L 13 AS 1622/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 1004/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 1622/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers vom 12. April 2011 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 31. März 2011 im Verfahren S 8 AS 1004/11 ER wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag des Antragstellers vom 12. April 2011 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N., W., wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit insgesamt zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Mannheim (SG) hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 39 SGB II in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, (1.) der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder herabsetzt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regelt, (2.) der den Übergang eines Anspruchs bewirkt, (3.) mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung oder (4.) mit dem nach § 59 in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches [SGB III] zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird, keine aufschiebende Wirkung. Seit dem 1. April 2011 hat § 39 SGB II folgende Fassung: Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, (1.) der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, (2.) der den Übergang eines Anspruchs bewirkt, (3.) mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird oder (4.) mit dem nach § 59 in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches [SGB III] zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird.

Da es sich bei dem mit dem Widerspruch vom 21. März 2011 angefochtenen Bescheid um einen Verwaltungsakt handelt, der im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II eine Eingliederungsvereinbarung zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin ersetzt und damit die "Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit" im Sinne des § 39 Nr. 1 SGB II bzw. die "Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit" im Sinne des § 39 Nr. 1 SGB II n.F. "regelt", kommt diesem nach den genannten Vorschriften keine aufschiebende Wirkung zu (vgl. auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 15. Juli 2009 - L 7 AS 243/09 B ER - juris); der insoweit vom Vertreter des Antragstellers zitierte Beschluss des SG Hamburg vom 26. Februar 2007 (S 58 AS 1523/06) ist damit durch die vorliegend anzuwendende Fassung der maßgeblichen Vorschrift (§ 39 SGB II) überholt.

Das SG hat zu Recht über einen Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, also einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers entschieden.

§ 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG sieht keinen ausdrücklichen gesetzlichen Maßstab für die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage vor. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller ist aufgrund von § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b Rdnr. 12). Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (zum Ganzen vgl. LSG, Beschluss vom 27. Oktober 2008 - L 13 AS 4562/08 ER-B - juris Rdnr. 4).

Da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 17. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2011 - der mit Klage angefochten ist - nicht offensichtlich rechtswidrig, die Klage jedoch auch nicht offensichtlich unbegründet, hat der Senat aufgrund einer Abwägung der Interessen unter Berücksichtigung der möglicherweise eintretenden Folgen zu entscheiden. In diesem Rahmen ist zu überlegen, welche Folgen einträten, würde die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet, der angefochtene Verwaltungsakt sich aber nachträglich als rechtswidrig erweisen. Dem sind gegenüber zu stellen die Folgen, die einträten, würde die aufschiebende Wirkung angeordnet, der angefochtene Verwaltungsakt sich aber nachträglich als rechtmäßig erwiese.

Bei dieser Abwägung ist für den Senat insbesondere von Bedeutung, welchen Verpflichtungen der Antragsteller nachzukommen hätte, würde die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet werden. Insoweit hätte der Antragsteller nach dem Wortlaut des Bescheids vom 17. März 2008 folgende Verpflichtungen: "Sie bewerben sich zeitnah, d.h. spätestens am dritten Tage nach Erhalt des Stellenangebotes, auf Vermittlungsvorschläge, die Sie von der Agentur für Arbeit/Träger der Grundsicherung erhalten haben. Als Nachweis über Ihre unternommenen Bemühungen füllen Sie die dem Vermittlungsvorschlag beigefügte Antwortmöglichkeit aus und legen diese vor Mitwirkungspflicht gern. § 60,66 ff SGB 1 (Mitteilungspflicht von Veränderungen, die für Leistungsgewährung erheblich sind) Mitteilungspflicht bei Krankheit: Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) nach 3 Werktagen, ab dem 1.Krankheitstag. Einhalten von Erst- und Folgeeinladungen beim persönlichen Ansprechpartner. Probearbeit/Praktikum vor Arbeitsbeginn bei der Agentur für Arbeit anzuzeigen und genehmigen lassen. Ortsabwesenheit von der Agentur für Arbeit W. rechtzeitig persönlich genehmigen lassen (ca.1 Woche vor Antritt meiner geplanten Reise). Meine Eigenbemühungen (EB) um eine Arbeitsstelle verstärke Ich durch: - Erstellung meines lückenlosen Lebenslaufs - schriftliche und/oder telefon. Bewerbungen erbringen - Bewerbung auf Vermittlungsvorschläge (VV) innerhalb von drei Werktagen - persönliche Anfragen bei Betrieben nach Arbeits-/Praktikumsstellen - die Beachtung der Gelben Seiten im Telefonbuch und/oder wenn vorhanden des Internets (Jobbörsen usw.) - die Beachtung von Stellenanzeigen in Tageszeitungen Im 8-wöchigen Turnus lege ich meiner Arbeitsvermittlerin die schriftlichen Nachweise von 2-4 Eigenbemühungen In schriftlicher Form beginnend ab sofort vor. Ich bin bereit, die Angebote zu akzeptieren, die sich daraus ergebenden Rechte in Anspruch zu nehmen und die dadurch nachfolgenden Verpflichtungen zu erfüllen. Ich nehme alle Termine bei der Agentur für Arbeit wahr, auch dann wenn ich eine geringfügige Beschäftigung in Aussicht oder angetreten habe. Die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtige oder einer geringfügigen Beschäftigung teile Ich meiner Arbeitsvermittlerin persönlich mit und lege ihr Kopie meines Arbeitsvertrages bei Erhalt umgehend vor. Über die entsprechenden Sanktionen bei einer Pflichtverletzung bzw. Nichteinhaltung der Verpflichtungen wurde ich ausführlich belehrt. Das Merkheft und die 2-seltlgen wichtigen Hinweise über Rechte und Pflichten nach dem SGB II liegen mir bereits vor."

Die Antragsgegnerin hat im Bescheid vom 17. März 2011 dagegen zugesagt, dem Antragsteller Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten, soweit geeignete Stellenangebote vorliegen, ihn in ihr Bewerberprofil in www.arbeitsagentur.de aufzunehmen, die Arbeitsaufnahme durch die Gewährung eines Eingliederungszuschusses an den Arbeitgeber zu fördern, die Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme von Kosten für schriftliche Bewerbungen in Höhe von pauschal 5,00 Euro pro Bewerbung (maximal 60,00 Euro) nach vorheriger Antragstellung und nach Vorlage der vollständigen Bewerbungsunterlagen als CAD-Fachkraft Metall und durch Übernahme von Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen als CAD-Fachkreft Metall in Höhe von 0,20 Euro pro Kilometer in einem Umkreis von 100 Kilometern bei Benutzung eines PKWs oder der öffentlichen Verkehrsmittel nach vorheriger Antragstellung und Vorlage entsprechender schriftlicher Nachweise zu unterstützen.

Kommt der Antragsteller diesen Verpflichtungen nach und erwiese sich der Bescheid vom 17. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. April 2011 im Ergebnis als rechtswidrig, so träten beim Antragsteller keine unzumutbaren Nachteile ein. Denn, dass sich der Antragsteller um eine Arbeitsstelle bemüht und sich hierzu schriftlich bewirbt ist grundsätzlich kein rechtswidriges Begehren und bedeutet keinen unzumutbaren Nachteil, zumal die Antragsgegnerin sich ja grds. bereit erklärt hat, die Bewerbungsbemühungen finanziell im gesetzlichen Rahmen zu unterstützen. Insoweit konnte der Senat nicht feststellen, dass das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das Interesse der Antragsgegnerin an der Durchsetzung ihrer Verfügung vom 17. März 2011 überwiegt.

Damit war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

II.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) war abzulehnen, da angesichts der bereits dargelegten Erfolglosigkeit der Beschwerde die nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags nicht gegeben war.

III.

Diese Entscheidungen (I. und II.) können mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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