L 6 U 1186/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 3728/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1186/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 02. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Witwe des im Jahre 1942 geborenen und am 07.04.2009 an einem Herzinfarkt verstorbenen M. Tecer (Versicherter). Sie erstrebt als dessen Rechtsnachfolgerin die behördliche Feststellung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der Versicherte war im Bundesgebiet ab dem Jahre 1974 beruflich an lauten Maschinen (Gussfertigung, Bohren, Zahnradfertigung, Sandstrahler) tätig und insoweit bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten gesetzlich unfallversichert.

Auf eine wegen Verdachts des Vorliegens einer beruflich bedingten Lärmschwerhörigkeit erstatte Anzeige des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. E. leitete die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Jahre 1999 erstmals ein entsprechendes Berufskrankheitenverfahren ein. Nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme, in der es heißt, die beidseitige pancochleäre Schwerhörigkeit des Versicherten entspreche nicht dem Bild eines Lärmschadens, lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Bescheid vom 30.08.1999 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab; eine Berufskrankheit liege nicht vor.

In der Folgezeit wandten sich zunächst im Jahre 2003 die Tochter des Versicherten und sodann im Jahre 2005 dieser selbst erneut an die die Rechtsvorgängerin der Beklagten und trugen vor, bislang sei nicht berücksichtigt worden, dass der Versicherte vor dem Austausch von Maschinen viele Jahre an wesentlich lärmintensiveren Geräten gearbeitet habe. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten holte daraufhin einen Befundbericht von Dr. E. ein und ließ die berufliche Belastung des Klägers durch ihre Präventionsabteilung ermitteln. Nachdem der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. de V. beratungsärztlich Stellung genommen und Hinweise auf eine Lärmschädigung verneint hatte, lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Bescheid vom 31.01.2006 das von ihr als Antrag, den Bescheid vom 30.08.1999 aufzuheben, ausgelegte Begehren des Versicherten ab. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Schwerhörigkeit des Versicherten und der beruflichen Tätigkeit sei auch derzeit nicht nachweisbar, zumal seit dem 01.07.1999 keine Lärmexposition am Arbeitsplatz mehr bestehe, es aber dennoch zu einer weiteren Verschlechterung des Hörvermögens gekommen sei.

Nachdem schließlich der nunmehr Prozessbevollmächtigte der Klägerin um erneute Entscheidung gebeten hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.12.2006 das von ihr wiederum als Antrag, den Bescheid vom 30.08.1999 aufzuheben, ausgelegte Begehren erneut ab. Die Voraussetzungen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seien nicht erfüllt. Nach den Feststellungen der Präventionsabteilung habe von Mai 1985 bis Juni 1999 eine Lärmexposition i. H. von 86 dB(A), ab Juli 1999 jedoch keine Lärmexposition mehr bestanden. Trotzdem sei eine weitere Verschlechterung des Hörvermögens eingetreten, obschon sich nach Beendigung der Lärmexposition eine Lärmschwerhörigkeit nicht weiter verschlechtern könne. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2007 im Wesentlichen aus den Gründen der Ausgangsentscheidung zurück.

Am 05.11.2007 hat der Versicherte beim Sozialgericht Mannheim Klage erhoben.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. Z. eingeholt. Darin ist ausgeführt, die beidseitige pancochleäre Schwerhörigkeit des Versicherten sei keine lärmtypische Konfiguration. Auch sei eine an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit nicht durch chronischen Lärm hervorzurufen, insbesondere wenn der Lärmpegel 86 dB(A) nicht überschritten habe.

Der Versicherte hat daraufhin geltend gemacht, aus dem vom Gericht eingeholten Gutachten lasse sich nicht nachvollziehbar und substantiiert ableiten weshalb eine lärmbedingte Hörminderung nicht vorliege. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat unter Hinweis auf die übereinstimmende Einschätzung im genannten Gutachten und in der gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 23.08.1999 an ihrer Einschätzung festgehalten.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.02.2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Versicherte habe in Anwendung des § 44 Abs. 1 SGB X keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 30.08.1999 und Anerkennung einer BK Nr. 2301. Denn die bei ihm vorliegende Schwerhörigkeit sei nicht durch den Lärm verursacht worden, dem der Kläger beruflich ausgesetzt gewesen sei. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Z., der nachvollziehbar nach ausführlicher Befunderhebung dargelegt habe, dass in keinem der dokumentierten Tonaudiogramme auch nur andeutungsweise die Konfiguration eines Lärmschadens vorhanden sei. Insbesondere habe der Sachverständige im Einklang mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft ausgeführt, dass ein wesentliches Kriterium für die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit der typische Hörkurvenverlauf sei, der stets im Hochtonbereich beginne und gelegentlich den Mitteltonbereich, selten aber den Tieftonbereich beeinträchtigt zeige. Demgegenüber bestünden beim Versicherten sogenannte "flache" Hörkurven mit Beeinträchtigungen über alle Frequenzen, also auch im Mittel- und Tieftonbereich. Auch weitere Kriterien (fehlender Nachweis eines sensorischen Schadens, nicht zur Hervorrufung einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit geeigneter Schallpegel, weitere Verschlechterung auch nach Wegfall potentiell gehörschädigenden Lärms) sprächen für einen lärmunabhängigen Hörschaden. Anlass zu weiterer Sachaufklärung bestehe nicht. Diese Entscheidung ist dem Versicherten am 05.02.2009 zugestellt worden.

Am 05.03.2009 hat der Versicherte Berufung eingelegt. Er hat im Wesentlichen unter Wiederholung seiner erstinstanzlich gemachten Ausführungen weiterhin die Auffassung vertreten, seine Hörminderung sei durch die festgestellten beruflichen Lärmeinwirkungen verursacht worden. Denn diese hätten über Jahre hinweg bei mehr als 85 dB(A) gelegen und seien damit potentiell gehörschädigend gewesen. Demgemäß bedürfe es weiterer Ermittlungen.

Die Klägerin beantragt nach dem Tod des Versicherten als dessen Rechtsnachfolgerin,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Februar 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit des Versicherten als Berufskrankheit anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten sowie die erstinstanzliche Entscheidung. Weitere Ermittlungen seien nicht erforderlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Mannheim, sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet im erklärten Einverständnis der Beteiligten sowie in Anwendung des ihm danach gesetzlich eingeräumten Ermessens ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) durch den Berichterstatter allein (§ 155 Abs. 3 und 4 SGG).

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zwar ist die Klägerin - nachdem aus der begehrten behördlichen Feststellung Ansprüche auf Geldleistungen erwachsen können (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 21/08 R - zit. nach juris) - als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten i. S. des § 56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) kraft Gesetzes in das Verfahren eingetreten, so dass kein Fall der Klageänderung vorliegt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, Rdnr. 7a zu § 99). Die Berufung hat allerdings in der Sache keinen Erfolg. Denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, da sie keinen Anspruch auf die erstrebte Feststellung einer BK 2301 hat.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob und gegebenenfalls inwieweit der Bescheid vom 30.08.1999, mit dem die Rechtsvorgängerin der Beklagten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung und das Vorliegen einer Berufskrankheit abgelehnt hat - durch Bescheid vom 31.01.2006 hat die Beklagte lediglich eine Aufhebung des Bescheides vom 30.08.1999 abgelehnt -, der nunmehr erstrebten Feststellung entgegensteht und die von der Klägerin begehrte Entscheidung mithin verfahrensrechtlich einer Durchbrechung der Bestandskraft der genannten Verwaltungsentscheidung nach den §§ 44 ff. SGB X bedarf. Denn ein Anspruch auf Feststellung des Vorliegens einer BK 2301 steht der Klägerin schon materiell-rechtlich nicht zur Seite. Dies hat das Sozialgericht im angegriffenen Gerichtsbescheid unter Bezugnahme auf das Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. Z. ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die beruflichen Lärmimmissionen für die gerichtliche Entscheidung unerheblich sind. Denn angesichts des Verlaufs der Hörkurven des Versicherten, die aus den von Dr. Z. und vom Sozialgericht im einzelnen beschriebenen Gründen lärmuntypisch sind, liegt schon eine für die Feststellung des Vorliegens einer BK 2301 erforderliche Lärmschwerhörigkeit - die in ihrer Manifestation von anderen Arten der Schwerhörigkeit abweicht - nicht vor. Weiterer Ermittlungen bedarf es daher nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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