L 10 U 2312/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 4420/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2312/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.03.2008 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 22.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2005 verurteilt, dem Kläger auch über den 30.09.2003 hinaus Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren.

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen sind von der Beklagten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger über den 30.09.2003 hinaus Verletztenrente zu gewähren ist.

Der am 1943 geborene Kläger - Rechtshänder - stürzte am 02.06.2001 im Rahmen seiner bei der Beklagten versicherten ehrenamtlichen Tätigkeit als Ortvorsteher beim Bau einer Aussegnungshalle zu Boden und zog sich neben einer Schädelprellung einen unverschobenen körperfernen Speichenbruch links zu. Nach konservativer Behandlung konsolidierte dieser Bruch knöchern in anatomischer Position.

Wegen fortdauernder Beschwerden wurde am 01.10.2001 ein MRT des linken Handgelenks erstellt. Der Radiologe sah mäßige "posttraumatisch degenerative" Veränderungen im Bereich des ulnaren Faserkomplexes und der lateralen Anheftung des Discus triangularis, ein noch minimales Ödem im Bereich des ehemaligen Frakturspalts, geringe Konturunregelmäßigkeiten im Bereich des Knorpels und nebenbefundlich eine Rhizarthrose (Bericht der Praxis M. und Kollegen Blatt 37/1 VA). Im Bericht über die am 05.11.2001 durchgeführte Arthroskopie erwähnte Dr. V. keine Schädigung des speichenseitigen Gelenkknorpels. Allerdings beschrieb er eine Knorpelfrakturierung am Os naviculare (Kahnbein), einen eingerissenen Discus triangularis sowie freie Gelenkkörper, die geglättet bzw. biopsiert wurden (Blatt 38 VA). Die histologische Aufarbeitung des entnommenen Gewebes ergab keine klare Aussage hinsichtlich der Frage, ob die Läsion des Discus triangularis als frisch oder degenerativ zu werten sei (Arztbrief des Pathologen Dr. G. , Blatt 39 VA).

Auch nach der Arthroskopie klagte der Kläger über erhebliche Beschwerden am linken Handgelenk. Erstmalig im Januar 2002 und seither wiederkehrend ließ der Kläger Infiltrationsbehandlungen mit Hyaluronsäure durchführen, die - so der Kläger - zu vorübergehenden Besserungen führen. Der Kläger trug die Kosten dieser Behandlungen mit Ausnahme der ersten beiden Infiltrationen, deren Kosten im Vergleichswege von der Beklagten übernommen wurden (Verfahren beim LSG L 2 U 1927/04), selbst. Ab November 2003 begab sich der Kläger im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Sprechstunde am Kreiskrankenhaus Backnang in zusätzliche Behandlung beim Chefarzt Dr. H. , der - nachdem im Februar 2004 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen von Prof. Dr. Sch. eine Schmerzausschaltungsoperation am linken Handgelenk durchgeführt worden war, die nicht zur erhofften Schmerzlinderung geführte hatte im März 2005 von einem Verharrungszustand ausging und ein chronisches Schmerzsyndrom am linken Handgelenk diagnostizierte.

Der Kläger nahm nach der mit Arbeitsmangel begründeten Kündigung seines Arbeitsverhältnisses im Jahr 2001 keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mehr auf, meldete jedoch - so seine eigenen Angaben (Bl. 33-35 LSG-Akten) - ein eigenes Gewerbe an, bei dem er höchstens zwei Stunden täglich kleinere Reparaturarbeiten ausführt, übt weiter seine Tätigkeit als Ortsvorsteher aus, für die er eine Aufwandspauschale erhält, hilft zum Teil seiner Frau bei der Heimarbeit und engagiert sich als Leiter einer Theatergruppe. Dem Kläger wurde vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bewilligt, inzwischen bezieht er eine Altersrente.

Bei stets vom Kläger angegebenen Belastungsschmerzen nebst weitgehendem Nichtgebrauch der linken Hand wurden Bewegungsmaße des Handgelenks seit Juli 2004 u.a. wie folgt dokumentiert:

Arzt Datum Dorsal- und Volarflexion ulnare/radiale Abduktion Prof. Dr. Sch. 22.07.2004 links 50/0/30 rechts 70/0/50 links 20/0/20 rechts 20/0/30 Prof. Dr. Sch. 26.04.2005 links 20/0/30 rechts 40/0/80 links 20/0/10 rechts 30/0/30 Dr. Z. 22.06.2006 links 20/0/20 links 15/0/15 Dr. S. 18.06.2007 links 55/0/50 rechts 75/0/70 links 25/0/15 rechts 40/0/30

Mit Bescheid vom 25.09.2001 anerkannte der Württembergische Gemeindeunfallversicherungsverband, von dessen Zuständigkeit damals noch ausgegangen wurde, das Ereignis vom 02.06.2001 als Arbeitsunfall. Er gewährte unter Verweis auf den Ablauf der 78-Wochenfrist bis zum 30.11.2002 Verletztengeld (Bescheid vom 12.12.2002, Blatt 160 VA).

Mit Bescheid vom 22.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.12.2002 bis 30.09.2003 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. Für die Zeit ab dem 01.10.2003 liege keine rentenberechtigende MdE (mindestens 20 v.H.) mehr vor. Dem lagen u.a. das Röntgengutachten von Dr. Sch. vom August 2002, das unfallchirurgische Zusammenhangsgutachten von Prof. Dr. U. vom September 2002 sowie das erste Rentengutachten von Prof. Dr. Sch. vom Juli 2004 zu Grunde. Dr. Sch. hatte keine posttraumatischen Veränderungen beschrieben. Prof. Dr. U. hatte eine Muskelverschmächtigung am linken Unterarm beschrieben, die Läsion des Discus triangularis sowie die Knorpelfraktur des Kahnbeins auf den Arbeitsunfall zurückgeführt und die MdE für ein Jahr nach dem Unfall auf 20 v.H., danach auf unter 10 v.H. eingeschätzt. Prof. Dr. Sch. bewertete die von ihm festgestellte eingeschränkte Beweglichkeit und die ausgeprägten subjektiven Beschwerden des Klägers, die er in Übereinstimmung mit dem Befund sah, auf unter 10 v.H.

Wegen der Gewährung einer Verletztenrente über den 30.09.2003 hinaus hat der Kläger am 18.07.2005 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Das SG hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Orthopäden Dr. Z. und von Amts wegen das unfallchirurgische Gutachten des Chefarztes an der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des K.-O.-Krankenhauses S. , Dr. S. , nebst röntgenologischem Gutachten von Dr. K. und das schmerztherapeutische Zusatzgutachten von Prof. Dr. R. eingeholt. Die Beklagte hat Stellungnahmen ihrer beratenden Ärzte, u.a. Dr. T. und Dr. Sch. vorgelegt. Dr. Z. ist nach Untersuchung des Klägers am 22.06.2006 von einer Verminderung des Muskelumfangs am linken Unterarm in Folge der Schonung des Handgelenks ausgegangen und hat die Bewegungseinschränkung am linken Handgelenk vor allem unter Berücksichtigung der Schmerzen mit einer MdE um 20 v.H. bewertet. Die von den Vorgutachtern vorgenommene Herabbemessung der MdE von 20 v.H. auf 10 v.H. hat er als voreilig und pauschaliert, insbesondere nicht durch die nach wie vor bestehende Bewegungseinschränkung gedeckt, erachtet und hat auf die erheblichen Schwierigkeiten der behandelnden Ärzte, die Beschwerdeproblematik des Kläger einwandfrei zu erklären und zu behandeln, hingewiesen. Dr. S. hat bei der Untersuchung des Klägers am 18.06.2007 keine unfallbedingte Muskelminderung an der linken oberen Extremität gesehen. Eine höhergradige funktionelle Beeinträchtigung des linken Handgelenks hat er objektiv für nicht nachweisbar erachtet. Die Schädigung des Kahnbeins und des Discus triangularis sei degenerativ bedingt und nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen. Dies schließe eine MdE in Höhe von 20 v.H., die ansonsten tatsächlich diskutiert werden könne, aus. Die unfallabhängigen Gesundheitsstörungen - in anatomischer Position konsolidierter Speichenbruch mit allenfalls diskreter posttraumatischer Arthrose im Handgelenk - bedinge nur eine MdE von maximal 10 v.H. Prof. Dr. R. hat nach Untersuchung am 13.09.2007 eine somatoforme Schmerzstörung, die unfallunabhängig auf Grund einer Angstreaktion, einer reaktiven Depression sowie finanziellen Sorgen entstanden sei, diagnostiziert und die unfallbedingte MdE allein auf Grund der eingeschränkten Handbeweglichkeit auf 10 v.H. eingeschätzt. Dr. T. hat u.a. eingewandt, selbst bei Berücksichtigung sämtlicher vom Kläger geltend gemachter Beschwerden lasse sich eine MdE von 20 v.H. nicht ableiten, da diese einer Versteifung des Handgelenks in Neutralstellung entspräche. Dr. Sch. hat das Gutachten von Prof. Dr. R. wegen einer Überbewertung der Fragebögen, einer fehlenden Plausibilitätsprüfung und des Fehlens eines psychiatrischen Untersuchungsbefunds sowie der ausgefüllten Tagesstruktur des Klägers nicht für überzeugend erachtet.

Mit Urteil vom 19.03.2008 hat das SG die Klage im Wesentlichen gestützt auf die Gutachten von Dr. S. und Prof. Dr. R. abgewiesen.

Gegen das ihm am 02.05.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.05.2008 Berufung eingelegt.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie Dr. V. eingeholt. Dieser hat die vom Kläger im Rahmen der Untersuchung am 23.10.2008 angegebenen Beschwerden für glaubhaft erachtet und eine somatoforme Schmerzstörung, die mit Wahrscheinlichkeit durch den Unfall verursacht worden sei, diagnostiziert. Die Störung sei im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall aufgetreten. Eine unspezifische Vulnerabilität des Klägers sei nicht ersichtlich. Es gebe keine Begehrensvorstellung des Klägers, die das Krankheitsgeschehen aufrecht erhalte. Vielmehr habe sich die innere Krankheitsverarbeitung so verselbstständigt, dass die Symptomatik aufrecht erhalten werde und eine Überwindung durch zumutbare Willensanstrengung nicht mehr möglich sei. Die Schmerzstörung hat Dr. V. unter Einordnung als stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, "Arbeitsunfall und Berufskrankheit" (7. Auflage, Seite 246), mit einer MdE von 20 v.H. bewertet. An dieser Einschätzung hat er auch nach Einwendungen der beratenden Ärztin der Beklagten Dr. K. , die die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung bestätigt hat, auf Grund einer Fehlverarbeitung jedoch von keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall ausgegangen ist, festgehalten.

Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung vor, Dr. S. habe eine MdE von 20 v.H. bestätigt. Soweit er Teile der Beschwerden nicht als unfallbedingt angesehen habe, überzeuge dies nicht, da seine rechte Hand keine Probleme mache, eine Degeneration mithin nicht maßgeblich sein könne. Im Übrigen verweist er auf das Gutachten von Dr. V ...

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.03.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2005 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. über den 30.09.2003 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte stützt sich auf die vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahmen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist die im Bescheid vom 22.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2005 erfolgte Ablehnung der Gewährung einer Verletztenrente über den 30.09.2003 hinaus. Im Übrigen, d.h. soweit wegen einer Bewegungseinschränkung am linken Handgelenk eine Verletztenrente bis 30.09.2003 bewilligt wurde, ist der Bescheid vom 22.03.2005 bestandskräftig geworden.

Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Dem Kläger steht die von ihm beantragte Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. über den 30.09.2003 hinaus zu.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente.

Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 8/06 R), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Hier ist zwischen den Beteiligten nicht nur unstreitig, sondern steht durch die bestandskräftig gewordene Feststellung im Bescheid vom 25.09.2001 fest, dass der Kläger am 02.06.2001 einen Arbeitsunfall erlitt. Als offensichtlichen Gesundheitserstschaden zog sich der Kläger einen körperfernen Speichenbruch links zu.

Streitig ist hier allein, ob beim Kläger über den 30.09.2003 Unfallfolgen (gesundheitsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen) vorliegen, die eine MdE von 20 v.H. bedingen. Dies ist zur Überzeugung des Senats der Fall. Beim Kläger liegen nach wie vor eine Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks sowie eine auf dieses Handgelenk bezogene somatoforme Schmerzstörung vor, die jeweils wesentlich durch den Gesundheitserstschaden (mit)verursacht sind. Die dadurch bedingten Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigen weiterhin insgesamt eine MdE von 20 v.H.

Die Beweglichkeit des Klägers im linken Handgelenk ist im hier maßgeblichen Vergleich zum nicht betroffenen rechten Handgelenk (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage S. 543) über den 30.09.2003 hinaus eingeschränkt. Dies wird durch die von Prof. Dr. Sch. , Dr. Z. und Dr. S. erhobenen Bewegungsmaße, auch wenn sie hinsichtlich des Ausmaßes der Einschränkung Abweichungen aufweisen, belegt. Soweit sich die Bewegungseinschränkung und die schon im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall zutage getretene Schmerzsymptomatik nicht hinreichend durch den organischen Befund erklären lässt, hat Dr. V. überzeugend dargelegt, dass der Kläger zusätzlich unter einer somatoformen Schmerzstörung leidet. Eine entsprechende Diagnose (chronisches Schmerzsyndrom) stellte bereits Dr. H. nach Aufnahme der Behandlung im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Sprechstunde am Kreiskrankenhaus Backnang. Auch Prof. Dr. R. hat eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert, diese Diagnose wurde von der beratenden Ärztin der Beklagten Dr. K. ausdrücklich bestätigt - sie hat dem Gutachten von Dr. V. lediglich im Hinblick auf dessen Kausalitätsbewertung widersprochen.

Auch wenn sich der im Gutachten von Dr. V. dargestellte Tagesablauf des Klägers sehr angefüllt, klar strukturiert und durchaus produktiv erweist, hat der Senat keine Zweifel am Beschwerdevorbringen des Klägers. Der Senat stützt sich dabei insbesondere auf die von Dr. V. mit überzeugenden Argumenten durchgeführte Plausibilitätsprüfung. Für die Plausibilität der vom Kläger dargestellten Beschwerden spricht demnach unter anderem, dass keine Ausweitung des Schmerzlebens stattgefunden hat, dass der Sachverständige den Leidensdruck durchaus in dem Umfang spüren konnte, wie der Kläger seine Beschwerden geschildert hat, dass diese außerdem nicht vage, wechselhaft oder unpräzise, sondern im Gegenteil konsistent und eher auffallend gleichförmig ohne appellativ, demonstratives Klagen vorgetragen worden sind und beim Sachverständigen ein Gefühl echter Betroffenheit ausgelöst haben. Auch für den Senat trägt zur Plausibilität des Schmerzvorbringens wesentlich bei, dass sich der Kläger offensichtlich um Therapiemaßnahmen (Schmerzausschaltungsoperation in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen, Behandlung mit Hyaluronsäure) bemühte und nach wie vor bemüht und hierfür (teilweise) auch selbst Kosten trug bzw. trägt.

Soweit Dr. S. sinngemäß Zweifel am Beschwerdevorbringen des Klägers dadurch zum Ausdruck gebracht hat, dass er eine fassbare Minderung des Muskelmantels am linken Arm, die erfahrungsgemäß bei einer schmerzbedingten wesentlichen Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit des Armes zu erwarten wäre, vermisst hat, erschüttert dies die Überzeugung des Senats von der Plausibilität des klägerischen Beschwerdevorbringens nicht. Schließlich hat Dr. S. rein faktisch eine Minderung des Muskelmantels am linken Arm gegenüber dem rechten Arm von "maximal 1 cm" festgestellt. Die von ihm erhobenen Befunde stehen insoweit in Übereinstimmung mit den von Dr. Z. wiedergegebenen Umfangmaßen. Freilich haben die beiden Sachverständigen die Umfangsdifferenz unterschiedlich bewertet. Dr. Z. hat sie als Zeichen der Schonung des Handgelenks angesehen, während Dr. S. auf Grund der Rechtshändigkeit des Klägers von einem Normalbefund ausgegangen ist. Prof. Dr. U. sah im Juli 2004 bei ähnlichen Differenzen des Umfangs des linken Armes wie Dr. Z. eine unfallbedingte Muskelverschmächtigung. Angesichts dieser widersprechenden Bewertungen bei einer unstreitig gegebenen Muskelminderung am linken Arm sieht der Senat keine Grundlage dafür, allein auf Grund der Beurteilung des Muskelumfangs am linken Arm die Plausibilität des Vorbringens des Klägers zu seinem Schmerzerleben in Frage zu stellen. Die oben dargestellten Gründe, die für die Plausibilität sprechen, insbesondere sind hier noch einmal die therapeutischen Bemühungen zu nennen, wiegen deutlich schwerer, als die von den Ärzten nicht einheitlich bewerteten Umfangsdifferenzen.

Entgegen der Auffassung von Dr. S. und entgegen den Ausführungen von Dr. K. sind sowohl die organisch erklärbare Bewegungseinschränkung als auch die somatoforme Schmerzstörung (in vollem Umfang) wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Kann dagegen das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele (conditio sine qua non), ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O. auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.

Hier ist es zumindest wahrscheinlich, dass der Sturz am 02.06.2001 naturwissenschaftliche Ursache der nachfolgend aufgetretenen Bewegungseinschränkungen am linken Handgelenk und der entstandenen somatoformen Schmerzstörung war. Der Sturz führte unstreitig zu einer Radiusfraktur und damit zu einer Substanzschädigung in unmittelbarer Nähe zu dem jetzt Beschwerden verursachenden linken Handgelenk. Die dortigen Beschwerden sind in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis aufgetreten. Es ist nicht ersichtlich, dass irgendein Arzt den naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Sturz und den nachfolgend aufgetretenen Beschwerden in Frage stellte. Dies entspricht der unfallmedizinischen Literatur, wonach bei der Begutachtung der Knochenbruch an der Radiusbasis nicht als isoliertes Geschehen betrachtet werden darf, vielmehr Weichteil-, Nervenschäden, Band-, Kapsel-, Diskus-Verletzungen benachbarter gelenkiger Verbindungen miteinzubeziehen sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 543). Soweit Prof. Dr. R. und Dr. K. einen Zusammenhang der somatoformen Schmerzstörung und dem Arbeitsunfall verneint haben, haben sie auf die Bedeutung unfallunabhängiger Ursachen - Angstreaktion, reaktive Depression, bedrohlich erscheinende finanzielle Situation, Entschädigungsbegehren - hingewiesen. Ihren Ausführungen ist jedoch zu entnehmen, dass sie gleichwohl den Arbeitsunfall als das eigentlich die Beschwerden auslösende Ereignis angesehen haben. Prof. Dr. R. hat ausdrücklich von einem chronischen Schmerzsyndrom als Unfallfolge gesprochen und die eben genannten weiteren Faktoren nur als maßgeblichen Beitrag für die Schmerzchronifizierung bezeichnet. Dr. K. ist von einem "allein" nicht ausreichenden zeitlichen und örtlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der somatoformen Schmerzstörung und einer "Ausweitung" der Störung auf Grund der eben genannten weiteren Umstände ausgegangen. Diese Gesichtspunkte sind aber erst im nachfolgenden Prüfungsschritt von Bedeutung.

Ist somit der naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen, stellt sich die Frage (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung), ob das Unfallereignis auch wesentlich war.

Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, auch zum gesamten Nachfolgenden). Sozialrechtlich ist allein relevant, ob (auch) das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. Wesentlich ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange keine andere Ursache überragende Bedeutung hat. Ist jedoch eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur die erstgenannte Ursache wesentlich und damit Ursache im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage (egal, ob bislang stumm oder als Vorschaden manifest) zu vergleichen und abzuwägen ist (Problem der inneren Ursache), ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" (im Falle eines Vorschadens weiterer) akuter Erscheinungen aus ihr durch das Unfallereignis nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gleiches gilt selbstverständlich, wenn die Erscheinung zu derselben Zeit ohne jede äußere Einwirkung aufgetreten wäre (siehe BSG, Urteil vom 02.02.1999, B 2 U 6/98 R). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen.

Die innere Ursache muss bei dieser Prüfung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, die bloße Möglichkeit einer inneren Ursache genügt nicht (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 34/03 R). Dies gilt auch für das Ausmaß der inneren Ursache (BSG, Urteil vom 06.12.1989, 2 RU 7/89). Demgegenüber ist für die Beurteilung, ob das Unfallgeschehen bloße Gelegenheitsursache war, ob ein alltägliches Ereignis etwa zu derselben Zeit zum selben Erfolg geführt hätte, Wahrscheinlichkeit notwendig; die bloße Möglichkeit genügt auch hier nicht (BSG Urteil vom 04.12.1991, 2 RU 14/91). Dies bedeutet, dass die Grundlagen der Beurteilung, ob das Unfallereignis bloße "Gelegenheitsursache" war, im Sinne des Vollbeweises feststehen müssen, die Kausalitätsfrage ist wieder nach Wahrscheinlichkeit zu beurteilen. Ist eine erhebliche Vorschädigung der durch den Unfall betroffenen Körperstelle, die eine Schädigung durch ein alltägliches Ereignis ermöglicht hätte oder ohne äußere Einwirkung zu der in Rede stehenden strukturellen Schädigung geführt hätte, nicht nachgewiesen, geht dies nach dem im Sozialrecht geltenden, oben dargelegten Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 23/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 22).

Die organisch erklärbare Beweglichkeitseinschränkung am linken Handgelenk ist wesentlich auf den Unfall zurückzuführen.

Den Senat überzeugt die von Dr. S. vorgenommene Aufspaltung der Beschwerden des Klägers am linken Handgelenk in einen unfallbedingten und einen degenerativ bedingten Teil nicht. Selbst wenn hier degenerative Veränderungen am Kahnbein und am Discus triangularis vorgelegen haben sollten, hält es der Senat angesichts der zeitlichen Entwicklung der Beschwerden nach dem Unfallereignis und angesichts der erheblichen Substanzschädigung beim Unfall für ausgeschlossen, den degenerativen Veränderungen für die nachfolgend aufgetretenen Beschwerden eine überragende Bedeutung beizumessen. Dr. S. hat in keiner Weise dargelegt, dass die degenerativen Veränderungen zum Unfallzeitpunkt soweit fortgeschritten waren, dass bereits ein alltäglich vorkommendes Ereignis zu derselben Zeit die aufgetretenen Beschwerden ausgelöst hätte. Dafür gibt es, nachdem Prof. Dr. U. im Juli 2004 sowohl die Läsion des Discus triangularis als auch die Knorpelfraktur des Kahnbeins sogar als eindeutige Unfallfolgen beschrieb, keinerlei Anhaltspunkte.

In diesem Zusammenhang ist Dr. S. zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Schädigungen am Kahnbein und am Discus triangularis mit Sicherheit auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sein müssen. Wie dargestellt, reicht für die Feststellung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitserstschaden bereits die Wahrscheinlichkeit aus. Soweit es um die Bewertung der Bedeutung einer degenerativen Vorschädigung als Mitursache für länger andauernde Beschwerden geht, kommt es - wie eben dargestellt - auf die Frage des Ausmaßes der Vorschädigung, insbesondere auf die Frage, ob ein alltägliches Ereignis zum selben Beschwerdebild geführt hätte, an. Dr. S. hat mithin den maßgeblichen Beweismaßstab bzw. die Kriterien für die Prüfung der Wesentlichkeit einer (Mit)Ursache verkannt. Letztlich hat er hier die falschen Maßstäbe angelegt, so dass sich die abschließende Anmerkung in seinem Gutachten, den bislang tätig gewordenen Kollegen seien Ungenauigkeiten unterlaufen und sie hätten die Befunde nicht mit der nötigen Exaktheit nachvollzogen, als unzutreffend erweist.

Auch die neben der organisch erklärbaren Beweglichkeitseinschränkung durch die somatoforme Schmerzstörung bedingte zusätzliche Schmerzhaftigkeit des linken Handgelenks ist wesentlich durch den Unfall bedingt.

Der Senat stützt sich dabei auf das überzeugende Gutachten von Dr. V. , der nachvollziehbar auf das Fehlen einer unspezifischen Vulnerabilität des Klägers hingewiesen und keine das Krankheitsgeschehen aufrecht erhaltende Begehrensvorstellung gesehen hat. Insbesondere hat Dr. V. die von Prof. Dr. R. genannten finanziellen Belastungen nicht für die Entstehung oder die Aufrechterhaltung des Schmerzerlebens maßgeblich erachtet. Angesichts der vom Kläger zum Teil auf eigene Kosten - mithin einer angeblichen finanziellen Begehrensvorstellung entgegen laufend - durchgeführten Therapien, hält auch der Senat einen v.a. von Dr. K. thematisierten Entschädigungswunsch jedenfalls nicht für überragend bedeutend. Nachvollziehbare Ausführungen, warum die infolge des Unfalls aufgetretenen finanziellen Belastungen eine derartige Bedeutung spielen sollen, haben weder Prof. Dr. R. noch Dr. K. gemacht. Für das Vorliegen der von Prof. Dr. R. als Mitursachen genannten Angstreaktion und reaktive Depression sieht der Senat - so auch Dr. V. - keine hinreichende Grundlage. Das Gutachten von Prof. Dr. R. ist nicht überzeugend. Der Senat schließt sich insoweit der Kritik von Dr. Sch. an, der zutreffend u.a. auf die Überbewertung der Fragebögen durch Prof. Dr. R. - dieser hat hinsichtlich der eben genannten Diagnosen ausdrücklich auf den Schmerzfragebogen Bezug genommen - und die unterlassene Erhebung eines psychiatrischen Befundes hingewiesen hat.

Zudem spricht gegen eine überragende Bedeutung unfallunabhängiger Faktoren, wie Dr. V. überzeugend dargestellt hat, dass - entgegen der Annahme von Dr. Sch. und Dr. K. - keine Ausweitung der schon unmittelbar nach dem Unfall aufgetretenen Schmerzen eingetreten ist.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Die Funktionsstörung am linken Handgelenk rechtfertigt eine MdE von 20 v.H. Nach der unfallmedizinischen Literatur ist für einen Speichenbruch mit Achsenabknickung und Einschränkung der Handgelenksbewegungen (im Vergleich zur nicht betroffenen Hand) um 40 Grad eine MdE von 10 v.H. vorgesehen, bei einer erheblichen Achsenabknickung und einer Einschränkung der Beweglichkeit um insgesamt 80 Grad eine MdE von 20 bis 30 v.H. (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 544).

Eine Achsenabknickung ist vorliegend nicht dokumentiert. Allerdings ist selbst bei Zugrundelegung der vergleichsweise guten Bewegungsmaße, die Dr. S. erhoben hat, eine Beweglichkeitseinschränkung von 70 Grad gegeben (Differenz rechts/links: Dorsal- und Ulnarflexion 20/0/20, ulnare/radiale Abduktion 15/0/15). Angesichts dessen hält der Senat allein auf Grund der Bewegungsmaße eine MdE von 10 v.H. für gerechtfertigt. Er stützt sich insoweit auf das Gutachten von Dr. S. , der selbst unter der unzutreffenden Annahme, es sei nur ein Teil dieser Funktionsbeeinträchtigung zu berücksichtigen, eine MdE in diesem Umfang für angemessen erachtet hat. Soweit er bei vollständiger Berücksichtigung der von ihm gesehenen Funktionsbeeinträchtigung eine MdE von 20 v.H. für diskussionswürdig gehalten hat, sieht der Senat eine MdE in diesem Umfang nur unter zusätzlicher Berücksichtigung der durch die somatoforme Schmerzstörung bedingten besonderen Schmerzhaftigkeit für gerechtfertigt an. In der unfallmedizinischen Literatur ist bei einem Schmerzzustand mit leicht- bis mäßiggradiger körperlich-funktioneller Einschränkung eine MdE bis 10 v.H. und bei einem chronifizierten Schmerzzustand mit stärkergradiger körperlich-funktioneller Einschränkung und psychisch-emotionaler Beeinträchtigung eine MdE bis 30 v.H. vorgesehen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 222). Bei einer nicht durch eine entsprechende Diagnose belegten psychisch-emotionalen Beeinträchtigung hält der Senat für die somatoforme Schmerzstörung an sich nur eine MdE um 10 v.H. für gerechtfertigt. In der Zusammenschau geht der Senat jedoch von einer durch die Bewegungseinschränkung und zusätzliche Schmerzhaftigkeit gerechtfertigten MdE von 20 v.H. aus. Dies trägt dem Umfang Rechnung, dass der Kläger die linke Hand kaum zum Einsatz bringt, selbst bei geringer Belastung unter Schmerzen leidet und deswegen weitgehend auf eine Schonhaltung der Hand achtet. Für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung wurde dieser Beeinträchtigung durch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit Rechnung getragen. Im Übrigen ist der Kläger damit entgegen der Äußerung von Dr. T. nicht einem Versicherten mit einem in Neutralstellung versteiften Handgelenk gleichgestellt, denn nach der hier herangezogenen unfallmedizinischen Literatur ist für einen solchen Versicherten eine MdE von 25 v.H. vorgesehen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 544). Soweit Dr. V. eine MdE von 20 v.H. unter Heranziehung des Vergleichsmaßstabes einer stärker behindernden psychischen Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., 7. Auflage, S. 246) für angemessen erachtet hat, deckt sich das im Ergebnis mit der hier vorgenommenen Einordnung. Klarstellend ist anzumerken, dass Dr. V. die Bewertung der MdE auf Grund der Einschränkung der linken Hand insgesamt und nicht nur aus dem Blickwinkel seines Fachgebiets vorgenommen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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