L 10 R 690/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KNR 1208/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 690/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17.11.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Rentenzeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG).

Der im Jahr 1939 geborene Kläger legte im Beitrittsgebiet rentenversicherungsrechtliche Zeiten zurück, die mit Bescheid vom 27.03.1990 nach den Vorschriften des FRG unter Nennung konkreter Werte für Pflichtbeiträge anerkannt wurden; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Bl. 27ff. der SG-Akten verwiesen. Zum 01.01.1992 änderte sich durch das Rentenüberleitungsgesetz vom 25.07.1991 (RÜG, BGBl. I S. 1606), ergänzt durch das Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz vom 24.06.1993 (RÜ-ErgG, BGBl. I S. 1038) hinsichtlich der Bewertung rentenversicherungsrechtlicher Zeiten im Beitrittsgebiet mit Ausnahme für bestandsgeschützte Jahrgänge - zu denen der Kläger nicht gehört - die Rechtslage. Pflichtbeitragszeiten im Beitrittsgebiet sind seither nicht mehr nach dem FRG, sondern nach den umgerechneten, tatsächlich erzielten Verdiensten zu bewerten.

In einem Fragebogen "zu Rechtsänderungen seit dem 01.01.1992" verneinte der Kläger durch Ankreuzen die Frage, ob er Zeiten im Beitrittsgebiet zurückgelegt habe, die bisher nicht geklärt seien. Am 15.12.2000 erging ein neuer Feststellungsbescheid einschließlich Versicherungsverlauf, der jedoch nicht mehr vorhanden und auch nicht mehr wiederherstellbar ist. Einen dagegen vom Kläger u.a. wegen der Nichtberücksichtigung einer Wehrdienstzeit eingelegten Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 09.07.2001).

Weitere Feststellungsbescheide ergingen am 31.08.2001 (Bl. 39 ff. SG-Akte) und am 04.08.2003 (Bl. 70 ff. SG-Akte), mit denen "die in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten" verbindlich festgestellt wurden, "soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden sind". In diesen Bescheiden bewertete die Beklagte die im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten entsprechend der geänderten Rechtslage nicht mehr nach dem FRG, sondern nach den tatsächlichen Verdiensten, zum Teil unter Berücksichtigung zusätzlicher Pflichtbeiträge nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG). Die nach den tatsächlichen Verdiensten umgerechneten Werte erwiesen sich gegenüber den zuvor nach dem FRG ermittelten Werte als grundsätzlich ungünstiger, nur soweit das AAÜG zur Anwendung kam, ergaben sich auch höhere Werte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf diese Bescheide Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 17.03.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 01.05.2004 eine Regelaltersrente in Höhe von monatlich 1.057,50 EUR (Stand 01.05.2004). Der Rentenberechnung lagen auch die im Beitrittsgebiet zurückgelegten und entsprechend den letzten Feststellungsbescheiden bewerteten Zeiten zu Grunde. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Bescheid Bl. 38 ff. LSG-Akte Bezug genommen. Nach vorangegangenen, in anderem Zusammenhang vom Kläger gestellten Überprüfungsanträgen beantragte der Kläger am 03.09.2007 die Überprüfung des Altersrentenbescheids wegen der darin entgegen dem Feststellungsbescheid vom 27.03.1990 nicht erfolgten Bewertung der Zeiten im Beitrittsgebiet nach dem FRG. Diesen Antrag lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die geltende Rechtslage ab (Bescheid vom 19.12.2007, Widerspruchsbescheid vom 15.02.2008).

Deswegen hat der Kläger am 11.03.2008 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Der Kläger hat vorgetragen, keine Informationen zu der nicht mehr möglichen Anwendung des FRG erhalten zu haben. Die Beklagte hat ausgeführt, der Bescheid vom 23.03.1990 sei zwar nicht aufgehoben worden, dies sei jedoch wegen der Reformierung des Rentenrechts auch nicht nötig gewesen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17.11.2008 abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Abänderung des bestandskräftig gewordenen Rentenbescheids seien nicht erfüllt. Zwar sei der Erstfeststellungsbescheid vom 23.03.1990 bestandskräftig geworden. Anders als von der Beklagten ausgeführt, könne über die Bestandskraft eines Feststellungsbescheids bei einer Rechtsänderung nur durch eine entsprechende Bescheidaufhebung hinweggekommen werden. Ob eine solche Aufhebungsentscheidung getroffen worden sei, sei jedoch nicht mehr aufklärbar, da der erste, dem Bescheid aus dem Jahr 1990 nachfolgende Neufeststellungsbescheid vom 15.12.2000 nicht mehr vorgelegt werden könne. Zwar enthielten die späteren Neufeststellungsbescheide keinen Aufhebungspassus, daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass nicht jedenfalls im Bescheid vom 15.12.2000 die zuvor getroffenen Feststellungen aufgehoben worden seien. Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens trage der Kläger die Beweislast dafür, dass er nicht nachweisen könne, dass die Feststellungsinhalte aus dem Jahr 1990 nach wie vor die maßgeblichen seien. Im Übrigen stehe dem Begehren des Klägers entgegen, dass die bestandskräftig gewordenen Bescheide vom 31.08.2001 und 04.08.2003, mit deren Inhalt sich der Kläger ersichtlich intensiv auseinandergesetzt habe, bestandskräftig geworden seien. Der Antrag des Klägers auf Überprüfung des Rentenbescheids sei von der Beklagten daher auch auf Grund entgegenstehender Bestandskraft der eben genannten Bescheide im Ergebnis zu Recht abgelehnt worden.

Gegen das ihm am 11.02.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.02.2009 Berufung eingelegt. Er trägt vor, sein angekündigtes Nichterscheinen zur mündlichen Verhandlung vor dem SG sei zu seinem Nachteil ausgelegt worden. Im Übrigen beruft er sich auf den Bescheid vom 27.03.1990 und wiederholt sein Vorbringen aus dem Klageverfahren.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17.11.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.02.2008 zu verurteilen, ihm unter teilweiser Rücknahme des Rentenbescheids vom 17.03.2004 höhere Altersrente unter Berücksichtigung seiner im Beitrittsgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten nach dem FRG zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 19.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2008, mit dem die Beklagte eine Abänderung des bestandskräftig gewordenen Rentenbescheids vom 17.03.2004 im Hinblick auf die Bewertung von rentenrechtlichen Zeiten im Beitrittsgebiet nach dem FRG ablehnte.

Zutreffend hat das SG unter Darstellung der hier maßgeblichen Rechtsgrundlage (§ 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X) ausgeführt, dass die Voraussetzungen dieser Norm nicht erfüllt sind, da angesichts des unbekannten Inhalts des Bescheids vom 15.12.2000 nicht sicher davon ausgegangen werden kann, dass der Bescheid vom 27.03.1990 noch bestandskräftig ist und der Kläger hierfür die Beweislast trägt. Zur Vermeidung von Wiederholungen weist der Senat die Berufung aus den insoweit vom SG dargestellten Gründen gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Ergänzend ist allerdings darauf hinzuweisen, dass - anders als das SG in seiner zweiten Argumentationsschiene meint - die Feststellungsbescheide vom 31.08.2001 und 04.08.2003 keine komplette neue Feststellung des Versicherungsverlaufes beinhalten. Ihre Regelungswirkung bezieht sich vielmehr ausdrücklich auf Zeiten, die "nicht bereits früher festgestellt worden sind". Eine Änderung bzgl. der im Feststellungsbescheid vom 27.03.1990 geregelten Zeiten wäre somit durch die Bescheide vom 31.08.2001 und 04.08.2003 nicht erfolgt.

Damit kommt der vom Senat für zutreffend erachteten Überlegung des SG, dass die weiter bestehende Bestandskraft des Bescheides vom 27.03.1990 angesichts des unbekannten Inhalts des Bescheids vom 15.12.2000 nicht nachgewiesen ist, ausschlaggebende Bedeutung zu.

Denn vom Kläger ist nie in Frage gestellt worden, dass zum Zeitpunkt der Rentenbewilligung eine Bewertung der von ihm im Beitrittsgebiet zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten nach dem FRG auf Grund der zum Januar 1992 geänderten Rechtslage, die im Übrigen eine Anpassung von zuvor ergangenen Bescheiden unter weitgehender Ausschaltung von Vertrauensschutzgesichtspunkten vorsieht (Art. 38 RÜG), an sich nicht mehr möglich ist. Sein Begehren, gleichwohl von einer nach dem aktuell gültigen Recht nicht mehr möglichen Bewertung nach dem FRG zu profitieren, kann der Kläger damit nur auf eine formale, allein auf dem Bescheid vom 27.03.1990 beruhende Rechtsposition stützen. Dies würde jedoch voraussetzen, dass sicher von der noch bestehenden Bestandskraft dieses Bescheids ausgegangen werden kann. Davon kann sich der Senat, wie schon das SG, jedoch nicht überzeugen.

Vielmehr bestehen Anhaltspunkte dafür, dass im Bescheid vom 15.12.2000, dessen Inhalt nicht bekannt ist, eine Abänderung der zuvor im Bescheid vom 27.03.1990 getroffenen Feststellungen erfolgte. Dafür spricht, dass der Bescheid vom 15.12.2000 der erste nach der Rechtsänderung im Jahr 1992 ergangene Feststellungsbescheid war. Es ist auch sicher, dass er im Verhältnis zum Bescheid vom 27.03.1990 neue Regelungen zu den Zeiten im Beitrittsgebiet enthielt, da der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom Dezember 2000 u.a. die Anerkennung der dort zurückgelegten Wehrdienstzeit betraf. Vor Erlass des Bescheids wurde auch erkannt, dass Auswirkungen der Rechtsänderungen seit 01.01.1992 zu prüfen waren, denn hierzu wurde dem Kläger ein Fragebogen übermittelt, den er auch ausfüllte. Ein weiteres Indiz dafür, dass Änderungen im Hinblick auf den Bescheid vom März 1990 erfolgten, ergibt sich daraus, dass der Kläger die nachfolgenden Feststellungsbescheide vom 31.08.2001 und 04.08.2003, wie sich aus seinen handschriftlichen Vermerken ergibt, sorgfältig prüfte und sich nicht zur Beanstandung veranlasst sah, obwohl im Vergleich zum Feststellungsbescheid vom 27.03.1990 niedrigere Entgelte ausgewiesen waren. Alle diese Umstände bewirken erhebliche Zweifel an einer noch bestehenden Bestandskraft des Bescheids vom 27.03.1990. Diese Zweifel werden auch durch das Vorbringen der Beklagten im Klageverfahren, der Bescheid sei nicht aufgehoben worden, nicht beseitigt. Diese Ausführungen beziehen sich alleine auf die tatsächlich vorliegenden und damit bekannten Unterlagen, also nicht auf den inhaltlich unbekannten Bescheid vom Dezember 2000. Im Übrigen hält die Beklagte - wie sich aus ihrem Verweis auf das Urteil des SG in der Berufungserwiderung ergibt - an diesem Vorbringen selbst nicht mehr fest. Im Ergebnis sprechen somit gewichtige Anhaltspunkte gegen die Möglichkeit, dass tatsächlich keine Aufhebungsentscheidung erfolgte. Der Senat verkennt nicht, dass letztlich eine Ungewissheit darüber verbleibt, ob der Bescheid vom 15.12.2000 eine Aufhebungsentscheidung enthielt oder nicht. Diese Ungewissheit geht jedoch, wie vom SG richtig erkannt, zu Lasten des Klägers.

Die Behauptung des Klägers, ihm sei sein Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung zum Nachteil ausgelegt worden, trifft nicht zu. Eine besondere Bedeutung des persönlichen Eindrucks vom Kläger oder etwaiger mündlicher Darlegungen des Klägers in der Verhandlung ist angesichts der hier im Streit stehenden Tatsachen- und Rechtsfragen, zu denen umfassend schriftlich vorgetragen worden ist, nicht ersichtlich. Dem entsprechend haben die Beteiligten schließlich auch aktuell im Berufungsverfahren ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Auf das wiederholte Vorbringen des Klägers, er sei auf die nicht mehr mögliche Anwendbarkeit des FRG nicht hingewiesen worden, kommt es somit nicht an. Im Übrigen steht dieser Behauptung - wie schon dargelegt - entgegen, dass aus den Feststellungsbescheiden der Jahre 2001 und 2003 die nicht mehr vorgenommene Anwendung des FRG klar hervorgeht und der Kläger sich mit den Bescheiden - wie sich aus seinen handschriftlichen Vermerken auf den von ihm selbst vorgelegten Bescheidabdrucken ergibt - intensiv befasst hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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