S 19 AS 835/09 WA

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 19 AS 835/09 WA
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 18.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2007 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
III. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Streit.

Der am 10.12.1973 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger. Er bezog in der Zeit vom 10.07.2006 bis 31.01.2007 von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Anrechnung des aus einer Beschäftigung bei der Firma K. Abbruchunternehmen erzielten Erwerbseinkommens (Monatslohn im Juni 2006 in Höhe von 320,- EUR; im Juli 2006 in Höhe von 795,- brutto = 627,69 EUR netto; im August 2006 in Höhe von 603,- EUR brutto = 506,57 EUR netto; im September 2006 in Höhe von 399,- EUR; im Oktober 2006 in Höhe von 207,- EUR; im November 2006 in Höhe von 280,- EUR und im Dezember 2006 in Höhe von 170,- EUR). Das Beschäftigungsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige Kündigung wegen Auftragsmangels mit Wirkung zum 22.12.2006. Mit Änderungsbescheid vom 29.01.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 01.02.2007 bis 31.05.2007 in Höhe von 670,- EUR monatlich ohne Anrechnung eines Erwerbseinkommens.

Mit Bescheid vom 18.04.2007 hob die Beklagte diese Leistungsbewilligung mit Wirkung vom 30.04.2007 auf. Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben vom 07.05.2007 Widerspruch. Ferner legte er der Beklagten einen mit der Firma T. Abbruchunternehmen am 07.05.2007 geschlossenen Arbeitsvertrag vor, ausweislich dessen der Kläger für die Zeit vom 04.06.2007 bis 04.09.2007 als Abbruchhelfer eingestellt wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.07.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger allein zum Zweck der Arbeitssuche nach Deutschland eingereist sei. Ein Anspruch auf Leistungen habe somit seit der ab 01.04.2006 geänderten Rechtslage nicht bestanden. Bereits die erste Bewilligung und auch die Folgebewilligung der Leistungen hätten daher nicht den rechtlichen Vorschriften entsprochen und seien somit rechtswidrig gewesen. Der Bescheid vom 18.04.2007 hebe die Leistungen ab 01.05.2007 auf. Insoweit im Bescheid von einer Aufhebung gesprochen werde, sei dies in eine Rücknahme umzudeuten und hinsichtlich des Vorliegens der Rücknahmevoraussetzungen zu ergänzen.

Mit seiner am 11.07.2007 zum Sozialgericht Nürnberg erhobenen Klage beantragt der Kläger,

den Bescheid vom 18.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 18.12.2007 hat das Gericht das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 EG folgende Fragen vorgelegt:

1. Ist Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 mit Art. 12 EG i.V.m. Art. 39 EG vereinbar?

2. Für den Fall, dass Frage 1 verneinend beantwortet wird, stehen Art. 12 i.V.m. Art. 39 EG einer nationalen Regelung entgegen, die Unionsbürger vom Sozialhilfebezug ausschließt, sofern die nach Art. 6 der Richtlinie 2004/38 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 zulässige Höchstdauer des Aufenthalts überschritten ist und auch nach anderen Vorschriften kein Aufenthaltsrecht besteht?

3. Für den Fall, dass Frage 1 bejahend beantwortet wird, steht Art. 12 EG einer nationalen Regelung entgegen, die Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der EU selbst von den Sozialhilfeleistungen ausschließt, die illegalen Migranten gewährt werden?

Mit Urteil vom 04.06.2009 (Az.: C-22/08) hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Tenor:

1. In Bezug auf das Recht der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die auf Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat sind, hat die Prüfung der ersten Frage nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG berühren könnte

2. Art. 12 EG steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten von Sozialhilfeleistungen ausschließt, die Drittstaatsangehörigen gewährt werden.

Im Rahmen seiner Vorbemerkungen zu den Vorlagefragen hat der Gerichtshof ausgeführt:

"Zwar ist es im Rahmen der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gemeinschafts- und den nationalen Gerichten grundsätzlich Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob in der bei ihm anhängigen Rechtssache die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung einer Gemeinschaftsrechtsnorm erfüllt sind, doch kann der Gerichtshof in seiner Entscheidung auf ein Vorabentscheidungsersuchen gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen, um dem nationalen Gericht eine Richtschnur für seine Auslegung zu geben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juli 2000, Haim, C-424/97, Slg. 2000, I-5123, Randnr. 58).

Wie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, sind die vorgelegten Fragen auf die Annahme gestützt, dass die Herren V. und K. zur Zeit der in den Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse nicht die "Arbeitnehmereigenschaft" im Sinne von Art. 39 EG hatten.

Das vorlegende Gericht hat bei Herrn V. eine "kurze und nicht existenzsichernde geringfügige" Beschäftigung und bei Herrn K. eine "wenig mehr als einen Monat dauernde" Beschäftigung festgestellt.

Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Begriff "Arbeitnehmer" im Sinne von Art. 39 EG nach ständiger Rechtsprechung ein Begriff des Gemeinschaftsrechts ist, der nicht eng auszulegen ist. Als "Arbeitnehmer" ist jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. u. a. Urteile vom 3. Juli 1986, Lawrie-Blum, 66/85, Slg. 1986, 2121, Randnrn. 16 und 17, sowie vom 11. September 2008, Petersen, C-228/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 45).

Weder die begrenzte Höhe der Vergütung noch die Herkunft der Mittel für diese Vergütung kann irgendeine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Gemeinschaftsrechts haben (vgl. Urteile vom 31. Mai 1989, Bettray, 344/87, Slg. 1989, 1621, Randnr. 15, sowie vom 30. März 2006, Mattern und Cikotic, C-10/05, Slg. 2006, I-3145, Randnr. 22).

Dass die Bezahlung einer unselbständigen Tätigkeit unter dem Existenzminimum liegt, hindert nicht, die Person, die diese Tätigkeit ausübt, als Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 EG anzusehen (vgl. Urteile vom 23. März 1982, Levin, 53/81, Slg. 1982, 1035, Randnrn. 15 und 16, sowie vom 14. Dezember 1995, Nolte, C-317/93, Slg. 1995, I-4625, Randnr. 19), selbst wenn der Betroffene die Vergütung durch andere Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts wie eine aus öffentlichen Mitteln des Wohnortmitgliedstaats gezahlte finanzielle Unterstützung zu ergänzen sucht (vgl. Urteil vom 3. Juni 1986, Kempf, 139/85, Slg. 1986, 1741, Randnr. 14).

Zudem führt hinsichtlich der Dauer der ausgeübten Tätigkeit der bloße Umstand, dass eine unselbständige Tätigkeit von kurzer Dauer ist, als solcher nicht dazu, dass diese Tätigkeit vom Anwendungsbereich des Art. 39 EG ausgeschlossen ist (vgl. Urteile vom 26. Februar 1992, Bernini, C-3/90, Slg. 1992, I-1071, Randnr. 16, und vom 6. November 2003, Ninni-Orasche, C-413/01, Slg. 2003, I-13187, Randnr. 25).

Folglich lässt sich unabhängig von der begrenzten Höhe der Vergütung und der kurzen Dauer der Berufstätigkeit nicht ausschließen, dass diese aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses von den nationalen Stellen als tatsächlich und echt angesehen werden kann und somit erlaubt, dem Beschäftigten die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 39 EG zuzuerkennen.

Sollte das vorlegende Gericht hinsichtlich der von Herrn V. und Herrn K. ausgeübten Tätigkeiten zu einem solchen Ergebnis gelangen, wäre deren Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten geblieben, sofern die in Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Solche Tatsachenwürdigungen fallen jedoch allein in den Verantwortungsbereich des innerstaatlichen Gerichts.

Sollten Herr V. und Herr K. die Erwerbstätigeneigenschaft behalten haben, hätten sie während des genannten Sechsmonatszeitraums nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 Anspruch auf Leistungen wie die nach dem SGB II gehabt."

Der weiteren Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten. Insbesondere wird verwiesen auf folgende Erklärung des Klägers zu den Umständen seines Arbeitsverhältnisses im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung am 09.10.2009:

"Meine Tätigkeit für die Firma K. bestand in allgemeinen Bauarbeiten. Ich habe nahezu täglich auf einer anderen Baustelle gearbeitet, mal drei Stunden, mal zwei Stunden, mal fünf Stunden täglich. Ich habe auf Abruf gearbeitet, d.h. es kam sowohl vor, dass ich in einer Woche 30 Stunden gearbeitet habe, als auch, dass ich zwei Wochen lang gar nicht gearbeitet habe. Ich habe von der Firma keinen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten. Ich habe zwar vor der Arbeitsaufnahme irgendetwas unterschrieben, ob es sich dabei um einen Arbeitsvertrag gehandelt hat, kann ich aufgrund meiner mangelnden Deutschkenntnisse aber nicht sagen."

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid vom 18.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Nach § 45 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) darf, soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) rechtswidrig ist, dieser, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Schwierigkeiten rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Nr. 3).

Vorliegend fehlt es entgegen der Auffassung der Beklagten an der Rechtswidrigkeit des Änderungsbescheides vom 29.01.2007, da der Kläger dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht unterfällt.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Ausgenommen sind Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, ihre Familienangehörigen sowie Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II).

Nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales hat der Gesetzgeber mit dieser Regelung Art. 24 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b der Richtlinie 2004/38/EG umgesetzt. Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/38/EG genießt vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrages die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen des Mitgliedstaates. Abweichend von Absatz 1 ist nach Absatz 2 dieser Norm der Aufnahmestaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthaltes oder gegebenenfalls während des längeren Aufenthaltes nach Art. 14 Abs. 4 Buchstabe b einen Anspruch u.a. auf Sozialhilfe zu gewähren. Art. 7 Abs. 3 Buchstabe c der Richtlinie bemerkt zur Arbeitnehmereigenschaft, dass die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger nicht mehr ausübt während sechs Monaten aufrechterhalten bleibt, wenn er sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt.

Dies zugrunde gelegt, ist dem Kläger unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 04.06.2009 (Az.: C-23/08) der Arbeitnehmerstatus zuzubilligen. Das Gericht hat keinerlei Zweifel daran, dass der Kläger in den Monaten Juni bis Dezember 2006 für die Firma K. Abbruchunternehmen nach deren Weisung Leistungen in Form allgemeiner Bauarbeiten erbracht und für diese als Gegenleistung eine Vergütung erhalten hat. Ob diesem tatsächlichen Beschäftigungsverhältnis ein schriftlicher Arbeitsvertrag zugrunde lag, kann dahinstehen. Die Tätigkeit des Klägers ist weder in wirtschaftlicher (Monatslohn zwischen 170,- EUR und 795,- EUR brutto) noch in zeitlicher Hinsicht ("Arbeit auf Abruf") als völlig untergeordnet und unwesentlich einzustufen. Insbesondere ist es unerheblich, dass der Kläger weniger verdient hat, als zur Sicherung seines Lebensunterhalts im Sinne der Existenzsicherung erforderlich gewesen wäre. Zum einen fällt unter die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer auch, wer eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausübt, mit der er weniger verdient, als in dem Mitgliedsstaat, in dem er sich aufhält, als Existenzminimum angesehen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 23.03.1982, Levin, 53/81, Slg. 1982, 1035, Rdnr. 17). Zum anderen geht der EuGH in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass auch geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 EG sein können (vgl. EuGH, Urteil vom 18.07.2007, Geven, C-213/05). Soweit der Kläger "Arbeit auf Abruf" zu leisten hatte, greift § 12 Abs. 1 Satz 3 desTeilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) – das auch für geringfügig Beschäftigte Anwendung findet (§ 2 Abs. 2 TzBfG) – ein, wonach eine Arbeitszeit von zehn Stunden wöchentlich als vereinbart gilt, wenn die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht festgelegt ist. Die Berufung auf den Arbeitnehmerstatus kann dem Kläger daher nach Auffassung des Gerichts nicht verwehrt werden.

Die Fortgeltung des Arbeitnehmerstatus des Klägers für mindestens sechs Monate – und damit für den streitgegenständlichen Zeitraum – folgt aus Art. 7 Abs. 3 Buchstabe c der Richtlinie 2004/38/EG. Der Kläger ist durch die arbeitgeberseitige Kündigung wegen Auftragsmangels unfreiwillig arbeitslos geworden. Er hat dies der Beklagten unverzüglich mitgeteilt und sich dieser im Rahmen des bereits bestehenden Leistungsverhältnisses – weiterhin – zur Verfügung gestellt.

Nach alledem ist festzustellen, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vorliegend nicht eingreift. Die Beklagte war nicht berechtigt, die dem Kläger mit Änderungsbescheid vom 29.01.2007 für die Zeit vom 01.02.2007 bis 31.05.2007 bewilligten Leistungen in Höhe von 670,- EUR monatlich mit Wirkung vom 30.04.2007 aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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