L 11 R 2099/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2099/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage gegen den Rentenbescheid vom 19. April 2011 wird abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und insbesondere die Kürzung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anzurechnenden Entgeltpunkte (EP) sowie die Bewertung von Ersatzzeiten.

Der am 25. Dezember 1937 in der Ukraine geborene Kläger wurde mit seiner Mutter im September 1941 in das heutige Kasachstan umgesiedelt, besuchte in den Jahren 1955 und 1956 die Mittelschule des G. Bezirks der Stadt T.-K. und wurde ab Januar 1956 von der Sonderansiedlung befreit (vgl Bescheinigung der Urkainischen SSR vom 31. Mai 1991, Bl. 49 der Verwaltungsakte). Vom 1. Juni 1956 bis zu seiner Berentung ab 25. Dezember1992 war der Kläger - mit Ausnahme der Wehrdienstzeit vom 19. Oktober 1957 bis 24. August 1960 - in Kasachstan erwerbstätig. Im Mai 1993 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) über und ist hier als Spätaussiedler gemäß § 4 des Bundesvertriebenengesetzes anerkannt. Nach dem Zuzug war der Kläger arbeitslos, im Versicherungsverlauf sind Pflichtbeitragszeiten bis 1. Januar 1994 und Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bis 31. Dezember 1997 vermerkt.

Den Antrag des Klägers auf die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit vom 3. Juni 1997 lehnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) zunächst mit Bescheid vom 29. Januar 1998 ab. Auf den Überprüfungsantrag hin gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 10. März 2000 ab 1. Januar 1998 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von monatlich 1.228,94 DM. Bei der Berechnung kürzte sie gemäß § 22 Abs 3 FRG die EP für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten vom 1. Juni 1956 bis 19. Oktober 1957 und vom 1. Januar 1961 bis 19. April 1993 um ein Sechstel und in Anwendung des durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25. September 1996 eingefügten § 22 Abs 4 FRG um weitere 40 vH durch Multiplikation mit dem Faktor 0,6. Schließlich berücksichtigte die Beklagte die Ersatzzeiten vom 25. Dezember 1951 bis 31. Mai 1956 und sonstige beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten vor und nach der Übersiedlung in die BRD nach der Gesamtleistungsbewertung der §§ 71 ff Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf der Grundlage von 0,0526 EP je Kalendermonat.

Den Widerspruch, mit dem sich der Kläger gegen die Kürzungen der EP wandte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2000 zurück. Hiergegen hat der Kläger am 23. Mai 2000 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Das SG hat mit Beschluss vom 2. Januar 2001 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Juni 2006 (Az 1 BvL 9/00 ua, SozR 4-5050 § 22 Nr 5) hat die Beklagte in Anwendung der auf diese Entscheidung ergangenen Übergangsregelung des Art 6 § 4c Abs 2 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) mit Bescheid vom 21. November 2008 die Altersrente rückwirkend ab 1. Januar 2004 neu berechnet. Sie hat zwar keinen Zuschlag nach dem FANG gewährt, aber, da der Kläger mittlerweile weitere Bescheinigungen über bestimmte Beschäftigungszeiten vorgelegt hatte, die nach dem FRG anerkannten Zeiten wie folgt neu bewertet: Vom 1. Juni 1956 bis 19. Oktober 1957 und vom 1. Januar 1961 bis 25. März 1988 sind als nachgewiesene Beitragszeiten ohne Kürzung auf 5/6 anerkannt worden, ebenso die Zeit vom 26. September 1988 bis zum 19. April 1993. Die Zeit vom 25. August bis 31. Dezember 1960 ist als Pflichtbeitragszeit für eine nachgewiesene Zeit der Berufsausbildung festgestellt worden. Die Zeit vom 26. März bis 25. September 1988 ist dagegen weiterhin nur als glaubhaft gemacht bewertet und nur zu 5/6 angerechnet worden. Die beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten (s hierzu Anlage 4 des Bescheides vom 21. November 2008) hatten den vollen Gesamtleistungswert von nunmehr 0,0620 EP erhalten. Für die Zeiten vom 1. Juni 1956 bis 19. Oktober 1957 und vom 1. Januar 1961 bis 19. April 1993 sind weiterhin gemäß § 22 Abs 4 FRG nur 60 % der maßgebenden EP (Faktor 0,6) zugrunde gelegt worden.

Am 10. Dezember 2008 hat die Beklagte das Verfahren wieder angerufen und darauf hingewiesen, dass § 22 Abs 4 FRG in der Fassung des WFG sich im Fall des Klägers als verfassungsgemäß erweise, da er erst nach dem Stichtag des 31. Dezember 1990 in die BRD zugezogen sei.

Der Kläger hat demgegenüber die Auffassung vertreten, die Kürzung der EP auf 60 vH sei (weiterhin) verfassungswidrig. Denn das BVerfG habe sich mit Personen befasst, die vor dem 1. Januar 1990 als Aussiedler in die BRD eingereist seien und es in der Hand gehabt hätten, sich ihren Wohnsitz im Bundesgebiet zu nehmen. Der Kläger sei aber als Betroffener des Zweiten Weltkrieges in der ehemaligen Sowjetunion gegen seinen Willen festgehalten worden und habe auch nachher seinen Wohnsitz nicht frei in Deutschland nehmen dürfen. Mit dem FRG seien die Beschäftigungszeiten in Kasachstan mit inländischen Beschäftigungszeiten gleichgestellt und damit eine Anwartschaft, die von Art 14 Grundgesetz (GG) geschützt sei, begründet worden. Deshalb dürfe eine Kürzung der EP aus dieser Anwartschaft nicht erfolgen. Die Kürzung der EP sei auch mit Art 3 GG nicht zu vereinbaren. Denn es sei kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, dass derjenige, der wegen Verschleppung nicht nach Deutschland habe zurückkehren können, nur deshalb anders behandelt werde, weil er später zurückgekehrt sei. Damit werde ein Vertriebener, dem die Flucht schneller gelungen sei, anders behandelt als er, der festgehalten worden sei. Selbst wenn die Kürzung der EP für Beschäftigungs- und Beitragszeiten nach dem FRG zulässig seien, müssten die Ersatzzeiten gemäß § 250 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), die für seine Verschleppung zu berücksichtigen seien, ungekürzt in die Rentenberechnung einfließen. Dies gelte auch für Zeiten der Berufsausbildung und der weiteren Ersatz- und Zurechnungszeiten, wie Armeedienstzeiten, da sie unabhängig von den Vorschriften des FRG geltend gemacht werden könnten. Er erfülle schließlich die Voraussetzungen des § 1 Heimkehrergesetz. Das Gesetz sei zwar außer Kraft getreten, die Anerkennungskriterien seien jedoch weiterhin anzuwenden, da die Heimkehrereigenschaft nach wie vor eine Rolle spiele. Er habe ständig den Willen gehabt, sich in die BRD zurückzubegeben. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 23. Februar 2010 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, erklärt, er wende sich nicht mehr gegen die Anerkennung der Zeit vom 26. März bis 25. September 1988 als nur glaubhaft gemacht.

Mit Urteil vom 23. Februar 2010 hat das SG die Klage, die auf die ungekürzte Berücksichtigung von EP nach dem FRG und der ungekürzten Berücksichtigung von Ersatzzeiten vom 25. September 1951 bis 31. Mai 1956 gerichtet war, abgewiesen. Die Regelungen des FRG und des FANG seien verfassungsgemäß. Die Übergangsregelung erkläre sich mit Vertrauensschutzgesichtspunkten. Denn Betroffene, die vor dem Stichtag zugezogen seien, hätten darauf vertrauen dürfen, auch weiterhin von Kürzungen ausgenommen zu werden. Dies treffe auf den Kläger nicht zu. Die Übergangsregelung stelle auch keinen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG dar. Denn die Stichtagsregelung halte sich im Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers und sei aus den vorbeschriebenen Gründen sachlich gerechtfertigt. Die Beklagte habe schließlich die Ersatzzeiten zutreffend berücksichtigt.

Gegen das dem Kläger am 10. März 2010 zugestellte Urteil hat er am 12. April 2010, einem Montag, beim SG Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er nochmals darauf hingewiesen, dass er es nicht in der Hand gehabt habe, früher in die BRD einzureisen. Nicht allen Vertriebenen sei es aufgrund der Abkommen von 1955 gelungen, aus der Kriegsgefangenschaft entlassen zu werden. Die Bundesregierungen hätten jeweils erklärt, dass die Leistungen der Deutschen, die nach dem Krieg nicht geflohen bzw nicht mehr vertrieben, sondern als Geisel festgehalten worden seien, so anerkannt würden, als ob sie im Bundesgebiet erbracht worden seien. Die Vertriebenen, die ein Sonderopfer der Kriegsschuldlasten erbracht hätten, würden diskriminiert.

Auf Hinweis der Berichterstatterin, dass die Beklagte verpflichtet sein dürfte, auch eine Nachzahlung für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2003 vorzunehmen, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2011 die Rente des Klägers neu fest. Für die Zeit ab 1. Januar 2011 würden laufend monatlich 800,35 EUR gezahlt. Für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Mai 2011 betrage die Nachzahlung 12.265,97 EUR unter Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit auch für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2003. Der Bescheid vom 21. November 2008 werde nach § 44 SGB X zurückgenommen und insoweit durch diesen Bescheid ersetzt.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

die Beklagte unter Änderung des Rentenbescheides vom 19. April 2011 zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 1998 höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ohne Vervielfältigung der für die Beitragszeiten im Herkunftsgebiet vom 25. Dezember 1951 bis 19. April 1993 ermittelten EP mit dem Faktor 0,6 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Klage abzuweisen.

Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und die Übergangsregelung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG verfassungsrechtlich für nicht zu beanstanden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsschutzbegehren des Klägers, über das der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 154 Abs 1 iVm § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.

Gegenstand der hier statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist ausschließlich der während des Berufungsverfahrens ergangene Bescheid vom 19. April 2011, mit dem die Beklagte die dem Kläger gewährte Rente ab Rentenbeginn neu festgestellt hat. Dieser Bescheid ersetzt den mit der Klage angefochtenen Rentenbescheid vom 10. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2000, weshalb er gemäß §§ 153 Abs 1, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Die ursprünglich eingelegte Berufung war gemäß §§ 143, 144 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, denn sie wurde form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 SGG) eingelegt. Der Senat entscheidet hierbei nicht auf Berufung, sondern erstinstanzlich "auf Klage" (so ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes [BSG], Urteil vom 25. Februar 2010, B 13 R 61/09, SozR 4-5050 § 22 Nr 10 mwN).

Die Klage gegen den Rentenbescheid vom 19. April 2011 ist jedoch unbegründet, da dieser rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Die von der Beklagten bei der Rentenberechnung vorgenommene Absenkung der EP für die nach dem FRG anerkannten Beitragszeiten des Klägers um 40 vH nach § 22 Abs 4 FRG ist gesetzeskonform und verfassungsgemäß und auch - soweit von der Beklagten vorgenommen - bei der Berechnung der Ersatzzeiten und Zeiten der Ausbildung zu berücksichtigen.

Rechtsgrundlage des Begehrens des Klägers auf höhere Altersrente sind die Regelungen der §§ 63 ff Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in EP umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 SGB VI). Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit dem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (§ 64 SGB VI). Die persönlichen EP für die Ermittlung des Monatsbetrages der Rente ergeben sich, in dem die Summe aller EP für Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten und Zuschläge mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt wird (§ 66 Abs 1 SGB VI). Für Beitragszeiten, die im Bundesgebiet zurückgelegten wurden, werden Entgeltpunkte ermittelt, in dem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt (Anlage 1) für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird (§ 70 Abs 1 Satz 1 SGB VI). Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§ 55 Abs 1 Satz 1 SGB VI).

Gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nicht deutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Der Kläger ist als Spätaussiedler anerkannt, so dass auf ihn gemäß § 1 FRG die dortigen Regelungen anzuwenden sind. Beitragszeiten im Sinne des § 15 FRG sind zunächst alle Zeiten nach § 55 SGB VI.

Gemäß § 22 Abs 4 FRG in der hier maßgeblichen Fassung des Art 3 Nr 4 Buchst b WFG sind die nach § 22 Abs 1 und 3 FRG maßgeblichen EP – zu denen auch Zeiten eines gesetzlichen Wehr- oder Ersatzdienstes gehören (§ 22 Abs 1 Satz 8 FRG) - mit dem Faktor 0,6 zu vervielfältigen, also um 40 vH abzusenken.

Als Übergangsregelung hierzu hat der Gesetzgeber durch Art 16 Nr 2 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl I 554) rückwirkend zum 1. Oktober 1996 (Art 27 Abs 2 aaO) die Bestimmung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG 2007 angefügt. Zuvor hatte das BVerfG im bereits erwähnten Beschluss entschieden, dass es mit Art 2 Abs 1 GG iVm dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip unvereinbar ist, dass § 22 Abs 4 FRG auf Berechtigte, die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der BRD genommen haben und deren Rente nach dem 30. September 1996 begonnen hat, ohne eine Übergangsregelung für die zum damaligen Zeitpunkt rentennahen Jahrgänge zur Anwendung kommt.

Art 6 § 4c Abs 2 Satz 1 FANG 2007 lautet: "Für Berechtigte, 1. die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, 2. deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt und 3. über deren Rentenantrag oder über deren bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, wird für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt."

Die Beklagte hat sowohl § 22 Abs 4 FRG als auch Art 6 § 4c Abs 2 FANG 2007 rechtsfehlerfrei angewandt und dem Kläger für seine Altersrente keinen einmaligen Zuschlag an persönlichen EP gewährt. Denn er hatte vor dem 1. Januar 1991 seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Gebiet der BRD genommen, sondern ist erst im Jahr 1993 zugezogen.

Der Ansicht des Klägers, die Vorschrift des Art 6 § 4c Abs 2 FANG 2007 sei verfassungswidrig, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Bestimmung genügt den Anforderungen, die das BVerfG unter Berücksichtigung des Art 2 Abs 1 GG und des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips an eine Übergangsregelung für FRG-Berechtigte, die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der BRD genommen haben und deren Rente nach dem 30. September 1996 begonnen hat, gestellt hat (zuletzt BSG, Urteil vom 25. Februar 2010, B 13 R 61/09 R, SozR 4-5050 § 22 Nr 10 mwN).

Die entsprechende Rentenkürzung selbst verstößt weder gegen Art 14 Abs 1 GG noch gegen Art 3 GG. Dies hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 13. Juni 2006 näher ausgeführt und dargelegt, dass sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Übergangsregelung (allein) aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip ergeben (SozR 4-5050 § 22 Nr 5). Den sich aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip ergebenden Anforderungen wird Art 6 § 4c Abs 2 FANG 2007 gerecht (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009, B 5 R 38/08 R, SozR 4-5050 § 22 Nr 9 mwN). Der Senat sieht deshalb davon ab, auf die diesbezügliche Argumentation des Klägers näher einzugehen und weist lediglich darauf hin, dass der Kläger nach der von ihm selbst vorgelegten Bescheinigung der Ukrainischen SSR vom 31. Mai 1991 im Januar 1956 von der Sonderansiedlung befreit worden war. Warum er deshalb anders als andere Spätaussiedler es nicht "in der Hand gehabt habe", früher in die BRD umzusiedeln, erschließt sich dem Senat nicht.

Soweit der Kläger weiter vorträgt, es müsse noch geprüft werden, ob Ersatzzeiten im Sinne des § 250 Abs 1 SGB VI gekürzt werden dürften, geht dies insoweit ins Leere, als die EP für diese Zeiten, wie sich aus den angefochtenen Bescheiden (dort Anlagen 3 und 4) ergibt, nicht gesondert mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt wurden. Etwas anderes gilt auch nicht für die Zeit des vom Kläger geleisteten Wehrdienstes (20. Oktober 1957 bis 01. August 1960). Diesbezüglich hat die Beklagte ebenfalls keine Vervielfältigung mit dem Faktor 0,6 vorgenommen.

Darüber hinaus hat die Beklagte die EP für die gemäß § 250 SGB VI nach vollendetem 14. Lebensjahr anerkannten Ersatzzeiten des Klägers vom 25. Dezember 1951 bis 31. Mai 1956 entsprechend der Vorschriften der §§ 71 bis 74 SGB VI zutreffend berechnet. Die um 40 vH gekürzten EP sind auch in die Gesamtleistungsbewertung für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten, hier insbesondere die Ersatzzeiten und die Zeiten der Ausbildung, einzubeziehen. Hat der Versicherte Tatbestände von "rentenrechtlichen" Zeiten erfüllt, erlangt er jeweils zeitgleich einen Rangstellenwert, dessen endgültige Höhe bei "beitragsfreien" Zeiten im Rahmen einer Gesamtleistungsbewertung von dem Verhältnis der in den übrigen Zeiten versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen zum durchschnittlichen Arbeitsverdienst der kalenderjährlich zeitgleich versichert Gewesenen abhängig ist (§§ 63 Abs 3, 71 Abs 1 SGB VI; vgl dazu auch BSG SozR 3-2600 § 71 Nr 2 S 16). Dem Kläger ist zwar darin zuzustimmen, dass sich bei der Bewertung der beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten die Vorschrift des § 22 Abs 4 FRG mittelbar ausgewirkt hat. Denn bei diesen wird zunächst eine Grundbewertung nach § 72 SGB VI vorgenommen, bei der ein Durchschnitt der (tatsächlichen, also um 40 vH verminderten) EP für den Zeitraum vom vollendeten 17. Lebensjahr bis zum Kalendermonat vor Beginn der Altersrente gebildet wird. Daneben wird ein Vergleichswert nach § 73 SGB VI ohne bestimmte Zeiten (zB beitragsgeminderte Zeiten), aber ebenfalls mit den tatsächlichen EP für die zu berücksichtigenden Zeiten bestimmt und anschließend der höhere Wert ggf nach § 74 SGB VI auf maximal 0,0625 EP für einen Kalendermonat begrenzt. Da der Kläger mit dem höheren Wert aus der Vergleichsbewertung (0,0620 EP) den begrenzten Gesamtleistungswert (0,0625 EP) nicht erreicht, würden sich höhere EP für nach FRG anerkannten Beitrags- und Beschäftigungszeiten günstig auswirken. Allerdings steht das Prinzip der Gesamtleistungsbewertung beitragsfreier und -geminderter Zeiten ausweislich des Urteils des BSG vom 30. März 2004 (B 4 RA 36/02 R, SozR 4-2600 § 149 Nr 1) mit dem Grundgesetz in Einklang.

Die angewandten Vorschriften verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Das BVerfG hat in den zitierten Entscheidungen die Verfassungsmäßigkeit von § 22 Abs 4 FRG unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten ausführlich geprüft und bejaht. Es hat dabei offen gelassen, ob die aus dem FRG abgeleiteten Anwartschaften dann dem Schutz des Art 14 Abs 1 GG unterfallen, wenn sie sich (wie hier) zusammen mit den in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Rentenanwartschaften zu einer rentenrechtlichen Gesamtrechtsposition verbinden. Denn selbst wenn diese rentenrechtliche Gesamtrechtsposition dem Schutz des Art 14 Abs 1 GG unterstünde, habe der Gesetzgeber von seiner Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums verfassungsgemäßen Gebrauch gemacht. Die Annahme des Klägers, seine Zeiten nach dem FRG genössen den verfassungsrechtlichen Schutz der Eigentumsfreiheit, kann der Klage daher nicht zum Erfolg verhelfen.

Ohne Erfolg hält der Kläger dem entgegen, dass er an einer früheren Übersiedelung in die BRD staatlicherseits gehindert worden sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieses Schicksal nicht sogar - wie auch die vom BVerfG entschiedenen Sachverhalte nahe legen - typisch für den von § 22 Abs 4 FRG betroffenen Personenkreis ist und wie in diesem Zusammenhang die Bescheinigung der Ukrainischen SSR vom 31. Mai 1991 zu werten ist. Denn jedenfalls kann der Kläger aus einem ihm gegebenenfalls durch einen Drittstaat zugefügten Unrecht keine Ansprüche gegen die deutschen Rentenversicherungsträger herleiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat hierbei berücksichtigt, dass die Beklagte zunächst lediglich für die Zeit ab 1. Januar 2004 eine höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gewährt und erst auf Hinweis der Berichterstatterin im Verfahren vor dem LSG eine Nachzahlung für den Zeitraum 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2003 veranlasst hat.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen gemäß § 160 Abs 2 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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