L 8 U 2491/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 1960/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 2491/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. Mai 2011 wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten

Gründe:

I

Der Kläger wandte sich mit der am 05.06.2010 vor dem Sozialgericht Ulm erhobenen Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 29.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2010, mit dem sein Antrag auf Gewährung eines Vorschusses abgelehnt worden war.

Mit Urteil vom 12.05.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab und verhängte Missbrauchskosten nach § 192 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Höhe von 150 EUR. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vorschussleistung auf die von ihm beantragte Verletztenrente wegen Verschlimmerung der Unfallfolgen aus dem von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall vom 20.11.1999. Die Beklagte habe mit Bescheid vom 28.08.2009 die Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt, weil die Verschlechterung der Beweglichkeit im linken Schultergelenk auf unfallunabhängige, verschleißbedingte Veränderungen zurückzuführen sei. Die Voraussetzung des § 42 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zur Gewährung eines Vorschusses sei daher nicht erfüllt, denn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach bestehe nicht. Der Kläger sei darauf hingewiesen worden, dass sich seine Klage als offensichtlich aussichtslos darstelle.

Gegen das dem Kläger mit Zustellungsurkunde am 17.05.2011 zugestellte Urteil hat er am 15.06.2011 - zunächst zur Fristwahrung - Berufung eingelegt "betreffend des Punktes: dem Kläger werden Missbrauchskosten in Höhe von 150 EUR auferlegt" (Berufungsschrift vom 14.06.2011). Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, er nehme die Klage zurück. Seine Berufung werde daher auf die durch das Sozialgericht verhängte Missbrauchsgebühr beschränkt. Der Kammervorsitzende habe sich offensichtlich nicht in der Lage gesehen, in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht bei ihm die Anwendung des § 42 SGB I anbelangende Missverständnisse auszuräumen. Erst nach sorgfältigem Studium des ausführlichen Schriftsatzes zum Urteil des Sozialgerichts vom 12.05.2011 habe er verstanden, dass kein Anspruch auf Vorschuss bestehe. Auch habe der Vorsitzende einschüchternd auf ihn eingewirkt, was durch die Ausführungen im Urteil zur Erfolgsaussicht seiner Hauptklage auf Verletztenrente bewiesen sei. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Klägers in seiner Berufungsbegründung vom 01.07.2011 verwiesen.

Der Kläger beantragt - nach sinnentsprechender Auslegung - ,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12.05.2011 im Kostenpunkt insoweit aufzuheben, als eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 150 EUR verhängt worden ist, hilfsweise festzustellen, dass nach Klagerücknahme Kosten nach § 192 SGG nicht zu erstatten sind.

Die Beklagte hat sich zum Verfahren nicht geäußert.

Der Kläger ist mit der Eingangsverfügung des Vorsitzenden vom 16.06.2011 auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 158 SGG hingewiesen worden.

Der Senat hat die Akte des Sozialgerichts beigezogen.

II

Der Senat hat in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens gem. § 158 SGG über die unstatthafte Berufung durch Beschluss entscheiden können, denn eine mündliche Verhandlung war nach dem schriftlichen Vorbringen des Klägers nicht erforderlich. Auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 158 SGG ist nicht gesondert hinzuweisen, denn eine Anhörungsmitteilung ist in § 158 SGG, anders als in vergleichbaren Regelungen (§§ 105 Abs. 1 Satz 2, 153 Abs. 4 Satz 2 SGG), nicht vorgesehen. Gleichwohl ist der Kläger auf die in Betracht kommende Entscheidung durch Beschluss mit richterlicher Verfügung hingewiesen worden.

Die am 15.06.2011 frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist nicht statthaft, weil die Berufung ausgeschlossen ist, wenn es sich bei der Berufung - nur - um die Kosten des Verfahrens handelt (§ 144 Abs. 4 SGG). Diese Regelung umfasst nicht nur die allgemeine Kostenentscheidung, sondern auch die spezielle Kostenentscheidung nach § 192 SGG in dem konkreten zu Grunde liegenden Rechtsstreit (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144 Rn. 48). Die Berufung des Klägers war deshalb bereits aus diesem Grunde zu verwerfen.

Aus dem Berufungsvorbringen des Klägers ergibt sich nicht, dass er das Urteil des Sozialgerichts auch in der Sache angreift, wie sich bereits seiner Klagerücknahme entnehmen lässt. Es handelt sich um eine unstatthafte isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung, die auch nicht dadurch zur Anfechtung der Sachentscheidung wird, dass der Kläger Verfahrensmängel, vorliegend sogar nur hinsichtlich der Verhängung von Verschuldenskosten, rügt (vgl. Leitherer a.a.O. § 192 Rn. 20). Darüber hinaus vermochte der Senat dem Vorbringen des Klägers auch keinen Verfahrensmangel zu entnehmen und die Sitzungsniederschrift vom 12.05.2011, offensichtlich der vom Kläger bezeichnete "ausführliche Schriftsatz zum Urteil", beweist (§ 122 SGG i. V. m. § 165 Zivilprozessordnung (ZPO)) eine verständliche und erschöpfende Belehrung des Klägers durch den Vorsitzenden i.S.v. § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG.

Die mit dem Hilfsantrag begehrte Feststellung scheitert deshalb ebenfalls bereits an der fehlenden Statthaftigkeit der Berufung. Ob die Klage wirksam zurückgenommen ist, musste der Senat somit nicht entscheiden. Unabhängig davon hätte der Kläger sein verfolgtes Prozessziel, die Aufhebung oder Unwirksamkeitsfeststellung der verhängten Verschuldenskosten nach § 192 SGG, nicht erreicht.

Nach Rücknahme der Klage, die auch in der Berufungsinstanz - trotz Unzulässigkeit des Berufungsverfahrens - wirksam erklärt werden kann und nicht der Einwilligung der Beklagten bedarf (h.M. vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leiter, SGG, 9. Aufl., § 102 Rn. 6a und 6b), wäre der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§ 102 Abs. 1 S. 2 SGG). Das Urteil des Sozialgerichts vom 12.05.2011 wäre damit wirkungslos geworden (§ 202 SGG i.V.m. § 269 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 ZPO) und der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 29.12.2008/Widerspruchsbescheid vom 04.05.2010 hätte Bestandskraft erlangt. Nicht wirkungslos geworden wäre dagegen die Kostenentscheidung nach § 192 SGG im Urteil des Sozialgerichts vom 12.05.2011, denn nach § 192 Abs. 3 S. 1 SGG wird die Kostenentscheidung in ihrem Bestand nicht durch die Rücknahme der Klage berührt. Folgt man der Auffassung, dass in einem nicht nur unzulässigen, sondern unstatthaften Berufungsverfahren keine wirksame Klagerücknahme erklärt werden kann (vgl. Leitherer a.a.O., § 102 Rn. 6a m.w. Nachw.), wäre das erstinstanzliche Urteil schon deshalb nicht wirkungslos geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§§ 160, 158 S. 3 SGG).
Rechtskraft
Aus
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