L 12 AS 1574/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 4448/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1574/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 02. März 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01. November 2009 bis zum 30. April 2010 streitig.

Die 1958 geborene, alleinstehende Klägerin bezieht seit 01. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der Beklagten. Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden gesondert durch den kommunalen Träger, den R.-N.-K., erbracht.

Auf Fortzahlungsantrag bewilligte die Beklagte der erwerbsfähigen Klägerin, die über kein Einkommen und Vermögen verfügte, mit Bescheid vom 06. Oktober 2009 für die Zeit vom 01. November 2009 bis zum 30. April 2010 Arbeitslosengeld II (ALG II) in Höhe von monatlich 359,- EUR. Die Beklagte verwarf den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin als unzulässig (Widerspruchsbescheid vom 26. November 2009), fasste ihr Widerspruchschreiben vom 16. November 2009 als Überprüfungsantrag auf und lehnte diesen mit Bescheid vom 26. November 2009 ab. Der dagegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04. Dezember 2009).

Hiergegen hat die Klägerin am 23. Dezember 2009 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) eingelegt und im Wesentlichen die Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelleistung gerügt. Die Höhe des Regelsatzes schütze das physiologische und soziologische Existenzminimum der Klägerin nachweislich nicht. Das Bundesverfassungsgericht erachte den Kinderregelsatz für verfassungswidrig zu niedrig. Für Erwachsene lägen dem Bundesverfassungsgericht ebenfalls Verfassungsbeschwerden vor. Die Beklagte habe nicht geprüft, ob der Regelsatz das physiologische und soziokulturelle Existenzminimum tatsächlich decke und habe sich über das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 29. Oktober 2008, L 6 AS 336/07 hinweggesetzt. Die in der Regelsatzverordnung angesetzten Beträge seien vollkommen unzulänglich und keinesfalls kostendeckend. Die Regelsatzverordnung berücksichtige nicht die zum 01. Januar 2007 erfolgte Mehrwertsteuererhöhung sowie inflationsbedingte Preissteigerungen. Die Klägerin hat den zur Deckung ihres Bedarfs erforderlichen Betrag mit 781,- EUR beziffert. Ihre Aufwendungen für Strom, Telefon, Internet, Tages- und Fachzeitschriften, Kino- und Theaterbesuche, Mitgliedschaftsbeiträge (Sportverein, Stadtbibliothek, Gewerkschaft, Mietverein), öffentliche Verkehrsmittel, Versicherungen, Gesundheitsfürsorge, Bekleidung und Schuhe, Friseur, Fußpflege, Schuhmacher, Schneider, Handwerker, die Inanspruchnahme von Beherbergungs- und Gaststättenbetrieben, Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren, Möbel und Haushaltsgeräte würden nicht hinreichend durch die Regelleistung gedeckt. Sie - die Klägerin - können ihre Fixkosten nicht mehr bezahlen. Sie gerate zunehmend in eine Schuldenspirale. Der Schuldenberg erhöhe sich von Monat zu Monat; im November 2009 habe sie erneut eine eidesstattliche Versicherung abgeben müssen.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02. März 2010 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Änderung des Bewilligungsbescheides vom 06. Oktober 2009 dahingehend, dass ihr höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen wären. Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. Die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 SGB X lägen nicht vor, da der Bewilligungsbescheid vom 06. Oktober 2009 den Vorgaben des SGB II für den streitigen Bewilligungszeitraum entspreche. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 09. Februar 2010 § 20 Abs. 2, 1. Halbsatz und Abs. 3 Satz 1 SGB II mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber verpflichtet, die Regelleistung in einem verfassungsgemäßen Verfahren bis 31. Dezember 2010 neu festzusetzen. Jedoch habe das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung darüber hinaus darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet sei, die Leistungen rückwirkend für Zeit seit Inkrafttreten des SGB II am 01. Januar 2005 neu festzusetzen. Darüber hinaus habe das Bundesverfassungsgericht betont, dass aktuell bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber die bisherigen Regelungen zunächst fortgelten würden. Für den streitigen Bewilligungszeitraum von 01. November 2009 bis 30. April 2010 habe die Beklagte die der Klägerin zustehende Regelleistung daher zutreffend mit 359,- EUR beziffert. Bei den von der Klägerin im einzelnen konkretisierten Positionen, die ihrer Auffassung nach zu Unrecht nicht berücksichtigt worden seien, handele es sich nicht um einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf, für den bereits in der Übergangszeit wegen einer Verletzung von Art. 1 Abs. 1 i. V. mit Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz zusätzliche Leistungen bewilligt werden müssten. Diesbezüglich habe das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass entsprechende Bedarfe nur in atypischen Lebenslagen anfallen könnten. Bei den Positionen für Tageszeitungen, Mitgliedschaft im Sportverein, Ausgaben für eine Fachzeitschrift und dem Jahrespass für die Stadtbibliothek handele es sich nicht um entsprechende unabweisbare, laufende, nicht nur einmalige besondere Bedarfe, sodass sich auch hieraus ein höherer Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht begründen lasse. Auch der Antrag, das Verfahren gem. Art. 100 Grundgesetz auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Normenkontrolle vorzulegen, bleibe erfolglos. Die von der Klägerin für klärungsbedürftig gehaltenen Fragen habe das Bundesverfassungsgericht mit dem zitierten Urteil bereits umfänglich behandelt.

Gegen den ihr am 05. März 2010 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 06. April 2010 (Dienstag nach Ostern) eingelegte Berufung der Klägerin. Am 09. Februar 2010 habe das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Regelsatzverordnung verfassungswidrig sei. Die Einwertungen in den einzelnen Abteilungen der Regelsatzverordnung seien zu niedrig. Die Höhe der Regelsatzverordnung ermögliche keine Teilhabe an der Gesellschaft und sichere nicht einmal das physiologische Existenzminimum. Das Gericht habe festgestellt, dass die falschen Referenzgruppen herangezogen worden seien und Warenkorb- und Statistikmodell keine verlässlichen Werte für die Festlegung der unabweisbaren Bedarfe lieferten. Der Gesetzgeber habe die Kosten für die Krankenversorgung, Versicherungsleistungen, Mehrwertsteuer, Bildung, Inflationsrate und Preissteigerungen vergessen. Das Bundesverfassungsgericht habe darauf hingewiesen, dass höhere Bedarfe geltend gemacht werden könnten. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stelle nur eine Teilabhilfe des bisherigen Justizunrechts gegenüber allen Empfängern staatlicher Transferleistungen dar. Die rückwirkende Anhebung der Regelsatzverordnung gemessen an den tatsächlichen Bedarfen werde einem künftigen Urteil vorbehalten bleiben. Es könne nicht angehen, dass ohne nachvollziehbare Begründung die Nachzahlungspflicht für staatliche Leistungen entfalle. Die Regelsatzverordnung sei verfassungswidrig. Die finanzielle Ausstattung sei sechs Jahre zu niedrig gewesen, daher seien Rückzahlungen für den Zeitraum zu erbringen, um die Bedarfsunterdeckung bei den Hilfeempfängern und deren weitere Verschuldung zu beseitigen. Es bestehe ein überwiegendes Gemeinwohlinteresse daran, dass 10 Millionen Menschen existenzsicherende Regelsätze für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erhielten, damit das grundgesetzlich gewährleistete Existenzminimum gesichert sei. Ein überwiegender Vertrauensschutz der Bundesregierung, dass keine Geldleistungen bis zum 01. Januar 2011 zu erbringen seien, bestehe nicht. Die Bundesregierung habe aufgrund der finanziellen Geldnöte der Banken und Versicherungen einen Schutzschirm von 500 Milliarden innerhalb von einer Woche bewilligt. Auch bei den Empfängern von staatlichen Transferleistungen bestünden Geldnöte, die behoben werden könnten. Gleiche Sachverhalte seien nach Art. 3 Grundgesetz gleich zu behandeln. Bei den von ihr im einzelnen dargelegten Bedarfen handele es sich nicht um atypische, sondern um typische Bedarfe. Der Gerichtsbescheid des SG sei in Verweigerung des rechtlichen Gehörs ergangen. Es habe keine mündliche Verhandlung stattgefunden. Das SG habe die Klageschrift nicht sorgfältig ausgewertet und sei zu unzutreffenden Bewertungen gekommen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 02. März 2010 aufzuheben, 2. unter Aufhebung des Bescheids vom 26. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. Dezember 2009 die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 06. Oktober 2009 für die Zeit vom 01. November 2009 bis zum 30. April 2010 zurückzunehmen und der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 781,- EUR zu gewähren. 3. Die Rechtssache gemäß Art. 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zwecks Normenkontrolle vorzulegen, da die Geldbeträge in den einzelnen Abteilung der RSV nicht existenzdeckend sind und existenznotwendige Leistungen ergänzend in der RSV fehlen und die Bedarfsunterdeckung, Nichtsicherung des physiologischen und soziologischen Existenzminimums gegen Art. 1 Abs. 1 und 3, 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 und 80 Abs. 1 GG verstößt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG).

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet der Bescheid vom 26. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. Dezember 2009, mit dem die Beklagte die teilweise Rücknahme des bestandskräftigen Bewilligungsbescheides vom 06. Oktober 2009 sowie die Gewährung höheren ALG II für den Bewilligungsabschnitt vom 01. November 2009 bis zum 30. April 2010 abgelehnt hat.

3. Der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. Dezember 2009 stellt sich als rechtmäßig dar. § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. mit § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften des besonderen Teils dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X), wobei § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der seit dem 01. April 2011 geltenden Fassung durch Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Bundesgesetzblatt I, S. 850 ff.) auf den bereits im November 2009 gestellten Überprüfungsantrag keine Anwendung findet (§ 77 Abs. 13 SGB II).

Der zu überprüfende Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 06. Oktober 2009 war nicht anfänglich, d.h. nach der im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe gegebenen Sach- und Rechtslage, rechtswidrig im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, denn die Klägerin hatte bei Erlass des Bewilligungsbescheides keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Zwar war die Klägerin Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II, weil

sie das 15. Lebensjahr vollendet, nicht jedoch die Altersgrenze nach § 7 a SGB II erreicht hatte, erwerbsfähig und in den streitigen Zeitraum auch durchgehend hilfebedürftig war (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Jedoch ist der Klägerin, wie das SG im Gerichtsbescheid vom 02. März 2010 zurecht festgestellt hat, ALG II in der gesetzlichen Höhe bewilligt worden. Insofern nimmt der Senat auf die Darlegungen des SG Bezug und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

4. Ergänzend weist der Senat im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren darauf hin, dass ein wesentlicher Verfahrensfehler, der zur Zurückweisung an das SG nach § 159 Abs. 1 SGG führen könnte, nicht vorliegt. Der geltend gemachte Verfahrensmangel, das SG habe den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 GG verletzt, ist nicht ersichtlich. Das Gericht ist im Rahmen des rechtlichen Gehörs nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen auch in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Insbesondere ist es nicht verpflichtet, auf sämtliche Tatsachen und Rechtsansichten einzugehen, die im Laufe eines Verfahrens von der einen oder der anderen Seite zur Sprache gebracht worden sind (BVerfGE 96, 205; BSG, Beschluss vom 05. Oktober 2010 - B 8 SO 62/10 B -). Ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör gemäß § 62 SGG, Art. 103 Abs. 1 GG kann nicht angenommen werden, wenn das Gericht Ausführungen eines Beteiligten unerwähnt lässt, die nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich und offensichtlich haltlos sind (BSG, a.a.O.). Danach war das SG nicht verpflichtet, ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt, eine rückwirkende Gewährung höherer Leistungen komme aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010 nicht in Betracht, sich mit den ausführlichen Darlegungen der Klägerin zu ihrem Bedarf auseinanderzusetzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Gericht den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und mit in seine Erwägung einzubeziehen hat. Dieses ist grundsätzlich anzunehmen, wenn das Gericht den Vortrag entgegengenommen hat (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008, § 62 Rdnr. 7). In den Entscheidungsgründen muss nicht zu den vorgetragenen Ausführungen Stellung genommen werden. Das SG hat in den Entscheidungsgründen die den Gerichtsbescheid aus seiner Sicht tragenden Umstände dargelegt und damit hinreichend den Vortrag der Klägerin berücksichtigt.

Das SG durfte auch ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, nachdem es die Beteiligten zu der beabsichtigten Verfahrensweise gehört und ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme gegeben hatte. Das Einverständnis der Klägerin zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist nach der Verfahrensordnung nicht erforderlich. Selbst wenn das SG wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache mit Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht hätte entscheiden dürfen, was im Hinblick auf die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) geklärten Fragen eher fernliegend erscheint, wäre der Senat gem. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG zwar befugt, nicht aber verpflichtet, die Sache an das SG zurückzuverweisen (bspw. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 - B 8/9 b AY 1/07 R -). Nach dieser Vorschrift steht eine Zurückweisung an das SG im Ermessen des Senats, wobei die Zurückweisung die Ausnahme sein sollte (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl. 2008, § 159 Rdnr. 5a). Unter Beachtung der Tatsache, dass die Sache entscheidungsreif ist, keine Ermittlungen mehr durchzuführen sind, das Berufungsverfahren bereits seit April 2010 anhängig ist und die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 10. Juni 2011 vor dem Senat die Gelegenheit hatte, ihren Standpunkt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern, würde hier das Interesse an einer Entscheidung durch den Senat überwiegen und wäre von einer Zurückverweisung der Sache an das SG nach § 159 SGG abzusehen.

Auch in der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte verfassungswidrige Ermittlung der Regelleistung (vgl. Urteil vom 09. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 -) führt nicht dazu, dass die Klägerin eine höhere Regelleistung verlangen kann. Denn das Bundesverfassungsgericht konnte gerade nicht feststellen, dass die gesetzlich festgesetzten Regelleistungsbeträge unzureichend sind, daher sah es den Gesetzgeber nicht unmittelbar von Verfassungs wegen als verpflichtet an, für die Zeit ab Inkrafttreten des SGB II ab 01. Januar 2005 höhere Leistungen festzusetzen. Da die Vorschriften des SGB II weiterhin anwendbar sind und der Gesetzgeber nach den Ausführungen in den Urteilsgründen nicht zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet ist, steht fest, dass es bei dem im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund von § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II festgesetzten Regelleistungsbetrag bleibt und die Klägerin mit ihrem Begehren auf höhere Leistungen nicht durchdringen kann (bspw. BVerfG, Beschluss vom 24. März 2010 - 1 BvR 395/09 -). Dies hat das Bundesverfassungsgericht bereits im Verhältnis zwischen den Beteiligten im Nichtannahmebeschluss vom 18. Februar 2010 (1 BvR 1523/08) hinsichtlich des Bewilligungszeitraumes vom 01. Januar bis zum 31. Oktober 2005 ausdrücklich entschieden. Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderungen des Zweiten und Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch vom 13. Mai 2011 (Bundesgesetzblatt I, S. 453 ff.) den Regelbedarf für alleinstehende Personen auf monatlich 364,- EUR festgesetzt, ohne jedoch eine Änderung für die Vergangenheit vorzunehmen. Für eine Vorlage gem. Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht besteht unter diesen Umständen keinerlei Anlass.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160, Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved