L 2 R 5335/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 1185/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 5335/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund einer Tätigkeit als selbständige Lehrerin/Dozentin (EDV) an einer Volkshochschule (VHS) im Zeitraum vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2006 und die Forderung von Rentenversicherungspflichtbeiträgen für den genannten Zeitraum. Hilfsweise begehrt sie die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab dem 01.01.2003.

Die 1965 geborene Klägerin war ab dem 01.08.2002 bis zum 31.08.2007 als EDV-Dozentin für den Zweckverband Musikschule/Volkshochschule N. B.mit Sitz in E. tätig. Im Jahr 2002 übte sie die Tätigkeit nur in geringfügigem Umfang aus (vgl. Telefonvermerk vom 18.10.2006, Bl. 14 Verwaltungsakte – VA). Anlässlich einer Betriebsprüfung wurde die Frage einer versicherungspflichtigen Tätigkeit gemäß § 2 Nr. 1 SGB VI aufgeworfen (Schreiben der Abteilung Prüfdienst der Beklagten vom 07.09.2006, Bl. 1 VA). Hierauf trat die Beklagte von Amts wegen in eine diesbezügliche Prüfung ein. In dem am 14.10.2006 von der Klägerin unterzeichneten Fragebogen (Bl. 9 VA) gab sie an, ab dem 01.01.2003 aus ihrer Tätigkeit als EDV-Dozentin regelmäßig Einkünfte von mehr als 325,00 Euro monatlich erzielt zu haben, ab dem 01.04.2003 von mehr als 400,00 Euro monatlich. Auf Frage, für welche Auftraggeber die Klägerin tätig sei, gab sie an: "Volkshochschulen, div. private Kunden". Sie gab ferner an, sie arbeite nicht am Betriebssitz ihres Auftraggebers und habe keine regelmäßigen Arbeits- und Anwesenheitszeiten einzuhalten; ihr würden keine Weisungen hinsichtlich der Ausführung (Art und Weise) ihrer Tätigkeit erteilt. Der Auftraggeber könne ferner ihr Einsatzgebiet nicht ohne ihre Zustimmung ändern. Einen Arbeitnehmer beschäftige sie nicht.

Gemäß den beigefügten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2003 bis 2005 betrugen die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit im Jahr 2003 insgesamt 15.118,00 Euro, im Jahr 2004 insgesamt 12.790,00 Euro und im Jahr 2005 insgesamt 9.753,00 Euro.

Mit Bescheiden vom 19.10.2006 (Bl. 96/97 VA) stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin ab dem 01.08.2002 nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig sei und forderte, nachdem sie das Bestehen von Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit der Tätigkeit im Zeitraum vom 01.08.2002 bis 31.12.2002 annahm, ab dem 01.01.2003 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, für das Jahr 2003 ausgehend vom halben Regelbeitrag in Höhe von monatlich 232,05 Euro. Ab dem 01.01.2004 forderte die Beklagte von der Klägerin gegenüber dem halben Regelbeitrag geringere einkommensgerechte Beiträge in Höhe von monatlich 207,84 Euro (für 2004), 158,49 Euro (für 2005) bzw. 157,06 Euro (für 2006). Für den Zeitraum vom 01.01.2003 bis zum 31.10.2006 errechnete sie so eine Gesamtforderung von 8.751,16 Euro.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei zwar als EDV-Dozentin bei der VHS tätig und gebe Unterricht und Kurse, sei jedoch nur für einen Auftraggeber tätig und im Zweifelsfall als Scheinselbständige einzustufen, weshalb im Zweifel eine Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI anzunehmen sei. Sie stellte einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1a SGB VI, womit keine Beitragsverpflichtung für den Zeitraum vom 01.01.2003-31.12.2005 bestehe.

Mit Bescheid vom 06.11.2006 (Bl. 22 VA) lehnte die Beklagte den Antrag auf Befreiung mit der Begründung ab, dass sie aufgrund ihrer Tätigkeit zu einer Berufsgruppe gehöre, die von der Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI erfasst werde, welche gegenüber der Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI vorrangig sei.

Hiergegen erhob die Klägerin ebenfalls Widerspruch und führte zur Begründung aus, sie sei de facto abhängig beschäftigt und nicht selbständig; nur mit der VHS bestehe ein Vertrag, nur für diese werde eine Dozententätigkeit ausgeübt. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI greife deshalb nicht ein. Zudem sei § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI lex specialis zu § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2007 wies die Beklagte die erhobenen Widersprüche zurück. Die Klägerin sei aufgrund ihrer Tätigkeit als Dozentin seit dem 01.08.2002 gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI kraft Gesetzes versicherungspflichtig. Der Auffassung, wonach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI "lex specialis" gegenüber der vorgenannten Norm sei, könne nicht gefolgt werden.

Die gegen die Bescheide vom 19.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2007 (Az. S 13 R 1185/07) sowie den Bescheid vom 06.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2007 (Az. S 13 R 1200/07) jeweils gesondert erhobenen Klagen hat das Sozialgericht Freiburg (SG) mit Beschluss vom 09.05.2007 unter dem Aktenzeichen S 13 R 1185/07 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Zur Begründung der Klagen hat die Klägerin ausführen lassen, sie sei nicht "selbständig" im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGBVI. Dies ergebe sich "argumentum e contrario" aus der Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 9 b) SGB VI. Die Einbeziehung des in Rede stehenden Personenkreises [in die Rentenversicherung] sei verfassungswidrig; es handele sich um eine überholte und unzeitgemäße Zwangsmitgliedschaft, welche angesichts einer Abgabe in Höhe von 20 % des erwirtschafteten Gewinns existenzvernichtende Wirkung habe. Zudem bestehe eine Ungleichbehandlung (Art. 3 Grundgesetz – GG) zu den "sogenannten Scheinselbständigen", denn anders als für diese bestehe für die Klägerin keine Befreiungsmöglichkeit. Die Klägerin sei seit dem 01.01.2007 nur noch geringfügig tätig. Zur Begründung des auf Befreiung von der Versicherungspflicht ab dem 01.01.2003 gerichteten Klagebegehrens ließ die Klägerin ausführen, § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sei lex specialis zu § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI.

Die Beklagte hat die Klägerin mit der Klageerwiderung vom 13.03.2007 (Bl. 7 SG-Akte) aufgefordert, zur Feststellung einkommensgerechter Pflichtbeiträge den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 und eine gewissenhafte Schätzung des voraussichtlich in 2007 erzielten Gewinns vorzulegen.

Mit Bescheid vom 13.09.2007 hat die Beklagte von der Klägerin ab dem 01.01.2007 monatlich 163,22 Euro Pflichtbeiträge gefordert und ab dem 01.10.2007 monatlich 80,64 Euro. Zwischen den Beteiligten ist hierauf Streit entstanden ob, wie von der Beklagten in dem Bescheid angegeben, der Bescheid gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden war oder – wie von der Klägerin vertreten, die Widerspruch gegen den Bescheid erhoben hat – nicht.

Am 07.12.2007 hat die Klägerin im SG-Verfahren den Einkommensteuerbescheid 2006 (Bl. 37 SG-Akte) vorgelegt, wonach ihre Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Jahr 2006 4.682,00 Euro betragen haben. Am 19.12.2008 ist der Einkommensteuerbescheid 2007 (Bl. 100 SG-Akte) im SG-Verfahren zur Vorlage gekommen; das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit hat hiernach im Jahr 2007 2.880,00 Euro betragen.

Nachdem die Klägerin am 25.10.2007 einen Meldenachweis Sozialversicherung (Bl. 34 SG-Akte) und am 07.12.2007 die Kopie eines mit der VHS am 01.09.2007 geschlossenen Arbeitsvertrages (als System-Netzwerkadministratorin, vgl. Bl. 48 SG-Akte) vorgelegt hatte, hat die Beklagte mit Bescheid vom 03.01.2008 (Bl. 53 SG-Akte) das Ende der Pflichtversicherung der Klägerin gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1-2 SGB VI mit Ablauf des 31.08.2007 festgestellt. Sie hat ferner darauf hingewiesen, dass die Klägerin noch einen Betrag von 10.371,84 Euro schulde.

Den Bescheid vom 28.01.2008 (Bl. 62 SG-Akte) über Beiträge und Säumniszuschläge von insgesamt 13.897,34 Euro hat die Beklagte mit Bescheid vom 05.02.2008 (Bl. 65 SG-Akte) aufgehoben.

Nach Vorlage der Einkommensteuererklärung 2007 durch die Klägerin hat die Beklagte mit Bescheid vom 28.04.2009 (Bl. 109 VA) das Bestehen von Versicherungsfreiheit ab dem 1.1.2007 wegen Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung festgestellt.

Mit weiterem Bescheid vom 28.04.2009 (Bl. 110) hat die Beklagte den monatlich von der Klägerin ab dem 01.01.2006 zu leistenden Beitrag zur Rentenversicherung auf 78,00 Euro herabgesetzt und die Gesamt-Beitragsforderung für den Zeitraum vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2006 mit 8.116,56 Euro beziffert. Am 05.05.2009 (Bl. 117 SG-Akte) hat die Beklagte den Monatsbeitrag für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2006 wiederum – auf 78,52 Euro – abgeändert und die für den Zeitraum vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2006 bestehende Gesamtforderung gegen die Klägerin mit 8.122,80 Euro beziffert.

Schließlich hat die Beklagte mit Bescheid vom 03.06.2009 (Bl. 133 VA) das Bestehen von Versicherungsfreiheit der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2006 wegen Ausübung einer geringfügig selbständigen Tätigkeit festgestellt und die Bescheide vom 28.04.2009 und 05.05.2009 insoweit aufgehoben. Mit Beitragsrechnung vom 03.06.2009 (Bl. 137 VA) hat die Beklagte die von der Klägerin für den Zeitraum vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2005 geforderten Rentenbeiträge mit insgesamt 7.180,56 Euro beziffert.

Der Zweckverband Musikschule/Volkshochschule N. B. hat mit Schreiben vom 02.07.2008 (Bl. 82 SG-Akte) eine Aufstellung der die Klägerin betreffenden Kurse und Veranstaltungen sowie zwei im wesentlichen gleichlautende Honorarverträge, welche mit der Klägerin für das Wintersemester 2004 und das Sommersemester 2005 geschlossen worden waren, vorgelegt. Hiernach (Bl. 83/86 SG-Akte) werde die Ausübung einer selbständigen nebenberuflichen Tätigkeit vereinbart; ein Arbeitsverhältnis werde nicht begründet. Die Kursleiterin übe ihre Tätigkeit im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen und Ankündigungen im VHS-Programm auch in inhaltlicher und methodischer Hinsicht selbständig aus. Ein Honoraranspruch entstehe nur, wenn die Veranstaltung in der vereinbarten Weise durchgeführt werde und nur für die tatsächlich gehaltenen Unterrichtseinheiten, nicht bei Ausfall der Veranstaltung. Das gelte auch bei einer Verhinderung des Kursleiters, selbst wenn von diesem nicht zu vertreten, wie im Krankheitsfalle. Ein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde ebenso vertraglich ausgeschlossen wie ein Urlaubsanspruch. In der "Vereinbarung über geplante Veranstaltungen" vom 24.11.2004 wurde die Klägerin um Überprüfung der aufgeführten Termine gebeten, ferner der VHS Änderungswünsche umgehend mitzuteilen (Bl. 85 SG-Akte).

Mit Urteil vom 29.07.2009 hat das SG die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2005 aufgrund ihrer Tätigkeit als VHS-Dozentin gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung gewesen, weshalb die Beklagte mit Bescheid vom 19.10.2006 und den während des Klageverfahrens erlassenen Änderungsbescheiden, zuletzt vom 28.04.2009 und vom 03.06.2009, welche sämtlich gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden seien, zu Recht die Versicherungspflicht der Klägerin festgestellt und Beiträge gefordert habe. Dies folge neben dem Umstand, dass ersichtlich sowohl die Klägerin als auch die VHS von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen seien, u.a. daraus, dass nur für tatsächlich geleistete Unterrichtsstunden Honorar geleistet worden sei und eine Regelung über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ebenso fehle wie eine Vertretungsregelung für den Krankheitsfall oder eine Urlaubsvertretungsregelung. Die Klägerin sei, was aus der Versteuerung ihrer Einkünfte zu entnehmen sei, selbst von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen. Auch im Termin zur mündlichen Verhandlung habe sie sich in diesem Sinne eingelassen. Der Umstand, dass die Klägerin nur für einen Auftraggeber tätig gewesen sei, stelle kein Kriterium für eine abhängige Beschäftigung dar, was bereits aus § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI folge. Die Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gehe im Übrigen derjenigen aus § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI vor. Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit der Beschäftigung habe im noch streitigen Zeitraum vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2005 nicht bestanden. Die Höhe der geforderten Beiträge sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1a SGB VI sei von der Beklagten zu Recht abgelehnt worden. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI greife im vorliegenden Fall gerade nicht ein, sondern alleine § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Eine Befreiungsmöglichkeit bestehe insoweit nicht und sei auch nicht grundgesetzlich geboten, weil die betroffenen Personenkreise nicht vergleichbar seien.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 27.10.2009 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil legte die Klägerin am 16.11.2009 Berufung ein. Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, § 2 Satz 1 Nr. 9 sei lex specialis zu § 2 Satz 1 Nr. 1. Die Versicherungspflicht von Lehrern und Lehrkräften sei antiquiert und überholt, wie auch die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Sie verstoße gegen Verfassungsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG - Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, sowie Art. 3 GG). Sie zwinge die Betroffenen, von ihrem Einkommen 20 % an die Rentenversicherung abzugeben, ohne dass diese dafür einen "adäquaten Rentenanspruch" erlangen würden. Man nehme den Menschen teure Beiträge ab und biete keine Gegenleistung mehr dafür. Bei einer "Privatinvestition" in eine Rentenversicherung komme ein ganz anderer Betrag heraus. Der ins Feld geführte Absicherungsgedanke verfange nicht. Zudem sei die Klägerin nicht selbständig, sondern – da sie nur einen Auftraggeber habe – scheinselbständig, was im Gegenschluss das Vorliegen von Selbständigkeit gerade ausschließe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Juli 2009 sowie den Bescheid vom 19. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2007 und in der Fassung der Änderungsbescheide vom 28. April 2009 und vom 03. Juni 2009 aufzuheben, hilfsweise

den Bescheid vom 06. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin im Zeitraum vom 01. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2006 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, hilfsweise

wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die SG-Akten und die Senatsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG) sowie statthafte (§143 SGG) Berufung ist – soweit sie nicht ohnehin von vornherein ins Leere geht – zulässig, aber nicht begründet.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren auch für den Zeitraum vom 01.01.2006 bis zum 31.12.2006 die Aufhebung der angefochtenen Bescheide, soweit damit eine Versicherungspflicht für diesen Zeitraum festgestellt wird und Versicherungsbeiträge gefordert worden sind, beantragt hat, geht die Berufung bereits deshalb ins Leere, weil die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 03.06.2009 für das Jahr 2006 eine Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit der ausgeübten Tätigkeit festgestellt und die vorangegangenen Bescheide – auch soweit damit für das Jahr 2006 Beiträge gefordert worden sind – aufgehoben hat.

Die Berufung ist im Übrigen nicht begründet.

Der Senat schließt sich den Gründen des Urteils des SG vom 29.07.2009 nach eigener Prüfung in vollem Umfang an und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer erneuten Darstellung gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab.

Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren Folgendes auszuführen: Das SG hat in seinem Urteil vom 29.07.2009 unter zutreffender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles dargelegt, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit als EDV-Dozentin nicht abhängig beschäftigt, sondern ausgehend von den ihrer Tätigkeit zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen mit dem Zweckverband Musikschule/Volkshochschule Nördlicher Breisgau und deren tatsächlicher Umsetzung im Zeitraum vom 01.08.2002 bis zum 31.08.2007 selbständige Lehrerin im Sinne des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gewesen ist. Zutreffend hat das SG unter umfänglicher Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in seiner rechtlichen Würdigung des Sachverhalts darauf abgestellt, dass sowohl die Klägerin – was etwa aus der Versteuerung ihres Einkommens als Einkommen aus selbständiger Tätigkeit sowie den Angaben der Klägerin im Termin vom 29.07.2009 folgt – als auch die VHS von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen sind, und hierbei als Indizien herangezogen, dass nur für tatsächlich geleistete Unterrichtsstunden Honorar geschuldet gewesen ist, ferner Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vertraglich ebenso ausgeschlossen gewesen ist wie ein Anspruch auf Erholungsurlaub. Des weiteren sind eine Vertretungsregelung für den Krankheitsfall oder eine Urlaubsvertretungsregelung nicht vorgesehen gewesen.

Die Berufung auf den Umstand, dass die Klägerin nur für einen Auftraggeber tätig gewesen ist, ist demgegenüber nicht geeignet, eine abhängige Beschäftigung im Sinne einer sog. "Scheinselbständigkeit" zu begründen. Der vom Bevollmächtigten der Klägerin im Rahmen der von ihm geführten "argumentum e contrario"-Argumentation in Bezug genommene und vom Gesetzgeber zum 01.01.1999 geschaffene § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI regelt gerade nicht die Versicherungspflicht von Personen, die sich selbst als Selbständige gerieren, nach der tatsächlichen Ausgestaltung ihrer Erwerbstätigkeit aber als Beschäftigte anzusehen sind (sog. Scheinselbständige), sondern von sogenannten "arbeitnehmerähnlichen Selbständigen" (vgl. BSG-Urteil vom 23.11.2005, Az. B 12 RA 5/03 R, zitiert nach (juris), dort Rn. 15). Dabei handelt es sich nicht um "Scheinselbständige", sondern um tatsächlich selbständig tätige Personen, die bestimmte typische Tätigkeitsmerkmale erfüllen (nur für einen Auftraggeber tätig; keine Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers). Dies folgt klar aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 14/45, Seite 20). Hiernach werden "Scheinselbständige" als Beschäftigte weiterhin von § 1 SGB VI erfasst. Daraus ist abzuleiten, dass der vom Bevollmächtigten der Klägerin aus § 2 Satz 1 Nr. 9 abgeleitete Umkehrschluss, dass es sich bei einem Tätigwerden für nur einen Auftraggeber nicht um eine selbständige Tätigkeit handelt, fehlgeht. Vielmehr hat der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 2 Satz 1 Nr. 9 gerade klargestellt, dass Tätigwerden für nur einen Auftraggeber einer Einordnung einer Tätigkeit als selbständige Tätigkeit nicht entgegen steht.

Auch ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht besteht entgegen dem mit dem Hilfsantrag zum Ausdruck gebrachten Klagebegehren nicht, weshalb auch insoweit die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben kann. § 6 Abs. 1a SGB VI ist von vornherein nicht anwendbar bei Eingreifen – wie vorliegend – des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, selbst wenn gleichzeitig die Voraussetzungen von § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI erfüllt werden. Das Bundessozialgericht hat in mehreren Entscheidungen (a.a.O. Rn. 16 sowie Urteil vom 23.11.2005, Az. B 12 RA 9/04 R, zitiert nach (juris), dort Rn. 15 f.) ausgeführt, dass und aus welchen Gründen § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI gerade nicht "lex specialis" zu § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist, sondern eine Zugehörigkeit zur in § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI definierten Personengruppe die Anwendbarkeit von § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI gerade ausschließt, weshalb auch die von der Klägerin mit den Hilfsantrag herangezogene Befreiungsregelung des § 6 Abs. 1a SGB VI keine Anwendung findet, denn diese ist ausdrücklich den ausschließlich nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI Versicherten vorbehalten.

Nur ergänzend ist auszuführen, dass § 6 Abs. 1a SGB VI vorliegend aufgrund des Antrages vom 31.10.2006 (Bl. 16/17 VA) selbst dann nicht einen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht begründen würde, wollte man ihn – entgegen der vom Senat vertretenen Auffassung – im vorliegenden Fall dem Grunde nach für anwendbar halten. Gemäß der Regelung werden Personen, die nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI versicherungspflichtig sind, für einen Zeitraum von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit, die die Merkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI erfüllt (Satz 1 Nr. 1 des § 6 Abs. 1a SGB VI; die Nr. 2 ist von vornherein angesichts des Lebensalters der Klägerin im streitigen Zeitraum nicht einschlägig), von der Versicherungspflicht befreit. Gemäß § 6 Abs. 4 SGB VI wirkt die Befreiung vom Vorliegen ihrer Voraussetzungen an, wenn sie innerhalb von 3 Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrages an. Ausgehend davon, dass die Klägerin ihre selbständige Tätigkeit im August 2002 aufgenommen und seit dem 1.1.2003 in mehr als geringfügigem Umfang wahrgenommen hat, konnte sie mit dem am 31.10.2006 gestellten Antrag keine rückwirkende Befreiung mehr erreichen, da der 3-Jahres-Zeitraum bei Antragstellung bereits abgelaufen war.

Schließlich teilt der Senat die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin nicht. Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 23.11.2005 (a.a.O., dort Rn. 11 und 16) deutlich gemacht, dass gegen die Einbeziehung von selbständigen Lehrern und den Umstand, dass sie sich nicht auf die Befreiungsregelung des § 6 Abs. 1a SGB VI berufen können, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Der erkennende Senat macht sich diese Auffassung vorliegend zueigen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 26.06.2007 (Az. 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03, zitiert nach (juris)) ebenfalls ausführlich dargelegt, dass die Zwangsmitgliedschaft von Lehrern in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI weder gegen Artikel 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstößt (a.a.O. Rn. 25) noch die Regelung den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG überhaupt berührt (a.a.O. Rn. 27), denn es fehlt bei § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bereits an einer objektiv berufsregelnden Tendenz der Vorschrift. Schließlich hat es auch keine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG zu erkennen vermocht, denn der Gesetzgeber hat mit der Schaffung der Regelung einen legitimen Zweck verfolgt, nämlich den Schutz der Betroffenen und den Schutz der Allgemeinheit, indem das Risiko von Sozialhilfebedürftigkeit im Alter verringert wird (a.a.O. Rn. 28 ff.). Der dort geführten Argumentation schließt sich der Senat vollumfänglich an. Aufgrund der wenig substantiierten Darlegungen des Bevollmächtigten der Klägerin insoweit - die Heranziehung eines nicht näher nachprüfbaren Beispielsfalles ersetzt nicht die konkrete Argumentation am vorliegenden Fall - vermag er das behauptete Missverhältnis zwischen Beiträgen und erworbenen Leistungsansprüchen nicht nachzuvollziehen.

Die Einbeziehung selbständiger Lehrer in die gesetzliche Rentenversicherung durch § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen - nicht versicherungspflichtigen - Selbständigen liegt nicht vor, denn von diesen unterscheiden sich Lehrer bei typisierender Betrachtungsweise dadurch, dass sie ihren Lebensunterhalt primär durch Verwertung der eigenen Arbeitskraft erzielen (a.a.O. Rn. 31-33), was sie besonders schutzbedürftig erscheinen lässt. Auch der Umstand, dass Lehrer - anders als gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI in die gesetzliche Rentenversicherung als Pflichtversicherte einbezogene "arbeitnehmerähnliche Selbständige" nicht die Möglichkeit haben, sich gemäß § 6 Abs. 1a SGB VI in den ersten drei Jahren der Ausübung der selbständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht befreien zu lassen (s.o.), stellt keine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar. So unterscheiden sich § 2 Satz 1 Nr. 1 und § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI bereits dadurch, dass mit der letztgenannten Regelung Selbständige allein aufgrund typisierender Tätigkeitsmerkmale (auf Dauer und im wesentlichen nur ein Auftraggeber, keine Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers) in eine Versicherungspflicht einbezogen werden, und die Regelung nicht auf eine bestimmte Berufsgruppe beschränkt ist, was den Gesetzgeber bewogen hat, gleichsam als Korrektiv des sehr breiten Anwendungsbereiches flankierend die Befreiungsmöglichkeit gemäß § 6 Abs. 1a SGB VI zu schaffen. Daraus erwächst gleichwohl keine Verpflichtung, den Befreiungstatbestand auf die übrigen in die Versicherungspflicht durch Zwangsmitgliedschaft einbezogenen Selbständigen auszuweiten, deren Einbeziehung gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 8 SGB VI auf klar definierte Berufsgruppen beschränkt ist; vielmehr bewegt sich der Gesetzgeber bei der Beschränkung des Befreiungstatbestandes des § 6 Abs. 1a SGB VI auf die gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI in die Rentenversicherung einbezogenen Selbständigen innerhalb seines ihm zustehenden Gestaltungsspielraumes (Urteil des BSG vom 23.11.2005, a.a.O., Rn. 16).

Die Berufung war hiernach vollumfänglich zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtssache nicht, nachdem die zugrundeliegenden Rechtsfragen bereits höchstrichterlich durch das Bundessozialgericht und Bundesverfassungsgericht entschieden worden sind. Auch weicht der Senat nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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