voraussetzung bestehender Erwerbsfähigkeit. Der Gesetzgeber handle schlicht nicht unvertretbar, wenn er die Erwerbsfähigkeit des Klägers als Unterscheidungsmerkmal heranziehe, um bei ihm im Gegensatz zu den anderen genannten Personengruppen einen pauschalen Mehrbedarf aus dem Gesichtspunkt der Schwerbehinderung wie den zuerkannten Nachteilsausgleich nicht anzunehmen. Im Vergleich zu erwerbsunfähigen Personen sei die fortbestehende Erwerbsfähigkeit eines Schwerbehinderten ein sachgerechter Anhaltspunkt zur Annahme eines geringeren Bedarfs aus dem Gesichtspunkt der Schwerbehinderung. Für die Übernahme der Kosten einer Kfz-Haftpflichtversicherung sei weder eine gesetzliche Grundlage vorhanden noch sei eine solche Kostenübernahme aus dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 3 Grundgesetz geboten.

Gegen den Gerichtsbescheid, der seinen Prozessbevollmächtigten im erstinstanzlichen Verfahren am 4. März 2008 zugestellt wurde, richtet sich die am 24. März 2008 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung führt er aus, dass das SG den Gerichtsbescheid vor Ablauf der mit Schreiben vom 14. Februar 2008 bis zum 13. März 2008 eingeräumten Äußerungsfrist erlassen habe. Eine Stellungnahme von ihm - dem Kläger - hätte daher keine Berücksichtigung finden können, da dem Gericht auch keine vorgelegen habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Februar 2008 aufzuheben, 2. unter Aufhebung des Bescheids vom 6. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2007 den Bescheid vom 18. September 2006 für Zeit vom 1. Juni bis zum 30. September 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung von monatlich 45,24 EUR für Haushaltsstrom zu gewähren, 3. unter Aufhebung des Bescheids vom 6. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2007 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten der Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 156,20 EUR zu bezahlen, 4. unter Aufhebung des Bescheids vom 27. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2007 die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 18. September 2006 für die Zeit vom 22. August 2007 bis zum 30. September 2007 zurückzunehmen und dem Kläger höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs von 35% der Regelleistung zu gewähren, 5. unter Abänderung der Bescheide vom 27. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2007 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit vom 01. Oktober 2007 bis zum 30. September 2008 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs in Höhe von 35% der Regelleistung sowie von monatlich 45,24 EUR für Haushaltsstrom zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist zur Begründung auf das angefochtene Urteil.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. März 2009 Alg II in Höhe der Regelleistung (Bescheid vom 29. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. November 2008). Wegen des Bezugs einer Altersrente erhält der Kläger ab April 2009 keine Leistungen der Beklagten.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet zunächst der Bescheid vom 6. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2007, mit dem die Beklagte die teilweise Aufhebung des bestandskräftigen Bewilligungsbescheides über Alg II für die Zeit vom 1. Juni 2007 bis zum 30.09.2007 (Bescheid vom 18. September 2006) sowie die Gewährung höherer Leistungen für diesen Zeitraum im Hinblick auf die erstmals im Juni 2007 fällig gewordenen monatlichen Stromabschlagszahlungen in Höhe von 113,- EUR abgelehnt hat. In der Sache hat die Beklagte durch den angefochtenen Bescheid über den Antrag des Klägers auf Aufhebung nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X des bestandskräftigen und damit bindenden (§§ 39 Abs. 2 SGB X, 77 SGG) Bescheids vom 18. September 2006 und die Gewährung höherer Leistungen hinsichtlich der Aufwendungen für Haushaltsenergie für die Zeit ab 1. Juni 2007 bis zum 30. September 2007 (Ende des Bewilligungsabschnittes) entschieden. Bei sachgerechter Auslegung des klägerischen Antrags, die sich danach zu richten hat, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (vgl. beispielsweise BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KR 2/08 R -), war dieser auf die Aufhebung des zuvor ergangenen Bescheids gerichtet, nachdem das Begehren des Klägers auf höhere Leistungen im Hinblick auf seine ab Juni 2007 zu entrichtenden Abschlagszahlungen für Haushaltsenergie nur erfolgreich verfolgt werden kann, wenn die Bindungswirkung des bestandskräftigen Bewilligungsbescheides für den maßgeblichen Bewilligungsabschnitt beseitigt wird. Über dieses Begehren hat die Beklagte in der Sache entschieden, indem sie die Gewährung höherer Leistungen ablehnte. Weiterer Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 6. Juli 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2007, mit dem die Beklagte den klägerischen Antrag auf Übernahme des am 1. Juli 2007 fällig gewordenen Beitrags für seine Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 156,20 EUR abgelehnt hat. Über diesen einmaligen Bedarf kann isoliert und unabhängig von den übrigen Grundsicherungsleistungen entschieden werden; der Kläger kann diesen auch isoliert gerichtlich geltend machen (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 2010 - B 14 AS 81/08 R -). Nur über diesen Antrag hat die Beklagte entschieden. Dementsprechend ist der Antrag des Klägers sachgerecht dahingehend auszulegen, dass er die Übernahme des Versicherungsbeitrages für die 2. Jahreshälfte 2007 begehrt und nicht des Beitrages für das 1. Halbjahr 2008, wie die Prozessbevollmächtigten im erstinstanzlichen Verfahren irrtümlich angenommen haben. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 27. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. September 2007 hinsichtlich eines Mehrbedarfs wegen Behinderung hat die Beklagte die teilweise Rücknahme des bestandskräftigen Bewilligungsbescheides vom 18. September 2006, der einer Gewährung des begehrten Mehrbedarfs ab 22. August 2007 (Antragsschreiben vom 22. August 2007) entgegengestanden hätte, sowie die Gewährung höheren Alg II für die Zeit vom 22. August 2007 bis zum 30. September 2007 (Ende des Bewilligungsabschnittes) abgelehnt. Da Leistungen für Mehrbedarfe Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind und keinen eigenständigen und von der Höhe der Regelleistung abtrennbaren Streitgegenstand darstellen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, B 4 AS 29/09 R -), war der klägerische Antrag sachgerecht dahingehend auszulegen, dass er eine Überprüfung nach § 44 SGB X des bestandskräftigen Bewilligungsbescheides für die Zeit ab 22. August 2007 sowie höhere Leistungen wegen seiner Behinderung begehrt. Schließlich bilden die Bewilligungsbescheide vom 27. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 2007, mit denen die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01. Oktober 2007 bis zum 30. September 2008 bewilligt hat, Gegenstand des Berufungsverfahrens. Weitere Bescheide (Bescheid vom 29. September 2008, Widerspruchsbescheid vom 18. November 2008) über den Folgezeitraum vom 1. Oktober 2008 bis zum 31. März 2009 sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits geworden (vgl. BSG, Urteil vom 23. November 2006 – B 11b 9/06 R -).

3. Die Bescheide der Beklagten vom 6. Juli 2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13. September 2007 sowie vom 27. August 2007 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13. September 2007 stellen sich als rechtmäßig dar und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat weder einen Anspruch auf teilweise Aufhebung des Bescheides vom 18. September 2006 für die Zeit ab 1. Juni 2007 oder auf dessen teilweise Rücknahme ab 22. August 2007 noch auf die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit vom 1. Juni 2007 bis zum 30. September 2008. Auch steht ihm gegen die Beklagte kein Anspruch auf Übernahme des Beitrages zur Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von 156,20 EUR zu.

Gem. §§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II, 48 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft auszuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften des besonderen Teils dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X).

Der zu überprüfende Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 18. September 2006 war weder anfänglich, d.h. nach der im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe gegebenen Sach- und Rechtslage rechtswidrig im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, noch ist eine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eingetreten. Denn der Kläger hatte weder bei Erlass des Bewilligungsbescheides noch infolge einer wesentliche Änderung der Verhältnisse für den Zeitraum vom 1. Juni 2007 bis zum 30. September 2007 (Ende des Bewilligungsabschnittes) einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zwar war der Kläger Berechtigter im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, weil er das 15. Lebensjahr, nicht jedoch das 65. Lebensjahr vollendet hatte, erwerbsfähig und in dem streitigen Zeitraum auch durchgehend hilfebedürftig war (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Jedoch ist dem Kläger, wie das SG im Gerichtsbescheid vom 29. Februar 2009 zu Recht festgestellt hat, Alg II in der gesetzlichen Höhe bewilligt worden. Gleiches gilt für die dem Kläger auf Grundlage der Bescheide vom 27. August 2007 für die Bewilligungsabschnitte vom 1. Oktober 2007 bis zum 31. März 2008 und vom 1. April 2008 bis zum 30. September 2008 gewährten Leistungen. Insofern nimmt der Senat auf die Darlegungen des SG Bezug und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

4. Ergänzend weist der Senat im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren darauf hin, dass ein wesentlicher Verfahrensfehler, der zur Zurückweisung an das SG nach § 159 Abs. 1 SGG führen könnte, nicht vorliegt. Der geltend gemachte Verfahrensmangel, das SG habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 GG verletzt, ist nicht ersichtlich. Zwar hat das SG den Gerichtsbescheid am 29. Februar 2008 erlassen, mithin vor Ablauf der mit Anhörungsschreiben vom 14. Februar 2008 bis zum 13. März 2008 gesetzten Frist (vgl. Senatsurteil vom 21. September 2007 - L 12 AL 2939/07 - zum rechtlichen Gehör vor Erlass eines Gerichtsbescheids und zur angemessenen Stellungnahmefrist). Jedoch war ein Abwarten des Endes der Anhörungsfrist nicht erforderlich, da die Beteiligten auf eine weitere Äußerung verzichtet hatten. Denn die Prozessbevollmächtigten des Klägers, an die gemäß § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts - vorliegend das Anhörungsschreiben vom 14. Februar 2008 - zu richten waren, haben auf Grundlage der am 15. Oktober 2007 durch den Kläger erteilten Vollmacht in dessen Namen und damit für ihn bindend (§ 73 Abs. 6 Satz 6 SGG i.V.m. § 85 Abs. 1 Satz 1 ZPO) mit Schriftsatz vom 19. Februar 2008 zur gerichtlichen Anhörungsmitteilung Stellung genommen, auf das klägerische Schreiben vom 13. Februar 2008 verwiesen und um eine Entscheidung der Hauptsache gebeten. Weder dem Schreiben des Klägers noch dem Schriftsatz seiner damaligen Prozessbevollmächtigten konnte und kann entnommen werden, dass eine darüber hinausgehende Stellungnahme zur angekündigten Verfahrensweise oder eine weitere Einlassung zur Sache erfolgen sollte. Ein Abwarten des Fristablaufs war in dieser Situation nicht erforderlich, nachdem auch die Beklagte sich zur der Anhörungsmittelung des SG geäußert hatte. Das SG durfte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden. Die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG lagen vor. Der Kläger ist zu dieser beabsichtigten Verfahrensweise gehört worden. Sein Einverständnis hiermit ist nach der Verfahrensordnung nicht erforderlich.

Auch in der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Die vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind mittlerweile höchstrichterlich geklärt. So hat das BSG (beispielsweise Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 48/08 R -; Beschluss vom 26. Mai 2010 - B 4 AS 7/10 B -) wiederholt festgestellt, dass die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts auch die Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile umfasst (vgl. § 20 Abs. 1 SGB II in der seit 1. August 2006 geänderten Fassung). Bereits für die Rechtslage vor dieser Klarstellung in § 20 Abs. 1 SGB II kam eine zusätzliche Übernahme von Stromkosten im Rahmen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über die in § 20 SGB II normierte Regelleistung hinaus nicht in Betracht.

Hinsichtlich des geltend gemachten behinderungsbedingten Mehrbedarfs hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen der §§ 21 Abs. 4, 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 bis 4 SGB II bzw. § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII nicht vorliegen. Nachdem bei dem Kläger die in § 21 Abs. 4 SGB II genannten Eingliederungsmaßnahmen tatsächlich nicht durchgeführt wurden, scheidet ein Mehrbedarf für den erwerbsfähigen behinderten hilfebedürftigen Kläger aus (BSG, Urteile vom 25. Juli 2008 - B 11 B AS 19/07 R - und vom 22. März 2010 - B 4 AS 59/09 R -). Eine Anwendung des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 bis 4 SGB II bzw. § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII scheitert daran, dass der Kläger als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger nicht zum Kreis der dort genannten Leistungsberechtigten gehört. Weder kommt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten auf erwerbsfähige Hilfebedürftige - wie den Kläger - noch eine andere Anspruchsgrundlage für sein Begehren in Betracht (vgl. beispielsweise BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 4 AS 29/09 R -).

Schließlich führt auch die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte verfassungswidrige Ermittlung der Regelleistung (vgl. Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 -) nicht dazu, dass der Kläger eine höhere Regelleistung verlangen kann. Denn das Bundesverfassungsgericht konnte gerade nicht feststellen, dass die gesetzlich festgesetzten Regelleistungsbeträge unzureichend sind. Daher sah es den Gesetzgeber nicht unmittelbar von Verfassungs wegen als verpflichtet an, für die Zeit ab Inkrafttreten des SGB II ab 1. Januar 2005 höhere Leistungen festzusetzen. Da die Vorschriften des SGB II weiterhin anwendbar sind und der Gesetzgeber nach den Ausführungen in den Urteilsgründen nicht zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet ist, steht fest, dass es bei den im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund von § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II festgesetzten Regelleistungen bleiben wird und der Kläger mit seinem Begehren auf Gewährung höherer Leistungen nicht durchdringen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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