L 9 R 1091/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 4090/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1091/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1947 geborene Klägerin ist griechische Staatsangehörige. Sie war in Deutschland im Zeitraum vom 26. November 1964 bis 29. November 1979 mit Unterbrechungen bei verschiedenen Betrieben als ungelernte Arbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Nach ihrer Rückkehr nach Griechenland arbeitete sie dort von Januar 1989 bis 31. Oktober 2005 (saisonweise) wiederum versicherungspflichtig, zuletzt als Reinigungskraft in einem Hotel. Danach war sie arbeitsunfähig und seit 1. Dezember 2006 bezieht sie - befristet - vom griechischen Rentenversicherungsträger auf Grund eines Antrags vom 1. Dezember 2006 Rente nach einem Invaliditätsgrad von 80 %. Wegen der einzelnen zur deutschen Rentenversicherung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten und der in Griechenland zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten wird auf den Versicherungsverlauf vom 13. Februar 2008 in den Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Die Beklagte lehnte den beim griechischen Rentenversicherungsträger IKA gestellten und von diesem an sie weitergeleiteten Rentenantrag mit Bescheid vom 15. August 2007 ab, da die Klägerin zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Den Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, sie sei seit 1. Dezember 2006 erwerbsunfähig, leide unter Bluthochdruck, einer hypertensiven Herzkrankheit, den Folgen einer im November 2005 operativ sanierten Ruptur mit Aortendissektion der auf- und absteigenden Aorta, Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule (LWS) ohne neurologische Ausfallerscheinungen sowie mehrfachen Harnentzündungen und bei ihr sei vom griechischen Versicherungsträger eine Arbeitsunfähigkeit von 80 % anerkannt, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2008 zurück.

Grundlagen dieser Entscheidungen waren u. a. der Bericht der erstinstanzlichen Gesundheitskommission (GK) der IKA vom September 2007 (Diagnosen [D]: "Risse dissenzierendes Aneurysma an aszendens Aorta und Aortabogen, operativer Ersatz Aorta und Aortabogen, degenerative Veränderungen der LWS"; "für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit" bestehe "nach den Rechtsvorschriften des Wohnlandes eine vollständige Erwerbsunfähigkeit von 80 %" vom 1. Dezember 2006 bis 30. November 2009), Kopien des Gesundheitsbuches, ein EKG vom 14. November 2005, Berichte des Allgemeinen Krankenhauses Rhodos (CTen vom 17. November, 25. November und 13. Dezember 2005 sowie eine Echokardiografie (undatiert)), Laborbefunde vom 25. November 2005, der Bericht über die Aortenaneurysma-Operation während der stationären Behandlung vom 26. November bis 6. Dezember 2005, ein Bericht über eine Axialtomografie des oberen und unteren abdominalen Bereichs sowie des Thorax vom 29. Mai 2006, ein Bericht über eine CT vom 18. September 2006 und ein Bericht über eine CT im Bereich der LWS vom 1. Februar 2007 sowie die prüfärztliche Stellungnahme des Dr. G. vom 13. August 2007. Nach Auswertung der Unterlagen war dieser zum Ergebnis gelangt, es bestünden eine Bluthochdruckkrankheit, eine hypertensive Herzkrankheit, eine operativ im November 2005 sanierte Ruptur einer Aortendissektion (aneurysma dissecans) der auf- und absteigenden Aorta sowie Verschleißerkrankungen der LWS ohne neurologische Ausfallerscheinungen. Die Klägerin könne Tätigkeiten wie zuletzt ausgeübt sowie leichte bis mittelschwere Arbeiten, zeitweise im Stehen, Gehen und Sitzen, auch in Früh- oder Spätschicht - ohne besonderen Zeitdruck, häufiges Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel über 15 kg, häufiges Bücken, häufiges Knien oder Hocken, häufiges Klettern und Steigen sowie besondere Belastung durch Kälte, Hitze, Zugluft und Nässe - sechs Stunden und mehr verrichten.

Weitere Grundlagen waren dann ein "ärztliches Gutachten" des Kardiologen T. vom 24. August 2007, eine Bescheinigung des Chirurgen und Othopäden M. vom 24. August 2007, ein Bericht über ein Belastungs-EKG vom 31. Oktober 2007 (Belastung über 4 Minuten und 40 Sekunden mit Höchstbelastung bei 6,6 METS bzw. 90 bis 100 Watt), als Gutachten bezeichnete ärztliche Äußerungen des Allgemeinen Krankenhauses Rhodos vom 31. Oktober und 1. November 2007 (chronische Bronchitis ohne spirometrische oder aerometrische Veränderungen) sowie des Psychiaters Platis vom November 2007 (seit einem Jahr reaktive Depression, alle zwei Wochen Teilnahme an Psychotherapie-Sitzungen) und ein Bericht des Neurologen Aiwalis (undatiert), Echokardiografie-Aufnahmen vom 31. Oktober 2007 sowie eine weitere Stellungnahme des Dr. G. vom 1. Februar 2008. In Auswertung der weiteren Unterlagen hatte dieser die Diagnosen "Adipositas Grad I, Bluthochdruckkrankheit, operativ sanierte Ruptur einer Aortendissektion der auf- und absteigenden Aorta im November 2005, paroxysmales Vorhofflimmern, chronische Bronchitis mit unauffälliger Spirometrie und Blutgasanalyse, hypertensive Herzkrankheit mit guter linksventrikulärer Herzfunktion, Anpassungsstörung (neurotische und reaktive depressive Störung) sowie Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule (HWS) und LWS zeitweilig mit Nervenwurzelreizerscheinungen bei unauffälliger Elektroneurografie gestellt. Eine leistungsmindernde Herz- und Lungenerkrankung sei nicht zu belegen. Seit der Aortenoperation zeige sich ein unauffälliger Verlauf und die Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule könnten höchstens vorübergehende Arbeitsunfähigkeit keinesfalls aber Erwerbsunfähigkeit bedingen. Auf Grund der vorgelegten medizinischen Unterlagen war er dann weiter zum Ergebnis gelangt, die Klägerin könne leichte Tätigkeiten zeitweise im Stehen, Gehen und überwiegend im Sitzen, auch in Früh- und Spätschicht - ohne besonderen Zeitdruck, häufiges Heben, Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel über 10 kg, häufiges Bücken, häufiges Knien oder Hocken, häufiges Klettern und Steigen, besondere Belastung durch Kälte, Hitze, Zugluft, Nässe und inhalative Reize - sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten, ebenso die bisherige Tätigkeit als Hotelangestellte.

Wegen der Ablehnung der Gewährung von Rente hat die Klägerin am 11. Juni 2008 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und neben Wiederholungen früheren Vorbringens geltend gemacht, ihr Gesundheitszustand habe sich in letzter Zeit sehr verschlechtert. Trotz Einnahme vom Medikamenten könne das Bluthochdruckleiden nicht kontrolliert werden. Ferner habe sie auch hinsichtlich der psychischen Erkrankungen unter Rückfällen gelitten, sei depressiv gewesen und habe Selbstmordgedanken gehabt. Eine Umschulung auf eine Tätigkeit niedriger Art sei wegen ihres Zustandes nicht nur unmöglich, sondern auch unzumutbar. Das "Urteil der griechischen Rentenversicherung" sei "zu akzeptieren". Hierzu hat sie ein "ärztliches Gutachten" des Kardiologen Dr. M. vom 18. April 2008 (Ersatz der aufsteigenden Arota und des Aortabogens im November 2005 nach Riss, nicht gut eingestellter arterieller Bluthochdruck mit häufigen Hochdurckkrisen, hypertone Myokardiopathie, Episoden paroxysmalen Vorhofflimmerns, positiver Belastungstest bezüglich koronarer Herzerkrankung; die Klägerin könne ihre Arbeitspflichten nicht fortführen), eine Bescheinigung des Psychiaters P. vom 18. April 2008 (die Klägerin habe seit drei Monaten einen Rückfall und die geeignete medikamentöse Behandlung befolgt, das klinische Bild werde charakterisiert durch depressive Stimmung und suizidale Ideenbildung), eine Bescheinigung des Chirurgen und Orthopäden K. vom 30. Juni 2008 (chronische schmerzhafte Instabilität der linken Schulter, schmerzhafter Bogen, Verdacht auf Teilruptur, multiple Verkalkungen im Bereich des Musculus subskapularis und Ostheophyten an der Schulterhöhe [Impingementsyndrom], schlechte Funktionsfähigkeit der linken oberen Extremität mit einer chronisch schmerzhaften Abduktionsvorkehrung bei etwa 70 Grad; eine chirurgische Wiederherstellung sei vorgeschlagen worden), einen Bericht über eine CT der linken Schulter vom 27. Juni 2008, eine ärztliche Bestätigung des Kardiologen T. (die Klägerin sei vom 1. bis 3. August 2008 wegen arterieller Hypertonie, hypertonischer Kardiopathie mit Dyspnoe bei Anstrengung und leichter Ermüdung II bis III, operiertem dissenzierendem Thoraxaortenaneurysma sowie elektrisch reponiertem paroxysmalem Vorhofflimmern behandelt worden), ein Attest des Kardiologen Dr. Bakiris vom 18. April 2008 und ein Attest des Psychiaters P. vom 18. April 2008 (das klinische Bild werde von Depressionsgefühlen charakterisiert bei Selbstmordneigung) vorgelegt.

Die Beklagte hat u. a. eine Stellungnahme des Dr. G. vom 3. Februar 2009 zu den eingereichten ärztlichen Äußerungen vorgelegt, der zum Ergebnis gelangt ist, unter Berücksichtigung aller vorliegenden und dokumentierten Gesundheitsstörungen seien der Klägerin leichte Tätigkeiten vollschichtig zumutbar.

Das SG hat ein Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. in Auftrag gegeben, das dieser am 20. November 2009 - nach einer Untersuchung und unter Berücksichtigung weiterer vorgelegter ärztlicher Äußerungen (u. a. Attest des Krankenhauses R. über eine stationäre Behandlung vom 15. bis 17. Juni 2009 [Hypertonie, hypertone Kardiopathie mit Atemnot und schnelle Ermüdung II-III, Herzschwäche rechts, Ödeme der unteren Extremitäten, operiertes Aneurysma der Thorax-Aorta vor dreieinhalb Jahren, häufige Anfälle von paroxysmaler Tachykardie], des Oberarztes G. vom 20. August 2009 und 27. August 2009, Bericht über eine CT des Gehirns vom 16. September 2009) sowie Bestätigungen über stationäre Aufnahmen - erstellt hat. Dr. V. ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, bei der Klägerin bestünden aus neurologisch-psychiatrischer Sicht eine chronische endoreaktive Depression, ein chronisches radikuläres Schmerzsyndrom der LWS sowie auf internistisch kardiologischem Gebiet eine Bluthochdruckkrankheit, ein Zustand nach operativ sanierter Ruptur einer Aortendissektion, ein paroxysmales Vorhofflimmern, eine chronische Bronchitis mit unauffälliger Spirometrie und Blutgasanalyse, eine hypertensive Herzerkrankung und eine Adipositas Grad I sowie aus orthopädischer Sicht Verschleißerscheinungen der HWS. Schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten seien nicht zumutbar. Auch häufiges Bücken und Treppensteigen sowie Steigen auf Leitern, Arbeiten an gefährdenden Maschinen, Akkord- und Fließbandarbeiten, Wechsel- und Nachtschichten, Tätigkeiten mit Einwirkung durch Hitze, Kälte, Zugluft und Nässe sowie Lärm seien nicht mehr möglich. Die Klägerin könne sehr leichte Tätigkeiten drei bis sechs Stunden unter Umständen verrichten. Entgegen der Einschätzung des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten sei er der Auffassung, dass die Klägerin maximal sechs Stunden bei Beachtung der genannten Einschränkungen arbeiten könne. Wegen der depressiven Vorerkrankung sei eine Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz deutlich erschwert.

Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme der Dr. K. vom 11. Dezember 2009 vorgelegt. Sie ist zum Ergebnis gelangt, wie dem Gutachten zu entnehmen sei die Depression nicht ausreichend medikamentös behandelt. Auch die psychotherapeutische Behandlung mit zweiwöchigen Abständen sei bei einer ausgeprägten psychischen Beeinträchtigung sicher nicht ausreichend. Ohne entsprechende therapeutische Maßnahme könne eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens durch Erfordernis beispielsweise zusätzlicher Pausen auftreten. Daraus könne aber nicht gefolgert werden, dass grundsätzlich kein ausreichendes Leistungsvermögen für den allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe. Vielmehr sollten medikamentöse und psychotherapeutische Maßnahmen genützt werden, um eine Besserung zu erreichen. Hinsichtlich der außerhalb des nervenfachärztlichen Gebietes vorliegenden Gesundheitsstörungen ergebe sich keine quantitative Leistungsminderung. Es sei weiter von einem vollschichtigen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen.

Die Klägerin hat hierauf u. a. weitere ärztliche Äußerungen des Krankenhauses R. vom 2. März 2010 (letzte stationäre Behandlung im Juni 2009, medikamentöse Weiterbehandlung und regelmäßige Kontrolle des Herzzustandes), einen Bericht über eine Röntgenuntersuchung vom 8. März 2010 (degenerative Abnutzung beidseits, Verhärtung der Gelenkflächen links, Stenose des Zwischenraums), einen Bericht über Röntgenuntersuchungen des Arztes V. vom 8. Februar 2010 und einen Bericht der GK der IKA vom 19. April 2010 (die Klägerin sei nach den Bestimmungen zu 80 % erwerbsunfähig und erhalte die gewährte Rente weiter bis 30. November 2011) vorgelegt.

Die Beklagte hat dann noch die Stellungnahme der Dr. K. vom 29. Juni 2006 vorgelegt (den Unterlagen sei keine Gesundheitsstörung zu entnehmen, aus welcher eine quantitative Leistungsimitierung abgeleitet werden könnte; es lägen Aufbraucherscheinungen der WS vor sowie eine Verkalkung des linken Schulterblatts, wodurch allerdings keine quantitative Leistungsimitierung bedingt sei; auch eine weitergehende Leistungseinschränkung durch die dokumentierte kardiale Symptomatik ergebe sich nicht; es bestehe weiter ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes).

Mit Gerichtsbescheid vom 22. Dezember 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit lägen nicht vor. Nach den vorliegenden ärztlichen Äußerungen und dem gesamten Ermittlungsergebnis könne die Klägerin ihr zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. Eine weitergehende Einschränkung sei angesichts der verbliebenen Fähigkeiten zu Aktivitäten des täglichen Lebens nicht belegt. Eine Einschränkung der Partizipationsfähigkeit sei nicht erkennbar. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine mangelnde Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit sowie für vegetative Störungen ergeben. Auch sei das Kritik- und Urteilsvermögen der Klägerin ungestört gewesen und habe sie sich während der Untersuchung bewusstseinsklar und allseits orientiert gezeigt. Hirnleistungsstörungen oder Hirnwerkzeugstörungen seien nicht aufgetreten und unter einer antidepressiven medikamentösen Behandlung, die nicht erfolge, wäre von einer Linderung der Beschwerden auszugehen. Auch kardiologisch internistisch bestehe keine quantitative Leistungsbeeinträchtigung, da die Klägerin trotz der hypertensiven Herzerkrankung eine gute linksventrikuläre Herzfunktion von 73 %aufgewiesen habe und beim Belastungs-EKG von 90 bis 100 Watt belastbar gewesen sei. Das paroxysmale Vorhofflimmern sei durch eine elektrische Kardioversion behoben. So bestünden allenfalls qualitative Einschränkungen der Gestalt, dass der Klägerin nur leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, häufiges Treppensteigen oder Arbeiten auf Leitern zumutbar seien und Akkord- und Fließbandarbeiten vermieden werden sollten, ebenso starke Einwirkungen von Hitze, Kälte, Zugluft oder Nässe und Tätigkeiten im Schichtbetrieb sowie mit starker Lärmbelastung. Diese qualitativen Einschränkungen stünden leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht entgegen. Entsprechendes ergebe sich auf pulmologischem Fachgebiet, wobei die chronische Bronchitis einen unauffälligen spirometrischen blutgasanalytischen Befund ergeben habe, was zu keiner quantitativen Minderung des Leistungsvermögens führe. Auch die orthopädischen Einschränkungen begründeten keine quantitative Einschränkung. Aus den zuletzt vorgelegten Berichten lasse sich auch eine Verschlechterung nicht ableiten. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung lägen nicht vor. Im Übrigen bestehe auch kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, da der Klägerin auf Grund ihres bisherigen Berufslebens alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar seien. Soweit nach griechischem Recht ein Invaliditätsgrad von 80 % zuerkannt sei, sei dies für die Beurteilung des Leistungsvermögens in der deutschen Rentenversicherung ohne Belang. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.

Gegen den am 30. Dezember 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14. März 2011 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, sie sei nicht auf alle leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Eine Umschulung auf eine Tätigkeit der nächst niedrigeren Stufe sei ihr wegen ihres Zustandes nicht nur unmöglich, sondern auch unzumutbar. Die von der griechischen GK festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit müsse bedeutende Wirkung für die Beurteilung des Leistungsvermögens haben, denn die Invaliditätsstufen nach griechischem Recht seien für das verbliebene Restleistungsvermögen maßgeblich. Insofern bestehe auch kein Unterschied in der Ausgestaltung der Sozialversicherungssysteme in Griechenland und Deutschland, weswegen nach den Vorschriften des griechischen und des deutschen Rechts Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren sei. Sie leide an einer chronisch endoreaktiven Depression, einem chronisch radikulären Schmerzsyndrom der LWS, einer Hypertonie, einem Zustand nach operiertem Aortenaneurysma, paroxysmalem Vorhofflimmern, einer chronischen Bronchitis mit unauffälliger Spirometrie und Blutgasanalyse, einer hypertensiven Herzerkrankung sowie Adipositas. Ferner bestünden Verschleißerscheinungen der HWS. Sie sei wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes auch häufig ins Krankenhaus von Rhodos eingeliefert worden. Zuletzt hat die Klägerin ein am Tag der mündlichen Verhandlung eingegangenes ärztliches Attest des Dr. P. vom 16. Juni 2011, das von dem vereidigten Dolmetscher R.-T. im Verhandlungstermin übersetzt worden ist, sowie Aufnahmen (Sonografie) der ärztlichen Gesundheitseinheit IKA R. vom 25. Mai 2011 mit kurzer nicht lesbarer - so auch der Dolmetscher - schriftlicher Anmerkung vorgelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Dezember 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2008 zu verurteilen, ihr ab 1. Dezember 2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die vorgelegten Akten und die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente - §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen in einem Umfang von wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass die vorliegenden ärztlichen Äußerungen allenfalls eine qualitative Leistungseinschränkung bedingen, die leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht entgegen stehen. Eine quantitative Leistungsminderung auf unter sechs Stunden ist nicht belegt. Dies ergibt sich für den Senat auch aus dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten sowie den von der Beklagten vorgelegten prüfärztlichen Stellungnahmen, die als qualifizierter Beteiligtenvortrag zu verwerten waren.

Die Klägerin kann ihr zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. Das Leistungsvermögen ist auf neurologisch-psychiatrischem, kardiologisch-internistischem sowie orthopädischem Fachgebiet beeinträchtigt. Gleichwohl sind bei Beachtung qualitativer Einschränkungen leichte berufliche Tätigkeiten einfacher Art sechs Stunden täglich möglich. Eine weitergehende Einschränkung der verbliebenen Fähigkeiten zu Aktivitäten des täglichen Lebens, Kommunikation, Antrieb, Konzentration, Interesse und Aufmerksamkeit ist nicht belegt. Zwar bestehen nach Auffassung von Dr. V. "Hinweise" für eine depressive Stimmungslage, eine soziale Isolation, mangelndes Selbstvertrauen und eine mangelnde Ausdauer- und Konzentrationsfähigkeit, doch hat Dr. V. hierfür keine Befunde benannt, die dies belegen würden und sich im Wesentlichen auf Angaben der Klägerin bezogen, ohne diese - was angezeigt gewesen wäre - kritisch zu hinterfragen. Hinweise für vegetative Störungen, außer angegebenen Schlafstörungen, hat der Gutachter nicht gefunden. Ferner hat er festgestellt, dass das Kritik- und Urteilsvermögen der Klägerin ungestört ist. Während der Untersuchung war sie bewusstseinsklar und allseits orientiert. Hirnleistungsstörungen oder Hirnwerkzeugstörungen sind nicht aufgetreten. Soweit Dr. V., der von einem Leistungsvermögen von bis zu sechs Stunden ausgeht, Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit zur Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz geäußert hat, liegen dies belegende hinreichende Befunde nicht vor, was auch Dr. K. so gesehen hat. Bei Durchführung einer antidepressiven medikamentösen Behandlung, die bislang nicht erfolgt bzw. von der Klägerin schon 2009 wieder eingestellt worden ist, ist im Übrigen von einer Linderung der Beschwerden auszugehen. Dass eine solche Behandlung nicht erfolgt bzw. eingestellt wurde, lässt auf einen geringen Leidensdruck schließen, was wiederum gegen eine wesentliche Einschränkung des Leistungsvermögens spricht. Soweit Dr. V. Einschränkungen auf psychiatrischem Gebiet mit Hinweis auf kardiologische Beschwerden sieht, liegen solche von relevantem Ausmaß gerade nicht vor, was auch durch die Ergebnisse der kardiologischen Untersuchungen und die Ergebnisse von Belastbarkeitsmessungen dokumentiert ist.

Auch auf kardiologisch-internistischem Gebiet besteht keine quantitative Leistungsbeeinträchtigung, da die Klägerin trotz der hypertensiven Herzerkrankung eine gute linksventrikuläre Herzfunktion von 73 % aufgewiesen hat und beim Belastungs-EKG von 90 bis 100 Watt belastbar ist. Das paroxysmale Vorhofflimmern ist durch eine elektrische Kardioversion behoben. Das Aortenaneurysma ist mittlerweile seit über fünf Jahren und schon ein Jahr vor dem Rentenantrag mit gutem Ergebnis operativ behandelt worden und bedingt keine rentenrechtlich relevante Einschränkung. Es bestehen auch nur qualitative Einschränkungen der Gestalt, dass der Klägerin nur leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, häufiges Treppensteigen oder Arbeiten auf Leitern zumutbar sind und Akkord- und Fließbandarbeiten vermeiden sollte, ebenso starke Einwirkungen von Hitze, Kälte, Zugluft oder Nässe und Tätigkeiten im Schichtbetrieb sowie mit starker Lärmbelastung. Diese qualitativen Einschränkungen stehen leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht entgegen. Auf pulmologischem Fachgebiet hat sich hinsichtlich der chronischen Bronchitits ein unauffälliger spirometrischer blutgasanalytischer Befund ergeben, was zu keiner quantitativen Minderung des Leistungsvermögens führt. Auch die orthopädischen Einschränkungen begründen keine quantitative Einschränkung. Aus den zuletzt vorgelegten Berichten lässt sich auch eine Verschlechterung nicht ableiten. Damit ist die Klägerin weiter in der Lage, mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu arbeiten. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung liegen nicht vor.

Wesentliche Gesundheitsstörungen dauerhafter Art, die eine weitergehende Leistungsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung belegen würden, sind somit über die vom SG festgestellten Gesundheitsstörungen hinaus nicht belegt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den am 28. Juni 2011 eingegangenen ärztlichen Äußerungen, die von dem anwesenden Dolmetscher in der mündlichen Verhandlung übersetzt worden sind. Die Unterlagen enthalten im Wesentlichen Wiederholungen bekannter Diagnosen ohne konkrete neue Befunde und Angaben zum Zeitpunkt der Erhebung und die Einschätzung, die Erkrankungen und das Alter machten die Klägerin "arbeitsunfähig". Ein nachvollziehbarer Nachweis einer konkreten Verschlechterung ergibt sich für den Senat daraus nicht, weswegen er auch keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen gesehen hat.

Eine weitergehende Einschränkung des Leistungsvermögens und deren Nachweis ergibt sich - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht aus der Festlegung eines Invaliditätsgrades durch den griechischen Rentenversicherungsträger. Diese Feststellungen und die Diagnosen sind zwar bei der Beurteilung des Schweregrades der Erkrankungen im Rahmen der medizinischen Würdigung durch die Sachverständigen mit zu berücksichtigen, sie sind aber für die Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers durch den deutschen Rentenversicherungsträger und die deutschen Gerichte nicht bindend. Die Feststellung von Invalidität durch einen Rentenversicherungsträger eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union ist nur insoweit für den Träger eines anderen Mitgliedsstaates verbindlich, als die Übereinstimmung von Tatbestandsmerkmalen der Invalidität im Verhältnis zwischen den betroffenen Mitgliedsstaaten im Sinne des Art. 40 Abs. 4 EWG-Verordnung Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 (ABL.EG 1971 Nr. L 149/2 ff.) anerkannt worden ist. Eine solche Übereinstimmung liegt im Verhältnis zwischen der griechischen Invaliditätsregelung und den Bestimmungen des deutschen Rechts über Renten wegen Erwerbsminderung bislang nicht vor (vgl. u.a. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 9. Juli 2001, B 13 RJ 61/01 B und BSG in SozR 3-6050 Art. 40 Nr. 3). An dieser Rechtslage hat sich auch durch das Inkrafttreten der EGV 883/2004 nichts geändert (vgl. Art. 46 Abs. 3 der VO i.V.m. Anlage VII und vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2010, L 14 R 777/08, in Juris). Tatsächlich ist nach griechischem Recht auch nicht allein das verbliebene Restleistungsvermögen der Betroffenen maßgeblich, sondern fließen vielmehr zahlreiche weitere Faktoren nichtmedizinischer Art, wie z. B. Arbeitsmarkt, Arbeitsort, Berufskategorie oder Ausbildung ein. Maßgebend für die Entscheidung über das vorliegende Rentenbegehren sind allein die nachgewiesenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ihre Auswirkungen bei Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Diese begründen jedoch - wie dargelegt - keine Einschränkung dauerhafter Art, aus denen sich ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ergibt.

Im Übrigen besteht auch kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, da der Klägerin auf Grund ihres bisherigen Berufslebens als ungelernte Arbeiterin alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auch einfachster Art, zumutbar sind.

Da die Klägerin somit keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat, weist der Senat die Berufung zurück. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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