L 6 U 970/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 6644/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 970/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der im Jahre 1954 geborene Kläger ist s. Staatsangehöriger a. Volkszugehörigkeit und stammt aus dem K ... Nachdem er bereits in den 90er Jahren mehrmals in die Bundesrepublik eingereist war, hält er sich eigenen Angaben zufolge seit dem Jahre 2000 im Bundesgebiet auf. Zunächst wurde sein Aufenthalt ausländerrechtlich geduldet; im März 2008 wurde ihm eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Ab Mai 2004 war der Kläger bei der P. B. GmbH in Sulzbach als Gipser auf Baustellen beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Im Rahmen dieser Tätigkeit stürzte er am 26.08.2004 von einem Gerüst und fiel aus ca. drei Metern Höhe zu Boden. Der rund 30 Minuten nach dem Unfall aufgesuchte Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie B. Dr. H. diagnostizierte eine Schädelprellung mit Stirnplatzwunde, eine Nasenbeintrümmerfraktur mit Platzwunden am Nasenrücken, eine Handgelenksdistorsion links sowie eine Knieprellung links. Im Durchgangsarztbericht des genannten Arztes vom 27.08.2004 heißt es weiter, klinisch finde sich kein Anhalt für eine Commotio cerebri (Gehirnerschütterung); der Kläger habe angegeben, er sei nicht bewusstlos gewesen und habe auch nicht erbrochen. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Sch. fand am 27.08.2004 keine weitergehenden Gesundheitsstörungen, berichtete allerdings von wechselnden Angaben des Klägers im Tonaudiogramm (HNO-Arztbericht vom 30.08.2004).

In der Folgezeit wurden die Verletzungen des seither nicht mehr erwerbstätigen Klägers vom Orthopäden Dr. H. konservativ behandelt. Eine am 01.09.2004 durchgeführte axiale Computertomografie des Schädels erbrachte eine unauffällige Darstellung des Neurocraniums und keinen Hinweis auf eine intracerebrale Blutung, keine indirekten Frakturzeichen, eine normale Darstellung des Mastoidzellsystems beidseits sowie einen Sinus ohne Nachweis von Blut bzw. einer Fraktur (Arztbrief des Radiologen Dr. K. vom 28.09.2004).

Nachdem sich insbesondere die Kniegelenksbeschwerden links nicht gebessert hatten, suchte der Kläger am 28.09.2004 den Orthopäden Dr. Sch. auf, der eine nicht dislozierte Fraktur des medialen Femurcondylus des linken Kniegelenks, ferner angesichts eines Schädeldruck- und -klopfschmerzes eine schwere Schädelprellung mit Verdacht auf cerebrale Blutung sowie eine schwere Handgelenkskontusion diagnostizierte (H-Arzt-Bericht vom 07.10.2004). Das Vorliegen einer nicht dislozierten Fraktur/Fissur im medialen Femurcondylus ohne Stufen-Meniskusläsion und Bandverletzungen wurde nach Durchführung einer Magnetresonanztomografie am linken Knie radiologischerseits bestätigt (vgl. den Arztbrief von Dr. St. vom 01.10.2004). Bei der am 11.10.2004 durchgeführten Magnetresonanztomografie des Schädels fand sich ein unauffälliges Neurocranium, kein Blutungsnachweis und keine abgelaufene Ischämie (vgl. den Arztbrief der Radiologen Dr. K. und Dr. L. vom 11.10.2004).

Im Zwischenbericht vom 17.11.2004 teilte Dr. Sch. mit, die Fraktur des medialen Femurcondylus des linken Kniegelenks sei zwischenzeitlich ohne Gelenksstufenbildung knöchern fest konsolidiert. Der Kläger klage allerdings weiterhin über belastungs- sowie bewegungsabhängige Schmerzen in diesem Gelenk und trage noch immer die Kniegelenksorthese. Eine Aggravation sei nicht sicher auszuschließen. Es sei allerdings davon auszugehen, dass der Kläger wegen einer drohenden Abschiebung in sein Heimatland die Arbeit nicht wieder aufnehmen und weiterhin über Beschwerden im Bereich des linken Kniegelenks klagen werde. Nachdem Dr. L. im Rahmen einer erneuten Kernspintomografie ein noch deutliches Knochenmarködem erhoben hatte (vgl. den Arztbrief vom 17.11.2004), wurde der Kläger von Dr. Sch. zunächst weiterbehandelt. Bei fortbestehenden, nach Ansicht des Orthopäden nicht in Relation zu den erhobenen klinischen Befunden stehenden Schmerzangaben des Klägers, wurde eine Vorstellung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. veranlasst (vgl. den Zwischenbericht vom 26.01.2005).

Im daraufhin erstatteten Zwischenbericht des Ärztlichen Direktors der genannten Klinik, Prof. Dr. W., vom 27.01.2005 ist ausgeführt, bei der klinischen Untersuchung habe sich das Kniegelenk reizlos ohne Schwellung und ohne Erguss gezeigt. Allerdings sei eine Untersuchung desselben aufgrund der maximalen Gegenwehr des Klägers praktisch nicht möglich gewesen. Es bestehe der Verdacht auf kontusionelle Veränderungen am linken Kniegelenk. Darüber hinaus habe die neurologische Beurteilung durch Dr. G. in S. ein posttraumatisches hirnorganisches Durchgangssyndrom mit Affektlabilität und Unruhezuständen sowie Durchschlafstörungen nach Commotio cerebri ergeben.

Diesem Hinweis lag die Diagnose der Neurologin F. aus der Gemeinschaftspraxis Dr. G. und Kollegen zugrunde. Dort hatte sich der Kläger erstmals am 08.11.2004 vorgestellt und angegeben, ein Zeitraum von wenigen Minuten nach dem Sturz sei ihm nicht mehr erinnerlich. Er habe unmittelbar nach dem Sturz heftige Übelkeit ohne Erbrechen verspürt und leide seither an rezidivierenden Kopfschmerzen, rezidivierendem Schwindel, Schleiersehen, rascher Ermüdbarkeit, vermehrter Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, quälenden nächtlichen Unruhezuständen mit Schlaflosigkeit, reduzierter Belastbarkeit und sozialen Rückzugstendenzen. Unter Berücksichtigung des durchgeführten, weitgehend unauffälligen EEG kam die Neurologin zu dem Ergebnis, Vorgeschichte und Untersuchungsergebnisse sprächen für ein protrahiertes postcommotionelles Syndrom nach Commotio cerebri (vgl. hierzu den Arztbrief vom 15.11.2004). Bei den nachfolgenden Untersuchungen am 06.12.2004 und 10.01.2005 stellten sich die Beschwerden des Klägers weitgehend unverändert dar; eine erneute kernspintomografische Untersuchung des Schädels des Klägers am 16.12.2004 erbrachte einen altersentsprechenden Befund ohne nachweisbare direkte Traumafolgen sowie den Ausschluss einer Mikroangiopathie (vgl. hierzu die Arztbriefe der Neurologin F. vom 09.12.2004 und vom 12.01.2005).

Auf Veranlassung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. wurde der Kläger am 11.03.2005 durch den Neurologen und Psychiater Prof. Dr. St. untersucht. Im Befundbericht mit gutachterlicher Stellungnahme vom 14.03.2005 ist ausgeführt, der Kläger habe angegeben, er habe an den Unfallhergang keine Erinnerung. Bereits das Betreten des Gerüstes sei ihm nicht mehr erinnerlich; er sei im Krankenhaus B. wieder zu sich gekommen. Der Kläger habe über Kopfschmerzen, ein Taubheitsgefühl an Oberkörper und Armen, Schwindel, Schmerzen am linken Knie und Schlafstörungen geklagt. Das Gangbild sei flüssig, die Muskulatur an den Beinen seitengleich und kräftig ausgeprägt. Eine Gehilfe werde nicht benützt. Der objektivierbare neurologische Befund sei bis auf eine beidseitige leichte Hörminderung ebenso regelgerecht gewesen wie der psychiatrische Befund. Allerdings sei die Untersuchung durch mangelnde Mitarbeit bzw. Ausgestaltungs- und Verdeutlichungsversuche geprägt gewesen.

Im Befund- und Entlassbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 15.03.2005 sind die Diagnosen Restbeschwerden linkes Kniegelenk sowie persistierende Cephalgien nach Sturz aus drei Meter Höhe auf das Gesicht und das linke Knie mit Commotio cerebri und Verdacht auf posttraumatisches hirnorganisches Durchgangssyndrom aufgeführt. Die vom Kläger getragene Donjoy-Schiene (Kniegelenksorthese) und die Unterarmgehstützen seien abtrainiert worden, worauf der Kläger ein völlig unauffälliges, flüssiges Gangbild bei freier Beweglichkeit und Bandstabilität im linken Kniegelenk gezeigt habe. Geklagt habe er noch über dorsale Beschwerden beim Einnehmen der tiefen Hocke. Die Behandlung der Unfallfolgen werde mit dem Entlassungstag (15.03.2005) abgeschlossen; eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaße bestehe nicht. Der Kläger habe allerdings zu verstehen gegeben, dass er mit dem weiteren Vorgehen nicht einverstanden sei und sich weiterhin nicht arbeitsfähig fühle.

Die Beklagte stellte daraufhin die Gewährung von Verletztengeld mit Ablauf des 16.03.2005 ein.

Der Kläger machte in der Folgezeit einen Anspruch auf Verletztenrente wegen fortbestehender Beschwerden wie Kopfdruck und Schwindel sowie einer schweren Depression geltend. Hierzu legte er Schreiben der behandelnden Ärzte vor. Im Arztbrief der Neurologin F. vom 15.04.2005 betreffend die Untersuchung am 12.04.2005 sind die Diagnosen Zustand nach Commotio cerebri am 26.08.2004 mit protrahiertem posttraumatischem hirnorganischem Psychosyndrom mit Affektlabilität, Unruhezuständen und Durchschlafstörungen, jetzt Kopfschmerzen und Schwindel, ätiologisch bei Verdacht auf labile arterielle Hypertonie und Cervicobrachialgie beidseits unklarer Ätiologie aufgeführt. Die vom Kläger angegebene Beschwerdesymptomatik könne nicht mehr hinreichend durch ein protrahiertes postcommotionelles Syndrom erklärt werden, das definitionsgemäß längstens sechs Monate posttraumatisch weiterbestehen könne. Als andere Ursache komme eine labile arterielle Hypertonie in Betracht. Der Internist und Radiologe Dr. H. bescheinigte unter dem 27.04.2005 gegenüber der Ausländerbehörde eine schwere Depression sowie eine ausgeprägte Gonarthrose links. Die Behandlung werde lange Zeit andauern.

Mit Bescheid vom 24.05.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen der Folgen des Versicherungsfalles vom 26.08.2004 ab. Der Versicherungsfall habe nach dem Wegfall des Anspruchs auf Verletztengeld keine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade hinterlassen. Als Folgen des Versicherungsfalles wurden ein folgenlos knöchern fest verheilter Bruch des medialen Femurcondylus am linken Knie, eine folgenlos verheilte Nasenbeinfraktur sowie eine folgenlos verheilte Handgelenksdistorsion links anerkannt. Nicht als Unfallfolgen anerkannt wurden eine leichte Schwerhörigkeit beidseits sowie eine Depression.

Bereits ab dem 10.05.2005 hatte sich der Kläger wegen Knie- und Handgelenksbeschwerden links zunächst bei dem Unfallchirurgen Dr. M., sodann im Karl-Olga-Krankenhaus S. und schließlich bei dem Unfallchirurgen Dr. N. erneut in Behandlung begeben. Eine Erklärung für die von ihm angegebene Beschwerdesymptomatik fand sich auch im Rahmen einer am 16.06.2005 durchgeführten Arthroskopie seines linken Kniegelenks nicht. Im Anschluss an eine am 02.08.2005 erfolgte Untersuchung des Klägers in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. teilte Prof. Dr. W. mit Zwischenbericht vom 16.08.2005 mit, die vom Kläger angegebenen Restbeschwerden seien unfallunabhängig und basierten offensichtlich auf einer ausgeprägten psychischen Problematik. Der Kläger habe auch jetzt wieder eine Donjoy-Schiene getragen, weshalb die Muskelmasse am linken Oberschenkel deutlich reduziert sei. Das Kniegelenk sei allerdings völlig stabil und entgegen den genannten Beschwerden nahezu nicht bewegungslimitiert. Der Kläger habe die Befürchtung geäußert, er werde bei Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit wegen eines Auftritts als Zeuge in einem Gerichtsverfahren gegen seinen Arbeitgeber sofort entlassen. Auch habe er Zweifel daran geäußert, dass er angesichts eines von ihm angegebenen Schwindels auf Gerüsten arbeiten könne. Auf eine am 22.08.2005 erfolgte erneute Untersuchung des Klägers bezifferte Dr. M. die MdE im Zwischenbericht vom 23.08.2005 auf Null.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.09.2005 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück. Diese Entscheidung wurde am 19.09.2005 zur Post gegeben.

In der Folgezeit ging bei der Beklagten ein Arztbrief des Neurologen und Psychiaters Dr. P. vom 15.10.2005 ein, in dem über eine Behandlung des Klägers seit dem 14.04.2005 berichtet wird. Angeführt sind die Diagnosen oberflächliche Verletzung des Kopfes und akute Belastungsreaktion. Ein häufiges körperliches Unbehagen und subjektiv empfundene Organfunktionseinschränkungen beherrschten die eigene Aufmerksamkeit des Klägers in grotesker Prägung.

Am 20.10.2005 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben. Zur Begründung hat er verschiedene ärztliche Unterlagen vorgelegt. Das Arztschreiben des Neurologen Dr. L. vom 19.09.2005 führt eine neu aufgetretene ausgeprägte Stressreaktion/transiente Osteopenie in der Patella, eine Chondropathie retropatellar Grad III (medial) und Grad II (lateral), ein subtotal rückläufiges Knochenmarködem im Femurcondylus und einen im Übrigen unauffälligen Befund an. Im Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 03.11.2005 - Dr. Sch. - heißt es, beim Kläger bestehe eine durch das Sturzgeschehen Ende August 2004 ausgelöste anhaltende Angststörung, die deutlich über die für eine Anpassungsstörung definierte 6-Monats-Frist hinaus gehe, so dass depressive Faktoren zugrunde zu legen seien. Die rein körperlichen Krankheitsbefunde seien für die bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht ursächlich. Im Arztbrief des Neurologen und Psychiaters F. vom 08.12.2005 wird von einer Behandlung des Klägers seit dem 12.05.2005 mit den Diagnosen Anpassungsstörung bei vorwiegender Beeinträchtigung der affektiven Qualitäten, Zustand nach Commotio cerebri, somatoforme autonome Schmerzstörung und anhaltende ängstliche Depression berichtet. Die Diskrepanz zwischen den objektiven Befunden und den geklagten Beschwerden sowohl in somatischer als auch mentaler Hinsicht sei bislang unbeeinflussbar geblieben. In den Schreiben der Neurologin F. vom 13.12.2005, 25.01.2006 und 02.05.2006 wird ein Zustand nach Commotio cerebri mit protrahiertem posttraumatischem hirnorganischem Psychosyndrom mit Affektlabilität, Unruhezuständen und Durchschlafstörungen, eine Anpassungsstörung mit Affektlabilität, Antriebsstörung und somatischen Symptomen, ein aktuell in Remission befindliches beginnendes Karpaltunnelsyndrom beidseits sowie ein neu aufgetretener Ruhetremor beider Arme mit Zunahme bei Aktionsbewegungen und rezidivierendem Ruhezittern des linken Beines bei dringendem Verdacht auf somatoforme Störung berichtet. Eine fassbare organpathologisch objektivierbare Ursache des Ruhezitterns habe sich nicht ergeben. In der vom Kläger vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Gesundheitsamts S. - Dr. H. - vom 20.02.2006 an die Ausländerbehörde heißt es, die körperlichen Folgen des vom Kläger im Jahre 2004 erlittenen Arbeitsunfalles seien im Wesentlichen ausgeheilt. Im Vordergrund stehe aktuell eine gesundheitliche Einschränkung durch eine psychische Symptomatik. Beabsichtigt sei eine stationäre Behandlung, nach deren Abschluss eine Beurteilung der Reisefähigkeit des Klägers erfolgen könne. Der schließlich beim Sozialgericht eingereichte Reha-Entlassungsbericht der Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie der Luisenklinik - Zentrum für Verhaltensmedizin - Bad D. vom 02.03.2006 führt die Diagnosen somatoforme Schmerzstörung, schwere depressive Episode, Bandscheibenvorfall L 4/5, C 3/4 und C 4/5 sowie arterielle Hypertonie an. Die Entwicklung der depressiven und somatoformen Symptomatik sei vor dem Hintergrund des offenbar nicht verarbeiteten Arbeitsunfalls mit Verlust nahezu aller selbstwertstabilisierender Faktoren durch den Wegfall der Arbeitsfähigkeit zu sehen. Die Behandlung habe eine nur geringe Veränderung des psychischen und körperlichen Zustandes erbracht. Aufgrund der massiven psychischen Einschränkungen sei von einer weiterhin bestehenden Arbeitsunfähigkeit auszugehen, das Leistungsvermögen sei auf nicht absehbare Zeit mit unter drei Stunden täglich einzustufen. Die Prognose sei insgesamt ungünstig. Das Sozialgericht hat Gutachten des Neurologen Dr. van Sch. und des Neurologen und Psychiaters Dr. K. eingeholt. Dr. van Sch. hat unter dem 21.08.2006 ausgeführt, der Kläger habe angegeben, er könne sich an den Unfall nicht erinnern; seine Erinnerung setze erst ab dem Zeitpunkt der Notfallversorgung im Krankenhaus B. ein. Beim Kläger habe keine substanzielle Hirnschädigung oder traumatisch bedingte Verletzung des cervikalen Rückenmarks und der Halswirbelsäule vorgelegen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe er auch keine Commotio cerebri erlitten. Die angegebene Amnesie müsse als psychogen eingestuft werden. Der Kläger zeige eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion und eine Somatisierungsstörung. Die Erkrankung sei dem willentlichen Zugriff des Klägers entzogen und habe sich zeitlich passend im Anschluss an das Unfallereignis entwickelt. Die in der neurologischen Untersuchung demonstrierten Verdeutlichungstendenzen widersprächen den gestellten Diagnosen nicht. Die Erkrankung sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch den Unfall verursacht worden. Eine psychiatrische Vorerkrankung habe entsprechend der Anamnese und der vorliegenden Arztberichte nicht bestanden. Die MdE betrage nach seiner Einschätzung 30 vom Hundert (v. H.) seit dem 02.08.2005. Er empfehle die Einholung eines unfallchirurgischen bzw. orthopädischen Gutachtens zur Abklärung der MdE für die Kniegelenksverletzung sowie die Einholung eines Gutachtens auf psychiatrischem Fachgebiet. Im Gutachten von Dr. K. vom 08.03.2007 heißt es, der Kläger habe angegeben, seine beiden Söhne seien von der Ausländerbehörde zwischenzeitlich wieder nach S. geschickt worden. An den Unfallhergang erinnere er sich nicht mehr. Der ganze Tag fehle in seiner Erinnerung; diese setze erst ab der Zeit wieder ein, als er zu Hause gewesen sei. Beim Kläger liege ein dissoziativer Tremor und eine Hemihypästhesie links sowie eine länger anhaltende Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion vor. Es handle sich um eine psychogene Fehlverarbeitung des Unfallereignisses, das einen Bruch in der Lebenslinie des Klägers darstelle. Den Eindruck einer willentlichen Steuerbarkeit bzw. bewusstseinsnahen Verdeutlichungstendenz habe er nicht gehabt. Ohne das Unfallereignis wären die Symptome mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten. Hinweise auf unfallunabhängige Erkrankungen ergäben sich nicht. Die MdE schätze er auf 30 v. H. ab dem 02.08.2005 und für zunächst zwei weitere Jahre.

Mit Urteil vom 12.12.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Unfallfolgen auf unfallchirurgischem Fachgebiet seien folgenlos ausgeheilt und die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet seien nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Versicherungsfall vom 26.08.2004 zurückzuführen. Die Kammer folge dabei der gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. St ... Die wesentliche Ursache für die somatoforme Schmerzstörung und die Anpassungsstörung des Klägers liege in dessen Lebensgeschichte. Denn er sei multiplen und psychosozialen Belastungen insbesondere durch den unsicheren Aufenthaltsstatus in Form einer Duldung und der ständigen Drohung der Abschiebung in sein Heimatland ausgesetzt. Dass der Verlust des Arbeitsplatzes infolge des unsicheren Aufenthaltsstatus für den Kläger schwerwiegendere Folgen habe als für andere Versicherte, könne nicht mehr dem Unfall zugerechnet werden. Hinzu kämen die Konflikte in der Familie. Die Kammer vermöge daher der Einschätzung der Sachverständigen Dr. van Sch. und Dr. K., die psychische Symptomatik des Klägers sei wesentlich auf den Unfall zurückzuführen, nicht zu folgen. Diese Entscheidung ist dem Kläger am 29.01.2008 zugestellt worden.

Am 28.02.2008 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er sich im Wesentlichen auf die erstinstanzlich eingeholten Gutachten von Dr. van Sch. sowie Dr. K. berufen. Ergänzend hat er vorgetragen, kein Mitglied seiner Familie sei in das Heimatland abgeschoben worden. Vielmehr seien seine Söhne freiwillig ausgereist. Zwar sei infolge des Unfallereignisses die Sicherung des Lebensunterhalts nicht mehr gewährleistet gewesen, so dass die Erteilung einer "normalen" Aufenthaltserlaubnis gescheitert sei. Indes liege angesichts der auf der Grundlage einer Altfallregelung zwischenzeitlich erteilten Aufenthaltserlaubnis kein ungesicherter Aufenthalt mehr vor. Daher komme diesem Gesichtspunkt im Rahmen der Prüfung auch keine Bedeutung mehr zu.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2007 aufzuheben sowie den Bescheid vom 24. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. September 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Versicherungsfalles vom 26. August 2004 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die beim Kläger vorliegende psychische Symptomatik habe sich erst nach der Untersuchung durch Prof. Dr. St. entwickelt. Der Unfall vom 26.08.2004 sei daher für die jetzigen Beschwerden des Klägers nicht ursächlich.

Der Senat hat ein Vorerkrankungsverzeichnis der m. Betriebskrankenkasse beigezogen, in der sich Behandlungen des Klägers erst ab dem Unfalltage und Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 26.08.2004 bis zum 22.02.2006 sowie vom 12.05.2006 bis zum 12.08.2006 finden. Darüber hinaus hat das Gericht schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von Dr. P. und dem Neurologen und Psychiater F. eingeholt. Dr. P. hat mit Schreiben vom 06.04.2010 über Behandlungen des Klägers vom 14.04.2005 sporadisch bis zum 20.06.2006 berichtet und die Befunde und Diagnosen aus seinem Arztbrief vom 15.10.2005 wiederholt. Im Laufe der späteren Untersuchungen seien keine Änderungen beobachtet worden. Der Neurologe und Psychiater F. hat unter Wiederholung der in seinem Arztbrief vom 08.12.2005 angeführten Diagnosen unter dem 23.04.2010 berichtet, er habe den Kläger vom 12.05.2005 bis zum 22.05.2006 behandelt. Vorbehaltlich der seither verstrichenen Zeit und der seinerzeit bestehenden Sprachbarriere sehe er die Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung der affektiven Qualitäten am ehesten als durch den Arbeitsunfall verursacht an.

Der Senat hat über Dr. G. weiter die Arztbriefe der Neurologin F. aus der Zeit vom 15.11.2004 bis zum 22.02.2007 beigezogen. Hieraus ergeben sich die bereits angeführten Befunde und Diagnosen sowie gegen Ende der Behandlung zusätzlich eine Cervicobrachialgie rechts.

Im Auftrag des Senats hat Dr. K., diesmal unter Zuhilfenahme einer Dolmetscherin, nach einer erneuten Untersuchung des Klägers das Gutachten vom 05.10.2010 erstattet. Darin heißt es, der Kläger habe angegeben, er erinnere sich nicht an den Unfall, wisse aber noch, dass er alleine auf dem Gerüst beschäftigt gewesen sei, als dieses umgestürzt sei. Er sei erst im Krankenhaus in B. wieder zu sich gekommen. Von Anfang an habe er starke Kopfschmerzen gehabt und könne sich seither nicht mehr so gut konzentrieren. Angesichts der kaum zu objektivierenden Symptome stelle sich die Frage der Glaubhaftigkeit des Beschwerdevortrages. Dabei seien Tendenzen zur Beschwerdeverdeutlichung nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen. Auch spreche der Umstand, dass die dem Kläger verordneten Medikamente bei der durchgeführten Spiegeluntersuchung nicht nachzuweisen gewesen seien, mindestens gegen eine verordnungsgerechte regelmäßige Einnahme. Beim Kläger, der durch den Unfall sicher eine Commotio cerebri erlitten habe, liege nunmehr eine mittelgradige depressive Symptomatik und eine gemischte dissoziative Störung mit Halbseitensymptomen und psychogenem Tremor vor. Eine wesentliche Änderung im Vergleich zur Voruntersuchung sei wohl nicht eingetreten. Allerdings wirke der Tremor noch ausgeprägter und deutlicher und hätten sich jetzt deutlichere Hinweise auf Verdeutlichungstendenzen ergeben. Insgesamt seien aber die von Prof. Dr. St. angenommenen Verdeutlichungstendenzen nicht mit ausreichender Sicherheit nachzuvollziehen. Hinweise auf konkurrierende Ursachen lägen nicht vor. Die möglicherweise zögernde Bearbeitung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung und der längere Duldungsstatus scheine nicht hinreichend für eine solche Annahme bzw. Zweifel am Ursachenzusammenhang. Arbeitsunfähigkeit sei bis zum 02.08.2005 anzunehmen. Die MdE betrage 20 v. H.

Hiergegen hat der Neurologe und Psychiater Dr. Malzacher in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29.11.2010 eingewandt, eine neurologische Symptomatik, eine Gehirnerschütterung und auch eine psychische Störung seien nicht im Vollbeweis gesichert. Dabei bestünden Verdeutlichungstendenzen mit Zunahme der geschilderten Unfallzustände und Beschwerden.

Daraufhin hat das Gericht die ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Dr. K. vom 13.02.2011 eingeholt. Darin hat der Sachverständige dargelegt, der Ausschluss bewusstseinsnaher Verdeutlichungstendenzen sei nicht mit ausreichender Sicherheit gelungen. Allerdings sei er nach der Verhaltensbeobachtung in der Untersuchungssituation der Ansicht, dass die depressiven Erkrankungen und die dissoziative Störung des Klägers ohne das Unfallereignis nicht eingetreten wären und das Eintreten derselben auch nicht der bewussten Steuerungsfähigkeit unterlegen habe. Auch fänden sich keine ausreichenden Brückensymptome zwischen dem Bürgerkrieg im K. und den psychiatrischen Störungen. Nachdem sich früher vorhandene Konflikte hinsichtlich des Aufenthaltsrechts und innerhalb der Familie zwischenzeitlich mindestens deutlich gebessert hätten, ohne dass dies Auswirkungen auf die psychiatrische Symptomatik habe, komme er zu der Einschätzung, dass sowohl die depressive Störung als auch die dissoziative Störung ohne das Unfallereignis nicht eingetreten wären. Die Diagnosen einer Contusio cerebri könne definitiv nicht gehalten werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Stuttgart sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die gleichfalls beigezogenen Schwerbehindertenakten des Landratsamts Böblingen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger erstrebte Leistung ist § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind dabei nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforderlich (BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 9/10 R - zit. nach juris), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzu¬rechnen ist (innerer bzw. sach¬licher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis, dem Unfallereignis, geführt hat (Unfallkausalität) und letzteres einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Liegt danach ein Versicherungsfall vor, so bedarf es nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII für die Gewährung von Rente des Entstehens von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 29/07 R - zit. nach juris). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988 - 2/9b RU 28/87 - SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1), nämlich den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

In Anwendung dieser Grundsätze steht dem Kläger kein Anspruch auf Verletztenrente zu.

1. So hat der Arbeitsunfall vom 26.08.2004 in chirurgisch/unfallchirurgischer Hinsicht nach Einstellung der Verletztengeldzahlung mit Ablauf des 16.03.2005 keine Folgen in rentenberechtigender Höhe hinterlassen (vgl. hierzu die Berichte der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. - Prof. Dr. W. - vom 15.03.2005 und vom 16.08.2005 sowie den Zwischenbericht von Dr. M. vom 23.08.2005); dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit.

2. Aber auch auf neurologischem Fachgebiet liegen seit Beendigung der Verletztengeldzahlung keine unfallbedingten Gesundheitsstörungen vor.

Soweit die Neurologin F. auf die Untersuchung des Klägers am 08.11.2004, also mehr als zwei Monate nach dem Unfall, ein protrahiertes postcommotionelles Syndrom nach Commotio cerebri diagnostiziert (vgl. hierzu den Arztbrief vom 15.11.2004) und diese Einschätzung in der Folgezeit zunächst wiederholt (vgl. hierzu die Arztbriefe vom 09.12.2004 und vom 12.01.2005) hat, vermag der Senat dem in Ermangelung einer feststellbaren Commotio cerebri als Primärschädigung nicht zu folgen. Denn der gerichtliche Sachverständige Dr. van Sch. hat in seinem neurologischen Gutachten vom 21.08.2006 unter Berücksichtigung der im Durchgangsarztbericht von Dr. H. vom 27.08.2004 mitgeteilten fehlenden Anhaltspunkte für eine Commotio cerebri am Unfalltage und der Ergebnisse der am 01.09.2004 erfolgten axialen Computertomografie des Schädels (unauffällige Darstellung des Neurocraniums, kein Hinweis auf eine intracerebrale Blutung, keine indirekten Frakturzeichen, normale Darstellung des Mastoidzellsystems beidseits sowie Sinus ohne Nachweis von Blut bzw. einer Fraktur [Arztbrief des Radiologen Dr. K. vom 28.09.2004]), der am 11.10.2004 durchgeführten Magnetresonanztomografie des Schädels (unauffälliges Neurocranium, kein Blutungsnachweis und keine abgelaufene Ischämie [vgl. den Arztbrief der Radiologen Dr. K. und Dr. L. vom 11.10.2004]) sowie der erneuten kernspintomografischen Untersuchung des Schädels des Klägers am 16.12.2004 (altersentsprechender Befund ohne nachweisbare direkte Traumafolgen sowie Ausschluss einer Mikroangiopathie [vgl. hierzu den Arztbrief der Neurologin F. vom 09.12.2004 und vom 12.01.2005]) überzeugend dargelegt, dass der Kläger durch den Unfall keine substanzielle Hirnschädigung und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch keine Commotio cerebri erlitten hat. Auch die Anamnese und Untersuchung des Klägers haben keine Anhaltspunkte für eine durch den Unfall erlittene Schädigung der kognitiven Hirnfunktionen (Gedächtnis, Konzentration, Aufmerksamkeit, planerisches Denken und Handeln) ergeben. Dementsprechend ist die Neurologin F. bei von ihr am 12.04.2005 erhobenen unveränderten Befunde selbst zu der Einschätzung gelangt, für die weiterbestehenden Beschwerden seien angesichts des Zeitablaufs anderweitige Ursachen in Erwägung zu ziehen (vgl. den Arztbrief vom 15.04.2005).

Daraus, dass den in den Berichten der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. - Prof. Dr. W. - vom 15.03.2005 und vom 16.08.2005 die Diagnosen Commotio cerebri und (Verdacht auf) posttraumatisches hirnorganisches Durchgangssyndrom angeführt sind, ergibt sich nichts anderes. Denn diese Diagnosen beruhen auf einer bloßen Übernahme der diagnostischen Einschätzung durch die Neurologin F ... Dies entnimmt der Senat dem Bericht vom 15.03.2005.

Eine Commotio cerebri ergibt sich schließlich auch nicht aus den Angaben des Klägers zu einem (unfallbedingten) Verlust der Erinnerung. Denn diese Angaben sind nicht glaubhaft, weil - worauf bereits der Neurologe und Psychiater Dr. Malzacher in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 29.11.2010 hingewiesen hat - in sich widersprüchlich. Während nämlich im Rahmen der nur kurz nach dem Unfall erfolgten Behandlung durch den Durchgangsarzt Dr. H. nicht von einer Erinnerungslücke die Rede war (vgl. den Durchgangsarztbericht vom 27.08.2004), hieß es bei der Erstuntersuchung durch die Neurologin F. am 08.11.2004, ein Zeitraum von wenigen Minuten nach dem Sturz sei ihm nicht mehr erinnerlich (vgl. den Arztbrief vom 15.11.2004). Gegenüber Prof. Dr. St. behauptete der Kläger dann am 11.03.2005 einen schon mit dem Betreten des Gerüsts beginnenden und erst im Krankenhaus B. endenden Erinnerungsverlust (vgl. den Befundbericht mit gutachterlicher Stellungnahme vom 14.03.2005). Dem entspricht weitgehend das Vorbringen im Rahmen der Untersuchung durch den Neurologen Dr. van Sch. am 11.08.2006 (vgl. hierzu das Gutachten vom 21.08.2006). Demgegenüber war im Rahmen der erstinstanzlich erfolgten Untersuchung des Klägers durch den Neurologen und Psychiater Dr. K. am 02.03.2007 sogar davon die Rede, der ganze Tag fehle in seiner Erinnerung; diese setze erst ab der Zeit wieder ein, als er zu Hause gewesen sei (vgl. das Gutachten vom 08.03.2007). Bei der am 29.09.2010 erfolgten erneuten Untersuchung durch Dr. K. hat der Kläger die Zeitdauer seiner angeblichen Erinnerungslücke dann wieder auf die Zeit ab dem Unfall bis zu seiner Behandlung im Krankenhaus in B. beschränkt (vgl. das Gutachten vom 05.10.2010). Diese unauflösbaren Widersprüche führen nicht nur zur Unglaubhaftigkeit der entsprechenden Angaben des Klägers, sondern ziehen auch seine Glaubwürdigkeit insgesamt in Zweifel. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der von Dr. van Sch. angenommenen psychogenen Gründe für die angegebene Amnesie, die allenfalls eine Erinnerungslücke, nicht aber die völlig unterschiedlichen, im Verlaufe des Verfahrens zunächst erheblich gesteigerten und schließlich wieder beschränkten Angaben zu Umfang und Dauer des angeblichen Erinnerungsverlusts zu erklären vermag.

Sonstige neurologische Unfallfolgen bestehen nicht (vgl. die erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. van Sch. vom 21.08.2006 und von Dr. K. vom 08.03.2007); auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.

3. Schließlich liegen auch psychische Unfallfolgen nicht mit der erforderlichen Sicherheit vor.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R) ist Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung von Leistungen zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite sollte diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist (zum Beispiel die 10. Revision der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahr 1989, vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information ins Deutsche übertragen, herausgegeben und weiterentwickelt [ICD-10], und das Diagnostische und statistische Manual psychischer Störungen der Amerikanischen psychiatrischen Vereinigung aus dem Jahr 1994, von Saß/Wittchen/Zaudig, 3. Aufl. 2001 im Deutschen bearbeitet und herausgegeben [DSM-IV]). Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, um so einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich ihre Auswirkungen zu bewerten. Begründete Abweichungen von diesen Diagnosesystemen aufgrund ihres Alters und des zwischenzeitlichen wissenschaftlichen Fortschritts sind damit nicht ausgeschlossen.

In Anwendung dieser Grundsätze spricht zwar manches dafür, dass beim Kläger eine psychische Erkrankung vorliegt. Mit Gewissheit feststellen lässt sich indes das Bestehen einer solchen Erkrankung, zumal auf der Grundlage der oben angeführten Diagnosesysteme, nicht.

a) Zum einen bestehen bereits Zweifel an den vom Kläger als Folge seines Unfalles berichteten und demonstrierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Denn angesichts der bereits oben (unter 2.) beschriebenen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers, der jedenfalls erkennbaren Aggravation und einer nicht auszuschließenden Simulation, vermag sich das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass entsprechende gesundheitliche Beeinträchtigungen tatsächlich vorliegen:

So hat schon der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Sch. von wechselnden Angaben des Klägers im Tonaudiogramm am Tage nach dem Unfall berichtet (vgl. den HNO-Arztbericht vom 30.08.2004). In der Folgezeit hat der behandelnde Orthopäde Dr. Sch. mitgeteilt, eine Aggravation sei beim Kläger nicht sicher auszuschließen, auch stünden die Schmerzenangaben nicht in Relation zu den erhobenen klinischen Befunden (vgl. die Zwischenberichte vom 17.11.2004 und vom 26.01.2005). Ferner hat er zutreffend prognostiziert, der Kläger werde die Arbeit nicht wieder aufnehmen und weiterhin über Beschwerden im Bereich des linken Kniegelenks klagen sowie als Grund hierfür eine drohende Abschiebung in das Heimatland angeführt (vgl. den Zwischenbericht vom 17.11.2004). Eine solchermaßen zweckgerichtete Geltendmachung von gesundheitlichen Unfallfolgen lässt sich zwar nicht erweisen. Allerdings sprechen für diese Einschätzung einerseits die von Dr. Sch. berichteten Unterschiede zwischen geklagten und objektivierten Befunden sowie andererseits die dargelegten Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers in Verbindung mit dem Umstand, dass er zu jener Zeit jeweils nur mit einer befristeten Duldung (als zeitlich beschränktem Verzicht auf die zwangsweise Durchsetzung der bestehenden Ausreisepflicht) ausgestattet war und er die behaupteten Unfallfolgen der ihm drohenden Abschiebung - offenbar mit Erfolg - entgegengehalten hat (vgl. hierzu die an die Ausländerbehörde gerichtete Bestätigung von Dr. H. vom 27.04.2005 sowie die gleichfalls gegenüber der Ausländerbehörde abgegebene gutachterliche Stellungnahme des Gesundheitsamts Stuttgart - Dr. H. - vom 20.02.2006).

Hinzu kommt, dass Prof. Dr. St. bei der am 11.03.2005 erfolgten Untersuchung des Klägers nicht nur neurologischerseits, sondern auch in psychiatrischer Hinsicht einen regelgerechten Befund erhoben und darüber hinaus von einer mangelnden Mitarbeit bzw. Ausgestaltungs- sowie Verdeutlichungsversuchen berichtet hat (vgl. den Befundbericht mit gutachterlicher Stellungnahme vom 14.03.2005). Eine solche mangelnde Mitarbeit war bereits zuvor in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. aufgefallen, wo eine von Dr. Sch. veranlasste Untersuchung "auf Grund der maximalen Gegenwehr des Unfallverletzten praktisch nicht möglich" war. Ferner zeigt auch der Umstand, dass der Kläger die im Rahmen der Behandlung vom 03.02. bis zum 15.03.2005 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. mit dem Ergebnis eines völlig unauffälligen und flüssigen Gangbildes abtrainierte Donjoy-Schiene bei seiner Wiedervorstellung am 02.08.2005 erneut trug, obschon sich bei den Untersuchungen im März und August 2005 jeweils stabile Verhältnisse und (nahezu) keine Bewegungseinschränkungen gezeigt haben (vgl. den Befund- und Entlassbericht vom 15.03.2005 sowie den Zwischenbericht vom 16.08.2005), eine Verdeutlichungs- bis Simulationstendenz. Vor diesem Hintergrund spricht der Umstand, dass der Kläger ausweislich des Zwischenberichts der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 16.08.2005 angegeben hat, er befürchte, bei Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit wegen eines Auftritts als Zeuge in einem Gerichtsverfahren gegen seinen Arbeitgeber sofort entlassen zu werden, dafür, dass er mit der Geltendmachung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen neben der Vermeidung der Abschiebung einen weiteren prozessfremden Zweck verfolgt.

Ferner hat auch der Sachverständige Dr. van Sch. in der neurologischen Untersuchung demonstrierte Verdeutlichungstendenzen mitgeteilt (vgl. hierzu das Gutachten vom 21.08.2006). Schließlich hat der Sachverständige Dr. K. von im Rahmen der Untersuchung am 29.09.2010 im Vergleich zur erstinstanzlich erfolgten Begutachtung aufgetretenen deutlicheren Hinweisen auf Verdeutlichungstendenzen berichtet (vgl. das Gutachten vom 05.10.2010) und ausgeführt, der Ausschluss bewusstseinsnaher Verdeutlichungstendenzen sei nicht mit ausreichender Sicherheit gelungen (vgl. die ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 13.2.2011).

Der Einschätzung von Dr. van Sch., die Verdeutlichungstendenzen widersprächen den gestellten Diagnosen nicht, vermag der Senat angesichts der angeführten Hinweise auf mit der Geltendmachung von Gesundheitsstörungen durch den Kläger verfolgte prozessfremde Zwecke zu folgen.

b) Zum anderen lassen sich die geltend gemachten psychischen Gesundheitsstörungen des Klägers auch nicht verlässlich diagnostisch einordnen.

Selbst soweit die den Kläger behandelnden bzw. untersuchenden Ärzte - anders als Prof. Dr. St. und die Neurologin F. - von einer psychischen Erkrankung ausgehen, liegen ihre Diagnosen erheblich auseinander. Dies gilt selbst mit Blick die auf Einschätzung der Fachärzte. Während der Neurologe und Psychiater Dr. P. von einer akuten Belastungsreaktion ausging (vgl. den Arztbrief vom 15.10.2005 sowie die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 06.04.2010), diagnostizierten der Neurologe und Psychiater F. eine Anpassungsstörung bei vorwiegender Beeinträchtigung der affektiven Qualitäten, einen Zustand nach Commotio cerebri, eine somatoforme autonome Schmerzstörung sowie eine anhaltende ängstliche Depression (vgl. den Arztbrief vom 08.12.2005 sowie die schriftliche sachverständige Zeugenaussage vom 23.04.2010) und die behandelnden Ärzte der Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie der Luisenklinik - Zentrum für Verhaltensmedizin - Bad D. eine somatoforme Schmerzstörung sowie eine schwere depressive Episode (vgl. den Reha-Entlassungsbericht vom 02.03.2006). Der Sachverständige Neurologe und Psychiater Dr. K. stufte die von ihm angenommene Erkrankung des Klägers - weitgehend in Übereinstimmung mit dem Neurologen Dr. van Sch. - zunächst als länger anhaltende Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion und dissoziativem Tremor nebst Hemihypästhesie (vgl. das Gutachten vom 08.03.2007) und schließlich als mittelgradige depressive Symptomatik und gemischte dissoziative Störung mit Halbseitensymptomen und psychogenem Tremor (vgl. das Gutachten vom 05.10.2010) ein.

Angesichts dieser, im Wesentlichen den unsymptomatischen Beschwerdeangaben des Klägers geschuldeten unterschiedlichen Diagnosen vermag der Senat das Vorliegen einer bestimmten psychischen Erkrankung des Klägers nicht mit Gewissheit festzustellen. Hinzu kommt, dass die angeführten Diagnosen auch im Übrigen nicht überzeugen.

Eine akute Belastungsreaktion ist mit Blick auf die Zeitdauer der angeblichen psychischen Störungen des Klägers auch unter Zugrundelegung der Diagnosekriterien (ICD-10 - F43.0 - Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung, die im allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt) nicht mit der erforderlichen Gewissheit festzustellen.

Bei Anpassungsstörungen (ICD-10 - F43.2) handelt es sich um Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im Allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die Belastung kann das soziale Netz des Betroffenen beschädigt haben (wie bei einem Trauerfall oder Trennungserlebnissen) oder das weitere Umfeld sozialer Unterstützung oder soziale Werte (wie bei Emigration oder nach Flucht). Sie kann auch in einem größeren Entwicklungsschritt oder einer Krise bestehen (wie Schulbesuch, Elternschaft, Misserfolg, Erreichen eines ersehnten Zieles oder Ruhestand). Die individuelle Prädisposition oder Vulnerabilität spielt bei dem möglichen Auftreten und bei der Form der Anpassungsstörung eine bedeutsame Rolle; es ist aber dennoch davon auszugehen, dass das Krankheitsbild ohne die Belastung nicht entstanden wäre. Die Anzeichen sind unterschiedlich und umfassen depressive Stimmung, Angst oder Sorge (oder eine Mischung von diesen). Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurecht zu kommen, diese nicht vorausplanen oder fortsetzen zu können. Störungen des Sozialverhaltens können insbesondere bei Jugendlichen ein zusätzliches Symptom sein. Hervorstechendes Merkmal kann eine kurze oder längere depressive Reaktion oder eine Störung anderer Gefühle und des Sozialverhaltens sein.

Eine solche Anpassungsstörung hat der Sachverständige Dr. K. zuletzt selbst nicht mehr diagnostiziert (vgl. das Gutachten vom 05.10.2010). Dies steht in Übereinstimmung mit den vorgenannten Kriterien und der Einschätzung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 03.11.2005 - Dr. Sch. -, wonach die Beschwerden des Klägers deutlich über die für eine Anpassungsstörung definierte 6-Monats-Frist hinausgehen, so dass depressive Faktoren zugrunde zu legen seien. Dabei weist der Senat auch darauf hin, dass die hier als eine Anpassungsstörung auslösend in Betracht kommenden Gesundheitsstörungen zeitnah nach Ablauf der besagten 6-Monats-Frist bereits nahezu folgenlos geheilt und auch die dadurch ausgelöste Arbeitsunfähigkeit (vgl. den Befund- und Entlassbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 15.03.2005).

Soweit der Sachverständige Dr. K. nunmehr von einer depressiven Symptomatik (ICD-10 - F33.1) ausgeht, ist dies unter Zugrundelegung eines strengen Maßstabs (BSG, Urteil vom 07.04.1964 - 4 RJ 283/60- zit. nach juris) und des Umstandes, dass psychische Unfallfolgen in der Regel in wenigen Monaten, selten im Verlauf von ein bis zwei Jahren, abklingen und, wenn sie bestehen bleiben, sich gar verstärken oder bei geringfügigen Traumen auftreten, dies auf eine besondere Disposition des Verletzten zu neurotischen Störungen hindeutet (Bayerisches LSG, Urteil vom 26.03.2008 - L 3 U 373/07 - zit. nach juris) nicht überzeugend, zumal - wie ausgeführt - der Grund für eine solche (reaktive) depressive Symptomatik bereits im März 2005, also vor ihrer Diagnose durch den Sachverständigen entfallen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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