Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 1800/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1446/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 17.03.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Verletztenrente sowie die Kostenübernahme für eine Brille.
Der am 1959 geborene Kläger verfügt über keine Berufsausbildung. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Hilfsarbeiter erlitt er am 23.06.1984 bei Sägearbeiten an einem Plastikrohr durch Abspringen eines Plastikteils eine durchbohrende Verletzung am rechten Auge. Die Verletzung führte zu einer fortschreitenden Sehminderung mit fast vollständiger Erblindung. Ferner kam es auf diesem Auge zu einem erhöhten Augendruck (traumatisches Sekundärglaukom), auf Grund dessen der Kläger seit dem Jahr 1996 wiederkehrend im Universitätsklinikum F. behandelt wird (zuletzt Entlassungsbericht vom 14.06.2010, Bl. 60 LSG-Akte), sowie zu einer sekundären Einwärtsstellung (Schielen). Auf dem linken Auge besteht eine Kurz- und Altersweitsichtigkeit.
Mit dem (Teilabhilfe-)Bescheid vom 09.08.1996 bewilligte die Beklagte dem Kläger nach mehrmaligen, vorangegangenen Ablehnungen wegen des Sehschärfenverlusts auf dem rechten Auge eine Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. ab dem 29.11.1993. Die Beklagte stützte ihre Entscheidung auf die damals dokumentierte Sehschärfenminderung auf dem rechten Auge von 0,1 (Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. J. , Blatt 233 Verwaltungsakte). Im nachfolgenden Klageverfahren (S 7 U 2127/96) erstellten Prof. Dr. V. (Bl. 333 Verwaltungsakte) und im Berufungsverfahren (L 2 U 2642/98) Prof. Dr. W. (Bl. 434 Verwaltungsakte) augenfachärztliche Gutachten. Prof. Dr. W. bewertete die MdE wegen einer weiteren Sehverschlechterung am rechten Auge auf unter 0,02 (0,2/50) mit 25 v.H. Das Vergleichsangebot der Beklagten, ab dem Tag der gutachtlichen Untersuchung durch Prof. Dr. W. (16.03.1999) eine Verletztenrente nach einer MdE um 25 v.H. zu gewähren und im Übrigen die Berufung zurückzunehmen, nahm der Kläger an. Mit dem Schreiben vom 02.06.2000 (Bl. 503 Verwaltungsakte) setzte die Beklagte den Vergleich um.
Am 15.08.2006 stellte der Kläger bei der Beklagten unter Hinweis auf die inzwischen eingetretene Erblindung auf dem rechten Auge sowie einer Gesichtsfeldeinschränkung auf dem linken Auge einen Verschlimmerungsantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 11.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2007 ablehnte. Die Beklagte führte aus, schon früher habe eine fast vollständige Erblindung auf dem rechten Auge vorgelegen. Bei der MdE von 25 v.H. handele es sich bereits um das Höchstmaß, das bei Verlust eines Auges anzusetzen sei. Damit sei seit dem Vergleichsschluss keine wesentliche Änderung eingetreten. Bei der Sehverschlechterung auf dem linken Auge handele es sich um einen nicht zu berücksichtigenden Nachschaden.
Am 13.12.2006 beantragte der Kläger unter Einreichung eines Kostenvoranschlags in Höhe von 306,00 EUR die Übernahme der Kosten für eine vom Facharzt für Augenheilkunde Dr. R. verordneten "Fernbrille mit Kunststoffgläsern wegen funktioneller Einäugigkeit", die nur eine Sehschärfenkorrektur für das linke Auge bewirken sollte (B. 560 f. Verwaltungsakte). Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2007 ab. Die Brille sei nur wegen der unfallunabhängigen Veränderungen des linken Auges verordnet worden.
Wegen der Ablehnung des Verschlimmerungsantrages hat der Kläger am 28.03.2007 und wegen der Ablehnung der Kostenübernahme für die Brille am 02.07.2007 (Montag) beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Das SG hat die Verfahren mit Beschluss vom 19.02.2009 verbunden.
Der Leitende Arzt der Augenklinik am Klinikum O. Dr. H. hat im Auftrag des SG nach Untersuchung des Klägers am 13.11.2007 ein augenfachärztliches Gutachten erstellt. Er hat ausgeführt, die seit der Begutachtung durch Prof. Dr. W. auf beiden Augen eingetretenen Verschlechterungen hätten keine Auswirkung auf die bereits festgestellte MdE. Der Verlust des Sehvermögens an einem Auge werde nach den Empfehlungen der Deutschen Ophtamologischen Gesellschaft (DOG) und des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA) mit einer MdE von 25 v.H. beziffert. Lediglich bei einer nach außen in Erscheinung tretenden Entstellung, die beim Kläger nicht vorliege, könnte die MdE auf 30 v.H. erhöht werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.03.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat auf die Begründungen in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden und hinsichtlich der begehrten Gewährung einer höheren Verletztenrente ergänzend auf das Gutachten von Dr. H. verwiesen.
Gegen den ihm am 23.03.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27.03.2009 Berufung eingelegt.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat die Augenärztin Dr. G.-R. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Sie hat nach Untersuchung des Klägers am 11.05.2010 im Vergleich zum Gutachten von Dr. H. keine nennenswerten Verschlechterungen mehr gesehen und der Bewertung der MdE in den Vorgutachten zugestimmt. Die Versorgung mit einer Brille führe im Gegensatz zu den ersten Jahren nach dem Unfallereignis nicht mehr zu einer Sehverbesserung am verletzten Auge, weswegen die Brille nur noch zur Korrektur der nicht unfallbedingten Kurzsichtigkeit am linken Auge erforderlich sei.
Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, die bisherigen Bewertungen der MdE seien nicht schlüssig. Die eingetretene, deutlichste Verschlechterung der Sehschärfe komme nicht hinreichend zum Ausdruck. Entgegen der Annahme von Dr. H. sei eine plötzliche Veränderung der Sehschärfe nicht nötig. Ferner liege Dr. H. nicht richtig, wenn er meine, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Betroffenheit wegen der Unfallfolgen bestünden. Das Gutachten von Dr. G.-R. sei nicht schlüssig. Eine MdE um 25 v.H. sei bei der zuletzt festgestellten Blindheit nicht ausreichend. Nach der Begutachtung habe Dr. G.-R. dem Kläger telefonisch mitgeteilt, sie gehe von einer MdE um 30 v.H. aus. Soweit sie im schriftlichen Gutachten nur noch eine MdE um 25 v.H. ansetze, sei ihre Glaubwürdigkeit erschüttert. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach Änderungen der MdE nur zu berücksichtigen seien, wenn diese mehr als 5 v.H. betragen, sei nicht akzeptabel.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 17.03.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2007 zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 30 v.H. zu gewähren, sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.05.2007 zu verurteilen, dem Kläger Kosten für seine Sehhilfe zu erstatten,
hilfsweise die Sachverständige Dr. G.-R. zur mündlichen Verhandlung oder zu einem Erörterungstermin zu laden bzw. ergänzend schriftlich zu befragen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Berufung im Hinblick auf die Kostenübernahme für die Sehhilfe wegen einer nicht ausreichenden Beschwer für unzulässig und im Übrigen für unbegründet. Der konkrete Verlauf der Verschlimmerung der Unfallfolgen sei letztlich unerheblich. Die von Dr. H. beschriebene Beschränkung auf eine intakte Lichtscheinwahrnehmung sei in dem anerkannten Vergleichs-MdE-Satz für eine vollständige Erblindung eines Auges bereits enthalten. Die Ausführungen von Dr. H. zu einer erschwerten Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hätten sich allein auf die Frage einer hier nicht bestehenden Entstellung bezogen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom 11.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2007, mit dem die Beklagte die Gewährung einer höheren Verletztenrente ablehnte, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen seit dem Vergleichsschluss vom Jahr 2000 nicht eingetreten sei. Zum anderen ist Gegenstand des Verfahrens der Bescheid vom 27.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.05.2007, mit dem die Beklagte die Übernahme von Kosten für eine Brille ablehnte.
Die Berufung ist hinsichtlich beider Gegenstände nach § 144 SGG ohne besondere Zulassung statthaft. Soweit das SG die Klage gegen die Ablehnung des Verschlimmerungsantrags abgewiesen hat, ergibt sich dies aus dem Umstand, dass es um eine laufende Geldleistung für mehr als ein Jahr geht (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Hinsichtlich der Klageabweisung zur abgelehnten Kostenübernahme für die Brille liegt der Wert des Beschwerdegegenstandes zwar für sich genommen unter dem für eine zulassungsfreie Berufung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG notwendigen Beschwerdewert von 750,00 EUR. Jedoch ist der Wert des Beschwerdegegenstandes bei objektiven Klagehäufungen - wie hier nach der vom SG vorgenommenen Verbindung der beiden Klageverfahren der Fall - nach § 5 Halbsatz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 202 SGG zusammen zu rechnen (Peters-Sautter-Wolff, Sozialgerichtsgesetz, § 144 Rdnr. 36; Bernsdorff in Hennig, Sozialgerichtsgesetz, § 144 Rdnr. 23). Daraus folgt, dass bei Statthaftigkeit der Berufung für einen Streitgegenstand automatisch auch von der Statthaftigkeit der Berufung für den weiteren Streitgegenstand auszugehen ist. Dies gilt nach Auffassung des Senats nicht nur, wenn die Statthaftigkeit der Berufung für einen Streitgegenstand unmittelbar durch das Überschreiten des Wertes von 750,00 EUR nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erreicht wird, sondern auch wenn sie auf der Sonderregelung des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG für laufende Leistungen beruht. Zwar ist bei der Kombination einer allein wegen der Dauer der Leistung zulassungsfreien Berufung mit einer vom Wert abhängigen Zulassungsfreiheit eine Zusammenrechnung mathematisch nicht möglich. Im Grunde aber stellt die Sonderregelung des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG laufende Leistungen für mehr als ein Jahr kraft Gesetzes einem Beschwerdewert von mehr als 750,00 EUR gleich. Es ist daher gerechtfertigt, nicht nur in den Fällen, in denen erst die Zusammenrechnung von zwei Beschwerdewerten für einmalige Leistungen zum Erreichen des Beschwerdewerts von 750,00 EUR führt, sondern auch beim Zusammentreffen eines Streitgegenstands mit einem Beschwerdewert von unter 750,00 EUR mit einem Streitgegenstand, der eine laufende Leistung für mehr als ein Jahr betrifft, von einer insgesamt zulassungsfreien Berufung auszugehen.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Dem Kläger steht keine höhere Verletztenrente zu. Nachdem die dem Kläger bislang gewährte Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H. auf den im Klageverfahren S 7 U 2197/96 zwischen den Beteiligten im Mai 2000 zustande gekommenen Vergleich beruht, erscheint fraglich, ob als Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X - Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse) oder § 59 Abs. 1 SGB X (Anpassung und Kündigung - eines öffentlich-rechtlichen Vertrages - in besonderen Fällen) heranzuziehen ist (grundlegend hierzu: Senatsurteil vom 09.06.2011, L 10 R 3494/08, zur Veröffentlichung vorgesehen). Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, denn beide Regelungen setzten das Vorliegen einer wesentlichen Änderung voraus.
Eine wesentliche Änderung vermag der Senat aber nicht festzustellen. Nach § 73 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), der gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 SGB VII auch auf Versicherungsfälle vor Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 anzuwenden ist, ist bei der Feststellung der MdE eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v.H. beträgt. Diese Regelung wäre auf Grund der Identität des Wortlauts und der letztlich sogar strengeren Voraussetzungen einer Vertragsanpassung - gefordert wird nicht nur die wesentliche Änderung, sondern auch die Unzumutbarkeit des Festhaltens an der bisherigen Vereinbarung - auf § 59 Abs. 1 SGB X jedenfalls entsprechend anzuwenden. Hinsichtlich des Ausmaßes der Änderung um mehr als 5 v.H. geht es mithin nicht nur um die vom Kläger ohne nähere Begründung als inakzeptabel eingestufte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), sondern um eine klare gesetzliche Vorgabe.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegt eine wesentliche Änderung um mehr als 5 v.H. nicht vor. Vergleichsgrundlage ist der Zustand auf dem die im Rahmen des Vergleichs im Jahr 2000 gewährte Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H beruhte - hier der Zustand zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. W. im März 1999. Von einer wesentlichen Änderung zugunsten des Klägers könnte nur ausgegangen werden, wenn nunmehr eine MdE von mehr als 30 v.H. festzustellen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Eine MdE in dieser Höhe hat keiner der gehörten Sachverständigen jemals auch nur angesprochen. Vielmehr haben die aktuell tätig gewordenen Sachverständigen Dr. H. und Dr. G.-R. die schon bislang der Gewährung der Verletztenrente zu Grunde liegende MdE von 25 v.H. bestätigt. Entgegen der Auffassung des Klägers sind sowohl das Gutachten von Dr. H. als auch das Gutachten von Dr. G.-R. schlüssig. Beide haben das Vorbringen des Klägers, dass im Vergleich zu dem Zustand zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. W. an dem vom Umfall betroffenen rechten Auge eine weitere Verschlechterung der Sehschärfe, ein Gesichtsfeldverfall, eine fortgeschrittene glaukomatöse Sehnervenschädigung und eine sekundäre Einwärtsstellung des Auges (Schielen) eingetreten sind und sich insofern die Verhältnisse insgesamt verschlechtert haben, durchaus bestätigt. Sie haben jedoch ebenso überzeugend dargelegt, dass sich diese Änderungen auf die Höhe der MdE nicht (mehr) auswirken, da die der Rentengewährung seit März 1999 zu Grunde liegende MdE von 25 v.H. schon den Wert darstellt, der - so Dr. H. - nach den Empfehlungen der DOG und des BVA im Regelfall als Höchstwert bei einer vollständigen Erblindung eines Auges anzusetzen ist.
Soweit der Kläger bemängelt hat, entgegen der Annahme von Dr. H. sei eine plötzliche Veränderung der Sehschärfe nicht nötig, hat er die Ausführungen von Dr. H. missverstanden. Dieser hat lediglich den Ablauf der Verschlechterung als langsam und kontinuierlich beschrieben, den Verlauf an sich jedoch nicht bei der Bewertung der MdE berücksichtigt. Aus seiner Antwort geht klar hervor, dass er das Ergebnis der langsamen Verschlechterung bewertet hat.
Die auf dem vom Unfall nicht betroffenen linken Auge zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung der Sehschärfe ist als schädigungsunabhängiger "Nachschaden" unbeachtlich (BSG, Urteile vom 21.09.1967, 2 RU 65/66 in SozR Nr. 4 zu § 622 RVO, vom 10.12.1975, 9 RV 112/75 in SozR 3100 § 30 Nr. 11 und vom 28.10.1980, 9 RV 21/79 in juris).
Die - mithin überzeugende - Bewertung der MdE durch Dr. H. und Dr. G.-R. sieht der Senat auch durch die unfallmedizinische Literatur bestätigt. Danach ist bei einer unkomplizierten einseitigen Erblindung und uneingeschränktem Sehvermögen des zweiten Auges als "MdE-Eckwert" ein Wert von 25 v.H. anzusetzen. Dieser Wert ist erst dann auf 30 v.H. zu erhöhen, wenn sowohl Komplikationen als auch eine zumindest wahrscheinliche Beeinträchtigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorliegen. Komplikationen in diesem Sinne sind eine chronische Eiterung der Augenhöhle, Gesichtsentstellung oder die Unverträglichkeit eine Prothese zu tragen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 292, 293). Beim Kläger liegt, so übereinstimmend Dr. H. und Dr. G.-R. , trotz des zwischenzeitlich aufgetretenen Schielens des rechten Auges keine der eben genannten Komplikationen vor. Nur im Zusammenhang mit einer solchen Komplikation hätte, wie von der Beklagten zu Recht bemerkt, die von Dr. H. angesprochene (weitere) Beeinträchtigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Rolle gespielt. Eine MdE von 30 v.H. kommt damit nach den allgemeinen Erfahrungswerten beim Kläger nicht in Betracht. Die aus der Einäugigkeit resultierende Beeinträchtigung auf dem Arbeitsmarkt wird dabei nicht übergangen, sie ist schließlich der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die unstreitig bestehende MdE von 25 v.H.
Im Übrigen kann dahingestellt bleiben, ob wegen der Schädigung des rechten Auges beim Kläger zwischenzeitlich über den Regelwert von 25 v.H. hinaus ausnahmsweise doch eine MdE von 30 v.H. gerechtfertigt ist. Denn die Änderung würde sich nicht auf mehr als 5 v.H. belaufen und wäre mithin - wie eben dargestellt - nicht wesentlich.
Da nach den dargestellten allgemeinen Erfahrungssätzen (siehe hierzu BSG, Urteil vom 27.05.1986, 2 RU 20/85 in juris) eine Bewertung mit einer MdE von mehr als 30 v.H. von vornherein nicht in Betracht kommt, ist dem Beweisantrag des Klägers auf mündliche Vernehmung der Sachverständigen Dr. G.-R. nicht nachzukommen. Die Vernehmung könnte zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis führen, eben weil der Senat den beschriebenen allgemeinen Erfahrungssätzen folgt. Zudem wünscht der Kläger die mündliche Vernehmung von Dr. G.-R. wegen ihrer angeblichen telefonischen Mitteilung, er sei von einer MdE um 30 v.H. auszugehen. Damit steht fest, dass auch Dr. G.-R. von einer MdE um mehr als 30 v.H. nie ausgegangen ist. Mithin liegt auch dann keine wesentlichen Änderung vor, wenn das Vorbringen des Klägers zu der angeblichen telefonischen Auskunft der Sachverständigen über eine MdE von 30 v.H. als wahr unterstellt wird. Schon allein deswegen ist ihre zusätzliche persönliche Vernehmung nicht erforderlich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 103 Rdnr. 8).
Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel - hier der verordneten Fernbrille - bzw. auf Erstattung der Kosten für eine solche zu. Zwar haben Versicherte gemäß §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 27 Abs. 1 Nr. 4, 31 SGB VII Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln. Wie sich nicht zuletzt aus § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ergibt, muss es bei der Hilfsmittelversorgung jedoch um die Beseitigung, Besserung oder Verhütung der Verschlimmerung der Folgen des Versicherungsfalls gehen. Dies ist bei der dem Kläger verordneten Fernbrille zur Überzeugung des Senats nicht der Fall. Schlüssig argumentiert die Beklagte im angefochtenen Ausgangsbescheid, dass die Brillenversorgung nur wegen der Kurzsichtigkeit auf dem linken Auge erforderlich ist und auf dem rechten Auge eine Verstärkung der Sehkraft durch ein Brillenglas nicht mehr möglich ist. Auch für den Senat bieten sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Brille vom Augenarzt wegen des als Nebeneffekt bestehenden Schutzes des erblindeten rechten Auges verordnet wurde, wobei die Beklagte auch in diesem Zusammenhang im Widerspruchsbescheid zutreffend darauf hinwies, dass die Schutzfunktion mit einer gleichzeitig bestehenden erhöhten Verletzungsgefahr beim Bruch der Brille verbunden ist. Auch Dr. G.-R. hat bestätigt, dass es bei der Versorgung mit einer Fernbrille im Gegensatz zu den ersten Jahren nach dem Unfallereignis nicht mehr um eine Sehverbesserung am verletzten Auge geht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer höheren Verletztenrente sowie die Kostenübernahme für eine Brille.
Der am 1959 geborene Kläger verfügt über keine Berufsausbildung. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Hilfsarbeiter erlitt er am 23.06.1984 bei Sägearbeiten an einem Plastikrohr durch Abspringen eines Plastikteils eine durchbohrende Verletzung am rechten Auge. Die Verletzung führte zu einer fortschreitenden Sehminderung mit fast vollständiger Erblindung. Ferner kam es auf diesem Auge zu einem erhöhten Augendruck (traumatisches Sekundärglaukom), auf Grund dessen der Kläger seit dem Jahr 1996 wiederkehrend im Universitätsklinikum F. behandelt wird (zuletzt Entlassungsbericht vom 14.06.2010, Bl. 60 LSG-Akte), sowie zu einer sekundären Einwärtsstellung (Schielen). Auf dem linken Auge besteht eine Kurz- und Altersweitsichtigkeit.
Mit dem (Teilabhilfe-)Bescheid vom 09.08.1996 bewilligte die Beklagte dem Kläger nach mehrmaligen, vorangegangenen Ablehnungen wegen des Sehschärfenverlusts auf dem rechten Auge eine Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. ab dem 29.11.1993. Die Beklagte stützte ihre Entscheidung auf die damals dokumentierte Sehschärfenminderung auf dem rechten Auge von 0,1 (Stellungnahme des beratenden Arztes Dr. J. , Blatt 233 Verwaltungsakte). Im nachfolgenden Klageverfahren (S 7 U 2127/96) erstellten Prof. Dr. V. (Bl. 333 Verwaltungsakte) und im Berufungsverfahren (L 2 U 2642/98) Prof. Dr. W. (Bl. 434 Verwaltungsakte) augenfachärztliche Gutachten. Prof. Dr. W. bewertete die MdE wegen einer weiteren Sehverschlechterung am rechten Auge auf unter 0,02 (0,2/50) mit 25 v.H. Das Vergleichsangebot der Beklagten, ab dem Tag der gutachtlichen Untersuchung durch Prof. Dr. W. (16.03.1999) eine Verletztenrente nach einer MdE um 25 v.H. zu gewähren und im Übrigen die Berufung zurückzunehmen, nahm der Kläger an. Mit dem Schreiben vom 02.06.2000 (Bl. 503 Verwaltungsakte) setzte die Beklagte den Vergleich um.
Am 15.08.2006 stellte der Kläger bei der Beklagten unter Hinweis auf die inzwischen eingetretene Erblindung auf dem rechten Auge sowie einer Gesichtsfeldeinschränkung auf dem linken Auge einen Verschlimmerungsantrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 11.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2007 ablehnte. Die Beklagte führte aus, schon früher habe eine fast vollständige Erblindung auf dem rechten Auge vorgelegen. Bei der MdE von 25 v.H. handele es sich bereits um das Höchstmaß, das bei Verlust eines Auges anzusetzen sei. Damit sei seit dem Vergleichsschluss keine wesentliche Änderung eingetreten. Bei der Sehverschlechterung auf dem linken Auge handele es sich um einen nicht zu berücksichtigenden Nachschaden.
Am 13.12.2006 beantragte der Kläger unter Einreichung eines Kostenvoranschlags in Höhe von 306,00 EUR die Übernahme der Kosten für eine vom Facharzt für Augenheilkunde Dr. R. verordneten "Fernbrille mit Kunststoffgläsern wegen funktioneller Einäugigkeit", die nur eine Sehschärfenkorrektur für das linke Auge bewirken sollte (B. 560 f. Verwaltungsakte). Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2007 ab. Die Brille sei nur wegen der unfallunabhängigen Veränderungen des linken Auges verordnet worden.
Wegen der Ablehnung des Verschlimmerungsantrages hat der Kläger am 28.03.2007 und wegen der Ablehnung der Kostenübernahme für die Brille am 02.07.2007 (Montag) beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Das SG hat die Verfahren mit Beschluss vom 19.02.2009 verbunden.
Der Leitende Arzt der Augenklinik am Klinikum O. Dr. H. hat im Auftrag des SG nach Untersuchung des Klägers am 13.11.2007 ein augenfachärztliches Gutachten erstellt. Er hat ausgeführt, die seit der Begutachtung durch Prof. Dr. W. auf beiden Augen eingetretenen Verschlechterungen hätten keine Auswirkung auf die bereits festgestellte MdE. Der Verlust des Sehvermögens an einem Auge werde nach den Empfehlungen der Deutschen Ophtamologischen Gesellschaft (DOG) und des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA) mit einer MdE von 25 v.H. beziffert. Lediglich bei einer nach außen in Erscheinung tretenden Entstellung, die beim Kläger nicht vorliege, könnte die MdE auf 30 v.H. erhöht werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.03.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat auf die Begründungen in den angefochtenen Widerspruchsbescheiden und hinsichtlich der begehrten Gewährung einer höheren Verletztenrente ergänzend auf das Gutachten von Dr. H. verwiesen.
Gegen den ihm am 23.03.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 27.03.2009 Berufung eingelegt.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat die Augenärztin Dr. G.-R. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Sie hat nach Untersuchung des Klägers am 11.05.2010 im Vergleich zum Gutachten von Dr. H. keine nennenswerten Verschlechterungen mehr gesehen und der Bewertung der MdE in den Vorgutachten zugestimmt. Die Versorgung mit einer Brille führe im Gegensatz zu den ersten Jahren nach dem Unfallereignis nicht mehr zu einer Sehverbesserung am verletzten Auge, weswegen die Brille nur noch zur Korrektur der nicht unfallbedingten Kurzsichtigkeit am linken Auge erforderlich sei.
Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor, die bisherigen Bewertungen der MdE seien nicht schlüssig. Die eingetretene, deutlichste Verschlechterung der Sehschärfe komme nicht hinreichend zum Ausdruck. Entgegen der Annahme von Dr. H. sei eine plötzliche Veränderung der Sehschärfe nicht nötig. Ferner liege Dr. H. nicht richtig, wenn er meine, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Betroffenheit wegen der Unfallfolgen bestünden. Das Gutachten von Dr. G.-R. sei nicht schlüssig. Eine MdE um 25 v.H. sei bei der zuletzt festgestellten Blindheit nicht ausreichend. Nach der Begutachtung habe Dr. G.-R. dem Kläger telefonisch mitgeteilt, sie gehe von einer MdE um 30 v.H. aus. Soweit sie im schriftlichen Gutachten nur noch eine MdE um 25 v.H. ansetze, sei ihre Glaubwürdigkeit erschüttert. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach Änderungen der MdE nur zu berücksichtigen seien, wenn diese mehr als 5 v.H. betragen, sei nicht akzeptabel.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 17.03.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.2007 zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 30 v.H. zu gewähren, sowie die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.05.2007 zu verurteilen, dem Kläger Kosten für seine Sehhilfe zu erstatten,
hilfsweise die Sachverständige Dr. G.-R. zur mündlichen Verhandlung oder zu einem Erörterungstermin zu laden bzw. ergänzend schriftlich zu befragen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Berufung im Hinblick auf die Kostenübernahme für die Sehhilfe wegen einer nicht ausreichenden Beschwer für unzulässig und im Übrigen für unbegründet. Der konkrete Verlauf der Verschlimmerung der Unfallfolgen sei letztlich unerheblich. Die von Dr. H. beschriebene Beschränkung auf eine intakte Lichtscheinwahrnehmung sei in dem anerkannten Vergleichs-MdE-Satz für eine vollständige Erblindung eines Auges bereits enthalten. Die Ausführungen von Dr. H. zu einer erschwerten Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hätten sich allein auf die Frage einer hier nicht bestehenden Entstellung bezogen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom 11.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.03.2007, mit dem die Beklagte die Gewährung einer höheren Verletztenrente ablehnte, da eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen seit dem Vergleichsschluss vom Jahr 2000 nicht eingetreten sei. Zum anderen ist Gegenstand des Verfahrens der Bescheid vom 27.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.05.2007, mit dem die Beklagte die Übernahme von Kosten für eine Brille ablehnte.
Die Berufung ist hinsichtlich beider Gegenstände nach § 144 SGG ohne besondere Zulassung statthaft. Soweit das SG die Klage gegen die Ablehnung des Verschlimmerungsantrags abgewiesen hat, ergibt sich dies aus dem Umstand, dass es um eine laufende Geldleistung für mehr als ein Jahr geht (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Hinsichtlich der Klageabweisung zur abgelehnten Kostenübernahme für die Brille liegt der Wert des Beschwerdegegenstandes zwar für sich genommen unter dem für eine zulassungsfreie Berufung nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG notwendigen Beschwerdewert von 750,00 EUR. Jedoch ist der Wert des Beschwerdegegenstandes bei objektiven Klagehäufungen - wie hier nach der vom SG vorgenommenen Verbindung der beiden Klageverfahren der Fall - nach § 5 Halbsatz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 202 SGG zusammen zu rechnen (Peters-Sautter-Wolff, Sozialgerichtsgesetz, § 144 Rdnr. 36; Bernsdorff in Hennig, Sozialgerichtsgesetz, § 144 Rdnr. 23). Daraus folgt, dass bei Statthaftigkeit der Berufung für einen Streitgegenstand automatisch auch von der Statthaftigkeit der Berufung für den weiteren Streitgegenstand auszugehen ist. Dies gilt nach Auffassung des Senats nicht nur, wenn die Statthaftigkeit der Berufung für einen Streitgegenstand unmittelbar durch das Überschreiten des Wertes von 750,00 EUR nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erreicht wird, sondern auch wenn sie auf der Sonderregelung des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG für laufende Leistungen beruht. Zwar ist bei der Kombination einer allein wegen der Dauer der Leistung zulassungsfreien Berufung mit einer vom Wert abhängigen Zulassungsfreiheit eine Zusammenrechnung mathematisch nicht möglich. Im Grunde aber stellt die Sonderregelung des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG laufende Leistungen für mehr als ein Jahr kraft Gesetzes einem Beschwerdewert von mehr als 750,00 EUR gleich. Es ist daher gerechtfertigt, nicht nur in den Fällen, in denen erst die Zusammenrechnung von zwei Beschwerdewerten für einmalige Leistungen zum Erreichen des Beschwerdewerts von 750,00 EUR führt, sondern auch beim Zusammentreffen eines Streitgegenstands mit einem Beschwerdewert von unter 750,00 EUR mit einem Streitgegenstand, der eine laufende Leistung für mehr als ein Jahr betrifft, von einer insgesamt zulassungsfreien Berufung auszugehen.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Dem Kläger steht keine höhere Verletztenrente zu. Nachdem die dem Kläger bislang gewährte Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H. auf den im Klageverfahren S 7 U 2197/96 zwischen den Beteiligten im Mai 2000 zustande gekommenen Vergleich beruht, erscheint fraglich, ob als Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X - Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse) oder § 59 Abs. 1 SGB X (Anpassung und Kündigung - eines öffentlich-rechtlichen Vertrages - in besonderen Fällen) heranzuziehen ist (grundlegend hierzu: Senatsurteil vom 09.06.2011, L 10 R 3494/08, zur Veröffentlichung vorgesehen). Diese Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, denn beide Regelungen setzten das Vorliegen einer wesentlichen Änderung voraus.
Eine wesentliche Änderung vermag der Senat aber nicht festzustellen. Nach § 73 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), der gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 SGB VII auch auf Versicherungsfälle vor Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 anzuwenden ist, ist bei der Feststellung der MdE eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v.H. beträgt. Diese Regelung wäre auf Grund der Identität des Wortlauts und der letztlich sogar strengeren Voraussetzungen einer Vertragsanpassung - gefordert wird nicht nur die wesentliche Änderung, sondern auch die Unzumutbarkeit des Festhaltens an der bisherigen Vereinbarung - auf § 59 Abs. 1 SGB X jedenfalls entsprechend anzuwenden. Hinsichtlich des Ausmaßes der Änderung um mehr als 5 v.H. geht es mithin nicht nur um die vom Kläger ohne nähere Begründung als inakzeptabel eingestufte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), sondern um eine klare gesetzliche Vorgabe.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegt eine wesentliche Änderung um mehr als 5 v.H. nicht vor. Vergleichsgrundlage ist der Zustand auf dem die im Rahmen des Vergleichs im Jahr 2000 gewährte Verletztenrente nach einer MdE von 25 v.H beruhte - hier der Zustand zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. W. im März 1999. Von einer wesentlichen Änderung zugunsten des Klägers könnte nur ausgegangen werden, wenn nunmehr eine MdE von mehr als 30 v.H. festzustellen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Eine MdE in dieser Höhe hat keiner der gehörten Sachverständigen jemals auch nur angesprochen. Vielmehr haben die aktuell tätig gewordenen Sachverständigen Dr. H. und Dr. G.-R. die schon bislang der Gewährung der Verletztenrente zu Grunde liegende MdE von 25 v.H. bestätigt. Entgegen der Auffassung des Klägers sind sowohl das Gutachten von Dr. H. als auch das Gutachten von Dr. G.-R. schlüssig. Beide haben das Vorbringen des Klägers, dass im Vergleich zu dem Zustand zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. W. an dem vom Umfall betroffenen rechten Auge eine weitere Verschlechterung der Sehschärfe, ein Gesichtsfeldverfall, eine fortgeschrittene glaukomatöse Sehnervenschädigung und eine sekundäre Einwärtsstellung des Auges (Schielen) eingetreten sind und sich insofern die Verhältnisse insgesamt verschlechtert haben, durchaus bestätigt. Sie haben jedoch ebenso überzeugend dargelegt, dass sich diese Änderungen auf die Höhe der MdE nicht (mehr) auswirken, da die der Rentengewährung seit März 1999 zu Grunde liegende MdE von 25 v.H. schon den Wert darstellt, der - so Dr. H. - nach den Empfehlungen der DOG und des BVA im Regelfall als Höchstwert bei einer vollständigen Erblindung eines Auges anzusetzen ist.
Soweit der Kläger bemängelt hat, entgegen der Annahme von Dr. H. sei eine plötzliche Veränderung der Sehschärfe nicht nötig, hat er die Ausführungen von Dr. H. missverstanden. Dieser hat lediglich den Ablauf der Verschlechterung als langsam und kontinuierlich beschrieben, den Verlauf an sich jedoch nicht bei der Bewertung der MdE berücksichtigt. Aus seiner Antwort geht klar hervor, dass er das Ergebnis der langsamen Verschlechterung bewertet hat.
Die auf dem vom Unfall nicht betroffenen linken Auge zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung der Sehschärfe ist als schädigungsunabhängiger "Nachschaden" unbeachtlich (BSG, Urteile vom 21.09.1967, 2 RU 65/66 in SozR Nr. 4 zu § 622 RVO, vom 10.12.1975, 9 RV 112/75 in SozR 3100 § 30 Nr. 11 und vom 28.10.1980, 9 RV 21/79 in juris).
Die - mithin überzeugende - Bewertung der MdE durch Dr. H. und Dr. G.-R. sieht der Senat auch durch die unfallmedizinische Literatur bestätigt. Danach ist bei einer unkomplizierten einseitigen Erblindung und uneingeschränktem Sehvermögen des zweiten Auges als "MdE-Eckwert" ein Wert von 25 v.H. anzusetzen. Dieser Wert ist erst dann auf 30 v.H. zu erhöhen, wenn sowohl Komplikationen als auch eine zumindest wahrscheinliche Beeinträchtigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorliegen. Komplikationen in diesem Sinne sind eine chronische Eiterung der Augenhöhle, Gesichtsentstellung oder die Unverträglichkeit eine Prothese zu tragen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 292, 293). Beim Kläger liegt, so übereinstimmend Dr. H. und Dr. G.-R. , trotz des zwischenzeitlich aufgetretenen Schielens des rechten Auges keine der eben genannten Komplikationen vor. Nur im Zusammenhang mit einer solchen Komplikation hätte, wie von der Beklagten zu Recht bemerkt, die von Dr. H. angesprochene (weitere) Beeinträchtigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Rolle gespielt. Eine MdE von 30 v.H. kommt damit nach den allgemeinen Erfahrungswerten beim Kläger nicht in Betracht. Die aus der Einäugigkeit resultierende Beeinträchtigung auf dem Arbeitsmarkt wird dabei nicht übergangen, sie ist schließlich der maßgebliche Anknüpfungspunkt für die unstreitig bestehende MdE von 25 v.H.
Im Übrigen kann dahingestellt bleiben, ob wegen der Schädigung des rechten Auges beim Kläger zwischenzeitlich über den Regelwert von 25 v.H. hinaus ausnahmsweise doch eine MdE von 30 v.H. gerechtfertigt ist. Denn die Änderung würde sich nicht auf mehr als 5 v.H. belaufen und wäre mithin - wie eben dargestellt - nicht wesentlich.
Da nach den dargestellten allgemeinen Erfahrungssätzen (siehe hierzu BSG, Urteil vom 27.05.1986, 2 RU 20/85 in juris) eine Bewertung mit einer MdE von mehr als 30 v.H. von vornherein nicht in Betracht kommt, ist dem Beweisantrag des Klägers auf mündliche Vernehmung der Sachverständigen Dr. G.-R. nicht nachzukommen. Die Vernehmung könnte zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis führen, eben weil der Senat den beschriebenen allgemeinen Erfahrungssätzen folgt. Zudem wünscht der Kläger die mündliche Vernehmung von Dr. G.-R. wegen ihrer angeblichen telefonischen Mitteilung, er sei von einer MdE um 30 v.H. auszugehen. Damit steht fest, dass auch Dr. G.-R. von einer MdE um mehr als 30 v.H. nie ausgegangen ist. Mithin liegt auch dann keine wesentlichen Änderung vor, wenn das Vorbringen des Klägers zu der angeblichen telefonischen Auskunft der Sachverständigen über eine MdE von 30 v.H. als wahr unterstellt wird. Schon allein deswegen ist ihre zusätzliche persönliche Vernehmung nicht erforderlich (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 103 Rdnr. 8).
Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Versorgung mit einem Hilfsmittel - hier der verordneten Fernbrille - bzw. auf Erstattung der Kosten für eine solche zu. Zwar haben Versicherte gemäß §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 27 Abs. 1 Nr. 4, 31 SGB VII Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln. Wie sich nicht zuletzt aus § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ergibt, muss es bei der Hilfsmittelversorgung jedoch um die Beseitigung, Besserung oder Verhütung der Verschlimmerung der Folgen des Versicherungsfalls gehen. Dies ist bei der dem Kläger verordneten Fernbrille zur Überzeugung des Senats nicht der Fall. Schlüssig argumentiert die Beklagte im angefochtenen Ausgangsbescheid, dass die Brillenversorgung nur wegen der Kurzsichtigkeit auf dem linken Auge erforderlich ist und auf dem rechten Auge eine Verstärkung der Sehkraft durch ein Brillenglas nicht mehr möglich ist. Auch für den Senat bieten sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Brille vom Augenarzt wegen des als Nebeneffekt bestehenden Schutzes des erblindeten rechten Auges verordnet wurde, wobei die Beklagte auch in diesem Zusammenhang im Widerspruchsbescheid zutreffend darauf hinwies, dass die Schutzfunktion mit einer gleichzeitig bestehenden erhöhten Verletzungsgefahr beim Bruch der Brille verbunden ist. Auch Dr. G.-R. hat bestätigt, dass es bei der Versorgung mit einer Fernbrille im Gegensatz zu den ersten Jahren nach dem Unfallereignis nicht mehr um eine Sehverbesserung am verletzten Auge geht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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