Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 6686/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1497/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Februar 2011 aufgehoben und dem Kläger zur Durchführung des Klageverfahrens S 17 AS 6686/10 unter Beiordnung von Rechtsanwältin Gi., F., Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers hat Erfolg.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Der Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG greift nicht ein, da das Sozialgericht seine Entscheidung nicht auf das Fehlen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen gestützt, sondern die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) wegen fehlender Erfolgsaussicht in der Hauptsache abgelehnt hat. Dass in der Hauptsache die Berufung wegen Nichterreichens eines Werts des Beschwerdegegenstands von mehr als 750,-EUR (vgl. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) der Zulassung bedürfen würde, steht der Statthaftigkeit der Beschwerde im PKH-Verfahren nach Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Beschluss vom 16. Februar 2011 - L 13 AS 5857/10 B - nicht veröffentlicht) nicht entgegen.
Die Beschwerde ist begründet. PKH erhält gem. § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für eine hinreichende Erfolgsaussicht in der Hauptsache ist keine Erfolgsgewissheit erforderlich, es genügt eine Erfolgswahrscheinlichkeit. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (Zöller, ZPO, 27. Auflage, § 114 Rdnr. 19).
Nach § 31 Abs. 2 SGB II in der im vorliegenden Rechtsstreit anzuwendenden Fassung wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 10 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihr zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommt und er keinen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.
Maßgeblich ist daher, ob der Kläger für das Nichterscheinen zum Vorsprachetermin am 15. September 2010 einen wichtigen Grund hatte. Macht der Arbeitslose gesundheitliche Gründe für sein Nichterscheinen geltend, kommt als Nachweis für die Unfähigkeit, aus gesundheitlichen Gründen beim Leistungsträger zu erscheinen, zwar regelmäßig die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 27/10 R - juris Rdnr. 32). Arbeitsunfähigkeit ist jedoch nicht in jedem Einzelfall gleichbedeutend mit einer krankheitsbedingten Unfähigkeit, zu einem Meldetermin zu erscheinen (vgl. BSG a.a.O. m.w.N.). Da es sich bei dem Begriff der Arbeitsunfähigkeit zudem um einen Rechtsbegriff handelt, dessen Voraussetzungen anhand ärztlich erhobener Befunde - ggf. auch durch eine ex-post-Beurteilung - festzustellen sind (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 26. Februar 1992 - 1/3 RK 13/90 - SozR 3-2200 § 182 Nr. 12; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 309 Rdnr. 64, Stand November 2004), besteht im Streitfall schon keine Bindung an den Inhalt der von dem Vertragsarzt nach § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 SGB V ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Entsprechend ist auch die mit einer Arbeitsunfähigkeit regelmäßig verbundene Vermutung, dass ein Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrgenommen werden kann, im Streitfall von den Sozialgerichten zu überprüfen (BSG a.a.O.).
Daher hat bei Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung das SG im Klageverfahren zu prüfen bzw. zu ermitteln, ob der Kläger vorliegend trotz bescheinigter Arbeitsunfähigkeit nicht gehindert gewesen war, den Meldetermin am 15. September 2010 wahrzunehmen. Ermittlungen hat das SG zumindest ansatzweise bereits aufgenommen, als es den Kläger mit Verfügung vom 24. Januar 2011 aufforderte, mitzuteilen, weshalb genau er am 15. September 2010 verhindert war.
Darüber hinaus wird das SG zu prüfen haben, ob die Beklagte den Kläger ordnungsgemäß, mit einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung versehen, zum Vorsprachetermin am 15. September 2010 eingeladen hat. Denn die Beklagte scheint ausweislich des Einladungsschreibens und des angefochtenen Bescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zu verkennen, dass nicht die Vorlage von Bescheinigungen (Arbeitsunfähigkeits- oder Meldeunfähigkeitsbescheinigung) den Eintritt einer Sanktion nach § 31 Abs. 2 SGB II verhindert, sondern alleine das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Ob daher das Verlangen nach Vorlage einer Meldeunfähigkeitsbescheinigung und die insoweit erklärte Rechtsfolgenbelehrung als Grundlage für eine Sanktion im Sinne des § 31 abs. 2 SGB II ausreichen, wird das SG zu prüfen haben. Dabei wird es zu beachten haben, dass das Gesetz eine Meldeunfähigkeitsbescheinigung nicht kennt. § 31 Abs. 2 SGB II knüpft vielmehr an das Vorliegen eines wichtigen Grundes, den der Hilfebedürftige nachzuweisen hat. Andererseits muss aber auch die Rechtsfolgenbelehrung hinsichtlich Voraussetzungen und Rechtsfolgen zutreffend sein. Dies wird das SG im Hauptsacheverfahren zu entscheiden haben.
Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 73a SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO kann daher - angesichts der Ermitttlungspflicht des SG - bei der hier ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht verneint werden. Daher war der Beschluss des SG aufzuheben und dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Gi., F., zu gewähren. Angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse war eine Ratenzahlungsanordnung nicht zu treffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers hat Erfolg.
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit zulässig. Der Ausschlusstatbestand des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG greift nicht ein, da das Sozialgericht seine Entscheidung nicht auf das Fehlen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen gestützt, sondern die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) wegen fehlender Erfolgsaussicht in der Hauptsache abgelehnt hat. Dass in der Hauptsache die Berufung wegen Nichterreichens eines Werts des Beschwerdegegenstands von mehr als 750,-EUR (vgl. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) der Zulassung bedürfen würde, steht der Statthaftigkeit der Beschwerde im PKH-Verfahren nach Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Beschluss vom 16. Februar 2011 - L 13 AS 5857/10 B - nicht veröffentlicht) nicht entgegen.
Die Beschwerde ist begründet. PKH erhält gem. § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für eine hinreichende Erfolgsaussicht in der Hauptsache ist keine Erfolgsgewissheit erforderlich, es genügt eine Erfolgswahrscheinlichkeit. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (Zöller, ZPO, 27. Auflage, § 114 Rdnr. 19).
Nach § 31 Abs. 2 SGB II in der im vorliegenden Rechtsstreit anzuwendenden Fassung wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 10 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihr zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommt und er keinen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.
Maßgeblich ist daher, ob der Kläger für das Nichterscheinen zum Vorsprachetermin am 15. September 2010 einen wichtigen Grund hatte. Macht der Arbeitslose gesundheitliche Gründe für sein Nichterscheinen geltend, kommt als Nachweis für die Unfähigkeit, aus gesundheitlichen Gründen beim Leistungsträger zu erscheinen, zwar regelmäßig die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 27/10 R - juris Rdnr. 32). Arbeitsunfähigkeit ist jedoch nicht in jedem Einzelfall gleichbedeutend mit einer krankheitsbedingten Unfähigkeit, zu einem Meldetermin zu erscheinen (vgl. BSG a.a.O. m.w.N.). Da es sich bei dem Begriff der Arbeitsunfähigkeit zudem um einen Rechtsbegriff handelt, dessen Voraussetzungen anhand ärztlich erhobener Befunde - ggf. auch durch eine ex-post-Beurteilung - festzustellen sind (BSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 26. Februar 1992 - 1/3 RK 13/90 - SozR 3-2200 § 182 Nr. 12; Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, § 309 Rdnr. 64, Stand November 2004), besteht im Streitfall schon keine Bindung an den Inhalt der von dem Vertragsarzt nach § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 SGB V ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Entsprechend ist auch die mit einer Arbeitsunfähigkeit regelmäßig verbundene Vermutung, dass ein Meldetermin aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrgenommen werden kann, im Streitfall von den Sozialgerichten zu überprüfen (BSG a.a.O.).
Daher hat bei Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung das SG im Klageverfahren zu prüfen bzw. zu ermitteln, ob der Kläger vorliegend trotz bescheinigter Arbeitsunfähigkeit nicht gehindert gewesen war, den Meldetermin am 15. September 2010 wahrzunehmen. Ermittlungen hat das SG zumindest ansatzweise bereits aufgenommen, als es den Kläger mit Verfügung vom 24. Januar 2011 aufforderte, mitzuteilen, weshalb genau er am 15. September 2010 verhindert war.
Darüber hinaus wird das SG zu prüfen haben, ob die Beklagte den Kläger ordnungsgemäß, mit einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung versehen, zum Vorsprachetermin am 15. September 2010 eingeladen hat. Denn die Beklagte scheint ausweislich des Einladungsschreibens und des angefochtenen Bescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zu verkennen, dass nicht die Vorlage von Bescheinigungen (Arbeitsunfähigkeits- oder Meldeunfähigkeitsbescheinigung) den Eintritt einer Sanktion nach § 31 Abs. 2 SGB II verhindert, sondern alleine das Vorliegen eines wichtigen Grundes. Ob daher das Verlangen nach Vorlage einer Meldeunfähigkeitsbescheinigung und die insoweit erklärte Rechtsfolgenbelehrung als Grundlage für eine Sanktion im Sinne des § 31 abs. 2 SGB II ausreichen, wird das SG zu prüfen haben. Dabei wird es zu beachten haben, dass das Gesetz eine Meldeunfähigkeitsbescheinigung nicht kennt. § 31 Abs. 2 SGB II knüpft vielmehr an das Vorliegen eines wichtigen Grundes, den der Hilfebedürftige nachzuweisen hat. Andererseits muss aber auch die Rechtsfolgenbelehrung hinsichtlich Voraussetzungen und Rechtsfolgen zutreffend sein. Dies wird das SG im Hauptsacheverfahren zu entscheiden haben.
Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 73a SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO kann daher - angesichts der Ermitttlungspflicht des SG - bei der hier ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht verneint werden. Daher war der Beschluss des SG aufzuheben und dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Gi., F., zu gewähren. Angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse war eine Ratenzahlungsanordnung nicht zu treffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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