L 12 AS 5852/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 2193/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5852/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Absenkungen der Regelleistung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum 1. April bis 30. Juni 2010 und 1. Juni bis 31. August 2010.

Der 1964 geborene, alleinstehende Kläger ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und war als solcher bis 2002 beschäftigt. Seit 2005 bezieht er laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zuletzt erhielt er mit Bescheid vom 20. Januar 2010 Leistungen für den Zeitraum 1. März bis 31. August 2010 in Höhe von 745,80 EUR monatlich (359 EUR Regelleistung, 386,80 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung).

Am 4. Januar 2010 wurde dem Kläger von der Beklagten ein Vermittlungsvorschlag als Verkäufer bei der Firma ... A. B.-Shop GmbH (im Folgenden Firma A.) in Teilzeit (24 Stunden/Woche) zugesandt. Der Vermittlungsvorschlag enthielt den Hinweis, dass sich der Kläger umgehend mit aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen zu bewerben und das Ergebnis der Bemühungen mitzuteilen habe. In der beigefügten Rechtsfolgenbelehrung wurde u.a. ausgeführt: "Wenn Sie sich weigern, die Ihnen mit diesem Vermittlungsvorschlag angebotene Tätigkeit aufzunehmen (Arbeitsablehnung), wird das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II um einen Betrag in Höhe von 30% der für Sie maßgebenden Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts abgesenkt ... Ein solcher Pflichtverstoß liegt auch vor, wenn Sie die Aufnahme der angebotenen Tätigkeit durch negatives Bewerbungsverhalten vereiteln. Die Leistungskürzung tritt nicht ein, wenn Sie einen wichtigen Grund für Ihre Weigerung (Pflichtverstoß) nachweisen können. Irrtümer bei der Beurteilung des wichtigen Grundes gehen zu Ihren Lasten. Absenkung und Wegfall dauern drei Monate (Sanktionszeitraum) und beginnen mit dem Kalendermonat nach Zugang des entsprechenden Bescheides."

Der Kläger bewarb sich am 21. Januar 2010 per E-Mail und wies hierbei ausdrücklich darauf hin, dass es sich um eine Bewerbung auf Anordnung des Jobcenters handele, die ansonsten nicht stattgefunden hätte. Aufgrund eines Pflegefalles in seiner Familie sei er seit längerem außerstande, eine Stelle anzutreten, weder in Voll- noch in Teilzeit. Mit E-Mail vom 5. Februar 2010 erhielt der Kläger gleichwohl von der Firma A. die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch im D. Gartencenter am 9. Februar 2010. Mit weiterer E-Mail vom 8. Februar 2010 wurde präzisiert, dass die Gespräche von 9 bis 12 Uhr im D. Gartencenter in der dortigen Filiale und ab 14 Uhr im Sc. in Center in K ... in der dortigen Filiale stattfänden. Mit der Bitte um Rückmeldung und Terminierung wurde eine Telefonnummer angegeben. Der Kläger reagierte hierauf nicht.

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens hinsichtlich des Eintritts einer Sanktion äußerte der Kläger im März 2010, er habe sich fristgerecht beworben, aber keine Antwort erhalten.

Mit Bescheid vom 8. März 2010 senkte die Beklagte das Arbeitslosengeld II des Klägers für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni 2010 um 30 v.H. der maßgebenden Regelleistung ab und hob die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung insoweit gemäß § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2010 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 21. Mai 2010 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage (S 6 AS 2193/10). Zur Begründung führt der Kläger aus, er habe von der Bäckerei A. wohl am 5. Februar 2010 eine Antwort erhalten, es sei jedoch nicht erkennbar gewesen, dass diese von der Bäckerei A. gestammt habe, weshalb er nicht reagiert habe. Im Vermittlungsvorschlag sei eine Frau A.-O. als Ansprechpartnerin genannt worden, nicht aber ein Herr K., von dem die E-Mail vom 5. Februar 2010 gestammt habe. Außerdem sei von einem Vorstellungsgespräch in einem D. Gartencenter die Rede gewesen, dort habe er sich aber nicht beworben.

Mit Schreiben vom 29. März 2010 wurde dem Kläger ein weiterer Vermittlungsvorschlag für eine Tätigkeit als Nachtportier im 14tägigen Wechsel für den Nachtdienst an der Hotelrezeption des Hotels B. H. freitags oder samstags nachts zugesandt. Auch dieser Vermittlungsvorschlag enthielt den Hinweis, dass sich der Kläger umgehend per E-Mail bewerben bzw. alternativ einen Vorstellungstermin vereinbaren sowie das Ergebnis seiner Bemühungen mitteilen solle. Seine Antwort werde bis 26. April 2010 erwartet. Beigefügt war eine Rechtsfolgenbelehrung, in der neben allgemeinen Ausführungen zu Sanktionen bei der Verletzung von Grundpflichten darauf hingewiesen wurde, dass bei einem weiteren Pflichtverstoß das Arbeitslosengeld II für die Dauer von drei Monaten um 60% abgesenkt werde, da der Anspruch innerhalb der Jahresfrist bereits mit Bescheid vom 8. März 2010 einmal gemindert worden sei.

Nachdem die Beklagte vom Arbeitgeber am 16. April 2010 auf telefonische Nachfrage erfahren hatte, dass sich der Kläger nicht auf die Stelle als Nachtportier beworben habe, hörte sie den Kläger zu einer erneuten Absenkung des Arbeitslosengelds II an. Der Kläger äußerte sich nicht. Mit Bescheid vom 14. Mai 2010 senkte die Beklagte die Regelleistung für die Zeit vom 1. Juni bis 30. August 2010 um 60 v.H. ab und hob die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung insoweit gemäß § 48 Abs. 1 SGB X auf. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass auf Antrag in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen, insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen, gewährt werden könnten. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2010 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 25. August 2010 zum SG erhobene Klage (S 6 AS 3556/10). Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, dass er nicht über die erforderlichen Grundkenntnisse für eine Tätigkeit als Nachtportier verfüge. Überdies sei die Bewerbungsfrist zum Zeitpunkt des Anhörungsschreibens vom 16. April 2010 noch gar nicht abgelaufen gewesen, eine Bewerbung seinerseits wäre noch erfolgt. Außerdem entspreche der im Absenkungsbescheid erfolgte Hinweis auf ergänzende Sachleistungen nicht den gesetzlichen Erfordernissen, Ermessen sei nicht erkennbar.

Das SG hat die beiden Klagen mit Beschluss vom 22. September 2010 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 6 AS 2193/10 verbunden. Sodann hat es mit Urteil vom 19. Oktober 2010 die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Ermächtigungsgrundlage für die Absenkung der Regelleistung sei § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Danach werde das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigere, u.a. eine zumutbare Arbeit aufzunehmen (Nr. 1c der Vorschrift). Dies gelte nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweise (§ 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Die Voraussetzungen für die Absenkung seien erfüllt. Der Kläger habe sich durch sein Verhalten trotz ordnungsgemäßer Rechtsfolgenbelehrung konkludent geweigert, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen. Zwar habe er sich beworben, sei aber auf Einladung nicht zum Vorstellungsgespräch erschienen. Hierfür habe er keinen wichtigen Grund gehabt. Soweit er zwischenzeitlich einräume, die E-Mail vom 5. Februar 2010 erhalten jedoch nicht erkannt zu haben, dass es sich um eine E-Mail der Bäckerei A. gehandelt habe, sei darauf hinzuweisen, dass in der Absenderzeile die D. A.-b.shop.de erkennbar sei. Soweit der Kläger ausführe, ihm sei die Person des Absenders, Herr K., nicht bekannt gewesen, begründe dies ebenfalls keinen wichtigen Grund für die Nichtvorstellung. Es sei durchaus üblich, dass eingehende Bewerbungsschreiben zunächst von dem zuständigen Personalreferenten beantwortet würden. Dass die Vorstellungsgespräche im D. Gartencenter stattfinden sollten, sei ebenfalls unschädlich. Für den Kläger hätte ersichtlich sein müssen, dass es sich nicht um eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräche der Firma D. Gartencenter, sondern der Bäckerei A. gehandelt habe, lediglich im Gebäudekomplex des Gartencenters. Schließlich sei durch die E-Mail vom 8. Februar 2010 nochmals klargestellt worden, dass es sich um Vorstellungsgespräche in der Filiale beim Gartencenter gehandelt habe.

Auch hinsichtlich des Absenkungsbescheids vom 14. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2010 lägen die Voraussetzungen für eine Absenkung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II vor. Der Kläger habe sich auch in diesem Fall konkludent geweigert, eine ihm zumutbare Arbeit aufzunehmen. Er habe sich auf den Vermittlungsvorschlag vom 29. März 2010 trotz ordnungsgemäßer Rechtsfolgenbelehrung nicht umgehend beworben. Ein wichtiger Grund liege nicht vor. Dem Vermittlungsvorschlag sei deutlich zu entnehmen, dass die Bewerbung umgehend zu erfolgen habe und lediglich das Ergebnis der Bewerbungsbemühungen bis 26. April 2010 mitzuteilen sei. Eine Bewerbungsfrist bis 26. April 2010 sei nicht eingeräumt worden. Soweit der Kläger ausführe, dass er nicht über die notwendigen Kenntnisse verfüge, sei der dem Vermittlungsvorschlag beigefügten Stellenbeschreibung zu entnehmen, dass eine Berufsausbildung für die Tätigkeit nicht nötig sei, sondern eine Anlernphase durch den Arbeitgeber vorgesehen sei. Im Übrigen habe der Bescheid einen Hinweis auf ergänzende Leistungen enthalten. Bei der Entscheidung i.S.v. § 31 Abs. 1 SGB II handele es sich nicht um eine Ermessensentscheidung, so dass die Beklagte nicht gehalten gewesen sei, Ermessen auszuüben. Eine Ermessensentscheidung über ergänzende Sachleistungen gemäß § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II sei mit dem angefochtenen Sanktionsbescheid nicht getroffen worden und daher nicht Streitgegenstand.

Gegen das ihm am 19. November 2010 zugestellte Urteil richtet sich die am 16. Dezember 2010 eingelegte Berufung des Klägers. Zur Begründung trägt er vor, es sei nicht erkennbar gewesen, dass die E-Mail vom 5. Februar 2010 von der Bäckerei A. gestammt habe. Der Absender zeige sich nur dann, wenn er sie mit Outlook Express ausdrucke, was er getan habe, als er die Klage formuliert habe. Ansonsten drucke er E-Mails niemals aus, habe daher nicht gewusst, dass eine mit Outlook ausgedruckte E-Mail anders aussehe als das, was man am Bildschirm sehe. Soweit das SG ausführe, der Arbeitgeber habe selbst einen Ausdruck der Kopfzeile einer entsprechenden Mail bei der Beklagten vorgelegt, müsse sich dies auf die Antwort des Herrn K. an die Beklagte beziehen. In der Tat sei dort die Absender-Domain zu erkennen, was jedoch keinerlei Bedeutung habe. Für die E-Mail vom 8. Februar 2010 gelte das Gleiche. Diese E-Mails seien keiner der laufenden Bewerbungen zuzuordnen gewesen, weshalb er sie als obskur bzw. fehlgeleitet habe ansehen müssen. Da sich dem Begriff "umgehend" kein Datum zuordnen lasse, die Beklagte aber selbst mit dem 26. April 2010 ein Datum genannt habe, sei er davon ausgegangen, dass er sich mit seiner Bewerbung bis zum 26. April 2010 habe Zeit lassen können. Unstreitig sei ihm mit seinem Antwort nicht bis zum 26. April 2010 Zeit gelassen worden, man habe bereits am 16. April 2010 auf ihn geschossen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Oktober 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 8. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. April 2010 und vom 14. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juli 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die der Senat nach erteiltem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Ziel der Klage ist der Anspruch auf ungeminderte Leistungen, die dem Kläger für März bis August 2010 bereits mit Bescheid vom 20. Januar 2010 bewilligt worden waren. Richtige Klageart ist daher ausschließlich die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG (vgl. Bundessozialgericht (BSG), BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr. 2).

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide misst sich an § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche Änderung tritt ein, wenn die Voraussetzungen des § 31 SGB II für eine Absenkung des Arbeitslosengelds II vorliegen (vgl. BSGE 102, 201, 211 = SozR 4-4200 § 16 Nr. 4). Dies ist hier der Fall. Dabei bedarf es als Voraussetzung für die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung keines vorgeschalteten, zusätzlichen feststellenden Verwaltungsakts (vgl. BSG SozR 4-4200 § 31 Nr. 3).

Die Sanktionsbescheide waren inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs. 1 SGB X). Das Bestimmtheitserfordernis - eine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung - verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen muss, sein Verhalten daran auszurichten. Mithin muss aus dem Verfügungssatz für die Beteiligten vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will. Insoweit kommt dem Verfügungssatz des Verwaltungsakts Klarstellungsfunktion zu (vgl. BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 46 S. 384 m.w.N.). Unbestimmt i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nur dann, wenn sein Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei ist und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der Verständnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage ist, sein Verhalten daran auszurichten (vgl. BSG SozR 3-4100 § 242q Nr. 1; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 46). Unschädlich ist, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl. BSG SozR 4-2600 § 96a Nr. 9). Nach diesen Maßstäben waren die Aufhebungsbescheide hinreichend bestimmt. Zwar verfügte die Beklagte jeweils, dass sich der monatliche Absenkungsbetrag in den genannten Zeiträumen auf 30% bzw. 60% der Regelleistung belaufe. Damit brachte die Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck, dass dem Kläger Leistungen nicht mehr in unveränderter Höhe zustehen sollten. Dem Verfügungssatz konnte der Kläger unter Hinzuziehung des Bewilligungsbescheides durch einfache Rechenoperationen auch ohne Weiteres den für ihn maßgebenden konkreten Absenkungsbetrag entnehmen. Für den Kläger war somit ausreichend und in nachvollziehbarer Weise erkennbar, dass und in welchem Umfang aufgrund des Sanktionsereignisses Zahlungen von Alg II ab dem 1. April 2010 bzw. 1. Juni 2010 erfolgen sollten. Die angefochtenen Bescheid machen auch deutlich, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid insoweit aufgehoben werde (vgl. BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr. 2; SozR 4-4200 § 31 Nr. 3 und BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 - B 14 AS 92/09 R - (juris)).

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen. Bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung nach Absatz 1 wird das Arbeitslosengeld II um 60 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung gemindert.

Der Kläger hat sich vorliegend geweigert, eine Arbeit anzunehmen. Weigern bedeutet regelmäßig die vorsätzliche, ausdrückliche oder stillschweigende, schriftlich, mündlich oder in anderer Weise dem Leistungsträger oder dem Arbeitgeber zum Ausdruck gebrachte fehlende Bereitschaft, sich an die durch das Gesetz auferlegte Pflicht zu halten. Die Aufnahme der Tätigkeit kann mithin auch durch konkludentes Verhalten verweigert werden (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010, a.a.O.).

Bezüglich der Stelle als Bäckereiverkäufer liegt ein vorwerfbares Fehlverhalten schon in dem ersten Anschreiben an die Arbeitgeberin, in dem der Kläger ausführt, dass er sich nur auf Druck der Beklagten bewerbe und die Stelle ohnehin nicht antreten könne. Anschließend hat er auf zwei E-Mails betreffend eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch nicht reagiert. Die Behauptung, er habe den Absender der E-Mail nicht erkannt und diese daher keinem konkreten Bewerbungsverfahren zuordnen können, entlastet den Kläger nicht. Sollte ihn die Nennung des Herrn K. als Verfasser der Einladung zum Vorstellungsgespräch tatsächlich irritiert haben, hätte er durch einen einfachen Telefonanruf die Angelegenheit ohne Weiteres klären können.

Bezüglich der Stelle als Nachtportier hat sich der Kläger überhaupt nicht erst beworben. Ein Anruf der Beklagten bei der Arbeitgeberin am 16. April 2010 hat dies ergeben. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, eine Weigerung seinerseits liege nicht vor, da die "Bewerbungsfrist" noch nicht abgelaufen gewesen sei. Eine derartige Frist wurde mit dem Vermittlungsvorschlag eindeutig nicht eingeräumt, wie bereits das SG ausführlich dargestellt hat. Der Kläger, der sich selbst als Schriftsteller und selbstständigen Publizisten bezeichnet, war - wie sich seinen schriftsätzlichen Äußerungen entnehmen lässt - ohne weiteres in der Lage, die sprachliche Differenzierung zwischen der unverzüglich erforderlichen Bewerbung und der für seine Äußerung über den Erfolg seiner Bewerbungsbemühungen gegenüber der Beklagten auf den 26. April 2010 gesetzten Frist zu verstehen. Auch insoweit liegt daher einer Weigerung vor, eine Arbeit aufzunehmen.

In beiden Fällen bestehen auch keine Bedenken gegen die Zumutbarkeit der angebotenen Stellen. Grundsätzlich ist dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen jede Arbeit zumutbar (§ 10 Abs. 1 SGB II), insbesondere kann er sich nicht darauf berufen, dass sie nicht seiner früheren beruflichen Tätigkeit oder seiner Ausbildung entspricht (§ 10 Abs. 2 SGB II). Der Kläger kann sich auch nicht auf das Recht der Freiheit der Berufswahl nach Art. 12 Grundgesetz berufen, um seine Tätigkeit als freier Schriftsteller ausüben zu können, ohne seine Arbeitskraft dafür einsetzen zu müssen, den eigenen Lebensunterhalt zu sichern (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Dieses Grundrecht ist ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe oder Zugangsbeschränkungen, nicht jedoch die Grundlage für eine Förderpflicht (vgl. BSG SozR 4100 § 36 Nr. 21). Ebenso steht der Zumutbarkeit der Tätigkeiten nicht entgegen, dass der Kläger seine Mutter pflegen müsste, die ebenfalls in Karlsruhe lebt (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 SGB II). Nach der ärztlichen Bescheinigung des die Mutter behandelnden Arztes Dr. Rauh vom 28. Mai 2009 leidet diese immer wieder an zyklischen depressiven Schwankungen und benötigt dann die Betreuung durch Vertrauenspersonen oder Familienangehörige. Noch deutlicher wird in der Bescheinigung desselben Arztes vom 6. September 2007 ausgeführt, dass es in Abständen von Wochen bis Monaten immer wieder zu depressiven Schwankungen mit entsprechenden psychischen Symptomen komme. Eine Pflegestufe ist nicht anerkannt. Nach alledem steht auch einer Vollzeitbeschäftigung nicht entgegen, dass sich der Kläger um seine Mutter kümmern muss, wenn diese in schlechter psychischer Verfassung ist. Hinsichtlich der Tätigkeit als Nachtportier kann der Kläger nicht einwenden, er verfüge über keine entsprechenden Kenntnisse, denn nach der Stellenbeschreibung waren Vorkenntnisse ausdrücklich nicht gefordert, sondern eine Einarbeitung durch den Arbeitgeber vorgesehen.

Beide Vermittlungsvorschläge waren mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehen. Nach der Rechtsprechung des BSG setzt die Festsetzung von Sanktionen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II voraus, dass der Hilfebedürftige über die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung konkret, verständlich, richtig und vollständig belehrt worden ist. Dabei muss die Belehrung zeitnah im Zusammenhang mit dem jeweils geforderten Verhalten erfolgen und dem Hilfebedürftigen in verständlicher Form erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der Weigerung des geforderten Verhaltens für ihn ergeben, wenn für diese kein wichtiger Grund vorliegt (vgl. BSGE 105, 297 = SozR 4-4200 § 31 Nr. 5 m.w.N.). Diesen Ausführungen genügt die mit dem Vermittlungsvorschlag vom 4. Januar 2010 übersandte Rechtsfolgenbelehrung. Sie bezieht sich ausdrücklich auf die konkreten Rechtsfolgen bei der Nichtannahme der angebotenen Arbeit. Die Rechtsfolgen einer wiederholten Pflichtverletzung wurden dem Kläger nicht nur durch die Rechtsfolgenbelehrung anlässlich des Vermittlungsvorschlags vom 29. März 2010 vor Augen gehalten, sondern waren ausdrücklich auch in dem Absenkungsbescheid vom 8. März 2010 als Hinweis enthalten. Der Kläger konnte somit ohne weiteres die Konsequenzen der Verweigerung der Annahme der angebotenen Stellen, auch im Wiederholungsfalle, erkennen.

Wichtige Gründe für die Weigerungen der Aufnahme einer zumutbaren Arbeit liegen nicht vor. Anhaltspunkte für weitere berechtigte Interessen des Klägers in Abwägung mit entgegen stehenden Belangen der Allgemeinheit ergeben sich über die bereits oben abgehandelten Argumente der schriftstellerischen Tätigkeit und der Pflege der Mutter nicht.

Die Absenkung um 60 v.H. wegen der wiederholten Weigerung der Aufnahme einer zumutbaren Arbeit war hier auch möglich, da die vorangegangene Sanktion bereits mit Bescheid vom 8. März 2010 festgestellt worden war. Die Voraussetzung, eine wiederholte Pflichtverletzung mit einem erhöhten Absenkungsbetrag nur dann anzunehmen, wenn eine vorangegangene Pflichtverletzung mit einem Absenkungsbescheid der niedrigeren Stufe sanktioniert und dem Hilfebedürftigen zugestellt worden ist, folgt aus der Systematik des § 31 SGB II. Denn die Sanktionierung durch Festlegung eines erhöhten Absenkungsbetrags soll erst greifen, wenn dem Hilfebedürftigen durch den vorangegangenen Sanktionsbescheid mit einer Minderung in der niedrigeren Stufe die Konsequenzen seines Verhaltens vor Augen geführt worden sind (vgl. BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 27/10 R - (juris)).

Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht unter dem Gesichtspunkt zu beanstanden, dass dem Kläger zugleich mit der Absenkung noch keine konkreten ergänzenden Sachleistungen bewilligt worden waren. Nach § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II kann bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II um mehr als 30 v.H. der nach § 20 maßgebenden Regelleistung der zuständige Träger in angemessenem Umfang ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbringen. Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Erbringung ergänzender Sachleistungen insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen im Sanktionsbescheid vom 14. Mai 2010 wird dem Gesetzeszweck der Vorschrift Genüge getan (vgl. Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. August 2009 - L 5 AS 287/09 B ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 16. November 2009 - L 5 AS 365/09 B ER und vom 10. Dezember 2009 - L 9 B 51/09 AS ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 8. November 2010 - L 29 AS 1420/10 B ER - und vom 6. Dezember 2010 - L 29 AS 1852/10 B -; s. auch BSG, Urteil vom 9. November 2010 - B 4 AS 27/10 R -; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21. April 2010 - L 13 AS 100/10 B ER -; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5. Januar 2011 - L 2 AS 428/10 B ER - (alle juris)). Auf diese Weise wird sichergestellt, dass auch unterhalb des Bezugs der Grundsicherung nach dem SGB II eine letzte Grundversorgung aufrecht erhalten wird, die verhindert, dass der Hilfebedürftige in seiner Existenz gefährdet wird (vgl. Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 31 Rdnr. 51). Von dieser Möglichkeit hat der Kläger im Zeitraum Juni bis August 2010 - wie auch schon wiederholt in der Vergangenheit - Gebrauch gemacht und Lebensmittelgutscheine beantragt und erhalten.

Die Sanktionsbescheide sind nach alledem rechtmäßig und nicht zu beanstanden. Soweit noch zu prüfen ist, ob der Kläger sein Klageziel - ungekürzte Leistungen in der ursprünglich bewilligten Höhe - nicht auf andere Weise erreichen kann (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 - B 14 AS 92/09 R - (juris)), ergibt diese Prüfung, dass dem Kläger für den hier streitigen Zeitraum 1. April bis 31. August 2010 auch nicht aus anderen rechtlichen Gründen höhere als die abgesenkten Leistungen zustanden. Die für den Kläger zutreffende Regelleistung von 359 EUR wurde ohne Anrechnung von Einkommen zugrunde gelegt und die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung wurden berücksichtigt. Anspruch auf weitere Leistungen, insbesondere für Mehrbedarfe i.S.v. § 21 SGB II oder den Zuschlag nach § 24 SGB II hatte der Kläger im hier streitigen Zeitraum nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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