Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 4145/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 137/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 15. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Absatz 2 Satz 2 auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vorliegend kommt, da es dem Antragsteller ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).
Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 2. Mai 2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 29. Juli 2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; Beschluss vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S. 1236 f.). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung. zu entscheiden (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 2. Mai 2005, a.a.O., m.w.N.); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 22. November 2002, a.a.O., S. 1237; Beschluss vom 29. November 2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365).
Der hier streitgegenständliche Anspruch auf Krankengeld (Krg) gehört nicht zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies folgt schon daraus, dass nicht jeder gesetzlich Krankenversicherte einen solchen Anspruch hat (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V). Geboten und ausreichend ist damit eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (st. Rspr. des Senats seit Beschluss vom 16. Oktober 2008, L 11 KR 4447/08 ER-B).
Eine Verpflichtung zur Bewilligung von Leistungen vor dem Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht (26. November 2008) scheidet ohnedies aus. Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB V geltenden Grundsatz, dass Geldleistungen im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen haben und nicht rückwirkend zu bewilligen sind, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. August 2005, L 7 AS 2875/05 ER-B, und 28. Oktober 2005, L 8 AS 3783/05 ER-B; vgl. auch LSG Berlin-Branden-burg, Beschluss vom 30. Januar 2008, L 9 B 600/07 KR ER; ebenfalls st. Rspr. des Senats).
Im Übrigen ergibt die Prüfung nach den oben dargelegten Grundsätzen, dass ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden ist.
Unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller am 20. Oktober 2008 und darüber hinaus arbeitsunfähig war, erfordert die Gewährung von Krg, dass er noch in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war. Hier kommt zunächst eine Versicherung als Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V in Frage. Diese Maßnahme endete jedoch mit der (für den Antragsteller erfolglosen) Abschlussprüfung. Demgemäß bewilligte die Agentur für Arbeit Ravensburg im Bescheid vom 9. Oktober 2008 nur Übergangsgeld bis 16. Oktober 2008. Auch wenn der Antragsteller nach seinem Vortrag (Schreiben vom 11. November 2008) Widerspruch gegen den Bescheid der Agentur eingelegt hat, um die Verlängerung der Maßnahme und die Weitergewährung von Übergangsgeld zu erlangen, geht hiervon keine aufschiebende Wirkung (§ 86a SGG) aus.
Auch die Möglichkeit, dass die Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fortbestand, weil der Antragsteller Anspruch auf Krg hatte oder dieses bezog, scheidet aus. Bezogen hat der Antragsteller Krg nur bis 17. Oktober 2008. Ein entsprechender Anspruch bestand über diesen Termin hinaus nicht mehr. Ein solcher Anspruch setzt nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (AU) voraus, welche hier zuletzt am 15. Oktober 2008 durch Drs. S. und W. voraussichtlich bis 17. Oktober 2008 (Freitag) erfolgt ist. Erst am 20. Oktober 2008 (Montag) suchte der Antragsteller Drs. S. und W. erneut auf, die ab diesem Tag erneut AU bescheinigten. Der neue Krg-Anspruch kann aber nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V frühestens am Folgetag beginnen, also am 21. Oktober 2008. Diese zeitliche Lücke führt damit zur Unterbrechung der Voraussetzungen des Krg-Anspruchs, was nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 26. Juni 2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 12 und B 1 KR 2/07 R) dem Fortbestehen der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V entgegensteht.
Zwar lag zwischen den beiden Feststellungen ein Wochenende, bei dem es zwar schwerer ist, niedergelassene Ärzte aufzusuchen. Das schließt es aber nicht aus, den ärztlichen Notdienst oder ein Krankenhaus aufzusuchen. So hat das BSG im Urteil vom 18. März 1966 (3 RK 58/62, SozR Nr. 16 zu § 182 RVO) noch zur Vorläufervorschrift des § 182 Abs. 3 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung entschieden, dass sich der Beginn des Anspruchs auf Krg am Folgtag der ärztlichen Feststellung auch dann nicht ändert, wenn der Versicherte den Arzt nicht angetroffen hat und die AU deshalb erst einige Tage später ärztlich festgestellt wurde. Im Urteil vom 23. Februar 1967 (5 RKn 112/64, SozR Nr. 19 zu § 182 RVO) hat es auch keinen Grund gesehen, hiervon in dem Fall abzuweichen, dass sich der zur AU führende Unfall erst am Abend ereignet und der Versicherte den Arzt erst zu Anfang des folgenden Tages aufsuchen konnte. Auch in jüngerer Zeit hat das BSG entschieden, dass von dem Versicherten in einem solchen Fall grundsätzlich zu verlangen ist, alles in seiner Macht stehende und ihm zumutbare zu tun (BSG, Urteil vom 8. November 2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr. 1). In dem Sachverhalt, der dem Urteil des BSG vom 2. November 2007 (B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 14) zugrunde lag, war die Lücke zwischen den AU-Feststellungen ebenfalls nur durch ein Wochenende bedingt, ohne dass das BSG von der strikten Anwendung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V abgesehen hat.
Ausnahmefälle der objektiven Unmöglichkeit, einen Arzt zu erreichen (Bergunfall in den Alpen; Alleinstehender liegt tagelang ohnmächtig in der Wohnung), oder der Geschäftsunfähigkeit des Versicherten, der keinen gesetzlichen Vertreter hat, wie sie in der Literatur diskutiert werden (Gerlach in: Hauck/Noftz, § 46 Rdnr. 14; Höfler in: Kasseler Kommentar, § 46 SGB V Rdnr. 13), kommen hier ersichtlich nicht in Frage.
Anhaltspunkte, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, aufgrund von Fehlern im Verwaltungshandeln der Antragsgegnerin ausnahmsweise die unterbliebene ärztliche Feststellung der AU rückwirkend zuzulassen (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005, a.a.O.), sind nicht ersichtlich. Außerdem ist eine solche rückwirkende Feststellung nicht erfolgt.
Aus dem mit der Beschwerde vorgetragenen Umstand, dass der Antragsteller am 17. Oktober 2008 bei dem Kundenberater der Antragsgegnerin in Biberach vorgesprochen und man ihn dort nicht auf die Notwendigkeit weiterer AU-Bescheinigungen hingewiesen hat, folgt nichts anderes. Zum einen war man dort über das Versicherungsverhältnis des Antragstellers nicht informiert, denn dieser hatte die Betreuung durch das "WahlKundenCenter" Ulm der Antragsgegnerin gewählt. Von daher war es nicht zu beanstanden, wenn man ihn dorthin verwiesen hat. Außerdem ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller nicht wusste, dass es für den weiteren Bezug von Krg einer ärztlichen Feststellung der AU bedurfte, und dass er deswegen eine solche nicht veranlasste.
Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass entgegen der Annahme der Antragsgegnerin in der Sachverhaltsdarstellung für den Widerspruchsausschuss keine Lücke in den Zeiträumen 25. Oktober 2008 bis 26. Oktober 2008 bzw. 1. bis 6. November 2008 besteht. Denn der Antragsteller hat mit Schreiben vom 29. Oktober 2008 bzw. 11. November 2008 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. Häußler vom 24. Oktober 2008 (voraussichtlich bis 27. Oktober 2008) und vom 31. Oktober 2008 (voraussichtlich bis 7. November 2008) vorgelegt. Hierauf kommt es aber nicht an.
Ein Anspruch auf die Gewährung von Krg aufgrund eines nachgehenden Leistungsanspruchs nach § 19 Abs. 2 SGB V besteht gleichfalls nicht. Dort ist in Satz 1 für den Fall, dass die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger endet, geregelt, dass der Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft fortbesteht, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Nach Satz 2 hat aber eine Versicherung nach § 10 SGB V (Familienversicherung) Vorrang vor dem Leistungsanspruch nach Satz 1.
Der Antragsteller ist über seine Ehefrau, die nach telefonischer Auskunft der Antragsgegnerin gegenüber dem Senat als Rentenantragstellerin pflichtversichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 und 11a, § 189 Abs. 2 SGB V), bei der Antragsgegnerin nach § 10 Abs. 1 SGB V familienversichert, jedenfalls ist nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass ein Ausschlussgrund nach § 10 Abs. 21 SGB V besteht. Damit gelangt die Vorrangregelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 SGB V zur Anwendung. Versicherte nach § 10 SGB V haben aber nach § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB V keinen Anspruch auf Krg. Die Familienversicherung verdrängt nach § 5 Abs. 8a Satz 1 SGB V im Übrigen die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben), die allerdings nach § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB V ebenfalls keinen Anspruch auf Krg gewährt.
§ 19 Abs. 2 Satz 2 SGB ist durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) mit Wirkung zum 1. Januar 2004 unter Bezug auf die frühere, zu anderen Ergebnissen führende Rechtsprechung des BSG und damit in bewusster Abkehr von dieser (vgl. Noftz in: Hauck/Noftz, § 19 SGB V Rdnr. 61a; Höfler in: Kasseler Kommentar, § 19 SGB V Rdnr. 31; S. Klein in jurisPK-SGB V § 19 Rdnr. 64) angefügt worden. Seither hat eine Familienversicherung nach § 10 SGB V Vorrang vor nachgehenden Leistungsansprüchen nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Dies gilt auch, obwohl die Familienversicherung keinen Anspruch auf Krg gewährt (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. März 2008, L 16 B 15/08 KR ER; Bayerisches LSG, Urteil vom 28. Oktober 2004, L 4 KR 226/02, und Urteil vom 19. Februar 2008, L 5 KR 284/07). An dieser klaren gesetzlichen Regelung kann zumindest im Rahmen der summarischen Prüfung des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht vorbeigegangen werden.
Unabhängig davon, dass sich hieraus auch kein Anspruch auf Krg ergibt, ist das vom Antragssteller vorgelegte Schreiben der Antragsgegnerin vom 13. Januar 2009, man übernehme die Kosten der Erkrankung des Antragstellers im Rahmen der vertragsärztlichen Untersuchung, inhaltlich nicht falsch. Das Schreiben sagt nichts zu einer Gewährung von Krg.
Besteht damit kein Anordnungsanspruch, kann der Senat offen lassen, ob ein Anordnungsgrund besteht.
Mit der Zurückweisung der Beschwerde scheidet auch eine Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren aus, denn insoweit mangelt es an der notwendigen Erfolgsaussicht (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Sozialgericht (SG) hat den Antrag zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Absatzes 1 der Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach Absatz 2 Satz 2 auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Vorliegend kommt, da es dem Antragsteller ersichtlich um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO).
Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 2. Mai 2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist ihnen allerdings in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung für den Antragsteller geht, eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 29. Juli 2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; Beschluss vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, S. 1236 f.). Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung. zu entscheiden (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 2. Mai 2005, a.a.O., m.w.N.); die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG [Kammer], Beschluss vom 22. November 2002, a.a.O., S. 1237; Beschluss vom 29. November 2007, 1 BvR 2496/07, NZS 2008, 365).
Der hier streitgegenständliche Anspruch auf Krankengeld (Krg) gehört nicht zu den existenziell bedeutsamen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Dies folgt schon daraus, dass nicht jeder gesetzlich Krankenversicherte einen solchen Anspruch hat (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V). Geboten und ausreichend ist damit eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage (st. Rspr. des Senats seit Beschluss vom 16. Oktober 2008, L 11 KR 4447/08 ER-B).
Eine Verpflichtung zur Bewilligung von Leistungen vor dem Zeitpunkt der Beantragung der einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht (26. November 2008) scheidet ohnedies aus. Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB V geltenden Grundsatz, dass Geldleistungen im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen haben und nicht rückwirkend zu bewilligen sind, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. August 2005, L 7 AS 2875/05 ER-B, und 28. Oktober 2005, L 8 AS 3783/05 ER-B; vgl. auch LSG Berlin-Branden-burg, Beschluss vom 30. Januar 2008, L 9 B 600/07 KR ER; ebenfalls st. Rspr. des Senats).
Im Übrigen ergibt die Prüfung nach den oben dargelegten Grundsätzen, dass ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden ist.
Unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller am 20. Oktober 2008 und darüber hinaus arbeitsunfähig war, erfordert die Gewährung von Krg, dass er noch in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert war. Hier kommt zunächst eine Versicherung als Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V in Frage. Diese Maßnahme endete jedoch mit der (für den Antragsteller erfolglosen) Abschlussprüfung. Demgemäß bewilligte die Agentur für Arbeit Ravensburg im Bescheid vom 9. Oktober 2008 nur Übergangsgeld bis 16. Oktober 2008. Auch wenn der Antragsteller nach seinem Vortrag (Schreiben vom 11. November 2008) Widerspruch gegen den Bescheid der Agentur eingelegt hat, um die Verlängerung der Maßnahme und die Weitergewährung von Übergangsgeld zu erlangen, geht hiervon keine aufschiebende Wirkung (§ 86a SGG) aus.
Auch die Möglichkeit, dass die Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V fortbestand, weil der Antragsteller Anspruch auf Krg hatte oder dieses bezog, scheidet aus. Bezogen hat der Antragsteller Krg nur bis 17. Oktober 2008. Ein entsprechender Anspruch bestand über diesen Termin hinaus nicht mehr. Ein solcher Anspruch setzt nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit (AU) voraus, welche hier zuletzt am 15. Oktober 2008 durch Drs. S. und W. voraussichtlich bis 17. Oktober 2008 (Freitag) erfolgt ist. Erst am 20. Oktober 2008 (Montag) suchte der Antragsteller Drs. S. und W. erneut auf, die ab diesem Tag erneut AU bescheinigten. Der neue Krg-Anspruch kann aber nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V frühestens am Folgetag beginnen, also am 21. Oktober 2008. Diese zeitliche Lücke führt damit zur Unterbrechung der Voraussetzungen des Krg-Anspruchs, was nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 26. Juni 2007, B 1 KR 8/07 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 12 und B 1 KR 2/07 R) dem Fortbestehen der Mitgliedschaft nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V entgegensteht.
Zwar lag zwischen den beiden Feststellungen ein Wochenende, bei dem es zwar schwerer ist, niedergelassene Ärzte aufzusuchen. Das schließt es aber nicht aus, den ärztlichen Notdienst oder ein Krankenhaus aufzusuchen. So hat das BSG im Urteil vom 18. März 1966 (3 RK 58/62, SozR Nr. 16 zu § 182 RVO) noch zur Vorläufervorschrift des § 182 Abs. 3 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung entschieden, dass sich der Beginn des Anspruchs auf Krg am Folgtag der ärztlichen Feststellung auch dann nicht ändert, wenn der Versicherte den Arzt nicht angetroffen hat und die AU deshalb erst einige Tage später ärztlich festgestellt wurde. Im Urteil vom 23. Februar 1967 (5 RKn 112/64, SozR Nr. 19 zu § 182 RVO) hat es auch keinen Grund gesehen, hiervon in dem Fall abzuweichen, dass sich der zur AU führende Unfall erst am Abend ereignet und der Versicherte den Arzt erst zu Anfang des folgenden Tages aufsuchen konnte. Auch in jüngerer Zeit hat das BSG entschieden, dass von dem Versicherten in einem solchen Fall grundsätzlich zu verlangen ist, alles in seiner Macht stehende und ihm zumutbare zu tun (BSG, Urteil vom 8. November 2005, B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr. 1). In dem Sachverhalt, der dem Urteil des BSG vom 2. November 2007 (B 1 KR 38/06 R, SozR 4-2500 § 44 Nr. 14) zugrunde lag, war die Lücke zwischen den AU-Feststellungen ebenfalls nur durch ein Wochenende bedingt, ohne dass das BSG von der strikten Anwendung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V abgesehen hat.
Ausnahmefälle der objektiven Unmöglichkeit, einen Arzt zu erreichen (Bergunfall in den Alpen; Alleinstehender liegt tagelang ohnmächtig in der Wohnung), oder der Geschäftsunfähigkeit des Versicherten, der keinen gesetzlichen Vertreter hat, wie sie in der Literatur diskutiert werden (Gerlach in: Hauck/Noftz, § 46 Rdnr. 14; Höfler in: Kasseler Kommentar, § 46 SGB V Rdnr. 13), kommen hier ersichtlich nicht in Frage.
Anhaltspunkte, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, aufgrund von Fehlern im Verwaltungshandeln der Antragsgegnerin ausnahmsweise die unterbliebene ärztliche Feststellung der AU rückwirkend zuzulassen (vgl. BSG, Urteil vom 8. November 2005, a.a.O.), sind nicht ersichtlich. Außerdem ist eine solche rückwirkende Feststellung nicht erfolgt.
Aus dem mit der Beschwerde vorgetragenen Umstand, dass der Antragsteller am 17. Oktober 2008 bei dem Kundenberater der Antragsgegnerin in Biberach vorgesprochen und man ihn dort nicht auf die Notwendigkeit weiterer AU-Bescheinigungen hingewiesen hat, folgt nichts anderes. Zum einen war man dort über das Versicherungsverhältnis des Antragstellers nicht informiert, denn dieser hatte die Betreuung durch das "WahlKundenCenter" Ulm der Antragsgegnerin gewählt. Von daher war es nicht zu beanstanden, wenn man ihn dorthin verwiesen hat. Außerdem ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller nicht wusste, dass es für den weiteren Bezug von Krg einer ärztlichen Feststellung der AU bedurfte, und dass er deswegen eine solche nicht veranlasste.
Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass entgegen der Annahme der Antragsgegnerin in der Sachverhaltsdarstellung für den Widerspruchsausschuss keine Lücke in den Zeiträumen 25. Oktober 2008 bis 26. Oktober 2008 bzw. 1. bis 6. November 2008 besteht. Denn der Antragsteller hat mit Schreiben vom 29. Oktober 2008 bzw. 11. November 2008 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. Häußler vom 24. Oktober 2008 (voraussichtlich bis 27. Oktober 2008) und vom 31. Oktober 2008 (voraussichtlich bis 7. November 2008) vorgelegt. Hierauf kommt es aber nicht an.
Ein Anspruch auf die Gewährung von Krg aufgrund eines nachgehenden Leistungsanspruchs nach § 19 Abs. 2 SGB V besteht gleichfalls nicht. Dort ist in Satz 1 für den Fall, dass die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger endet, geregelt, dass der Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft fortbesteht, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Nach Satz 2 hat aber eine Versicherung nach § 10 SGB V (Familienversicherung) Vorrang vor dem Leistungsanspruch nach Satz 1.
Der Antragsteller ist über seine Ehefrau, die nach telefonischer Auskunft der Antragsgegnerin gegenüber dem Senat als Rentenantragstellerin pflichtversichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 und 11a, § 189 Abs. 2 SGB V), bei der Antragsgegnerin nach § 10 Abs. 1 SGB V familienversichert, jedenfalls ist nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass ein Ausschlussgrund nach § 10 Abs. 21 SGB V besteht. Damit gelangt die Vorrangregelung des § 19 Abs. 2 Satz 2 SGB V zur Anwendung. Versicherte nach § 10 SGB V haben aber nach § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB V keinen Anspruch auf Krg. Die Familienversicherung verdrängt nach § 5 Abs. 8a Satz 1 SGB V im Übrigen die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben), die allerdings nach § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB V ebenfalls keinen Anspruch auf Krg gewährt.
§ 19 Abs. 2 Satz 2 SGB ist durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) mit Wirkung zum 1. Januar 2004 unter Bezug auf die frühere, zu anderen Ergebnissen führende Rechtsprechung des BSG und damit in bewusster Abkehr von dieser (vgl. Noftz in: Hauck/Noftz, § 19 SGB V Rdnr. 61a; Höfler in: Kasseler Kommentar, § 19 SGB V Rdnr. 31; S. Klein in jurisPK-SGB V § 19 Rdnr. 64) angefügt worden. Seither hat eine Familienversicherung nach § 10 SGB V Vorrang vor nachgehenden Leistungsansprüchen nach § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Dies gilt auch, obwohl die Familienversicherung keinen Anspruch auf Krg gewährt (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. März 2008, L 16 B 15/08 KR ER; Bayerisches LSG, Urteil vom 28. Oktober 2004, L 4 KR 226/02, und Urteil vom 19. Februar 2008, L 5 KR 284/07). An dieser klaren gesetzlichen Regelung kann zumindest im Rahmen der summarischen Prüfung des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht vorbeigegangen werden.
Unabhängig davon, dass sich hieraus auch kein Anspruch auf Krg ergibt, ist das vom Antragssteller vorgelegte Schreiben der Antragsgegnerin vom 13. Januar 2009, man übernehme die Kosten der Erkrankung des Antragstellers im Rahmen der vertragsärztlichen Untersuchung, inhaltlich nicht falsch. Das Schreiben sagt nichts zu einer Gewährung von Krg.
Besteht damit kein Anordnungsanspruch, kann der Senat offen lassen, ob ein Anordnungsgrund besteht.
Mit der Zurückweisung der Beschwerde scheidet auch eine Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren aus, denn insoweit mangelt es an der notwendigen Erfolgsaussicht (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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