S 20 SO 169/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 20 SO 169/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
G e r i c h t s b e s c h e i d:

I. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.9.2008 verurteilt, dem Kläger Leistungen nach dem SGB XII unter Berücksichtigung monatlicher Kosten für Unterkunft i.H.v. 371.- EUR sowie zusätzlicher Kosten für Unterkunft und Heizung für Oktober 2008 i.H.v. 78,73 EUR zu gewähren.
II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten sind dem Kläger zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger für den Bewilligungszeitraum ab 1.4.2008 (bis auf weiteres) Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 29 SGB XII (Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch) hat.

Der am 17.11.1961 geborene Kläger lebt in einer 47 qm großen 2-Zimmer-Wohnung am T. in Nürnberg, die seit 1965 bezugsfertig ist. Für seine Wohnung fällt eine monatliche Nettokaltmiete i.H.v. 303,15 EUR an. Die Heizkostenvorauszahlung betrug zunächst monatlich 35.- EUR, die Betriebskostenvorauszahlung 67,85 EUR. Zum 1.3.2008 erhöhte der Vermieter die Heizkosten auf 40.- EUR, die Betriebskosten auf 119,85 EUR.

Mit Bewilligungsbescheid vom 14.04.2008 gewährte die Beklagte dem Kläger beginnend ab dem Monat April 2008 bis auf weiteres laufende Leistungen nach SGB XII - Drittes Kapitel in Höhe von monatlich 838,61 EUR. Laut dem Bescheid beigefügtem Berechnungsbogen berücksichtigte die Beklagte dabei als Kosten der Unterkunft Mietkosten in Höhe von monatlich 322.- EUR (Mietobergrenze für Wohnungen mit dem Baujahr 1960 -1976) sowie Heizkosten in Höhe von monatlich 35.- EUR.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 29.04.2008 Widerspruch ein, soweit die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht in voller Höhe als Bedarf anerkannt worden waren. Er führte aus, dass das Sozialgericht Nürnberg bereits mehrfach entschieden habe, dass die Orientierung an Baualtersklassen nicht zur Bestimmung von Mietobergrenzen geeignet sei. Auszugehen sei vielmehr vom Nürnberger Mietspiegel für Wohnungen bis etwa zur Grenze zwischen unterem und mittlerem Preissegment, so dass bei einer Quadratmeterzahl von 45 bis 50 eine Grundmiete mit bis zu 320.- EUR weiterhin angemessen bleibe. Bei den Nebenkosten sei vom Betriebskostenspiegel auszugeben. Heizkosten seien nach Ansicht des Sozialgerichts Nürnberg grundsätzlich in der angefallenen Höhe zu gewähren, außer dem Leistungsträger gelänge der Nachweis der übermäßigen Heizung, was im vorliegenden Fall nicht zu erwarten sei. Zugleich beantragte der Kläger rückwirkend ab Mai 2007 eine Überprüfung der bewilligten Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 44 SGB X. Die Beklagte hat über den Überprüfungsantrag nach Aktenlage bislang nicht entschieden.

Nachdem die Beklagte dem Widerspruch insoweit abgeholfen hatte, als sie nunmehr rückwirkend ab 01.03.2008 monatliche Heizkosten in Höhe von 40.- EUR berücksichtigt (vgl. Blatt 205 der Verwaltungsakte), legte sie den Widerspruch der Regierung von Mittelfranken zur Entscheidung vor. Am 12.09.2008 erging der Widerspruchsbescheid der Regierung von Mittelfranken. Mit diesem wies sie den Widerspruch zurück. Sie führte aus, dass die Entscheidung der Stadt Nürnberg, im Bescheid vom 14.04.2008 die Mietobergrenze von 322.- EUR zu berücksichtigen, rechtmäßig erfolgt sei. Die Beklagte habe den Aufwendungen des Klägers für seine derzeitige Unterkunft vor seinem Umzug in die Unterkunft nicht zugestimmt. Daher könnten nur die angemessenen Aufwendungen übernommen werden, die für einen Ein-Personen-Haushalt auf dem Gebiet der Stadt Nürnberg 322.- EUR betragen würden. Dies sei der Höchstbetrag für die Grundmiete inklusive Betriebsnebenkosten ohne Heizkosten. Allerdings sei es richtig, wenn der Kläger vortrage, dass nur eine einheitliche Obergrenze für die Angemessenheit der Miete gelten könne und nicht nach dem Baujahr der Wohnungen differenziert werden dürfe. Die Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft müsse mit Blick auf die allgemeinen Grundsätze des Sozialhilferechts unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles allein nach sozialhilferechtlichen Maßstäben erfolgen. U.a. beurteile sich die Angemessenheit der Unterkunftskosten nach der Zahl der vorhandenen Räume, dem örtlichen Mietniveau und den Möglichkeiten des örtlichen Wohnungsmarktes. Diese Obergrenze der angemessenen Unterkunftskosten sei nicht zu niedrig angesetzt worden. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfebedürftigen marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage die sozialhilferechtlich maßgebliche Mietpreisspanne zu ermitteln. Die Mietobergrenze von 322.- EUR werde seit dem 01.08.2006 angesetzt. So habe auch das Sozialgericht Nürnberg im Beschluss vom 27.10.2006 in einem vergleichbaren Einzelfall festgestellt, dass zu diesem Preis in der Tat in Nürnberg Wohnraum zu finden sei. Dem Kläger sei seit mehreren Jahren bekannt, dass seine Mietkosten zu hoch seien. Ihm werde schon seit Jahren nur die Mietobergrenze zuerkannt. Es wäre ihm in all der Zeit möglich und zumutbar gewesen, eine andere preisgünstigere Wohnung anzumieten. Er habe aber offensichtlich hierzu keine Versuche unternommen. Im Übrigen könnten die beim Kläger vorhandenen Mietrückstände auch nicht nach § 34 Abs. 1 SGB XII übernommen werden.

Am 25.09.2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Er legt eine Nachzahlungsforderung seines Vermieters vom 29.10.2008 i.H.v. 78,73 EUR (49,92 EUR für HK/ 28,81 EUR für Betriebskosten) nebst einer Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007 sowie einer Heizkostenabrechnung für den Zeitraum 01.07.2007 bis 30.06.2008 vor.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bewilligungsbescheids vom 14.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.09.2008 zu verurteilen, dem Kläger Leistungen nach dem SGB XII unter Berücksichtigung laufender Kosten für Unterkunft in Höhe von monatlich 303,15 EUR Nettokaltmiete sowie monatlicher Nebenkosten in Höhe von 67,85 EUR sowie der Neben- und Heizkostennachzahlung vom 29.10.2008 in Höhe von 78,73 Euro zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Stellungnahme gegenüber der Regierung von Mittelfranken vom 07.08.2008 sowie auf den Widerspruchsbescheid. Des weiteren trägt sie vor, dass die Stadt Nürnberg für ihren Bereich keine Pauschale im Sinne des § 29 (2) SGB XII festgesetzt habe, sondern Mietobergrenzen. Grundlage für die geltende Mietobergrenzen sei der Nürnberger Mietenspiegel. Die Mietobergrenzen würden jeweils an den geltenden Nürnberger Mietenspiegel angepasst. Anhand der Inserate in den Nürnberger Tageszeitungen sei festzustellen, dass ausreichend Wohnraum auf dem örtlichen Wohnungsmarkt innerhalb der geltende Mietobergrenzen angeboten werde und auch in der Vergangenheit angeboten wurde. Hätten die Beobachtungen auf dem örtlichen Wohnungsmarkt zu dem Ergebnis geführt, dass zu wenig Wohnungen innerhalb der geltenden Mietobergrenzen zur Verfügung stünden, wäre eine Anpassung der Mietobergrenzen die Folge gewesen.

Am 19.11.2008 hat ein Erörterungstermin mit den Beteiligten stattgefunden.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift, der Gerichtsakte, der Verfahrensakte S 20 SO 173/08 ER sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, macht das Gericht gem. § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von der Möglichkeit Gebrauch, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Die Beteiligten wurden zuvor gehört und haben sich im Erörterungstermin vom 19.11.2008 mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.

I. Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Sie ist auch begründet. Der Bescheid vom 14.04.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.09.2008 ist rechtswidrig, soweit im Rahmen der Leistungsbewilligung für den Zeitraum ab April 2008 die Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung nicht in tatsächlicher Höhe berücksichtigt wurden.

Nach § 29 (1) S. 1 SGB XII werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht. Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie insoweit als Bedarf der Personen, deren Einkommen und Vermögen nach § 19 Abs. 1 zu berücksichtigen sind, anzuerkennen (S. 2). Satz 2 gilt solange, als es diesen Personen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (S. 3). Der Träger der Sozialhilfe kann für seinen Bereich die Leistungen für die Unterkunft durch eine monatliche Pauschale abgelten, wenn auf dem örtlichen Wohnungsmarkt hinreichend angemessener freier Wohnraum verfügbar und in Einzelfällen die Pauschalierung nicht unzumutbar ist (Abs. 2 S. 1). Bei der Bemessung der Pauschale sind die tatsächlichen Gegebenheiten des örtlichen Wohnungsmarkts, der örtliche Mietspiegel sowie die familiären Verhältnisse der Leistungsberechtigten zu berücksichtigen (S. 2). Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend (S. 3). Nach Abs. 3 S. 1 werden Leistungen für Heizung in tatsächlicher Höhe erbracht, soweit sie angemessen sind. Die Leistungen können durch eine monatliche Pauschale abgegolten werden (S. 2). Bei der Bemessung der Pauschale sind die persönlichen und familiären Verhältnisse, die Größe und Beschaffenheit der Wohnung, die vorhandenen Heizmöglichkeiten und die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen (S. 3).

Die Beklagte hat für ihren Bereich keine Pauschale i.S.d. § 29 (2) SGB XII festgesetzt. Ihre Pflicht zur Übernahme der Kosten für die Unterkunft des Klägers beurteilt sich somit nach § 29 (1) S. 1 SGB XII. Danach sind die Kosten des Leistungsempfängers in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Allerdings ist die schlecht formulierte Gesetzesvorschrift im Zusammenhang mit den Sätzen 2 und 3 zu lesen: Die Leistungspflicht des Trägers der Sozialhilfe ist auf die Übernahme angemessener Aufwendungen beschränkt (vgl. Grube in Grube/Warendorf, SGB XII, 2. Auflage, § 29 Rdnr. 20).

1. Die laufenden monatlichen Aufwendungen des Klägers für seine Unterkunft i.H.v. 371.- EUR sind angemessen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 22 (1) S. 1 SGB II steht es dem Leistungsempfänger offen, eine Wohnung mit größerer Wohnfläche als grundsätzlich angemessen und dafür mit niedrigerem Quadratmetermietpreis (= niedrigerem Standard) als möglich anzumieten. Für die Beantwortung der Frage, ob die Kosten für eine Unterkunft (abstrakt) angemessen sind, ist somit das Produkt aus Wohnfläche und Preis/Quadratmeter entscheidend (sog. Produkttheorie; vgl. BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, Urt. v. 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R u. B 7b AS 18/06 R). Nachdem § 22 (1) S. 1 SGB II für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Parallelvorschrift zu § 29 (1) S. 1 SGB XII darstellt und es keinen Grund für eine unterschiedliche Beurteilung der Angemessenheit von Unterkunftskosten in den beiden Bereichen gibt, nimmt das Gericht auf die zitierte Rechtsprechung Bezug und prüft das Vorliegen der Voraussetzungen des § 29 (1) S. 1 SGB XII im Lichte dieser Rechtsprechung.

a. Für den alleinstehenden Kläger ist eine Wohnfläche von 50 qm anzusetzen.

Unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes war es in der Rechtsprechung allgemein anerkannt, bei der Frage nach der angemessenen Fläche einer Wohnung Rückgriff auf die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften zu § 5 (2) WoBindG (Wohnungsbindungsgesetz) zu nehmen (siehe dazu Schellhorn in Schellhorn, SGB XII, 17. Aufl., § 29 Rz. 6). Die dabei entwickelten Grundsätze finden nach Auffassung des Gerichts auch im Rahmen des § 29 (1) S. 1 SGB XII Anwendung (so auch u.a. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urt. v. 17.04.2008 - L 7 SO 5988/07 m.w.N.). Zum Vollzug des § 5 WoBindG (in der ab 1.1.2002 gültigen Fassung) in Verbindung mit § 27 (4) S. 1 WoFG (Wohnraumförderungsgesetz) existieren im Freistaat Bayern die Verwaltungsvorschriften zum Vollzug des Wohnungsbindungsrechts (VVWoBindR) in Fassung der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren vom 12. September 2007 (Az.: IIC4-4702-003/07). Nach Nr. 5.7 S. 1 dieser Vorschriften ist für Alleinstehende eine Wohnungsgröße von bis zu 50 qm angemessen.

b. Des weiteren ist unter Zugrundelegung des Nürnberger Mietenspiegels 2008 für den Kläger grundsätzlich ein Mietpreis von 5,80 Euro/qm maßgebend.

Da der Standard einer Wohnung regelmäßig im Quadratmeterpreis seinen Niederschlag finden, ist im Anschluss an die für das Bundessozialhilfegesetz gängige Rechtsprechung die ortsübliche Miete für eine Wohnung einfacher Qualität oder für eine Wohnung mittlerer Qualität im unteren Bereich als Maßstab für die Bestimmung der Angemessenheit des Wohnungsstandards eines Leistungsbeziehers nach dem SGB XII heranzuziehen (vgl. Grube a.a.O. Rdnr. 24; ähnlich BSG a.a.O.). Um diese ortsübliche Miete festzustellen, greift das Gericht auf den aktuellen Nürnberger Mietenspiegel zurück. Dabei ist keine Unterscheidung nach Baujahren, wie sie die Beklagte im Rahmen der Festsetzung ihrer Mietobergrenzen vornimmt, zu treffen. Vielmehr ist die ortsübliche Miete aus der gesamten Spannbreite des Mietenspiegels - bezogen auf eine angemessene Wohnungsgröße von 50 m² - zu ermitteln. Dies zum einen, weil bei der Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards nach gängiger Rechtsprechung auf den unteren Bereich des Wohnungsmarktes abzustellen ist. Der Wohnungsmarkt wird aber durch die gesamte Spannbreite des Mietenspiegels abgebildet. Zum anderen würde eine Differenzierung nach Baualtersklassen zu einer nicht begründbaren Ungleichbehandlung von Leistungsempfängern führen: So könnten die Kosten der Unterkunft für einen Leistungsempfänger, der in einer Wohnung älteren Baujahres lebt, im Hinblick auf die ortsübliche Vergleichsmiete für Wohnungen in dieser Baujahresgruppe selbst dann unangemessen sein, wenn sie unter dem lägen, was für eine Wohnung neueren Baujahres - also mit höherem Wohnungsstandard - im unteren Bereich ihrer Gruppe aufzubringen wäre. Die Kosten der Unterkunft würden nicht übernommen; würde der Leistungsempfänger in der Wohnung neueren Baujahres leben, dagegen schon. Dies könnte zu dem widersinnigen Ergebnis führen, dass ein Leistungsempfänger gezwungen ist, in eine teurere Wohnung umzuziehen, um die Kosten der Unterkunft (nunmehr) in voller Höhe geleistet zu bekommen. Die Widerspruchsbehörde kommt in ihrem Bescheid vom 12.9.2008 (S. 2) im Übrigen zu dem gleichen Ergebnis. Mit Befremden hat das Gericht allerdings zur Kenntnis genommen, dass die Behörde über dieses Ergebnis in ihren folgenden Ausführungen großzügig hinweg gesehen und die Mietobergrenze der Beklagten in Höhe von 322.- EUR für Wohnungen mit dem Baujahr 1960 - 1976 als "rechtlich nicht zu beanstanden" bezeichnet hat. Der Mühe, die Mietobergrenze anhand des örtlichen Mietenspiegels zu überprüfen bzw. die Angemessenheit der Unterkunftskosten selbst zu bestimmen, wollte sich die Behörde offensichtlich nicht unterziehen. Vielmehr hat sie - zusätzlich die Preissteigerung, insbesondere bei den Nebenkosten ignorierend - festgestellt, dass die Mietobergrenze von 322.- EUR bereits seit 01.08.2006 angesetzt werde.

Laut Nürnberger Mietenspiegel (Stand Mai 2008) beträgt die Mietspannbreite für Wohnungen mit einer Wohnfläche von 40 bis unter 60 qm zwischen 4,10 und 9,15 EUR/qm. Damit errechnet sich eine angemessene ortsübliche Nettokaltmiete für das untere Mietsegment des Wohnungsmarktes von ca. 5,80 EUR/qm (4,10 EUR/qm + (9,15 - 4,10)/3 EUR/qm).

Damit liegt in Nürnberg bei einer alleinstehenden Person eine Wohnung mit einer monatlichen Nettokaltmiete von 290.- EUR (50 x 5,80 EUR) noch im Bereich der Angemessenheit. Diese Grenze wird durch die Nettokaltmiete des Klägers i.H.v. 303,15 EUR leicht überschritten (um ca. 4,5 %).

c. Dennoch sind die Kosten für die Unterkunft des Klägers als angemessen zu beurteilen.

Die laufende monatliche Betriebskostenvorauszahlung des Klägers beträgt 67,85 EUR. Die Erhöhung der Betriebskostenpauschale durch den Vermieter auf 119,85 EUR ab 01.03.2008 kann das Gericht außer acht lassen, da sie vom Kläger nicht umgesetzt wird. Aus Sicht des Gerichts zurecht, da die Erhöhung der monatlichen Betriebskostenvorauszahlung um ca. 77% anhand der vorliegenden Betriebskostenabrechnungen, insbesondere der vom 29.10.2008 nicht nachvollziehbar ist, und daher den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 556, 560 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht entspricht. Der Kläger zahlt somit derzeit monatlich 1,44 EUR/m² an Betriebskosten. Nach dem Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes von 2007 betrugen im Jahr 2006 die durchschnittlichen Betriebskosten pro Quadratmeter in Westdeutschland 1,82 EUR (ohne Heizung und Warmwasser). Auch ohne Einrechnung der seit 2006 erfolgten Preissteigerung in diesem Bereich liegen die Betriebskosten des Klägers somit deutlich unter dem Durchschnitt.

Auch die Heizkosten des Klägers liegen mit 0,85 EUR/m² (40.- EUR/47 m²) - insbesondere bezogen auf eine Wohnung aus dem Bereich des unteren Wohnungsstandards - in einem nicht nur angemessenen, sondern sogar günstigen Bereich.

Daher sind im Ergebnis die monatlichen Kosten für die Unterkunft des Klägers in Höhe von 371.- EUR trotz der Nettokaltmiete i.H.v. 303,15 EUR als (noch) angemessen zu sehen.

Da die Kosten für die Unterkunft des Klägers aus den genannten Gründen als (abstrakt) angemessen zu beurteilen sind, kommt es nicht darauf an, ob sie auch deshalb als (konkret) angemessen zu sehen wären, weil die Beklagte nicht nachgewiesen hat, dass innerhalb der von ihr vorgegebenen Mietobergrenzen für den Kläger eine Unterkunftsalternative konkret verfügbar und zugängig wäre (siehe dazu BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R). Die Beklagte hat lediglich pauschal darauf verwiesen, dass innerhalb der von ihr gesetzten Mietobergrenzen ausreichend Wohnraum auf dem örtlichen Wohnungsmarkt zur Verfügung stünde. Bemerkenswert ist, dass sich die Widerspruchsbehörde zur Beurteilung der aktuellen Situation auf dem Wohnungsmarkt auf einen Gerichtsbeschluss aus dem Jahr 2006 berufen hat.

2. Auch die Aufwendungen des Klägers für die Nebenkostennachzahlung für das Jahr 2007 in Höhe von 49,92 EUR bzw. die Heizkostennachzahlung für den Zeitraum 01.07.2007 bis 30.06.2008 in Höhe von 28,81 EUR sind von der Beklagten im Oktober 2008 als angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen.

Beim Kläger sind im Jahr 2007 insgesamt Betriebskosten in Höhe von 756,12 EUR angefallen. Somit ergeben sich durchschnittliche Aufwendungen für Betriebskosten von 1,34 EUR/qm (746,12 EUR/12/47 m²). Diese sind unter Berücksichtigung der Ausführungen unter 1.c. als angemessen zu beurteilen.

Nach der Abrechnung für den Zeitraum 01.07.2007 bis 30.06.2008 ergeben sich Heizkosten in Höhe von insgesamt 448,81 EUR und somit von monatlich 0,80 EUR/m² (448,81 EUR/12/47 m²). Auch diese sind als angemessen anzusehen (siehe dazu unter 1.c.).

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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