Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 1546/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1677/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.1.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1955 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war zuletzt als Küchenhilfe und (in einer zweiten Teilzeittätigkeit) als Taxifahrerin versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 22.8.2007 beantragte die Klägerin Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit; sie leide an Magenkrebs, Bandscheibenvorfällen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Zuvor hatte sie in den Jahren 1998, 2001 und zuletzt vom 28.3. bis 25.4.2002 stationäre Rehabilitationsbehandlungen absolviert (Entlassungsbericht der M.-Klinik, Bad S., vom 13.6.2002: u.a. reaktive Depression; Leistungsvermögen als Lagerarbeiterin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden täglich und mehr).
Die Beklagte erhob das Gutachten der Sozialmedizinerin Dr. H. vom 8.10.2007. Diese führte aus, nach einer Teilresektion des Magens 2001 hätten sich keine Hinweise auf ein erneutes Krebsgeschehen gezeigt. Die Klägerin habe angegeben, ihre Stimmung sei wegen HWS-Schmerzen ganz unten. Eine psychiatrische Behandlung finde nicht statt, auch Antidepressiva würden (wegen des überstandenen Magenkrebses) nicht eingenommen. Die Gutachterin fand eine leicht gedrückte Stimmungslage; affektive Schwingungsfähigkeit und Antrieb seien normal. Die Klägerin wirke schmerzgeplagt mit großem Leidensdruck wegen der HWS-Beschwerden. Diagnostiziert wurden degenerative Wirbelsäulenveränderungen, eine Fehlstatik und Bandscheibenvorfall C 5/6 mit Spinalkanalstenose und deutlicher Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule ohne sichere Nervenwurzelreizzeichen, eine Magenteilentfernung 5/01 nach Magenkrebs ohne Hinweis auf lokale Wiederkehr oder Fernaussaat, leichte Verdauungsbeschwerden, und eine Anpassungsstörung mit leichter depressiver Reaktion. Als Taxifahrerin könne die Klägerin nur noch unter 3 Stunden täglich arbeiten, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) aber noch 6 Stunden täglich und mehr verrichten.
Mit Bescheid vom 15.10.2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Die Klägerin erhob Widerspruch. Während des Widerspruchsverfahrens absolvierte die Klägerin vom 28.11 bis 19.12.2007 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der F.klinik, Bad B ... Im Entlassungsbericht vom 15.1.2008 sind die Diagnosen chronische rezidivierende Cervicobrachialgie beidseits, relative Spinalkanalstenose, Coxalgie beidseits, beginnende degenerative Veränderungen, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, chronische rezidivierende Lumboischialgie links sowie Zustand nach subtotaler Magenresektion festgehalten. Als Küchenhilfe und Minicar-Fahrerin könne die Klägerin 6 Stunden täglich und mehr arbeiten und in gleichem Umfang leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) verrichten. Eine ambulante Psychotherapie in Verbindung mit einem psychosomatischen Heilverfahren sei dringend indiziert; die Klägerin stehe dem aber ablehnend gegenüber.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1.4.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Erwerbsminderung liege nicht vor, da die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten könne. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit stehe der Klägerin nicht zu, da sie sich als Ungelernte breit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen müsse.
Am 23.4.2008 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Reutlingen. Sie trug vor, ihre Hüftgelenksarthrose sei von der Beklagten nicht hinreichend beurteilt worden. Auch eine beginnende Rheumaerkrankung habe man noch nicht berücksichtigt. Die Schmerzsymptomatik nehme mittlerweile einen ganz anderen Stellenwert ein als bei der Begutachtung durch Dr. H.; das gelte entsprechend für die depressiven Reaktionen. Es finde auch eine intensivierte medikamentöse Behandlung statt.
Das Gericht befragte zunächst behandelnde Ärzte:
Der Internist Dr. W. teilte unter dem 9.7.2008 mit, die Klägerin habe ihn nur einmal am 15.1.2008 zur gastroskopischen Kontrolle aufgesucht. Er könne deswegen keine Aussagen zum Leistungsvermögen treffen. Der Orthopäde Dr. R. gab im Bericht vom 22.7.2008 die Diagnosen degeneratives lumbosacrales Schmerzsyndrom, Protrusionscoxarthrose rechts, Periarthropathie coxae li., Bursitis trochanterica, Piriformistendinose links sowie ein degeneratives Cervicalsyndrom mit nachgewiesener Spinalstenose ohne Myelopathie an. Hinsichtlich des orthopädischen Fachgebiets könne die Klägerin leichte Tätigkeiten mindestens 6 Stunden verrichten. Bei einer Gesamtbetrachtung der Konstitution der Klägerin (im Hinblick auf 2/3 Magenresektion) dürfte dies aber nicht mehr möglich sein. Der Allgemeinarzt Dr. R. (Hausarzt der Klägerin seit 3.1.2008) gab im Bericht vom 29.7.2008 eine Leistungseinschätzung nicht ab. Die Internistin und Rheumatologin Dr. L.-L. teilte unter dem 1.8.2008 mit, sie habe die Klägerin bei einer einmaligen Konsultation am 18.3.2008 untersucht (Bericht vom 11.4.2008 an Dr. R.: kein sicherer Anhalt für eine entzündliche rheumatische Systemerkrankung) und (u.a.) eine somatoforme Schmerzstörung und ein chronisches Wirbelsäulensyndrom bei cervicalem Bandscheibenvorfall diagnostiziert; eine Leistungseinschätzung gab sie nicht ab.
Das Sozialgericht erhob sodann auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das anästhesiologisch-algesiologische Gutachten des Oberarztes Dr. T. (E.klinik, Bad U.) vom 4.6.2009. Dieser führte aus, im Vordergrund stehe ein chronisches Schmerzsyndrom, das das gesamte Leben der Klägerin beeinflusse und im Zusammenhang mit der Diagnose einer Fibromyalgie zu sehen sei. Hinzu kämen Veränderungen an Hals- und Lendenwirbelsäule, ein Hüftgelenksschaden sowie die Folgen des operierten Magenkarzinoms. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) nur noch unter 3 Stunden täglich verrichten.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B. vom 13.7.2009 vor. Dieser führte aus, Rheumatologen nähmen bei entsprechender Beschwerdeschilderung und Befundlage eher ein Fibromyalgiesyndrom an, Nervenärzte eher eine somatoforme Schmerzstörung. Es handelt sich aber nicht um zwei unterschiedliche Krankheitsbilder, sondern um eine unterschiedliche begriffliche Darstellung desselben Sachverhalts. Eine Änderung in der Leistungseinschätzung folge daraus nicht. Im Gutachten des Oberarztes T. werden nicht berücksichtigt, dass der Erstbeschreiber der Klassifikationskriterien für ein Fibromyalgiesyndrom seine Aussagen zwischenzeitlich vollkommen zurückgezogen habe und eindringlich davor warne, die entsprechenden Kriterien weiterhin zu verwenden; der Gutachter habe dies offenbar ignoriert. Bei der Rheumatologin Dr. L.-L. habe sich die Klägerin nur einmal vorgestellt. Die angenommene Beeinträchtigung der körperlichen Funktionen durch psychiatrisch/neurologische Symptome werde weder nachvollziehbar erläutert noch begründet. Die Annahme einer deutlich eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit beruhe offenbar nur auf den subjektiven Angaben der Klägerin; entsprechende ausführliche objektive Befunde fänden sich hierzu im Gutachten nicht, insbesondere fehle ein (vom Anästhesisten nicht erwartbarer) psychischer Untersuchungsbefund. Auch die postulierte rasche schmerzbedingte Erschöpfbarkeit werde nicht belegt und nur aus den Angaben der Klägerin und allgemeinen Überlegungen zum Krankheitsbild Fibromyalgiesyndrom hergeleitet. Eine stark eingeschränkte Beweglichkeit könne den eher spärlichen und ausgesprochen vagen objektiven Befunden zum Bewegungsapparat nicht entnommen werden und beruhe im Kern ebenfalls auf dem Vorbringen der Klägerin. Exakte Maßangaben zum Bewegungsumfang fehlten. Aus dem eruierten Tagesablauf könne man eine höhergradige funktionelle Beeinträchtigung nicht entnehmen. Den Haushalt besorge die Klägerin weitgehend allein und benötige nur bei schweren Tätigkeiten Hilfe von ihrem Sohn oder ihrer Tochter. Die Leistungseinschätzung beruhe damit weitgehend auf den eigenen subjektiven Angaben der Klägerin, die unkritisch übernommen worden seien. Auch eine Angststörung habe der Gutachter allein aus (subjektiven) Testuntersuchungen abgeleitet, bei völligem Fehlen eines objektiven psychischen Untersuchungsbefundes; dies sei nicht zulässig. Der Entlassungsbericht der F.klinik, Bad B. vom 15.1.08, und das Gutachten der Dr. H. seien ebenso unberücksichtigt geblieben wie die Mitteilung des behandelnden Orthopäden, der lediglich über seltene Vorstellungen der Klägerin berichtet habe. Eine schmerztherapeutische Mitbehandlung in der Schmerzambulanz R. finde erst seit Januar 2009 statt; Angaben zur Häufigkeit der Vorstellung fehlten aber. Der Leistungseinschätzung des Oberarztes T. könne nicht gefolgt werden, da sie offensichtlich entscheidend auf den subjektiven, unkritisch übernommenen Angaben der Klägerin beruhe. Auch das Fehlen einer adäquaten Therapie werde nicht berücksichtigt.
Das Sozialgericht erhob daraufhin das Gutachten des Internisten und Rheumatologen Dr. M. vom 28.8.2009. Dieser führte Testverfahren durch, bei denen sehr stereotype Angaben in den visuellen Analogskalen hinsichtlich schmerzbedingter Einschränkungen auffielen; zusätzliche Hinweise für ein wesentliches Aggravations- oder Simulationsverhalten hätten sich aber nicht ergeben, wenngleich tendenziell eine leichte Aggravationsneigung bestehe. Die Klägerin habe deutlich, jedoch nicht extrem depressiv gewirkt. Der Gutachter diagnostizierte eine Fibromyalgie sowie degenerative Erscheinungen im Bereich mehrerer Wirbelsäulenabschnitte. Aus vorwiegend schmerztherapeutischer Sicht sei davon auszugehen, dass die Klägerin nur noch in einem Zeitbereich von 3 bis unter 6 Stunden täglich arbeiten könne. Dies resultiere aus den überwiegend glaubhaft gemachten Alltagseinschränkungen. In Übereinstimmung zu den Vorbefunden und auch zu den Angaben der Klägerin bestehe das Vollbild der chronischen Schmerzerkrankung schon seit Rentenantragstellung. Die Klägerin nehme Antidepressiva ein und habe Heilverfahren durchgeführt; auch Schmerzmittel würden regelmäßig angewendet. Mittlerweile sei auch eine psychologische Schmerztherapie begonnen worden. Im Gegensatz zu dem Oberarzt T. sei das Stadium IV einer Schmerzerkrankung noch nicht voll gegeben. Ein Leistungsvermögen unter 3 Stunden täglich könne nicht angenommen werden, auch im Hinblick auf eine nicht ganz zu verkennende gewisse Aggravationstendenz.
Die Beklagte legte abschließend die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B. vom 20.10.2009 vor. Darin ist ergänzend ausgeführt, der Einschätzung der Ärzte der F.klinik, die die Klägerin (im November/Dezember 2007) 3 Wochen lang behandelt und auch beobachtet hätten, komme besonderes Gewicht zu; dort sei bei der Klägerin aber ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten angenommen worden. Deswegen sei die von Dr. M. (Chefarzt der F.klinik) auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung (August 2007) datierte Leistungseinschränkung unverständlich. Mit dem Bericht der F.klinik habe sich Dr. M. nicht auseinandergesetzt. Auch zum Gutachten von Dr. H. äußere sich Dr. M. nicht. Die Behandlungsmöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft, zumal die in der F.klinik angeratene psychotherapeutische Behandlung nicht aufgenommen worden sei. Weshalb eine nervenärztliche Betreuung nicht erfolge, bleibe unklar und werde von Dr. M. nicht kritisch diskutiert. Beim Untersuchungsbefund sei eine normal kräftig ausgeprägte Muskulatur festgestellt worden, was einer ausgeprägten Schonung entgegenstehe. Auch die Aggravationsneigung habe der Gutachter nicht hinreichend berücksichtigt. Eine nachvollziehbare Begründung für die zeitliche Leistungseinschränkung finde sich im Gutachten nicht; offenbar seien die subjektiven Angaben der Klägerin weitgehend unkritisch übernommen worden. Bei Annahme einer massiven depressiven Entwicklung sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine nervenärztliche Betreuung nicht stattfinde.
Mit Urteil vom 26.1.2010 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.4.2008, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.11.2009 bis 30.10.2012 zu gewähren. Zur Begründung wurde ausgeführt, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung seien erfüllt. Es liege auch Erwerbsminderung vor, da die Klägerin wegen schmerz- und verschleißbedingter Gesundheitsstörungen und einer depressiven Entwicklung nicht mehr mindestens 6 Stunden täglich arbeiten könne. Das gehe aus dem Gutachten des Dr. M. hervor. Die Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens folge aus den glaubhaft gemachten Alltagseinschränkungen; insoweit sei es seit der Rehabilitationsbehandlung bzw. seit der Begutachtung durch Dr. H. offenbar zu einer Verschlechterung gekommen. Auf unter 3 Stunden täglich sei die Leistungsfähigkeit aber nicht abgesunken; der Auffassung des Oberarztes T. könne nicht gefolgt werden. Insoweit müsse auch die von Dr. M. festgestellte Aggravationstendenz berücksichtigt werden. Der Leistungsfall werde zum 1.4.2009 angenommen. Wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts stehe der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu.
Auf das ihr am 23.3.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.4.2010 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das Sozialgericht habe sich vor allem auf das Gutachten des Dr. M. und dessen Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms gestützt. Die Fachwelt sei hiervon allerdings schon seit längerer Zeit abgerückt. Auch der Schöpfer des Begriffs "Fibromyalgie" habe bereits 2003 ausdrücklich die von ihm publizierten Diagnosekriterien zurückgenommen und sich davon distanziert. Die geringe Validität der Druckpunkte ist in der Sozialmedizin seit langem bekannt. Nach den Leitlinien für die sozialmedizinische Beurteilung von Menschen mit psychischen Störungen stelle die Einschätzung der somatoformen Störungen, insbesondere der somatoformen Schmerzstörung, angesichts der Komplexität der Problematik hohe Anforderungen an den Gutachter. Dieser müsse sich an den vorhandenen psychopathologischen Auffälligkeiten orientieren und eine umfassende, ausführliche und konsistente Erhebung des psychischen Befundes vornehmen. Daran fehle es in den Gutachten der Dres. T. und M ...
Die Beklagte hat zur weiteren Begründung der Berufung die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B. vom 31.3.2010 vorgelegt. Darin ist ergänzend ausgeführt, Dr. M. nehme offensichtlich die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Fibromyalgie konsequent nicht zur Kenntnis. Außerdem sei auf die von Dr. M. beschriebene Aggravationstendenz hinzuweisen. Die Angaben der Klägerin zum Tagesablauf divergierten in den Gutachten von Dr. T. bzw. Dr. M. deutlich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.1.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Ergänzend trägt sie vor, sie fahre seit Ende August 2007 nicht mehr Taxi und sei auch keiner anderen Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen (eidesstattliche Versicherung vom 17.8.2010). Sie sei in die Nähe ihrer Tochter gezogen, da sie ohne deren Hilfe den Haushalt nicht mehr bewältigen könne. Am 15.3.2010 habe sie den rechten Oberarm mehrfach gebrochen und müsse befürchten, dass dieser nicht mehr voll belastbar sein werde; deswegen habe sie eine Rehabilitationsbehandlung beantragt (Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 15.6.2010).
Der Senat hat die ergänzende Stellungnahme des Dr. M. vom 10.7.2010 erhoben. Darin ist ausgeführt, hinsichtlich des Krankheitsbildes der Fibromyalgie sei nur klargestellt worden, dass die Klassifikationskriterien allein zur Diagnosestellung nicht ausreichten, davon gehe er bei der Begutachtung auch aus. Die Frequenz einer psychologischen Schmerztherapie erlaube keinen Rückschluss auf das Leistungsvermögen.
Die Beklagte hat hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 19.8.2010 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, der Auffassung des Dr. B. sei zu folgen. Das Gutachten des Dr. M. sei zu sehr dahingehend ausgerichtet, der Krankheitsentität Fibromyalgie Rechnung zu tragen, ohne tatsächliche funktionelle Einschränkungen und Beeinträchtigungen im Alltagsleben kritisch zu hinterfragen bzw. für eine plausible sozialmedizinische Leistungsbeurteilung heranzuziehen, zumal psychopathologische Auffälligkeiten, mit denen man eine Leistungsminderung noch begründen könnte, nicht als schwergradig ausgeprägt dargestellt würden. Zwischenzeitlich habe sich die Klägerin eine Gehirnerschütterung und eine Oberarmfraktur rechts zugezogen. Der postoperative Verlauf sei als komplikationslos beschrieben worden. Medizinische Rehabilitationsmaßnahmen seien deswegen nicht erforderlich bzw. zum gegenwärtigen Verfahrensstand auch nicht erfolgversprechend.
Der Senat hat sodann das Gutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Prof. Dr. E. (Chefarzt des F.krankenhauses) vom 16.2.2011 erhoben. Dieser hat den Tagesablauf der Klägerin eruiert (Aufstehen gegen 5.00 Uhr, Kaffee und Lesen, um 7.00 Uhr erneut Schlaf für ungefähr 2 Stunden, gegen 10.00 Uhr etwas Haushaltsarbeit, danach zur Tochter, gemeinsames Kochen des Mittagessens, Betreuung der 6 und 9 Jahre alten Enkel mit Hilfe bei den Hausaufgaben, Spielen, am Nachmittag zurück nach Hause, Abendessen, Lesen, Fernsehen) und ausgeführt, die Klägerin werde seit einem Jahr nervenärztlich behandelt; sie habe den Nervenarzt etwa dreimal konsultiert. Eine regelmäßige psychotherapeutische Behandlung habe noch nie stattgefunden, allerdings nehme die Klägerin Medikamente. Der Gutachter hat die Klägerin affektiv ausgeglichen und im Antrieb regelrecht befunden. Sie sei gut affizierbar und ausreichend schwingungsfähig, jedoch sehr klagsam in Zusammenhang mit ihren körperlichen Beschwerden. Es bestehe der Eindruck, dass die Klägerin aggraviere. Die sitzende Position habe sie während des Gesprächs (im Verlauf über 2 Stunden) gut eingehalten.
Prof. Dr. E. hat eine somatoforme Schmerzstörung mit Projektion auf den Bewegungsapparat diagnostiziert. Auf somatischer Seite bestehe nach dem Vorgutachten kein ausreichender Anhalt für die geklagte hohe Schmerzintensität und Therapieresistenz der Schmerzen. Des Weiteren hätten sich in der somatischen Untersuchung keine sicheren Hinweise ergeben, die die hohe Schmerzintensität und die beklagte Schmerzsymptomatik im Bereich des gesamten Rückens, beider Schultern und Arme sowie beider Oberschenkel ausreichend erklären könnten. Die somatisierte Schmerzstörung sei bereits deutlich chronifiziert. Eine depressive Störung lasse sich derzeit nicht sichern. Die Klägerin gebe zwar eine gedrückte Stimmung und eine Verminderung von Antrieb und Aktivität an, zeige sich in ihrem Tagesablauf jedoch sehr aktiv. Mehrmals in der Woche betreue sie alleine ihre sechs- und achtjährigen Enkel, spiele sogar Fußball mit ihnen. Hinweise auf eine starke Aggravation gebe es derzeit nicht. Eine Einschränkung in der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens liege aktuell nicht vor. Die Klägerin sei mobil, 30 Minuten Gehen am Stück sei möglich. Sie versorge sich selbst, habe keine Einschränkungen in der Kommunikation, beschreibe einen unverminderten Antrieb und folge einer guten Tagesstruktur. Eine Veränderung der Konzentrationsfähigkeit, des Interesses oder der Aufmerksamkeit sei nicht feststellbar. Das Aktivitätsniveau sei insgesamt nicht höhergradig eingeschränkt. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts könne die Klägerin (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten, wobei Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- bzw. Etikettierarbeiten nicht geeignet seien, da diese dauernde Bewegungen der Wirbelsäule und das Heben schwerer Lasten erforderten. Tätigkeiten als Spielhallenaufsicht, Telefonistin, Registraturhilfskraft und Museumswächterin seien jedoch möglich. Alle Stunde sollten 5 Minuten Pause möglich sein, damit die Klägerin eine für sie angenehme Körperhaltung einnehmen könne. Sie sei wegefähig. Durch regelmäßige ambulante psychiatrische und vor allen Dingen psychotherapeutische Behandlung sei eine so nachhaltige Besserung zu erwarten, dass bestehende Leistungseinschränkungen ganz oder teilweise wegfielen. Möglicherweise habe sich die durch Dr. M. beobachtete depressive Erkrankung unter der konsequenten psychopharmakologischen Behandlung erfolgreich zurückgebildet. Das Gutachten des Oberarztes T. habe u.a. auf von der Klägerin ausgefüllten Fragebögen basiert, weswegen möglicherweise eine damals kränkere und eventuell aggravierte Selbstwahrnehmung eingeflossen sei.
Die Klägerin hat eingewandt, die Wegstrecke zwischen ihrer Wohnung und der nächsten Haltestelle des öffentlichen Nahverkehrs betrage etwa 400 Meter. An ihrem Wohnort gebe es kein nennenswertes Arbeitsplatzangebot auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die nächste größere Ortschaft sei R. und mit dem Bus nur schwer zu erreichen (Fahrzeit für die einfache Strecke 70 Minuten). Über ein Kraftfahrzeug verfüge sie nicht. Daher sei für sie der Arbeitsmarkt verschlossen.
Die Beklagte hat abschließend vorgetragen, Prof. Dr. E. habe Arbeitspausen nur als wünschenswert, aber nicht zwingend notwendig angesehen. Die Einnahme einer angenehmen Körperhaltung sei bspw. bei der Tätigkeit als Spielhallenaufsicht, Telefonistin oder Museumswärterin jederzeit möglich. Davon abgesehen betrügen die bei der Personalbedarfsberechnung in Wirtschaft und Verwaltung angesetzten persönlichen Verteilzeiten der Arbeitnehmer bis zu 12 % der tariflichen Arbeitszeit (vgl. LSG Bad.-Württ., Urt. v. 20.3.2007, - L 11 R 684/06 -). Bei einem sechsstündigen Arbeitstag ergebe sich somit eine Verteilzeit von 43 Minuten; ggf. notwendige Pausen überschritten diesen Rahmen nicht. Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- und Etikettierarbeiten erforderten in der Regel kein Heben und Tragen von Lasten über 5 bis 6 kg und würden überwiegend sitzend mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel in Normalarbeitszeit, ohne besonderen Zeitdruck und ohne Stressbelastungen in geschlossenen, wohl temperierten Räumen verrichtet (vgl. LSG Bad.-Württ., Urt. v. 23.2.2005, - L 3 R 1976/04 - mit Hinweis auf die Urteile des LSG Bad.-Württ. v. 28.8.2001, - L 9 R 2798/00 – und - L 9 R 1657/01 -).
Erwerbsgemindert sei nur, wer nicht in der Lage sei, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Besonderheiten der individuellen Wohnlage und der Beschaffenheit in Betracht kommender Wegstrecken seien bei der gebotenen generalisierten Abgrenzung des Versichertenrisikos unbeachtlich (vgl. BSG, Urt. v. 17.12.1991, - 13/5 RJ 73/90 -).
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Das Urteil des Sozialgerichts kann daher keinen Bestand behalten.
Gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI); volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn das Leistungsvermögen auf unter 3 Stunden täglich abgesunken ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Davon ausgehend steht der Klägerin Erwerbsminderungsrente nicht zu, da sie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann. Das hat die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren ergeben.
Für die Gewährung von Erwerbsminderungsrente sind nicht Diagnosen, sondern sozialmedizinisch (rentenrechtlich) beachtliche Leistungseinschränkungen maßgeblich. Deshalb kommt es auf die diagnostische (begriffliche) Einordnung der bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen – als Fibromyalgiesyndrom oder somatoforme Schmerzstörung - ausschlaggebend nicht an. Die Beteiligten streiten im Kern darüber, ob die Klägerin an einer Schmerzerkrankung bzw. (damit zusammenhängend) an einer Erkrankung des depressiven Formenkreises leidet und wegen der daraus folgenden Leistungseinschränkungen an einer vollschichtig (mindestens 6 Stunden täglich) auszuübenden Erwerbstätigkeit gehindert ist. Das ist zur Überzeugung des Senats nicht der Fall.
Die Begutachtung der Klägerin im Verwaltungsverfahren ergab keine rentenrechtlich beachtliche Leistungsminderung. Dr. H. fand im Gutachten vom 8.10.2007 nur eine leicht gedrückte Stimmungslage bei normaler affektiver Schwingungsfähigkeit und normalem Antrieb. Für eine psychiatrische Behandlung bestand deswegen offenbar kein Bedarf; eine Behandlung dieser Art fand nicht statt und es wurden auch keine Antidepressiva eingesetzt. Dr. H. hielt die Klägerin infolgedessen überzeugend für imstande, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Diese Leistungseinschätzung bestätigte sich während des Widerspruchsverfahrens. Die Klägerin absolvierte nämlich vom 28.11. bis 19.12.2007 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der F.klinik, Bad B., und wurde von den Klinikärzten im Entlassungsbericht vom 15.1.2008 ebenfalls für vollschichtig (mindestens 6 Stunden täglich) leistungsfähig hinsichtlich leichter Tätigkeiten erachtet.
Die im sozialgerichtlichen Verfahren erhobenen Gutachten der Dres. T. und M. können demgegenüber nicht überzeugen.
Der auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG mit der Begutachtung beauftragte Dr. T. stützte sich ersichtlich im Kern auf die nicht hinreichend objektivierten subjektiven Beschwerdeangaben der Klägerin in entsprechenden Testverfahren und gab eine nachvollziehbare Begründung seiner Leistungseinschätzung (unter 3 Stunden täglich) nicht ab. Dr. B. legte dies in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13.7.2009 schlüssig dar. Er vermisste zu Recht hinreichende objektive Befunde im Gutachten des Dr. T., namentlich zur sozialmedizinisch bedeutsamen Beweglichkeit der Klägerin. Auch insoweit stützte sich Dr. T. ersichtlich auf das Vorbringen der Klägerin, ohne entsprechende objektive Bewegungsmaße zu erheben. Dabei fällt zusätzlich ins Gewicht, dass der behandelnde Orthopäde Dr. R. im Bericht vom 22.7.2008 aus der Sicht seines Fachgebiets die Verrichtung leichter Tätigkeiten über mindestens 6 Stunden täglich für zumutbar erachtet hatte. Dr. T. setzte sich damit ebenso wenig auseinander wie mit dem Verwaltungsgutachten von Frau Dr. H ... Unberücksichtigt blieb auch, dass eine adäquate (Schmerz-)Therapie offenbar nicht stattfand, was auf das Fehlen eines hinreichend gewichtigen Leidensdrucks hinweist.
Dr. M. stützte sich für die Eruierung schmerzbedingter Einschränkungen ebenfalls auf Testverfahren und die hierbei gemachten subjektiven Angaben der Klägerin. Diese fielen, wie Dr. M. selbst konstatieren musste, sehr stereotyp aus, was Zweifel an deren Wahrheitsgehalt aufkommen lassen muss. Außerdem fand Dr. M. eine unverkennbare Aggravationsneigung. Seine Leistungseinschätzung (3 bis unter 6 Stunden täglich) stützte er dennoch auf die vorgebrachten Alltagseinschränkungen der Klägerin, die er als glaubhaft ansah. Das kann freilich nicht überzeugen, da jegliche kritische Auseinandersetzung mit den Beschwerdeangaben fehlt, wofür wegen der festgestellten Aggravationsneigung und der Stereotypizität der Angaben umso mehr Anlass gewesen wäre. Hinzukommt, dass der Gutachter die Leistungsminderung auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung (August 2007) datierte, obgleich die Klägerin aus einer im November/Dezember 2007 absolvierten stationären Rehabilitationsbehandlung in der F.klinik, Bad B., deren Chefarzt Dr. M. ist, mit vollschichtigem Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten entlassen worden war. Eine Auseinandersetzung mit dem Entlassungsbericht der Klinik vom 15.1.2008 fehlt im Gutachten des Dr. M ... Auch mit der Einschätzung der Verwaltungsgutachterin Dr. H. befasste sich Dr. M. nicht. Hierauf wies Dr. B. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 20.10.2009 mit Recht hin. Er kritisierte auch zutreffend die weitgehend unkritische Übernahme der Beschwerdeschilderungen der Klägerin, obgleich Aggravationsneigungen festgestellt worden waren und außerdem die bei der Untersuchung vorgefundene kräftig ausgeprägte Muskulatur gegen schmerzbedingtes Schonverhalten spricht. Schließlich spricht auch das Fehlen einer – in der F.klinik angeratenen – psychotherapeutischen Behandlung bzw. nervenärztlichen Betreuung gegen das Vorliegen einer höhergradigen Depressionserkrankung und des damit verbundenen Leidensdrucks. Die gravierenden Kritikpunkte an seinem Gutachten hat Dr. M. in der im Berufungsverfahren vorgelegten ergänzenden Stellungnahme vom 10.7.2010 nicht überzeugend ausräumen können; er hat sich darin im Kern mit – sozialmedizinisch nicht im Vordergrund stehenden – Fragen der Diagnostik des Fibromyalgiesyndroms befasst.
Das im Berufungsverfahren erhobene Gutachten des Prof. Dr. E. hat schließlich zur Überzeugung des Senats bestätigt, dass eine rentenberechtigende Leistungsminderung nicht vorliegt. Nach wie vor findet eine adäquate psychotherapeutische bzw. psychiatrische Behandlung nicht statt; die Klägerin wird zwar seit einem Jahr behandelt, hat den Nervenarzt aber keineswegs engmaschig, sondern nur etwa dreimal aufgesucht. Dementsprechend hat der Gutachter auch eine depressive Störung und eine Einschränkung der Klägerin zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens nicht finden können. Vielmehr hat sich die Klägerin bei regelrechtem Antrieb affektiv ausgeglichen gezeigt und bei guter Tagesstruktur einen aktiven Tagesablauf (einschließlich der Betreuung ihrer Enkel) präsentiert. Ausreichende Hinweise auf die geklagte Schmerzintensität haben sich nicht ergeben, stattdessen hat auch Prof. Dr. E. ein Aggravationsverhalten gefunden. Insgesamt hat der Gutachter eine höhergradige Einschränkung des Aktivitätsniveaus nicht festgestellt und die Klägerin damit schlüssig für fähig erachtet, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin nicht erwerbsgemindert ist. Hierfür spielt es keine Rolle, dass Prof. Dr. E. Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- bzw. Etikettierarbeiten als ungeeignet angesehen hat. Eine bestimmte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts muss der Klägerin als Ungelernter ohnehin nicht benannt werden; außerdem hat der Gutachter der Sache nach lediglich das Heben schwerer Lasten und dauernde Bewegungen der Wirbelsäule (und damit letztendlich Arbeit in Zwangshaltungen) ausgeschlossen, was durch entsprechende qualitative Leistungseinschränkungen berücksichtigt werden kann und nach Meinung des Sachverständigen Tätigkeiten als Spielhallenaufsicht, Telefonistin, Registraturhilfskraft und Museumswächterin nicht entgegensteht. Die für wünschenswert erachteten kurzen Pausen (5 Minuten alle Stunde) dienen dem Wechsel der Körperhaltung, was bei Arbeiten im Wechselrhythmus ohne Weiteres gewährleistet ist. Im Übrigen kann dem genannten Pausenbedürfnis mit den persönlichen Verteilzeiten (dazu näher Senatsbeschluss vom 26.10.2010, - L 5 R 2916/10 -) hinreichend Rechnung getragen werden. Das konkrete Arbeitsplatzangebot am Wohnort der Klägerin und dessen Umgebung ist rentenrechtlich nicht von Belang. Es genügt, dass die Klägerin, wie Prof. Dr. E. dargelegt hat, mobil und wegefähig ist; insoweit findet hinsichtlich der Erreichbarkeit eines Arbeitsplatzes eine generalisierende Betrachtung statt (vgl. etwa BSG, Urt. v. 21.3.2006, - B 5 RJ 51/04 R -; Urt. v. 28.2.2002, - B 5 RJ 8/02 R -; Urt. v. 17.12.1991, - 13/5 RJ 73/90 -).
Das Sozialgericht hat der Klage daher zu Unrecht stattgegeben, weshalb sein Urteil auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage abzuweisen ist. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1955 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war zuletzt als Küchenhilfe und (in einer zweiten Teilzeittätigkeit) als Taxifahrerin versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 22.8.2007 beantragte die Klägerin Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit; sie leide an Magenkrebs, Bandscheibenvorfällen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Zuvor hatte sie in den Jahren 1998, 2001 und zuletzt vom 28.3. bis 25.4.2002 stationäre Rehabilitationsbehandlungen absolviert (Entlassungsbericht der M.-Klinik, Bad S., vom 13.6.2002: u.a. reaktive Depression; Leistungsvermögen als Lagerarbeiterin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden täglich und mehr).
Die Beklagte erhob das Gutachten der Sozialmedizinerin Dr. H. vom 8.10.2007. Diese führte aus, nach einer Teilresektion des Magens 2001 hätten sich keine Hinweise auf ein erneutes Krebsgeschehen gezeigt. Die Klägerin habe angegeben, ihre Stimmung sei wegen HWS-Schmerzen ganz unten. Eine psychiatrische Behandlung finde nicht statt, auch Antidepressiva würden (wegen des überstandenen Magenkrebses) nicht eingenommen. Die Gutachterin fand eine leicht gedrückte Stimmungslage; affektive Schwingungsfähigkeit und Antrieb seien normal. Die Klägerin wirke schmerzgeplagt mit großem Leidensdruck wegen der HWS-Beschwerden. Diagnostiziert wurden degenerative Wirbelsäulenveränderungen, eine Fehlstatik und Bandscheibenvorfall C 5/6 mit Spinalkanalstenose und deutlicher Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule ohne sichere Nervenwurzelreizzeichen, eine Magenteilentfernung 5/01 nach Magenkrebs ohne Hinweis auf lokale Wiederkehr oder Fernaussaat, leichte Verdauungsbeschwerden, und eine Anpassungsstörung mit leichter depressiver Reaktion. Als Taxifahrerin könne die Klägerin nur noch unter 3 Stunden täglich arbeiten, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) aber noch 6 Stunden täglich und mehr verrichten.
Mit Bescheid vom 15.10.2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Die Klägerin erhob Widerspruch. Während des Widerspruchsverfahrens absolvierte die Klägerin vom 28.11 bis 19.12.2007 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der F.klinik, Bad B ... Im Entlassungsbericht vom 15.1.2008 sind die Diagnosen chronische rezidivierende Cervicobrachialgie beidseits, relative Spinalkanalstenose, Coxalgie beidseits, beginnende degenerative Veränderungen, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, chronische rezidivierende Lumboischialgie links sowie Zustand nach subtotaler Magenresektion festgehalten. Als Küchenhilfe und Minicar-Fahrerin könne die Klägerin 6 Stunden täglich und mehr arbeiten und in gleichem Umfang leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) verrichten. Eine ambulante Psychotherapie in Verbindung mit einem psychosomatischen Heilverfahren sei dringend indiziert; die Klägerin stehe dem aber ablehnend gegenüber.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1.4.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Erwerbsminderung liege nicht vor, da die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) 6 Stunden täglich und mehr verrichten könne. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit stehe der Klägerin nicht zu, da sie sich als Ungelernte breit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisen lassen müsse.
Am 23.4.2008 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Reutlingen. Sie trug vor, ihre Hüftgelenksarthrose sei von der Beklagten nicht hinreichend beurteilt worden. Auch eine beginnende Rheumaerkrankung habe man noch nicht berücksichtigt. Die Schmerzsymptomatik nehme mittlerweile einen ganz anderen Stellenwert ein als bei der Begutachtung durch Dr. H.; das gelte entsprechend für die depressiven Reaktionen. Es finde auch eine intensivierte medikamentöse Behandlung statt.
Das Gericht befragte zunächst behandelnde Ärzte:
Der Internist Dr. W. teilte unter dem 9.7.2008 mit, die Klägerin habe ihn nur einmal am 15.1.2008 zur gastroskopischen Kontrolle aufgesucht. Er könne deswegen keine Aussagen zum Leistungsvermögen treffen. Der Orthopäde Dr. R. gab im Bericht vom 22.7.2008 die Diagnosen degeneratives lumbosacrales Schmerzsyndrom, Protrusionscoxarthrose rechts, Periarthropathie coxae li., Bursitis trochanterica, Piriformistendinose links sowie ein degeneratives Cervicalsyndrom mit nachgewiesener Spinalstenose ohne Myelopathie an. Hinsichtlich des orthopädischen Fachgebiets könne die Klägerin leichte Tätigkeiten mindestens 6 Stunden verrichten. Bei einer Gesamtbetrachtung der Konstitution der Klägerin (im Hinblick auf 2/3 Magenresektion) dürfte dies aber nicht mehr möglich sein. Der Allgemeinarzt Dr. R. (Hausarzt der Klägerin seit 3.1.2008) gab im Bericht vom 29.7.2008 eine Leistungseinschätzung nicht ab. Die Internistin und Rheumatologin Dr. L.-L. teilte unter dem 1.8.2008 mit, sie habe die Klägerin bei einer einmaligen Konsultation am 18.3.2008 untersucht (Bericht vom 11.4.2008 an Dr. R.: kein sicherer Anhalt für eine entzündliche rheumatische Systemerkrankung) und (u.a.) eine somatoforme Schmerzstörung und ein chronisches Wirbelsäulensyndrom bei cervicalem Bandscheibenvorfall diagnostiziert; eine Leistungseinschätzung gab sie nicht ab.
Das Sozialgericht erhob sodann auf Antrag der Klägerin gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das anästhesiologisch-algesiologische Gutachten des Oberarztes Dr. T. (E.klinik, Bad U.) vom 4.6.2009. Dieser führte aus, im Vordergrund stehe ein chronisches Schmerzsyndrom, das das gesamte Leben der Klägerin beeinflusse und im Zusammenhang mit der Diagnose einer Fibromyalgie zu sehen sei. Hinzu kämen Veränderungen an Hals- und Lendenwirbelsäule, ein Hüftgelenksschaden sowie die Folgen des operierten Magenkarzinoms. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) nur noch unter 3 Stunden täglich verrichten.
Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B. vom 13.7.2009 vor. Dieser führte aus, Rheumatologen nähmen bei entsprechender Beschwerdeschilderung und Befundlage eher ein Fibromyalgiesyndrom an, Nervenärzte eher eine somatoforme Schmerzstörung. Es handelt sich aber nicht um zwei unterschiedliche Krankheitsbilder, sondern um eine unterschiedliche begriffliche Darstellung desselben Sachverhalts. Eine Änderung in der Leistungseinschätzung folge daraus nicht. Im Gutachten des Oberarztes T. werden nicht berücksichtigt, dass der Erstbeschreiber der Klassifikationskriterien für ein Fibromyalgiesyndrom seine Aussagen zwischenzeitlich vollkommen zurückgezogen habe und eindringlich davor warne, die entsprechenden Kriterien weiterhin zu verwenden; der Gutachter habe dies offenbar ignoriert. Bei der Rheumatologin Dr. L.-L. habe sich die Klägerin nur einmal vorgestellt. Die angenommene Beeinträchtigung der körperlichen Funktionen durch psychiatrisch/neurologische Symptome werde weder nachvollziehbar erläutert noch begründet. Die Annahme einer deutlich eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit beruhe offenbar nur auf den subjektiven Angaben der Klägerin; entsprechende ausführliche objektive Befunde fänden sich hierzu im Gutachten nicht, insbesondere fehle ein (vom Anästhesisten nicht erwartbarer) psychischer Untersuchungsbefund. Auch die postulierte rasche schmerzbedingte Erschöpfbarkeit werde nicht belegt und nur aus den Angaben der Klägerin und allgemeinen Überlegungen zum Krankheitsbild Fibromyalgiesyndrom hergeleitet. Eine stark eingeschränkte Beweglichkeit könne den eher spärlichen und ausgesprochen vagen objektiven Befunden zum Bewegungsapparat nicht entnommen werden und beruhe im Kern ebenfalls auf dem Vorbringen der Klägerin. Exakte Maßangaben zum Bewegungsumfang fehlten. Aus dem eruierten Tagesablauf könne man eine höhergradige funktionelle Beeinträchtigung nicht entnehmen. Den Haushalt besorge die Klägerin weitgehend allein und benötige nur bei schweren Tätigkeiten Hilfe von ihrem Sohn oder ihrer Tochter. Die Leistungseinschätzung beruhe damit weitgehend auf den eigenen subjektiven Angaben der Klägerin, die unkritisch übernommen worden seien. Auch eine Angststörung habe der Gutachter allein aus (subjektiven) Testuntersuchungen abgeleitet, bei völligem Fehlen eines objektiven psychischen Untersuchungsbefundes; dies sei nicht zulässig. Der Entlassungsbericht der F.klinik, Bad B. vom 15.1.08, und das Gutachten der Dr. H. seien ebenso unberücksichtigt geblieben wie die Mitteilung des behandelnden Orthopäden, der lediglich über seltene Vorstellungen der Klägerin berichtet habe. Eine schmerztherapeutische Mitbehandlung in der Schmerzambulanz R. finde erst seit Januar 2009 statt; Angaben zur Häufigkeit der Vorstellung fehlten aber. Der Leistungseinschätzung des Oberarztes T. könne nicht gefolgt werden, da sie offensichtlich entscheidend auf den subjektiven, unkritisch übernommenen Angaben der Klägerin beruhe. Auch das Fehlen einer adäquaten Therapie werde nicht berücksichtigt.
Das Sozialgericht erhob daraufhin das Gutachten des Internisten und Rheumatologen Dr. M. vom 28.8.2009. Dieser führte Testverfahren durch, bei denen sehr stereotype Angaben in den visuellen Analogskalen hinsichtlich schmerzbedingter Einschränkungen auffielen; zusätzliche Hinweise für ein wesentliches Aggravations- oder Simulationsverhalten hätten sich aber nicht ergeben, wenngleich tendenziell eine leichte Aggravationsneigung bestehe. Die Klägerin habe deutlich, jedoch nicht extrem depressiv gewirkt. Der Gutachter diagnostizierte eine Fibromyalgie sowie degenerative Erscheinungen im Bereich mehrerer Wirbelsäulenabschnitte. Aus vorwiegend schmerztherapeutischer Sicht sei davon auszugehen, dass die Klägerin nur noch in einem Zeitbereich von 3 bis unter 6 Stunden täglich arbeiten könne. Dies resultiere aus den überwiegend glaubhaft gemachten Alltagseinschränkungen. In Übereinstimmung zu den Vorbefunden und auch zu den Angaben der Klägerin bestehe das Vollbild der chronischen Schmerzerkrankung schon seit Rentenantragstellung. Die Klägerin nehme Antidepressiva ein und habe Heilverfahren durchgeführt; auch Schmerzmittel würden regelmäßig angewendet. Mittlerweile sei auch eine psychologische Schmerztherapie begonnen worden. Im Gegensatz zu dem Oberarzt T. sei das Stadium IV einer Schmerzerkrankung noch nicht voll gegeben. Ein Leistungsvermögen unter 3 Stunden täglich könne nicht angenommen werden, auch im Hinblick auf eine nicht ganz zu verkennende gewisse Aggravationstendenz.
Die Beklagte legte abschließend die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B. vom 20.10.2009 vor. Darin ist ergänzend ausgeführt, der Einschätzung der Ärzte der F.klinik, die die Klägerin (im November/Dezember 2007) 3 Wochen lang behandelt und auch beobachtet hätten, komme besonderes Gewicht zu; dort sei bei der Klägerin aber ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten angenommen worden. Deswegen sei die von Dr. M. (Chefarzt der F.klinik) auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung (August 2007) datierte Leistungseinschränkung unverständlich. Mit dem Bericht der F.klinik habe sich Dr. M. nicht auseinandergesetzt. Auch zum Gutachten von Dr. H. äußere sich Dr. M. nicht. Die Behandlungsmöglichkeiten seien nicht ausgeschöpft, zumal die in der F.klinik angeratene psychotherapeutische Behandlung nicht aufgenommen worden sei. Weshalb eine nervenärztliche Betreuung nicht erfolge, bleibe unklar und werde von Dr. M. nicht kritisch diskutiert. Beim Untersuchungsbefund sei eine normal kräftig ausgeprägte Muskulatur festgestellt worden, was einer ausgeprägten Schonung entgegenstehe. Auch die Aggravationsneigung habe der Gutachter nicht hinreichend berücksichtigt. Eine nachvollziehbare Begründung für die zeitliche Leistungseinschränkung finde sich im Gutachten nicht; offenbar seien die subjektiven Angaben der Klägerin weitgehend unkritisch übernommen worden. Bei Annahme einer massiven depressiven Entwicklung sei nicht nachvollziehbar, weshalb eine nervenärztliche Betreuung nicht stattfinde.
Mit Urteil vom 26.1.2010 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.4.2008, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.11.2009 bis 30.10.2012 zu gewähren. Zur Begründung wurde ausgeführt, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung seien erfüllt. Es liege auch Erwerbsminderung vor, da die Klägerin wegen schmerz- und verschleißbedingter Gesundheitsstörungen und einer depressiven Entwicklung nicht mehr mindestens 6 Stunden täglich arbeiten könne. Das gehe aus dem Gutachten des Dr. M. hervor. Die Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens folge aus den glaubhaft gemachten Alltagseinschränkungen; insoweit sei es seit der Rehabilitationsbehandlung bzw. seit der Begutachtung durch Dr. H. offenbar zu einer Verschlechterung gekommen. Auf unter 3 Stunden täglich sei die Leistungsfähigkeit aber nicht abgesunken; der Auffassung des Oberarztes T. könne nicht gefolgt werden. Insoweit müsse auch die von Dr. M. festgestellte Aggravationstendenz berücksichtigt werden. Der Leistungsfall werde zum 1.4.2009 angenommen. Wegen Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts stehe der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu.
Auf das ihr am 23.3.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.4.2010 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das Sozialgericht habe sich vor allem auf das Gutachten des Dr. M. und dessen Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms gestützt. Die Fachwelt sei hiervon allerdings schon seit längerer Zeit abgerückt. Auch der Schöpfer des Begriffs "Fibromyalgie" habe bereits 2003 ausdrücklich die von ihm publizierten Diagnosekriterien zurückgenommen und sich davon distanziert. Die geringe Validität der Druckpunkte ist in der Sozialmedizin seit langem bekannt. Nach den Leitlinien für die sozialmedizinische Beurteilung von Menschen mit psychischen Störungen stelle die Einschätzung der somatoformen Störungen, insbesondere der somatoformen Schmerzstörung, angesichts der Komplexität der Problematik hohe Anforderungen an den Gutachter. Dieser müsse sich an den vorhandenen psychopathologischen Auffälligkeiten orientieren und eine umfassende, ausführliche und konsistente Erhebung des psychischen Befundes vornehmen. Daran fehle es in den Gutachten der Dres. T. und M ...
Die Beklagte hat zur weiteren Begründung der Berufung die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B. vom 31.3.2010 vorgelegt. Darin ist ergänzend ausgeführt, Dr. M. nehme offensichtlich die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Fibromyalgie konsequent nicht zur Kenntnis. Außerdem sei auf die von Dr. M. beschriebene Aggravationstendenz hinzuweisen. Die Angaben der Klägerin zum Tagesablauf divergierten in den Gutachten von Dr. T. bzw. Dr. M. deutlich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.1.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Ergänzend trägt sie vor, sie fahre seit Ende August 2007 nicht mehr Taxi und sei auch keiner anderen Erwerbstätigkeit mehr nachgegangen (eidesstattliche Versicherung vom 17.8.2010). Sie sei in die Nähe ihrer Tochter gezogen, da sie ohne deren Hilfe den Haushalt nicht mehr bewältigen könne. Am 15.3.2010 habe sie den rechten Oberarm mehrfach gebrochen und müsse befürchten, dass dieser nicht mehr voll belastbar sein werde; deswegen habe sie eine Rehabilitationsbehandlung beantragt (Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 15.6.2010).
Der Senat hat die ergänzende Stellungnahme des Dr. M. vom 10.7.2010 erhoben. Darin ist ausgeführt, hinsichtlich des Krankheitsbildes der Fibromyalgie sei nur klargestellt worden, dass die Klassifikationskriterien allein zur Diagnosestellung nicht ausreichten, davon gehe er bei der Begutachtung auch aus. Die Frequenz einer psychologischen Schmerztherapie erlaube keinen Rückschluss auf das Leistungsvermögen.
Die Beklagte hat hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 19.8.2010 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, der Auffassung des Dr. B. sei zu folgen. Das Gutachten des Dr. M. sei zu sehr dahingehend ausgerichtet, der Krankheitsentität Fibromyalgie Rechnung zu tragen, ohne tatsächliche funktionelle Einschränkungen und Beeinträchtigungen im Alltagsleben kritisch zu hinterfragen bzw. für eine plausible sozialmedizinische Leistungsbeurteilung heranzuziehen, zumal psychopathologische Auffälligkeiten, mit denen man eine Leistungsminderung noch begründen könnte, nicht als schwergradig ausgeprägt dargestellt würden. Zwischenzeitlich habe sich die Klägerin eine Gehirnerschütterung und eine Oberarmfraktur rechts zugezogen. Der postoperative Verlauf sei als komplikationslos beschrieben worden. Medizinische Rehabilitationsmaßnahmen seien deswegen nicht erforderlich bzw. zum gegenwärtigen Verfahrensstand auch nicht erfolgversprechend.
Der Senat hat sodann das Gutachten des Psychiaters und Psychotherapeuten Prof. Dr. E. (Chefarzt des F.krankenhauses) vom 16.2.2011 erhoben. Dieser hat den Tagesablauf der Klägerin eruiert (Aufstehen gegen 5.00 Uhr, Kaffee und Lesen, um 7.00 Uhr erneut Schlaf für ungefähr 2 Stunden, gegen 10.00 Uhr etwas Haushaltsarbeit, danach zur Tochter, gemeinsames Kochen des Mittagessens, Betreuung der 6 und 9 Jahre alten Enkel mit Hilfe bei den Hausaufgaben, Spielen, am Nachmittag zurück nach Hause, Abendessen, Lesen, Fernsehen) und ausgeführt, die Klägerin werde seit einem Jahr nervenärztlich behandelt; sie habe den Nervenarzt etwa dreimal konsultiert. Eine regelmäßige psychotherapeutische Behandlung habe noch nie stattgefunden, allerdings nehme die Klägerin Medikamente. Der Gutachter hat die Klägerin affektiv ausgeglichen und im Antrieb regelrecht befunden. Sie sei gut affizierbar und ausreichend schwingungsfähig, jedoch sehr klagsam in Zusammenhang mit ihren körperlichen Beschwerden. Es bestehe der Eindruck, dass die Klägerin aggraviere. Die sitzende Position habe sie während des Gesprächs (im Verlauf über 2 Stunden) gut eingehalten.
Prof. Dr. E. hat eine somatoforme Schmerzstörung mit Projektion auf den Bewegungsapparat diagnostiziert. Auf somatischer Seite bestehe nach dem Vorgutachten kein ausreichender Anhalt für die geklagte hohe Schmerzintensität und Therapieresistenz der Schmerzen. Des Weiteren hätten sich in der somatischen Untersuchung keine sicheren Hinweise ergeben, die die hohe Schmerzintensität und die beklagte Schmerzsymptomatik im Bereich des gesamten Rückens, beider Schultern und Arme sowie beider Oberschenkel ausreichend erklären könnten. Die somatisierte Schmerzstörung sei bereits deutlich chronifiziert. Eine depressive Störung lasse sich derzeit nicht sichern. Die Klägerin gebe zwar eine gedrückte Stimmung und eine Verminderung von Antrieb und Aktivität an, zeige sich in ihrem Tagesablauf jedoch sehr aktiv. Mehrmals in der Woche betreue sie alleine ihre sechs- und achtjährigen Enkel, spiele sogar Fußball mit ihnen. Hinweise auf eine starke Aggravation gebe es derzeit nicht. Eine Einschränkung in der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens liege aktuell nicht vor. Die Klägerin sei mobil, 30 Minuten Gehen am Stück sei möglich. Sie versorge sich selbst, habe keine Einschränkungen in der Kommunikation, beschreibe einen unverminderten Antrieb und folge einer guten Tagesstruktur. Eine Veränderung der Konzentrationsfähigkeit, des Interesses oder der Aufmerksamkeit sei nicht feststellbar. Das Aktivitätsniveau sei insgesamt nicht höhergradig eingeschränkt. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts könne die Klägerin (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten, wobei Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- bzw. Etikettierarbeiten nicht geeignet seien, da diese dauernde Bewegungen der Wirbelsäule und das Heben schwerer Lasten erforderten. Tätigkeiten als Spielhallenaufsicht, Telefonistin, Registraturhilfskraft und Museumswächterin seien jedoch möglich. Alle Stunde sollten 5 Minuten Pause möglich sein, damit die Klägerin eine für sie angenehme Körperhaltung einnehmen könne. Sie sei wegefähig. Durch regelmäßige ambulante psychiatrische und vor allen Dingen psychotherapeutische Behandlung sei eine so nachhaltige Besserung zu erwarten, dass bestehende Leistungseinschränkungen ganz oder teilweise wegfielen. Möglicherweise habe sich die durch Dr. M. beobachtete depressive Erkrankung unter der konsequenten psychopharmakologischen Behandlung erfolgreich zurückgebildet. Das Gutachten des Oberarztes T. habe u.a. auf von der Klägerin ausgefüllten Fragebögen basiert, weswegen möglicherweise eine damals kränkere und eventuell aggravierte Selbstwahrnehmung eingeflossen sei.
Die Klägerin hat eingewandt, die Wegstrecke zwischen ihrer Wohnung und der nächsten Haltestelle des öffentlichen Nahverkehrs betrage etwa 400 Meter. An ihrem Wohnort gebe es kein nennenswertes Arbeitsplatzangebot auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die nächste größere Ortschaft sei R. und mit dem Bus nur schwer zu erreichen (Fahrzeit für die einfache Strecke 70 Minuten). Über ein Kraftfahrzeug verfüge sie nicht. Daher sei für sie der Arbeitsmarkt verschlossen.
Die Beklagte hat abschließend vorgetragen, Prof. Dr. E. habe Arbeitspausen nur als wünschenswert, aber nicht zwingend notwendig angesehen. Die Einnahme einer angenehmen Körperhaltung sei bspw. bei der Tätigkeit als Spielhallenaufsicht, Telefonistin oder Museumswärterin jederzeit möglich. Davon abgesehen betrügen die bei der Personalbedarfsberechnung in Wirtschaft und Verwaltung angesetzten persönlichen Verteilzeiten der Arbeitnehmer bis zu 12 % der tariflichen Arbeitszeit (vgl. LSG Bad.-Württ., Urt. v. 20.3.2007, - L 11 R 684/06 -). Bei einem sechsstündigen Arbeitstag ergebe sich somit eine Verteilzeit von 43 Minuten; ggf. notwendige Pausen überschritten diesen Rahmen nicht. Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- und Etikettierarbeiten erforderten in der Regel kein Heben und Tragen von Lasten über 5 bis 6 kg und würden überwiegend sitzend mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel in Normalarbeitszeit, ohne besonderen Zeitdruck und ohne Stressbelastungen in geschlossenen, wohl temperierten Räumen verrichtet (vgl. LSG Bad.-Württ., Urt. v. 23.2.2005, - L 3 R 1976/04 - mit Hinweis auf die Urteile des LSG Bad.-Württ. v. 28.8.2001, - L 9 R 2798/00 – und - L 9 R 1657/01 -).
Erwerbsgemindert sei nur, wer nicht in der Lage sei, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Besonderheiten der individuellen Wohnlage und der Beschaffenheit in Betracht kommender Wegstrecken seien bei der gebotenen generalisierten Abgrenzung des Versichertenrisikos unbeachtlich (vgl. BSG, Urt. v. 17.12.1991, - 13/5 RJ 73/90 -).
Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Das Urteil des Sozialgerichts kann daher keinen Bestand behalten.
Gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI); volle Erwerbsminderung liegt vor, wenn das Leistungsvermögen auf unter 3 Stunden täglich abgesunken ist (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Davon ausgehend steht der Klägerin Erwerbsminderungsrente nicht zu, da sie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich verrichten kann. Das hat die Beweisaufnahme im Berufungsverfahren ergeben.
Für die Gewährung von Erwerbsminderungsrente sind nicht Diagnosen, sondern sozialmedizinisch (rentenrechtlich) beachtliche Leistungseinschränkungen maßgeblich. Deshalb kommt es auf die diagnostische (begriffliche) Einordnung der bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen – als Fibromyalgiesyndrom oder somatoforme Schmerzstörung - ausschlaggebend nicht an. Die Beteiligten streiten im Kern darüber, ob die Klägerin an einer Schmerzerkrankung bzw. (damit zusammenhängend) an einer Erkrankung des depressiven Formenkreises leidet und wegen der daraus folgenden Leistungseinschränkungen an einer vollschichtig (mindestens 6 Stunden täglich) auszuübenden Erwerbstätigkeit gehindert ist. Das ist zur Überzeugung des Senats nicht der Fall.
Die Begutachtung der Klägerin im Verwaltungsverfahren ergab keine rentenrechtlich beachtliche Leistungsminderung. Dr. H. fand im Gutachten vom 8.10.2007 nur eine leicht gedrückte Stimmungslage bei normaler affektiver Schwingungsfähigkeit und normalem Antrieb. Für eine psychiatrische Behandlung bestand deswegen offenbar kein Bedarf; eine Behandlung dieser Art fand nicht statt und es wurden auch keine Antidepressiva eingesetzt. Dr. H. hielt die Klägerin infolgedessen überzeugend für imstande, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Diese Leistungseinschätzung bestätigte sich während des Widerspruchsverfahrens. Die Klägerin absolvierte nämlich vom 28.11. bis 19.12.2007 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung in der F.klinik, Bad B., und wurde von den Klinikärzten im Entlassungsbericht vom 15.1.2008 ebenfalls für vollschichtig (mindestens 6 Stunden täglich) leistungsfähig hinsichtlich leichter Tätigkeiten erachtet.
Die im sozialgerichtlichen Verfahren erhobenen Gutachten der Dres. T. und M. können demgegenüber nicht überzeugen.
Der auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG mit der Begutachtung beauftragte Dr. T. stützte sich ersichtlich im Kern auf die nicht hinreichend objektivierten subjektiven Beschwerdeangaben der Klägerin in entsprechenden Testverfahren und gab eine nachvollziehbare Begründung seiner Leistungseinschätzung (unter 3 Stunden täglich) nicht ab. Dr. B. legte dies in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13.7.2009 schlüssig dar. Er vermisste zu Recht hinreichende objektive Befunde im Gutachten des Dr. T., namentlich zur sozialmedizinisch bedeutsamen Beweglichkeit der Klägerin. Auch insoweit stützte sich Dr. T. ersichtlich auf das Vorbringen der Klägerin, ohne entsprechende objektive Bewegungsmaße zu erheben. Dabei fällt zusätzlich ins Gewicht, dass der behandelnde Orthopäde Dr. R. im Bericht vom 22.7.2008 aus der Sicht seines Fachgebiets die Verrichtung leichter Tätigkeiten über mindestens 6 Stunden täglich für zumutbar erachtet hatte. Dr. T. setzte sich damit ebenso wenig auseinander wie mit dem Verwaltungsgutachten von Frau Dr. H ... Unberücksichtigt blieb auch, dass eine adäquate (Schmerz-)Therapie offenbar nicht stattfand, was auf das Fehlen eines hinreichend gewichtigen Leidensdrucks hinweist.
Dr. M. stützte sich für die Eruierung schmerzbedingter Einschränkungen ebenfalls auf Testverfahren und die hierbei gemachten subjektiven Angaben der Klägerin. Diese fielen, wie Dr. M. selbst konstatieren musste, sehr stereotyp aus, was Zweifel an deren Wahrheitsgehalt aufkommen lassen muss. Außerdem fand Dr. M. eine unverkennbare Aggravationsneigung. Seine Leistungseinschätzung (3 bis unter 6 Stunden täglich) stützte er dennoch auf die vorgebrachten Alltagseinschränkungen der Klägerin, die er als glaubhaft ansah. Das kann freilich nicht überzeugen, da jegliche kritische Auseinandersetzung mit den Beschwerdeangaben fehlt, wofür wegen der festgestellten Aggravationsneigung und der Stereotypizität der Angaben umso mehr Anlass gewesen wäre. Hinzukommt, dass der Gutachter die Leistungsminderung auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung (August 2007) datierte, obgleich die Klägerin aus einer im November/Dezember 2007 absolvierten stationären Rehabilitationsbehandlung in der F.klinik, Bad B., deren Chefarzt Dr. M. ist, mit vollschichtigem Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten entlassen worden war. Eine Auseinandersetzung mit dem Entlassungsbericht der Klinik vom 15.1.2008 fehlt im Gutachten des Dr. M ... Auch mit der Einschätzung der Verwaltungsgutachterin Dr. H. befasste sich Dr. M. nicht. Hierauf wies Dr. B. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 20.10.2009 mit Recht hin. Er kritisierte auch zutreffend die weitgehend unkritische Übernahme der Beschwerdeschilderungen der Klägerin, obgleich Aggravationsneigungen festgestellt worden waren und außerdem die bei der Untersuchung vorgefundene kräftig ausgeprägte Muskulatur gegen schmerzbedingtes Schonverhalten spricht. Schließlich spricht auch das Fehlen einer – in der F.klinik angeratenen – psychotherapeutischen Behandlung bzw. nervenärztlichen Betreuung gegen das Vorliegen einer höhergradigen Depressionserkrankung und des damit verbundenen Leidensdrucks. Die gravierenden Kritikpunkte an seinem Gutachten hat Dr. M. in der im Berufungsverfahren vorgelegten ergänzenden Stellungnahme vom 10.7.2010 nicht überzeugend ausräumen können; er hat sich darin im Kern mit – sozialmedizinisch nicht im Vordergrund stehenden – Fragen der Diagnostik des Fibromyalgiesyndroms befasst.
Das im Berufungsverfahren erhobene Gutachten des Prof. Dr. E. hat schließlich zur Überzeugung des Senats bestätigt, dass eine rentenberechtigende Leistungsminderung nicht vorliegt. Nach wie vor findet eine adäquate psychotherapeutische bzw. psychiatrische Behandlung nicht statt; die Klägerin wird zwar seit einem Jahr behandelt, hat den Nervenarzt aber keineswegs engmaschig, sondern nur etwa dreimal aufgesucht. Dementsprechend hat der Gutachter auch eine depressive Störung und eine Einschränkung der Klägerin zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens nicht finden können. Vielmehr hat sich die Klägerin bei regelrechtem Antrieb affektiv ausgeglichen gezeigt und bei guter Tagesstruktur einen aktiven Tagesablauf (einschließlich der Betreuung ihrer Enkel) präsentiert. Ausreichende Hinweise auf die geklagte Schmerzintensität haben sich nicht ergeben, stattdessen hat auch Prof. Dr. E. ein Aggravationsverhalten gefunden. Insgesamt hat der Gutachter eine höhergradige Einschränkung des Aktivitätsniveaus nicht festgestellt und die Klägerin damit schlüssig für fähig erachtet, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin nicht erwerbsgemindert ist. Hierfür spielt es keine Rolle, dass Prof. Dr. E. Zureich-, Abnehm-, Montier-, Klebe-, Sortier-, Verpackungs- bzw. Etikettierarbeiten als ungeeignet angesehen hat. Eine bestimmte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarkts muss der Klägerin als Ungelernter ohnehin nicht benannt werden; außerdem hat der Gutachter der Sache nach lediglich das Heben schwerer Lasten und dauernde Bewegungen der Wirbelsäule (und damit letztendlich Arbeit in Zwangshaltungen) ausgeschlossen, was durch entsprechende qualitative Leistungseinschränkungen berücksichtigt werden kann und nach Meinung des Sachverständigen Tätigkeiten als Spielhallenaufsicht, Telefonistin, Registraturhilfskraft und Museumswächterin nicht entgegensteht. Die für wünschenswert erachteten kurzen Pausen (5 Minuten alle Stunde) dienen dem Wechsel der Körperhaltung, was bei Arbeiten im Wechselrhythmus ohne Weiteres gewährleistet ist. Im Übrigen kann dem genannten Pausenbedürfnis mit den persönlichen Verteilzeiten (dazu näher Senatsbeschluss vom 26.10.2010, - L 5 R 2916/10 -) hinreichend Rechnung getragen werden. Das konkrete Arbeitsplatzangebot am Wohnort der Klägerin und dessen Umgebung ist rentenrechtlich nicht von Belang. Es genügt, dass die Klägerin, wie Prof. Dr. E. dargelegt hat, mobil und wegefähig ist; insoweit findet hinsichtlich der Erreichbarkeit eines Arbeitsplatzes eine generalisierende Betrachtung statt (vgl. etwa BSG, Urt. v. 21.3.2006, - B 5 RJ 51/04 R -; Urt. v. 28.2.2002, - B 5 RJ 8/02 R -; Urt. v. 17.12.1991, - 13/5 RJ 73/90 -).
Das Sozialgericht hat der Klage daher zu Unrecht stattgegeben, weshalb sein Urteil auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage abzuweisen ist. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
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