L 6 VS 3272/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 3357/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VS 3272/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts F. vom 21. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger erstrebt die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i. V. mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen einer Verschlimmerung der bei ihm als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannten "Innenohrschwerhörigkeit beiderseits" sowie weiterer von ihm als Schädigungsfolgen angesehener Gesundheitsstörungen.

Der im Jahre 1931 geborene Kläger trat im Februar 1958 als Berufssoldat in den Dienst der Beigeladenen und war nach einer entsprechenden Ausbildung ab dem Jahre 1961 bis zu seinem Ausscheiden Ende März 1984 als Luftfahrzeugmechanikermeister in der Instandsetzungsstaffel eines Aufklärungsgeschwaders tätig. In den letzten 15 Jahren seiner Tätigkeit war er dabei überwiegend mit organisatorischen und administrativen Aufgaben betraut.

Mit Bescheid vom 29.05.1973 lehnte das Wehrbereichsgebührnisamt III die vom Kläger begehrte Gewährung eines Ausgleichs nach § 85 SVG ab. Zur Begründung ist ausgeführt, die Gesundheitsstörung "Innenohrschwerhörigkeit beiderseits" bedinge nach den medizinischen Unterlagen keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 vom Hundert (v. H.) oder mehr, so dass sich eine Entscheidung über die Wehrdienstbeschädigung erübrige. Dieser Entscheidung lagen das Gutachten des Oberfeldarztes Prof. Dr. L. (Abteilung V - Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten - des Bundeswehrzentralkrankenhauses K.) vom 20.02.1973 sowie der Prüfvermerk des Oberfeldarztes M. vom 07.03.1973 zu Grunde, in denen die MdE für die Hörbehinderung mit weniger als 10 v. H. ( Prof. Dr. L.) bzw. mit 10 v. H. (Oberfeldarzt M.) bewertet worden war. Im Rahmen des anschließenden Beschwerdeverfahrens und nach Geltendmachung weiterer Erkrankungen lehnte das Wehrbereichsgebührnisamt III mit Bescheid vom 27.09.1974 die Gewährung eines Ausgleichs nach § 85 SVG erneut ab. Zwar sei die "Innenohrschwerhörigkeit beiderseits" durch eine schädigende Einwirkung im Sinne von § 81 SVG hervorgerufen worden und Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne dieser Vorschrift. Indes bedinge sie keine MdE um 25 v. H. oder mehr. Die darüber hinaus festgestellten Gesundheitsstörungen "rezidivierendes Zwölffingerdarmgeschwürsleiden, Narbenbulbus, Untersäuerung des Magensaftes, latenter Diabetes mellitus, Leberfunktionsstörung, erhöhte Blutfettwerte bei Körperübergewicht" seien nicht, auch nicht im Sinne einer Verschlimmerung, Folge einer Wehrdienstbeschädigung nach § 81 SVG. Diesem Bescheid lagen zusätzlich zu den oben angeführten ärztlichen Beurteilungen die Prüfvermerke des Oberstabsarztes Dr. L. vom 29.07.1974 und des Oberregierungsmedizinalrates Dr. W. vom 26.08.1974 zu Grunde. Darin ist ausgeführt, die Innenohrschwerhörigkeit beidseits sei auf eine chronische Lärmschädigung in der Versuchsabteilung für Düsenmaschinen zurückzuführen. Bei dem Zwölffingerdarmgeschwürsleiden mit Narbenbulbus und Untersäuerung des Magensaftes handle es sich um bereits vor dem Dienstantritt bestehende Gesundheitsstörungen, denn der Kläger habe seit 1953 an rezidivierenden gastritischen Magenbeschwerden gelitten. Diese hätten durch den Einsatz bei der Bundeswehr keine bleibende Verschlimmerung erfahren. Die Stoffwechselstörungen seien konstitutions- bzw. anlagebedingt. Dieser Einschätzung stimmte Dr. Hartwig in der beim damaligen Versorgungsamt F. eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 28.08.1974 zu. Mit Beschwerdebescheid vom 24.02.1975 wies die Wehrbereichsverwaltung III die vom Kläger gegen beide Bescheide erhobenen Beschwerden zurück.

Nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr beantragte der Kläger am 25.04.1984 beim Versorgungsamt F. die Gewährung von Beschädigtenversorgung wegen der Hörbehinderung. Mit Bescheid vom 05.10.1984 erkannte das Versorgungsamt die "Innenohrschwerhörigkeit beiderseits" als Wehrdienstbeschädigungsfolge sowie einen hierauf bezogenen Anspruch des Klägers auf Heilbehandlung nach dem BVG ab dem 01.04.1984 an. Die Gewährung von Beschädigtenrente lehnte es ab, da eine MdE um 25 v. H. nicht erreicht werde. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.1985 zurück.

Der am 27.05.2004 gestellte erneute Erhöhungsantrag des Klägers blieb nach Einholung des Gutachtens der Hals-Nasen-Ohrenärztin Dr. F. vom 05.08.2004 (MdE für den lärmbedingten Hörschaden nunmehr 10 v. H.) ohne Erfolg (Bescheid vom 27.08.2004, Widerspruchsbescheid vom 29.10.2004 und gerichtlicher Vergleich vor dem Sozialgericht F. vom 08.08.2005 - S 10 VS 4164/04 - Überprüfung der Entscheidung über die Mehrkosten bei der Hörgeräteversorgung).

Am 08.12.2005 beantragte der Kläger beim zwischenzeitlich zuständig gewordenen Landratsamt B.-H. wiederum die Gewährung von Beschädigtenrente. Dabei machte er erneut eine Verschlechterung seiner Innenohrschwerhörigkeit beidseits sowie einen ursächlichen Zusammenhang zwischen seiner dienstlichen Lärmbelastung und weiteren bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen geltend. Zur Bestätigung verwies er auf den bei ihm mit Bescheid des Landratsamtes B.-H. vom 09.11.2005 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit und Angina pectoris, chronische Magenschleimhautentzündung, Magengeschwürsleiden und Zwölffingerdarmgeschwürsleiden, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Fettleber und Fettstoffwechselstörung, Schwerhörigkeit beidseitig mit Ohrgeräuschen, Diabetes mellitus (mit Diät und Insulin einstellbar) sowie Sehminderung beidseitig festgestellten Grad der Behinderung (GdB) von 90 seit dem 07.07.2005.

Das Landratsamt holte daraufhin das versorgungsärztliche Gutachten nach Aktenlage der Obermedizinalrätin L. vom 23.01.2006 ein. Darin heißt es, eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen sei nicht nachweisbar. Das Magen- und Darmleiden sei anlagebedingt, hierauf sei ärztlicherseits bereits vor Erlass des Bescheides des Wehrbereichsgebührnisamtes III vom 27.09.1974 hingewiesen worden. Das vom Kläger nunmehr geltend gemachte Wirbelsäulenleiden sei auf eine traumatische Verletzung im Jahre 1949 und auf eine anlagebedingte Fehlstatik der Wirbelsäule zurückzuführen. Die bereits in den 50er Jahren und in der Musterungsuntersuchung beschriebene Fußfehlform im Sinne einer Senk-Spreiz-Knickfußstellung, die Wirbelsäulenfehlstatik, das später aufgetretene Hämorrhoidalleiden sowie die ausgeprägte Adipositas sprächen für eine anlagebedingte ausgeprägte Bindegewebsschwäche des Klägers. Aufgrund der gravierenden Risikofaktoren Bluthochdruck, Blutfettstoffwechselstörung, Adipositas und Diabetes mellitus habe sich eine koronare Herzkrankheit entwickelt. Dann hätten sich diabetische Veränderungen sowie Katarakt- und Netzhautgefäßsklerose beidseits im Bereich der Augen gezeigt. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der Belastung während der Dienstzeit als Berufssoldat sei nicht gegeben. Die wesentliche Verschlechterung des Hörvermögens sei nicht ursächlich auf den Wehrdienst/Lärm zurückzuführen.

Hierauf gestützt lehnte das Landratsamt B.-H. den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 31.01.2006 ab. Den hiergegen erhobenen, nicht näher begründeten Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2006 zurück.

Am 16.06.2006 erhob der Kläger beim Sozialgericht F. Klage und machte ebenso wie bereits in seiner erst nach Erlass des Widerspruchsbescheides vorgelegten Widerspruchsbegründung geltend, seine schädigungsbedingte Innenohrschwerhörigkeit sei mit einer MdE um 30 v. H. zu bewerten. Die Einschätzung der MdE durch Dr. F. sei fehlerhaft. Die Behauptung, seine Gesundheitsstörungen seien anlagebedingt bzw. in seiner Konstitution begründet, treffe nicht zu. Das Sozialgericht holte daraufhin das Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. D. vom 19.10.2006 ein. Dieser hat ausgeführt, die beim Kläger vorliegende beiderseitige Hörminderung mit Betonung der linken Seite und auch die Ohrgeräuschwahrnehmung (Tinnitus) im Bereich von 4 kHz seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit schädigungsbedingt und mit einer MdE um 20 v. H. zu bewerten. Auf die hiergegen vom Beklagten mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 06.02.2007 erhobenen Einwendungen hielt der Sachverständige in der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 22.02.2007 an seiner Einschätzung fest. Hiergegen wandte sich der Beklagte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 24.05.2007 erneut. Der Kläger berief sich auf die Einschätzung von Dr. D. und verwies wiederum auf den bei ihm festgestellten GdB von 90 und die dieser Feststellung zu Grunde gelegten Funktionsbeeinträchtigungen.

Nach Anhörung der Beteiligten wies das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.05.2008 ab. In den Entscheidungsgründen heißt es, die vegetativen Störungen des Klägers, seine Bindegewebsschwäche, die internistische und kardiale Symptomatik sowie die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet seien nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit durch seinen Wehrdienst verursacht oder verschlimmert worden. Die Wirbelsäulenbeschwerden seien auf eine traumatische Verletzung des Rückens im Jahre 1949 und eine anlagebedingte Fehlstatik der Wirbelsäule zurückzuführen. Auch habe sich bei der Musterungsuntersuchung vor Beginn des Dienstes bei der Bundeswehr eine Fußfehlform gezeigt, die als weitere anlagebedingte Ursache von Rücken- und Kniebeschwerden anzusehen sei. Zu berücksichtigen seien ferner das Übergewicht und die anlagebedingte ausgeprägte Bindegewebsschwäche des Klägers. Dienstbedingte Ursachen seiner orthopädischen Beschwerden seien dagegen nicht in wesentlichem Umfang erkennbar. Die sich in einer Erkrankung des Herz-Kreislaufs-Systems manifestierenden kardialen Risikofaktoren des Klägers mit Diabetes mellitus und den Folgeerscheinungen dieser Erkrankung seien ebenfalls nicht auf wehrdiensteigentümliche Verhältnisse zurückzuführen. Vielmehr handle es sich um durch fehlerhafte Ernährung und mangelnde Bewegung erworbene bzw. um anlagebedingte Funktionsbeeinträchtigungen. Auch hier habe kein Ursachenzusammenhang mit dem Wehrdienst plausibel gemacht werden können. Die Schwerhörigkeit begründe keinen Versorgungsanspruch, da der wehrdienstbedingte Anteil die hierfür erforderliche MdE nicht erreiche. Ursächlich durch den Wehrdienst bedingt sei eine MdE um 10 v. H. Das Gericht schließe sich dabei der Einschätzung von Dr. F. an. Diese Entscheidung wurde dem Kläger am 10.06.2008 zugestellt. Am 27.06.2008 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung bezieht er sich auf das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten von Dr. D ... Ergänzend trägt er vor, eine nächtliche Erhöhung des Fluglärmpegels erhöhe nachgewiesenermaßen das Risiko für Bluthochdruck. Auch führe Lärm zur Veränderung der vegetativen Regulationsmechanismen einschließlich des Stoffwechsels, z.B. der Nierenfunktion, der Muskulatur, des Blutdrucks, der Herzfrequenz, der Atmung, des Hautwiderstandes, der Koordination, der Magenbewegung, der Magen- und Speichelsekretion, der Blutfette, der Elektrolyte, des Blutzuckerspiegels, der Blutgerinnungszeiten, der Zusammensetzung des Blutes, der Blutviskosität u.s.w. Diesen Krankheitsbildern entspreche ein wesentlicher Teil seiner Erkrankungen. Darüber hinaus trägt er vor, er habe durch einen Sturz von einer Flugzeugtragfläche eine Steißbeinverletzung im Dienst erlitten und sei deshalb im Jahre 1974 im Krankenhaus der Bundeswehr in Kempten untersucht worden. Beim Eintritt in die Bundeswehr sei ihm eine schlanke Gestalt bescheinigt worden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts F. vom 21. Mai 2008 sowie den Bescheid vom 31. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Beschädigtenrente ab 08. Dezember 2005 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf das angegriffene Urteil,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 26. Januar 2011 hat der Senat die Bundesrepublik Deutschland beigeladen. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich auch nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Stuttgart, die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie des Wehrbereichsgebührnisamtes III und die gleichfalls beigezogenen Akten des Sozialgerichts F. aus den vorangegangenen Klageverfahren - S 10 VS 4164/04 und S 10 V 542/06 - verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nach §§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenrente nach dem SVG i. V. mit dem BVG.

Gemäß § 80 Satz 1 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist. Hinsichtlich der Versorgungsleistungen sieht § 9 Nr. 3 BVG u. a. die Gewährung von Beschädigtenrente vor. Nach § 31 Abs. 1 BVG erhalten Beschädigte eine solche monatliche (Grund-) Rente ab einer MdE um 30 v. H. bzw. (seit dem 21.12.2007, vgl. das Gesetz vom 13.12.2007, BGBl. I 2904) einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30, wobei nach § 31 Abs. 2 BVG a. F. eine bis zu 5 v. H. geringere MdE (von 25 v. H.) bzw. nach § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG n. F. (vgl. auch insoweit das Gesetz vom 13.12.2007, a. a. O.) ein bis zu 5 Grad geringerer GdS (von 25) vom höheren Zehnersatz bzw. -grad mit umfasst wird.

Danach steht dem Kläger kein Rentenanspruch zu. Denn die auf eine Wehrdienstbeschädigung zurückzuführenden Gesundheitsstörungen erreichen keine MdE um 25 v. H. bzw. keinen GdS von 25.

Wehrdienstbeschädigung ist nach § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Das schädigende Ereignis, die dadurch eingetretene gesundheitliche Schädigung und die darauf beruhenden Gesundheitsstörungen (Schädigungsfolgen) müssen erwiesen sein, während nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG für die Frage des ursächlichen Zusammenhangs die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.1977 - 10 RV 15/77 - BSGE 45, 1; BSG, Urteil vom 19.03.1986 - 9a RVi 2/84 - BSGE 60, 58). Der ursächliche Zusammenhang ist vor allem nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt, d. h. dass unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den behaupteten ursächlichen Zusammenhang spricht. Ist ein Sachverhalt nicht beweisbar oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich zu machen, so hat nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) der Beteiligte die Folgen zu tragen, der aus dem nicht festgestellten Sachverhalt bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Zusammenhang Rechte für sich herleitet (BSG, Urteil vom 29.03.1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52; BSG, Urteil vom 31.10.1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121; BSG, Urteil vom 20.01.1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110). Ist allerdings die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhanges des Gesundheitsschadens mit der Wehrdienstbeschädigung nur deshalb nicht gegeben, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit - auch allgemein erteilter - Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales der Gesundheitsschaden als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden (sog. Kannversorgung; vgl. § 81 Abs. 6 Satz 2 SVG), wobei die Zustimmung durch eine gegenüber der Bundesrepublik Deutschland ergangene rechtskräftige gerichtliche Entscheidung ersetzt werden kann (vgl. zu einer Verurteilung zur Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung BSG, Beschluss vom 28.10.1994 - 9 RV 17/94 - zit. nach juris).

In Anwendung dieser Grundsätze sind die Funktionsbeeinträchtigungen Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit und Angina pectoris, chronische Magenschleimhautentzündung, Magengeschwürsleiden und Zwölffingerdarmgeschwürsleiden, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und Nervenwurzelreizerscheinungen, Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Fettleber und Fettstoffwechselstörung, Diabetes mellitus sowie Sehminderung beidseitig nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit ursächlich auf eine Wehrdienstbeschädigung des Klägers zurückzuführen.

Die (wehrdienstunabhängigen) Ursachen der Erkrankungen der Verdauungsorgane (chronische Magenschleimhautentzündung, Magengeschwürsleiden und Zwölffingerdarmgeschwürsleiden), der Fettleber, der Stoffwechselstörungen (Fettstoffwechselstörung und Diabetes mellitus) sowie der Herz-Kreislaufbeschwerden (Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit und Angina pectoris) und die insoweit gleichfalls wehrdienstunabhängig bestehenden Risikofaktoren hat das Sozialgericht im angegriffenen Gerichtsbescheid vom 21.05.2008 ausführlich und zutreffend dargelegt. Der Senat schließt sich den Ausführungen nach eigener Prüfung in vollem Umfang an und nimmt insoweit auf die Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Ein rechtlich wesentlicher Beitrag der Lärmbelastung zu den genannten Gesundheitsstörungen ist angesichts dieser anlage- und lebenshaltungsbedingten Ursachen und Risikofaktoren ärztlicherseits jeweils schlüssig verneint worden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die über Hörschäden hinausgehende gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung von Lärm bereits bei Abfassung des Gutachtens des Oberfeldarztes Prof. Dr. L. (Abteilung V - Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten - des Bundeswehrzentralkrankenhauses K.) vom 20.02.1973 sowie der Prüfvermerke der Oberfeldärzte M. vom 07.03.1973 und Dr. L. vom 29.07.1974 sowie des Oberregierungsmedizinalrates Dr. W. vom 26.08.1974 bekannt waren (vgl. hierzu schon den vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Erlass des Bundesministers der Verteidigung - 42-14-95-(43) - "Grundlagen der Lärmbekämpfung und Maßnahmen des Sanitätsdienstes" vom 24.07.1967) und das versorgungsärztliche Gutachten der Obermedizinalrätin L. vom 23.01.2006, also aus jüngerer Zeit datiert. Soweit der Kläger auf ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck bei nächtlicher Erhöhung des Fluglärmpegels verweist, übersieht er, dass der von ihm hierzu vorgelegte Zeitungsartikel (Stern vom 13.02.2008) Fluglärmeinwirkungen während des Schlafs behandelt, er aber den Lärmeinwirkungen nicht während der Nachtruhe, sondern bei seiner dienstlichen Tätigkeit ausgesetzt war.

Dafür, dass die beidseitige Sehminderung des Klägers auf den von ihm erlittenen Lärmeinwirkungen beruhen könnte, besteht keinerlei Anhalt.

Anlass für die Annahme, beim Kläger lägen hier erhebliche gesundheitliche Störungen an der Wirbelsäule als Folgen einer dienstlich erlittenen Steißbeinverletzung vor, besteht nicht. So hat der Kläger selbst weder unmittelbare Folgen noch eine Behandlung einer solchen Verletzung behauptet, sondern lediglich eine Untersuchung im Krankenhaus der Bundeswehr in Kempten angegeben. Aber auch aus den dokumentierten truppenärztlichen Behandlungsunterlagen oder den sonstigen ärztlichen Aufzeichnungen ergibt sich keine - erhebliche - Verletzung oder Behandlung wegen einer Steißbeinverletzung. Vielmehr geht aus diesen Unterlagen eine erstmalige Behandlung wegen Wirbelsäulenbeschwerden bereits am 05.06.1967 - also rund sieben Jahre vor dem angegebenen Sturz - hervor und beruhten die Lendenwirbelsäulebeschwerden seinerzeit nach den eigenen Angaben des Klägers auf außerdienstlichen Gartenarbeiten.

Die Voraussetzungen für eine sog. Kannversorgung liegen ebenfalls nicht vor, da es an einem wahrscheinlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Wehrdienst und den festgestellten Leiden des Klägers nicht wegen einer bestehenden Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft fehlt.

Die danach der Beurteilung der MdE bzw. des GdS allein zu Grunde zu legende Wehrdienstbeschädigung "Innenohrschwerhörigkeit beiderseits" rechtfertigt keine Rentengewährung.

Der Maßstab für die Einschätzung der MdE bzw. nunmehr des GdS bestimmt sich unter Zugrundelegung der vom (nunmehrigen) Bundesministerium für Arbeit und Soziales (zuletzt im Jahr 2008) herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" - AHP - (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 24.04.2008 - B 9 VJ 7/07 B - zit. nach juris) bzw. der seit dem 01.01.2009 geltenden, die AHP ablösenden und mit dem Rang einer Rechtsverordnung ausgestatteten Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VG - (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV -] vom 10.12.2008 [BGBl. I S. 2904; abgedr. im Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15.12.2008]). Sowohl die AHP als auch die VG enthalten Tabellen mit Anhaltswerten für die Beurteilung der Einzel-MdE bzw. des Einzel-GdS bei verschiedenen körperlichen, geistigen und seelischen Störungen; bei Gesundheitsstörungen, die in der Tabelle nicht aufgeführt sind, ist die MdE bzw. der GdS in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen (vgl. zu alledem Nr. 26.1 Abs. 1 und 2 der AHP sowie Teil B Nr. 1. a und b der VG). Dabei sollen im Allgemeinen die folgenden Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden: Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz- Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem; innere Sekretion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf. Die sehr wenigen in der Tabelle noch enthaltenen Fünfergrade sind alle auf ganz eng umschriebene Gesundheitsstörungen bezogen, die selten allein und sehr selten genau in dieser Form und Ausprägung vorliegen (vgl. hierzu Nr. 18 Abs. 4 der AHP sowie Teil A Nr. 2. e der VG).

In Anwendung dieser Grundsätze erreichen die beim Kläger fortbestehenden Schädigungsfolgen die für eine Rentenberechtigung maßgebliche Grenze einer MdE um wenigstens 25 v. H. bzw. eines GdS von wenigstens 25 nicht.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die schädigungsbedingte MdE bzw. der schädigungsbedingte GdS für die "Innenohrschwerhörigkeit beiderseits", wovon das Sozialgericht ausgegangen ist, mit 10 (v. H.) oder, wie im vom Sozialgericht eingeholten Gutachten von Dr. D. vom 19.10.2006 nebst ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 22.02.2007 dargelegt, mit 20 (v. H.) zu bewerten ist. Denn auch eine MdE um 20 v. H. bzw. ein GdS von 20 erreicht die genannte rentenrelevante Schwelle von 25 (v. H.) nicht.

Eine darüber hinausgehende MdE bzw. eine darüber hinausgehender GdS lässt sich unter Zugrundelegung von Nr. 26.5 der AHP und Teil B Nr. 5 der VG selbst unter Berücksichtigung der gesamten von Dr. D. erhobenen Schwerhörigkeit sowie der Ohrgeräusche (Tinnitus) nicht rechtfertigen. Aus der Tabelle zur Ermittlung der MdE bzw. des GdS aus den Schwerhörigkeitsgraden für beide Ohren (Nr. 26.5 S. 59 der AHP und Teil B Nr. 5.2.4 der VG, jew. Tabelle D) ergibt sich nämlich bei einem Hörverlust von - wie hier - 20% für das rechte und 30% für das linke Ohr eine MdE um 10 bis allenfalls 15 v. H. bzw. ein GdS von 10 bis allenfalls 15. Unter Einbeziehung der Ohrgeräusche führt dies höchstens zu einer MdE um 20 v. H. bzw. einem GdS von 20. Denn die Ohrgeräusche sind nach Nr. 26.5 S. 61 der AHP und Teil B Nr. 5.3 der VG den eigenen Angaben des Klägers im Rahmen der Untersuchung durch Dr. D. unter alltäglichen Bedingungen kaum wahrnehmbar und stören mit der Folge von Konzentrations- sowie gelegentlichen Einschlafstörungen (lediglich) in ruhiger Umgebung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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