Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 7546/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1164/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme geltend.
Die 1944 geborene Klägerin ist als Rentnerin bei der Beklagten krankenversichert. Im Februar 2009 beantragte sie bei der Beklagten eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Die letzte Maßnahme dieser Art führte die Klägerin auf Kosten der Rentenversicherung in der Zeit vom 18. April 2006 bis 30. Mai 2006 durch. Die behandelnde Ärztin Dr. S. führte zur Begründung der aus ihrer Sicht bestehenden Notwendigkeit einer solchen Maßnahme aus, die Klägerin leide an einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung im linken Knie, einer schmerhaft eingeschränkten Beweglichkeit der Schultern und Depressionen. Da der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) den Reha-Antrag jedoch nicht befürwortete, lehnte ihn die Beklagte mit Bescheid vom 31. März 2009 ab.
Dagegen legte die Klägerin am 6. April 2009 Widerspruch ein. Sie wies darauf hin, dass bei ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 anerkannt sei. Sie bitte um Einweisung in die B.-Klinik Ü., da sie bereits 1996, 2000 und 2002 dort gewesen sei und auch psychische Unterstützung erfahren habe. Auf eine entsprechende Anforderung der Beklagten übersandte der Orthopäde Dr. K. seinen Befundbericht vom 24. September 2009 sowie mehrere Arztbriefe an den MDK. In dem Befundbericht wird eine aktivierte Gonarthrose links beschrieben und aufgrund der bisher erfolglosen konservativen Therapie die Implantation einer Kniegelenksprothese vorgeschlagen. Unter den beigefügten Arztbriefen waren auch zwei Briefe einer Radiologischen Praxis, in denen über das Ergebnis von Kernspintomographien des linken Kniegelenkes, die am 15. Juli 2008 und am 19. November 2008 angefertigt wurden, berichtet wird. In dem nach Aktenlage erstellten Sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 28. Mai 2009 wird eine stationäre Maßnahme weiterhin nicht befürwortet. Dem gestuften Versorgungsprinzip zufolge könnten zuvor noch wohnortnahe Maßnahmen durchgeführt werden. Die Klägerin legte einen weiteren Befundbericht über eine am 6. Juni 2009 durchgeführte Kernspintomographie des linken Kniegelenks vor. Darin führte Dr. K. ua aus, es liege die bekannte flächenhafte hochgradige Chondromalazie bis 4. Grades vor. Im zeitlichen Verlauf sei ein rückläufiger Reizerguss und eine rückläufige Baker-Zyste festzustellen. Ein residualer Reizzustand sei jedoch noch vorhanden. Der MDK konnte in den nachgereichten Unterlagen keine neuen Erkenntnisse sehen und verwies in seiner Stellungnahme vom 24. Juni 2009 auf seine Beurteilung im Gutachten vom 28. Mai 2009. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2009 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 11. November 2009 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und geltend gemacht, ihre Ärzte hätten ihr zu einer stationären Rehabilitationsmaßnahme geraten. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich befragt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. H. hat ausgeführt, er gehe davon aus, dass es sich im vorliegenden Fall um Restbeschwerden im linken Knie nach einer im August 2008 durchgeführten Arthroskopie handelt. Diese könnten durch intensive krankengymnastische Maßnahmen, sei es vor Ort oder als ambulante Kur durchgeführt werden (Schreiben vom 28. Januar 2010). Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. hat dargelegt, formal stimme sie der Einschätzung des MDK im Gutachten vom 28. Mai 2009 zu. Wenn eine stationäre Maßnahme ausscheide, wäre eine ambulante Kur sinnvoll, um durch eine Kräftigung der Muskulatur zu einer Besserung zu gelangen (Schreiben vom 10. Februar 2010). Dr. R., Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, hat sich dem Gutachten des MDK nicht angeschlossen. Gerade die Multimorbidität und die psychosomatische Komponente ließen befürchten, dass die ambulanten Maßnahmen nicht ausreichten und deshalb die Chronifizierung des Schmerzes im Raume stehe (Schreiben vom 1. Februar 2010). Der Orthopäde Dr. K. hat ebenfalls eine stationäre Reha-Maßnahme zur Vermeidung einer Pflegebedürftigkeit und zur Sicherung der Mobilität befürwortet (Schreiben vom 12. März 2010). Anschließend hat das SG Dr. H., Orthopädisches Forschungsinstitut S., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 29. Juli 2010 hat der Sachverständige zusammenfassend ausgeführt, die Beschwerden der Klägerin seien absolut nachvollziehbar. Sie ließen sich aber durch rehabilitationsmedizinische Maßnahmen weder ambulant noch stationär kausal behandeln. Die Klägerin hat sich zu dem Gutachten des Dr. H. mit Schreiben vom 5. August 2010 geäußert; hierauf wird verwiesen. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2011, der Klägerin zugestellt am 19. Februar 2011, abgewiesen.
Mit einem am 4. März 2011 beim SG eingegangenen Schreiben hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie hat dem Senat weitere Röntgenbilder und Kernspintomographien vorgelegt und darauf hingewiesen, dass sie im August 2010, also nach der Untersuchung durch Dr. H., in einem Kaufhaus gestürzt sei. Deshalb habe sie Beschwerden an der Halswirbelsäule und am linken Kniegelenk. Das Hauptproblem sei jedoch nach wie vor ihr linkes Knie.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2011 zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Senat hat die Beklagte gebeten, die von der Klägerin eingereichten Röntgenaufnahmen und Kernspintomographien dem MDK zur Begutachtung vorzulegen. Im sozialmedizinischen Gutachten vom 30. Mai 2011 hat Dr. W.-K. ausgeführt, im Fall der Klägerin hätten wiederholte stationäre Reha-Verfahren den Schweregrad der Beeinträchtigungen von Aktivität und Teilhabe nicht wesentlich bessern können. Auch die Rehabilitationsprognose müsse als negativ angesehen werden. Dies liege an der fortschreitenden Degeneration, die auch durch Reha-Verfahren nicht aufgehalten werden könne. Hierzu hat sich die Klägerin mit E-Mail vom 28. Juli 2011, 08:09 Uhr, geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2011 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf stationäre Leistungen zur Rehabilitation.
Versicherte haben nach § 11 Abs 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB V aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, durch wohnortnahe Einrichtungen. Reichen weder eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme in einer Rehabilitationseinrichtung noch eine ambulante wohnortnahe Rehabilitation aus, erbringt die Krankenkasse nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGB V stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht. Die Regelung in § 40 SGB V bringt zum Ausdruck, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Bereich der Rehabilitation in einem Stufenverhältnis stehen. Stationäre Rehabilitationsleistungen kommen erst in Betracht, wenn eine ambulante Krankenbehandlung und ambulante Rehabilitationsleistungen nicht ausreichen, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Dies folgt im Übrigen auch aus dem in § 12 Abs 1 SGB V enthaltenen Wirtschaftlichkeitsgebot, das für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung gilt und dem im Zusammenhang mit Leistungen der medizinischen Rehabilitation der Grundsatz "ambulant vor stationär" entnommen werden kann.
Die Voraussetzungen, die für einen Anspruch auf stationäre Rehabilitationsmaßnahmen erfüllt sein müssen, liegen bei der Klägerin nicht vor. Es bestehen zwar mehrere Behinderungen, doch reicht eine ambulante Krankenbehandlung aus, um eine Verschlimmerung der Behinderung und deren Folgen zu verhindern. Eine Beseitigung der Behinderungen ist allenfalls durch ambulante und stationäre Krankenbehandlungen zu erreichen, nicht aber durch Rehabilitationsleistungen.
Nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bei den Gesundheitsstörungen, an denen die Klägerin leidet, im Vordergrund die erheblichen Knorpelschäden (Chondromalazie) im linken Kniegelenk stehen. Der Gelenkknorpelschaden besteht in einem teilweise vollständigen Verlust der Knorpelschicht sowohl im inneren Knieabschnitt als auch hinter der Kniescheibe. Dies folgt aus dem Gutachten, welches Dr. H. für das SG erstattet hat, sowie aus dem Bericht des Dr. K. über die am 6. Juni 2009 durchgeführte Kernspintomographie. Diese Gesundheitsstörung führt zu einer Einschränkung der Gehfähigkeit. Aufgrund eines 1978 erlittenen Unfalls, bei dem sich die Klägerin einen Verrenkungsbruch im linken Schultergelenk zugezogen hat, besteht weiterhin eine leichte Bewegungseinschränkung in diesem Gelenk. Dadurch kam es auch zu einer dauerhaften deutlichen Verschmächtigung des schulterumgreifenden Deltamuskels. Probleme treten beim aktiven Anheben des linken Oberarms über die Horizontale auf. Auch dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. H ...
Der Senat stimmt darüber hinaus auch insoweit mit der gutachtlichen Bewertung durch den Sachverständigen Dr. H. überein, als dieser die Auffassung vertritt, dass die Knorpelschädigungen im linken Kniegelenk und andere strukturelle Auffälligkeiten durch Rehabilitationsleistungen nicht beseitigt werden können. Er hat deshalb zu Recht darauf abgestellt, ob und welche rehabilitationsmedizinischen Leistungen bei dem Krankheitsbild der Klägerin zu einer Besserung oder Linderung der Beschwerden beitragen können. Da bei seiner Untersuchung der Klägerin die Beweglichkeit in den Kniegelenken noch nicht wesentlich eingeschränkt und die Kraft im linken Bein nicht verringert war, was sich daran zeigte, dass es bislang noch zu keiner Muskelminderung am linken Bein gekommen ist, hat er schlüssig und nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass rehabilitationsmedizinische Maßnahmen zur Verbesserung der Beweglichkeit und zum Muskelaufbau nicht notwendig sind. Ferner hat er überzeugend dargelegt, dass sich die belastungsabhängige Schmerzsymptomatik durch Maßnahmen ambulanter und stationärer Physiotherapie nicht anhaltend lindern lässt. Eine Linderung könne nur durch die regelmäßige Einnahme eines entzündungshemmenden Schmerzmedikaments erreicht werden. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Eine Beseitigung der durch die Knorpelschädigung verursachten Behinderung lässt sich allenfalls - darin stimmen alle Ärzte überein - nur mittelbar durch Implantation einer Kniegelenksprothese erreichen.
Letztlich ergibt sich auch aus den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte kein Widerspruch zu den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. So hat zB der Orthopäde Dr. K. den Vorschlag einer stationären Maßnahme (auch) damit begründet, dass die Klägerin eine Distanz aus ihrem sozialen Umfeld benötige, da sie alleinlebend sei und sich sonst nur mit ihren Gebrechen beschäftige. Diese sozialen Erwägungen rechtfertigen aber nicht die Durchführung einer stationären medizinischen Rehabilitation. Dr. R. hat wiederum auf eine psychosomatische Komponente und auf die Gefahr der Chronifizierung der Schmerzen hingewiesen. Dies belegt nach Ansicht des Senats aber nur die Erforderlichkeit einer ausreichenden Schmerztherapie, nicht aber die Notwendigkeit stationärer Rehabilitationsmaßnahmen. Im Übrigen ist die soziale Situation der Klägerin nicht - wie dies in den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte gelegentlich anklingt - durch eine Vereinsamung der Klägerin gekennzeichnet. Nach ihren Angaben gegenüber Dr. H. besucht sie einmal in der Woche eine Frauengymnastik und zusätzlich in unregelmäßigen Abständen eine Seniorinnengymnastikgruppe.
Der Unfall (Sturz), den die Klägerin im August 2010 erlitten hat, ändert an der von Dr. H. vorgenommenen Beurteilung nichts. Die zur Behandlung der Unfallfolgen notwendige Krankenbehandlung erhält die Klägerin. Nach dem Bericht des Radiologie-Zentrums S. über die am 23. September 2010 bei der Klägerin angefertigte Kernspintomographie der Halswirbelsäule sind dort zwar in den Halswirbelkörpern 4/5 und 5/6 Bandscheibenprotrusionen festgestellt worden. Dabei handelt es sich aber um degenerative Veränderungen, die nicht erst durch den Sturz im August 2010 aufgetreten sind. Der Unfall hat außerdem auch nach Einschätzung der Klägerin nichts daran geändert, dass das linke Knie weiterhin das "Hauptproblem" ist (Schreiben der Klägerin vom 29. April 2011). Damit ist der maßgebliche Sachverhalt durch die bisher durchgeführten Ermittlungen vollständig aufgeklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Gewährung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme geltend.
Die 1944 geborene Klägerin ist als Rentnerin bei der Beklagten krankenversichert. Im Februar 2009 beantragte sie bei der Beklagten eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Die letzte Maßnahme dieser Art führte die Klägerin auf Kosten der Rentenversicherung in der Zeit vom 18. April 2006 bis 30. Mai 2006 durch. Die behandelnde Ärztin Dr. S. führte zur Begründung der aus ihrer Sicht bestehenden Notwendigkeit einer solchen Maßnahme aus, die Klägerin leide an einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung im linken Knie, einer schmerhaft eingeschränkten Beweglichkeit der Schultern und Depressionen. Da der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) den Reha-Antrag jedoch nicht befürwortete, lehnte ihn die Beklagte mit Bescheid vom 31. März 2009 ab.
Dagegen legte die Klägerin am 6. April 2009 Widerspruch ein. Sie wies darauf hin, dass bei ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 anerkannt sei. Sie bitte um Einweisung in die B.-Klinik Ü., da sie bereits 1996, 2000 und 2002 dort gewesen sei und auch psychische Unterstützung erfahren habe. Auf eine entsprechende Anforderung der Beklagten übersandte der Orthopäde Dr. K. seinen Befundbericht vom 24. September 2009 sowie mehrere Arztbriefe an den MDK. In dem Befundbericht wird eine aktivierte Gonarthrose links beschrieben und aufgrund der bisher erfolglosen konservativen Therapie die Implantation einer Kniegelenksprothese vorgeschlagen. Unter den beigefügten Arztbriefen waren auch zwei Briefe einer Radiologischen Praxis, in denen über das Ergebnis von Kernspintomographien des linken Kniegelenkes, die am 15. Juli 2008 und am 19. November 2008 angefertigt wurden, berichtet wird. In dem nach Aktenlage erstellten Sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 28. Mai 2009 wird eine stationäre Maßnahme weiterhin nicht befürwortet. Dem gestuften Versorgungsprinzip zufolge könnten zuvor noch wohnortnahe Maßnahmen durchgeführt werden. Die Klägerin legte einen weiteren Befundbericht über eine am 6. Juni 2009 durchgeführte Kernspintomographie des linken Kniegelenks vor. Darin führte Dr. K. ua aus, es liege die bekannte flächenhafte hochgradige Chondromalazie bis 4. Grades vor. Im zeitlichen Verlauf sei ein rückläufiger Reizerguss und eine rückläufige Baker-Zyste festzustellen. Ein residualer Reizzustand sei jedoch noch vorhanden. Der MDK konnte in den nachgereichten Unterlagen keine neuen Erkenntnisse sehen und verwies in seiner Stellungnahme vom 24. Juni 2009 auf seine Beurteilung im Gutachten vom 28. Mai 2009. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 2009 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 11. November 2009 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und geltend gemacht, ihre Ärzte hätten ihr zu einer stationären Rehabilitationsmaßnahme geraten. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich befragt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. H. hat ausgeführt, er gehe davon aus, dass es sich im vorliegenden Fall um Restbeschwerden im linken Knie nach einer im August 2008 durchgeführten Arthroskopie handelt. Diese könnten durch intensive krankengymnastische Maßnahmen, sei es vor Ort oder als ambulante Kur durchgeführt werden (Schreiben vom 28. Januar 2010). Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. hat dargelegt, formal stimme sie der Einschätzung des MDK im Gutachten vom 28. Mai 2009 zu. Wenn eine stationäre Maßnahme ausscheide, wäre eine ambulante Kur sinnvoll, um durch eine Kräftigung der Muskulatur zu einer Besserung zu gelangen (Schreiben vom 10. Februar 2010). Dr. R., Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, hat sich dem Gutachten des MDK nicht angeschlossen. Gerade die Multimorbidität und die psychosomatische Komponente ließen befürchten, dass die ambulanten Maßnahmen nicht ausreichten und deshalb die Chronifizierung des Schmerzes im Raume stehe (Schreiben vom 1. Februar 2010). Der Orthopäde Dr. K. hat ebenfalls eine stationäre Reha-Maßnahme zur Vermeidung einer Pflegebedürftigkeit und zur Sicherung der Mobilität befürwortet (Schreiben vom 12. März 2010). Anschließend hat das SG Dr. H., Orthopädisches Forschungsinstitut S., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 29. Juli 2010 hat der Sachverständige zusammenfassend ausgeführt, die Beschwerden der Klägerin seien absolut nachvollziehbar. Sie ließen sich aber durch rehabilitationsmedizinische Maßnahmen weder ambulant noch stationär kausal behandeln. Die Klägerin hat sich zu dem Gutachten des Dr. H. mit Schreiben vom 5. August 2010 geäußert; hierauf wird verwiesen. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2011, der Klägerin zugestellt am 19. Februar 2011, abgewiesen.
Mit einem am 4. März 2011 beim SG eingegangenen Schreiben hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie hat dem Senat weitere Röntgenbilder und Kernspintomographien vorgelegt und darauf hingewiesen, dass sie im August 2010, also nach der Untersuchung durch Dr. H., in einem Kaufhaus gestürzt sei. Deshalb habe sie Beschwerden an der Halswirbelsäule und am linken Kniegelenk. Das Hauptproblem sei jedoch nach wie vor ihr linkes Knie.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Februar 2011 zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Der Senat hat die Beklagte gebeten, die von der Klägerin eingereichten Röntgenaufnahmen und Kernspintomographien dem MDK zur Begutachtung vorzulegen. Im sozialmedizinischen Gutachten vom 30. Mai 2011 hat Dr. W.-K. ausgeführt, im Fall der Klägerin hätten wiederholte stationäre Reha-Verfahren den Schweregrad der Beeinträchtigungen von Aktivität und Teilhabe nicht wesentlich bessern können. Auch die Rehabilitationsprognose müsse als negativ angesehen werden. Dies liege an der fortschreitenden Degeneration, die auch durch Reha-Verfahren nicht aufgehalten werden könne. Hierzu hat sich die Klägerin mit E-Mail vom 28. Juli 2011, 08:09 Uhr, geäußert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2011 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf stationäre Leistungen zur Rehabilitation.
Versicherte haben nach § 11 Abs 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) auch Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Reicht bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht aus, um die in § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen, erbringt die Krankenkasse nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB V aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, oder, soweit dies für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten mit medizinischen Leistungen ambulanter Rehabilitation erforderlich ist, durch wohnortnahe Einrichtungen. Reichen weder eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme in einer Rehabilitationseinrichtung noch eine ambulante wohnortnahe Rehabilitation aus, erbringt die Krankenkasse nach § 40 Abs 2 Satz 1 SGB V stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht. Die Regelung in § 40 SGB V bringt zum Ausdruck, dass die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im Bereich der Rehabilitation in einem Stufenverhältnis stehen. Stationäre Rehabilitationsleistungen kommen erst in Betracht, wenn eine ambulante Krankenbehandlung und ambulante Rehabilitationsleistungen nicht ausreichen, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Dies folgt im Übrigen auch aus dem in § 12 Abs 1 SGB V enthaltenen Wirtschaftlichkeitsgebot, das für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung gilt und dem im Zusammenhang mit Leistungen der medizinischen Rehabilitation der Grundsatz "ambulant vor stationär" entnommen werden kann.
Die Voraussetzungen, die für einen Anspruch auf stationäre Rehabilitationsmaßnahmen erfüllt sein müssen, liegen bei der Klägerin nicht vor. Es bestehen zwar mehrere Behinderungen, doch reicht eine ambulante Krankenbehandlung aus, um eine Verschlimmerung der Behinderung und deren Folgen zu verhindern. Eine Beseitigung der Behinderungen ist allenfalls durch ambulante und stationäre Krankenbehandlungen zu erreichen, nicht aber durch Rehabilitationsleistungen.
Nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bei den Gesundheitsstörungen, an denen die Klägerin leidet, im Vordergrund die erheblichen Knorpelschäden (Chondromalazie) im linken Kniegelenk stehen. Der Gelenkknorpelschaden besteht in einem teilweise vollständigen Verlust der Knorpelschicht sowohl im inneren Knieabschnitt als auch hinter der Kniescheibe. Dies folgt aus dem Gutachten, welches Dr. H. für das SG erstattet hat, sowie aus dem Bericht des Dr. K. über die am 6. Juni 2009 durchgeführte Kernspintomographie. Diese Gesundheitsstörung führt zu einer Einschränkung der Gehfähigkeit. Aufgrund eines 1978 erlittenen Unfalls, bei dem sich die Klägerin einen Verrenkungsbruch im linken Schultergelenk zugezogen hat, besteht weiterhin eine leichte Bewegungseinschränkung in diesem Gelenk. Dadurch kam es auch zu einer dauerhaften deutlichen Verschmächtigung des schulterumgreifenden Deltamuskels. Probleme treten beim aktiven Anheben des linken Oberarms über die Horizontale auf. Auch dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. H ...
Der Senat stimmt darüber hinaus auch insoweit mit der gutachtlichen Bewertung durch den Sachverständigen Dr. H. überein, als dieser die Auffassung vertritt, dass die Knorpelschädigungen im linken Kniegelenk und andere strukturelle Auffälligkeiten durch Rehabilitationsleistungen nicht beseitigt werden können. Er hat deshalb zu Recht darauf abgestellt, ob und welche rehabilitationsmedizinischen Leistungen bei dem Krankheitsbild der Klägerin zu einer Besserung oder Linderung der Beschwerden beitragen können. Da bei seiner Untersuchung der Klägerin die Beweglichkeit in den Kniegelenken noch nicht wesentlich eingeschränkt und die Kraft im linken Bein nicht verringert war, was sich daran zeigte, dass es bislang noch zu keiner Muskelminderung am linken Bein gekommen ist, hat er schlüssig und nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass rehabilitationsmedizinische Maßnahmen zur Verbesserung der Beweglichkeit und zum Muskelaufbau nicht notwendig sind. Ferner hat er überzeugend dargelegt, dass sich die belastungsabhängige Schmerzsymptomatik durch Maßnahmen ambulanter und stationärer Physiotherapie nicht anhaltend lindern lässt. Eine Linderung könne nur durch die regelmäßige Einnahme eines entzündungshemmenden Schmerzmedikaments erreicht werden. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Eine Beseitigung der durch die Knorpelschädigung verursachten Behinderung lässt sich allenfalls - darin stimmen alle Ärzte überein - nur mittelbar durch Implantation einer Kniegelenksprothese erreichen.
Letztlich ergibt sich auch aus den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte kein Widerspruch zu den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen. So hat zB der Orthopäde Dr. K. den Vorschlag einer stationären Maßnahme (auch) damit begründet, dass die Klägerin eine Distanz aus ihrem sozialen Umfeld benötige, da sie alleinlebend sei und sich sonst nur mit ihren Gebrechen beschäftige. Diese sozialen Erwägungen rechtfertigen aber nicht die Durchführung einer stationären medizinischen Rehabilitation. Dr. R. hat wiederum auf eine psychosomatische Komponente und auf die Gefahr der Chronifizierung der Schmerzen hingewiesen. Dies belegt nach Ansicht des Senats aber nur die Erforderlichkeit einer ausreichenden Schmerztherapie, nicht aber die Notwendigkeit stationärer Rehabilitationsmaßnahmen. Im Übrigen ist die soziale Situation der Klägerin nicht - wie dies in den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte gelegentlich anklingt - durch eine Vereinsamung der Klägerin gekennzeichnet. Nach ihren Angaben gegenüber Dr. H. besucht sie einmal in der Woche eine Frauengymnastik und zusätzlich in unregelmäßigen Abständen eine Seniorinnengymnastikgruppe.
Der Unfall (Sturz), den die Klägerin im August 2010 erlitten hat, ändert an der von Dr. H. vorgenommenen Beurteilung nichts. Die zur Behandlung der Unfallfolgen notwendige Krankenbehandlung erhält die Klägerin. Nach dem Bericht des Radiologie-Zentrums S. über die am 23. September 2010 bei der Klägerin angefertigte Kernspintomographie der Halswirbelsäule sind dort zwar in den Halswirbelkörpern 4/5 und 5/6 Bandscheibenprotrusionen festgestellt worden. Dabei handelt es sich aber um degenerative Veränderungen, die nicht erst durch den Sturz im August 2010 aufgetreten sind. Der Unfall hat außerdem auch nach Einschätzung der Klägerin nichts daran geändert, dass das linke Knie weiterhin das "Hauptproblem" ist (Schreiben der Klägerin vom 29. April 2011). Damit ist der maßgebliche Sachverhalt durch die bisher durchgeführten Ermittlungen vollständig aufgeklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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