Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 1771/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1306/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen des Klägers gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Freiburg vom 10. April 2007 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch in den Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung der Erkrankungen des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV; Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) sowie nach Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV (durch allergisierende Stoffe bzw. chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können).
Der Kläger ist 1951 geboren und seit 1986 mit einem Malergeschäft (Autolackiererei) als selbständiger Unternehmer Mitglied der Beklagten. Seit Mai 2001 ist der Kläger nicht mehr in der Werkstatt tätig. Mit ärztlicher Anzeige über eine Berufskrankheit vom 5. April 2001 teilte Dr. B., Nervenarzt, mit, der Kläger leide unter Vergesslichkeit, Aggressivität, Sehstörungen und Schwindelanfällen. Als Diagnose teilte er Neuropathie, deutliche Wesensänderung in Form von häufiger Depressivität oder Aggressivität sowie zunehmende chemische Überempfindlichkeit mit. In Anlage beigefügt war der Bericht über die Spect-Untersuchung des Dr. H., Arzt für Radiologie, vom 3. August 2000 (partielle Perfusionsminderungen) sowie der Bericht über die testpsychologische Untersuchung des Dipl.-Psych. Klein vom 23. November 2000 (Hirnleistungsstörung nicht feststellbar).
Die Beklagte leitete daraufhin das Feststellungsverfahren ein, zog u.a. Vorerkrankungsverzeichnisse bei und ließ sich vom Kläger eine Arbeits- und Krankheitsanamnese erstellen. Darin gab er an, seit 1994 unter zunehmenden Atembeschwerden und Husten zu leiden. Die Beklagte forderte von der behandelnden Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. F. ärztliche Unterlagen an, ebenso von den Dres. H. und B., die zahlreiche Arztbriefe in Anlage übersandten, u.a. den Bericht des Fachkrankenhauses für Erkrankungen der Atemwege S. B. vom 27. Juli 2001 (Bronchiolitis obliterans organisierendes Pneumoniesyndrom) und des Neurologen und Psychiaters Dr. A. vom 25. April 1995 (Überlastungssyndrom; Ausschluss toxischer Hirnatrophie). Der Lungenarzt Dr. K. teilte unter dem 22. August 2001 u.a. mit, er sehe keine berufliche Ursache der Erkrankung. Zahlreiche Arztbriefe waren ebenfalls in Anlage beigefügt.
Der Technische Aufsichtsbeamte führte hinsichtlich der BK Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV am 16. Juni 1999 Messungen in der Autolackiererei des Klägers durch und erhob weitere Angaben durch ein Gespräch mit dem Kläger selbst. In seinem Bericht teilte der Technische Aufsichtsbeamte mit, dass bei der Spritzlackierung der Grenzwert eingehalten worden sei. Beigefügt waren die Sicherheitsdatenblätter der verwendeten Materialien.
Im Auftrag der Beklagten erstellten Prof. Dr. S./Dr. M., U.klinikum T., Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, unter dem 11. Juli 2002 ein arbeitsmedizinisches Gutachten, in dem zur Frage des Vorliegens einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV wie auch zu der BK nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV Stellung genommen wurde. Diese führten aus, der Kläger leide unter einer chronischen Bronchitis, ein erhöhter Atemwegswiderstand sei nicht festzustellen. In der Spirometrie seien die altersentsprechenden Normwerte vom Kläger nahezu durchgehend übertroffen worden. Eine restriktive oder obstruktive Ventilationsstörung habe nicht nachgewiesen werden können. Die Bronchitis sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf berufliche Einflüsse zurückzuführen. Was die BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV betreffe, lägen Anhaltspunkte für ein derartiges Krankheitsbild nicht vor. Hinsichtlich einer toxischen Enzephalopathie seien zwar nach den anamnestischen Angaben des Klägers Konzentrationsstörungen und Merkschwäche vorhanden, testpsychologisch hätten sich diese allerdings nicht feststellen lassen. Soweit der Kläger vermehrte Reizbarkeit und Verstimmtheit angeführt habe, wäre als Ursache eine chronische Lösungsmittelexposition denkbar. Allerdings erscheine nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Kläger und auch nach den nervenärztlichen Vorbefunden (erste Behandlung wegen Depression bereits 1993) eher ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom im Sinne einer Überlastungsreaktion vorzuliegen. Nach Beteiligung des staatlichen Gewerbearztes (Stellungnahme vom 23. August 2002; BK Nr. 1317 wurde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Oktober 2002 die Anerkennung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV ab. Der ursächliche Zusammenhang zwischen den angeschuldigten krankhaften Veränderungen und der beruflichen Tätigkeit sei nicht wahrscheinlich. Vielmehr seien die Beschwerden schicksalshaft und anlagebedingt entstanden, resultierend aus einer chronischen Überlastungsreaktion in Form eines psychovegetativen Erschöpfungszustands. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2003 zurück. Es sei schon keine Polyneuropathie nachgewiesen. Auch eine Enzephalopathie sei nur denkbar, nicht aber im Vollbeweis gesichert. Doch auch dann, wenn eine solche unterstellt würde, wäre der ursächliche Zusammenhang zwischen dieser und der beruflichen Tätigkeit nicht wahrscheinlich.
Mit weiterem Bescheid vom 24. Oktober 2002 lehnte die Beklagte auch die Anerkennung der Atemwegserkrankung als Berufskrankheit ab. Eine nach Nr. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKV notwendige obstruktive Atemwegserkrankung oder eine dauerhafte bronchiale Hyperreagibilität würden nicht vorliegen. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 19. Mai 2003 zurückgewiesen.
In beiden Verfahren hat der Kläger am 20. Juni 2003 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.
Das SG hat im Verfahren S 9 U 1771/03 (BK 1317) den behandelnden Arzt des Klägers schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt (Dr. S., Neurologe und Psychiater, Auskunft vom 5. September 2003) und PD Dr. Sch., Arzt für Neurologie, U.klinikum F., Neurogeriatrie und Memory-Ambulanz, mit der Erstellung eines neurologisch-neuropsychologischen Fachgutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 27. Januar 2004 hat dieser ausgeführt, beim Kläger liege ein depressives Syndrom, eine Minderung des geistigen Leistungsvermögens sowie eine diskrete Polyneuropathie vor. Als einziges Zeichen einer Polyneuropathie sei eine Minderung des Vibrationsempfindens an den Großzehen zu werten, während ein für eine private Versicherung erstelltes Gutachten von Dr. K. vom November 2002 ein solches nicht beschrieben habe. Jedenfalls liege eine strumpf- oder handschuhförmige Sensibilitätsstörung, wie von Dr. B. beschrieben, nicht vor. Krankheitswertig oder relevant sei diese Sensibilitätsminderung allerdings nicht. Auch wenn die Befunde nicht ganz konsistent seien, sei eine geringfügige Neuropathie naheliegend. Denkbar sei auch, dass vor Jahren eine stärker ausgeprägte Polyneuropathie bestanden, diese sich jedoch nach Expositionsende zurückgebildet habe. Für das Bestehen einer Enzephalopathie lägen keine Nachweise vor. Allerdings widerlegten technische Untersuchungsbefunde das Vorliegen einer leicht- bis mittelgradigen Enzephalopathie nicht. Zusammenfassend kam er zum Schluss, es seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine leichte oder leicht- bis mittelgradige lösungsmittelinduzierte Enzephalopathie und zusätzlich psychosoziale/psychisch-reaktive Faktoren an der Ausbildung des Krankheitsbildes mit depressiver Störung und geistiger Leistungsstörung beteiligt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) belaufe sich auf mindestens 20 bis 30 v.H. Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom 6. April 2004 vorgelegt, der sich der Beurteilung der Gutachter nicht angeschlossen hat.
Das SG hat daraufhin Dr. B., Facharzt für Allgemeinmedizin, mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragt. Dieser hat zunächst um eine Berechnung der Arbeitsbelastung anhand von ihm in Zusammenarbeit mit dem Kläger nacherhobenen Verbrauchsmengen gebeten, die der TAD unter dem 24. März 2006 vorgelegt hat. In seinem Gutachten vom 11. September 2006 hat Dr. B. dann zusammenfassend ausgeführt, in der neuropsychologischen Untersuchung hätten sich Hinweise auf eine mittelschwere Depression ergeben. Die kognitive Leistungsfähigkeit habe sich weitgehend unbeeinträchtigt gezeigt, vergleichbar den Ergebnissen aus den Voruntersuchungen. Die vom Kläger berichtete Beobachtung, wonach seine Merkfähigkeit und sein Konzentrationsvermögen stark situationsabhängig variiere, spreche zudem für einen Zusammenhang mit der jeweiligen psychischen Verfassung und gegen eine hirnorganische Verursachung. Die Ätiologie der beim Kläger bestehenden affektiven Störung könne nicht sicher geklärt werden. Sie sei zwar mit dem Bild einer lösungsmittelinduzierten Enzephalopathie vereinbar, es könne aber nicht geklärt werden, in welchem Ausmaß organische und nicht-organische Faktoren alleine und/oder in Interaktion das Zustandsbild des Klägers bestimmten. Es lägen aufgrund der langjährigen Tätigkeit als Autolackierer sowohl organisch-toxische Risiken als auch psycho-reaktive Faktoren vor. Gegen eine berufliche Verursachung spreche jedoch, dass sich leichte toxische Enzephalopathien regelmäßig nach Expositionsende zurückbildeten, die von ihm geklagten Einschränkungen stark situationsabhängig schwankten, eine organisch bedingte Hirnleistungsstörung nicht objektivierbar gewesen sei und sowohl Kernspintomographie als auch EEG des Gehirns ohne pathologischen Befund gewesen seien. Daher sei die Diagnose einer Enzephalopathie nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Die subjektiven Einschränkungen seien am ehesten als Folge der chronifizierten leichten bis mittelschweren depressiven Störung zu bewerten. Aktenkundig ist des Weiteren das neuropsychologische Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. Dr. P. S., Universität M., vom 2. August 2006.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. April 2007 hat das SG die Klage hinsichtlich der BK 1317 abgewiesen, da weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen der in Frage stehenden BK nachgewiesen seien. Das SG hat sich bei seiner Beurteilung auf das Gutachten des Dr. B. gestützt.
Im Verfahren S 9 U 1772/03 betreffen die BKen 4301/4302 hat das SG auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das pneumologische Gutachten des Dr. D. eingeholt. In seinem Gutachten vom 16. Juli 2004 hat er als Diagnosen eine bronchiale Hyperreagibilität, chronische Bronchitis mit ausgeprägter Plattenepithelmetaplasie, einen Zustand nach Bronchitis obliterans mit organisierender Pneumonie sowie Adipositas mitgeteilt. Es handle sich nicht um Erkrankungen nach der BK Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV; es sei problematisch, ob es sich um eine BK nach Nr. 4302 der Anlage 1 der BKV handle. Beim Kläger habe bei den Lungenfunktionsmessungen sowohl in Ruhe als auch unter Belastung keine obstruktive Ventilationsstörung objektiviert werden können. Bei zwei inhalativen Testungen sei eine bronchiale Hyperreagibilität attestiert worden. Es sei bei einem zu beobachtenden Chronifizierungsprozess mit chronischer Bronchitis mit bronchialer Hyperreagibiltiät davon auszugehen, dass die Ursache in der langjährigen inhalativen Exposition bei der beruflichen Tätigkeit liege. Auch die als weitere Komplikation mitgeteilte Bronchiolitis obliterans sei durch die chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffe ausgelöst, denen der Kläger ausgesetzt gewesen sei. Es liege also im weiteren Sinne eine Erkrankung im Sinne der BK nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV vor. Die MdE belaufe sich von 1990 bis 2000 auf 30 v.H., danach auf 40 v.H., da 2001 die Beschwerden deutlich zugenommen hätten.
Das SG hat daraufhin ein Gutachten von Amts wegen bei Prof. Dr. M.-Q., Ärztlicher Direktor der R.-K. Klinik F. mit histologischem Zusatzgutachten in Auftrag gegeben. In seinem Gutachten vom 16. Juni 2005 ist dieser mit Dr. Sch. zusammenfassend zum Schluss gekommen, man könne zwar aufgrund der Aktenlage sowie der Schilderungen des Klägers eine chemische Irritation der Bronchialschleimhaut mit unproduktiver Hustensymptomatik und 2malig nachgewiesener Hyperreagibilität nicht sicherlich ausschließen. Zu keinem Zeitpunkt sei es jedoch zu einer obstruktiven Ventilationsstörung gekommen. Auch könne aufgrund des diesjährigen histologischen Gutachtens der transbronchialen Biopsien das zuvor diagnostizierte BOOP-Syndrom (Bronchitis obliterans organisierende Pneumonie) nicht nachgewiesen werden, so dass die Schlussfolgerungen im Gutachten von Dr. D. vom 16. Juli 2004, wonach die chronische Bronchitis in eine BOOP gemündet sei, nicht zutreffend sei. Es liege keine Atemwegserkrankung im Sinne der BK nach Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. April 2007 hat das SG die Klage abgewiesen, gestützt im Wesentlichen auf das Gutachten Prof. Dr. M.-Q./Dr. Sch ...
Gegen die dem Bevollmächtigten am 16. April 2007 in beiden Verfahren zugestellten Gerichtsbescheide hat dieser am 11. Mai 2007 Berufungen eingelegt (Az.: L 1 U 2415/07 - BK 1317; Az.: L 1 U 2416/07 - BK 4301/4302). Zur Begründung wird ausgeführt, dass auch depressive Störungen zum Krankheitsbild einer Enzephalopathie des in Frage kommenden Schweregrads II a/b dazugehörten. Das habe das SG übersehen. Es sei auch ohne eigene medizinische Kenntnisse der Kausalitätsbeurteilung durch PD Dr. Sch. nicht gefolgt. Ein weiteres Gutachten hätte eingeholt werden müssen. Hinsichtlich der BK nach Nrn. 4301/4302 hätte das Gericht ebenfalls weiter ermitteln müssen, da zur Frage des Vorliegens einer Obstruktion verschiedene gutachterliche Bewertungen vorgelegen hätten.
Mit Beschluss vom 31. Oktober 2007 sind die Verfahren L 1 U 2415/07 und L 1 U 2416/07 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen L 1 U 2415/07 verbunden worden.
Mit Beschluss vom 8. April 2008 hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet, weil der vom Kläger nach § 109 SGG benannte Prof. Dr. K. angekündigt hatte, nicht vor August 2008 mit der Begutachtung beginnen zu können.
Am 2. November 2009 hat Prof. Dr. K. dem Gericht das Gutachten übersandt und darin ausgeführt, dass bei dem Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit nach seiner Analyse arbeitsmedizinisch relevante Expositionen bestanden hätten. Im psychiatrischen Zusatzgutachten vom 4. Oktober 2009 habe Dr. J. eine Belastungsreaktion mit depressiven und aggressiven Anteilen sowie eine toxische Enzephalopathie Grad IIa mit kognitiver Störung mitgeteilt. Die haftungsbegründenden Voraussetzungen im Rahmen der BK Nr. 1317 seien mit hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt. Aus der Eigen- und Fremdanamnese der Ehefrau ergebe sich eine frühkindliche Entwicklung, die zu einer Vulnerabilität des Klägers geführt habe, die in Zusammenhang mit Stressfaktoren (hier: Lösemittel) zu Belastungsreaktionen mit depressiven und aggressiven Anteilen kulminiert sei und zu einer Enzephalophathie Typ IIa. Von 1995 bis 2002 belaufe sich die MdE auf 20 v.H., danach auf 30 v.H.
Im Gutachten des Dr. J. ist unter "Zusammenfassung" ausgeführt, dass sich angesichts der qualitativ gesicherten Exposition mit Lösungsmitteln mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Enzephalopathie entwickelt habe. Diese sei mit den glaubhaft geschilderten Beschwerden (Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen, Müdigkeit und Antriebsstörung, Neigung zu Aggressivität und Reizbarkeit) und mit den seit 2003 psychometrisch valide festgestellten kognitiven Leistungseinschränkungen begründet. Die reaktiv-depressive Komponente im Sinne einer Belastungsreaktion stehe dazu nicht im Widerspruch, sondern ergänze die Diagnose. Für eine Polyneuropathie habe sich kein Anhalt gefunden. Aktenkundig ist des Weiteren das neuropsychologische Zusatzgutachten zum neuropsychiatrischen Zusatzgutachten der Dipl.Psych. Jvom 30. Mai 2009.
Die Beklagte hat unter dem 29. November 2010 die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. St. vom 6. Oktober 2010 vorgelegt, der sich den Gutachten nicht angeschlossen hat.
Mit Schriftsatz vom 16. März 2011 hat der Bevollmächtigte des Klägers das ruhende Verfahren beim Landessozialgericht wieder angerufen (Az: L 1 U 1306/11) und u.a. ausgeführt, die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. St. hätte nur mit Zustimmung des Klägers eingeholt werden dürfen. Da dies nicht erfolgt sei, sei sie aus den Akten zu entfernen. Dem ist die Beklagte entgegen getreten.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt, sinngemäß gefasst,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. April 2007 im Verfahren S 9 1771/03, den Bescheid vom 24. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2003 hinsichtlich der BK Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. April 2007 im Verfahren S 9 U 1772/03 und den Bescheid vom 24. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2003 hinsichtlich der BK Nr. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKV aufzuheben, das Bestehen einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV sowie nach Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen,
und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen sowie die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. St ...
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten in beiden Rechtszügen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthaften und auch im Übrigen zulässigen Berufungen, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), sind unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Anerkennung der Erkrankungen des Klägers als BKen nach den Nr. 1317, 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV abgelehnt. Deshalb steht dem Kläger auch keine Verletztenrente zu.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 2. April 2009 (B 2 U 9/08 R = SGb 2009, 355) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK) im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils RdNr. 15; BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 13 ff).
Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 4. Dezember 2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der genannten Entscheidung betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Nach Maßgabe dieser für das BK-Recht modifizierten Terminologie des BSG ist im Fall des Klägers keine Berufskrankheit festzustellen.
Nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV können als BK anerkannt werden Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische. Als BK nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV kommen in Betracht durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die Anerkennung dieser Berufskrankheiten kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil weder eine Polyneuropathie, eine Enzephalopathie noch eine obstruktive Atemwegserkrankung im Vollbeweis nachgewiesen sind. Dabei stützt sich der Senat auf die Beurteilungen von Prof. Dr. S./Dr. M. und Dr. B. bzw. Prof. Dr. M.-Q ...
Prof. Dr. S./Dr. M. und Dr. B. haben in ihren Gutachten überzeugend und schlüssig dargelegt, dass eine Polyneuropathie nicht vorliegt. Auch PD Dr. Sch. konnte als einziges mögliches Zeichen für eine Polyneuropathie eine Minderung des Vibrationsempfindens in der Großzehe mitteilen, die jedoch von Dr. K. in seinem Gutachten für eine private Versicherung wiederum nicht beschrieben worden ist. Die von Dr. B. in seinem Arztbrief mitgeteilte strumpf- bzw. handschuhförmige Polyneuropathie ist daher von keinem mit dem Gesundheitszustand des Klägers befassten Arzt bestätigt worden, so dass von einem Nachweis dieser Erkrankung nicht auszugehen ist. Dem entsprechend hat der Kläger auch im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen nicht über Beschwerden geklagt, die unter eine Polyneuropathie gefasst werden könnten. Damit stimmt überein die Feststellung von Dr. J., wonach eine krankhafte Veränderung im Sinne einer manifesten Polyneuropathie nicht besteht.
Auch eine Enzephalopathie ist nicht festzustellen. Wie insbesondere Dr. B. in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt hat, ist zwar das Beschwerdebild des Klägers (Depressivität, allgemeine Antriebsminderung, Müdigkeit, emotionale Labilität und Reizbarkeit) durchaus mit dem Bild einer leichten lösungsmittelbedingten Enzephalopathie vereinbar. Bei einer toxischen Enzephalopathie leichten bis mittleren Grades sind nämlich an neuropsychologischen Störungen kognitive Defizite in Gestalt eines eingeschränkten Kurzzeitgedächtnisses bzw. Merkfähigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten bzw. Aufmerksamkeitsdefizite und Verlangsamung der psychomotorischen Geschwindigkeit zu erwarten, daneben nicht-kognitive Veränderungen wie Persönlichkeitsveränderungen, erhöhte Reizbarkeit, Antriebsarmut und erhöhte Ermüdbarkeit, affektive Labilität und Depressivität. Allerdings waren im Rahmen aller durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen kognitive Defizite, die auf eine organisch bedingte Hirnleistungsschwäche hindeuten könnten, nicht festzustellen. Das Kurzzeitgedächtnis des Klägers funktionierte ohne Einschränkungen, auch das Lernvermögen und die Merkfähigkeit wurden unvermindert demonstriert. Auch eine generelle Verlangsamung war nicht festzustellen, ebenso wenig eine signifikante Einschränkung der intellektuellen Fähigkeiten. Vielmehr sind die geringfügigen Beeinträchtigungen in der Exekutivfunktion und der Aufmerksamkeitsintensität, wie auch PD Dr. S./Dr. M. ausgeführt haben, Ausdruck der depressiven Erkrankung und als affektive Störung zu bezeichnen oder, wie Dr. J. in seinem Gutachten ausführte, als Belastungsreaktion mit depressiven und aggressiven Anteilen. Eine Unterscheidung danach, welche Anteile der affektiven Störung bzw. Belastungsreaktion wesentlich auf möglichen organisch-toxischen Einflüssen beruhen bzw. als psycho-reaktive Faktoren zu bewerten sind, ist nicht möglich. Denn typische kognitive Symptome einer lösungsmittelbedingten Enzephalopathie, die eine derartige Differenzierung erlauben würden, zeigen sich gerade nicht.
Der Darstellung von Prof. Dr. K./Dr. J., wonach eine Enzephalopathie Grad IIA vorliegen würde, war schon deshalb nicht zu folgen, weil eine solche Erkrankung neben ausgeprägten Persönlichkeitsveränderungen, Konzentrationsschwäche, Stimmungsschwankungen und Affektlabilität jedenfalls auch den Nachweis testpsychologischer Leistungsminderung erfordert. Auch wenn eine solche angeblich seit 2002 vorliegend von Dipl.Psych. J. behauptet wird, ist sie gerade, wie nicht zuletzt das Gutachten von Dr. B. gezeigt hat, nicht nachgewiesen, für die Feststellung einer toxischen Enzephalopathie aber auch deshalb unverzichtbar, weil sie eine Differenzierung zwischen den nur subjektiv vom Betroffenen zu beschreibenden nicht-kognitiven Einschränkungen und den Einschränkungen erlaubt, die auf einer hirnorganischen Veränderung beruhen. Die Schlüsse von Dr. J., wonach erstmals 2006, also nicht wie von Prof. Dr. K. dargestellt schon 2002, von Dr. Dipl.Psych. S. "eine geringfügige Beeinträchtigung der Aufmerksamkeitsintensität und eine geringfügige Beeinträchtigung bei Aufgabenstellungen, die hohe kognitive Flexibilität erfordern" festgestellt worden und daher von einer Beeinträchtigung kognitiver Faktoren auszugehen sei, überzeugt nicht. Denn diese geringfügigen Beeinträchtigungen können in ihrer Ausprägung ebenso Ausdruck der psychischen Grunderkrankung sein und belegen gerade nicht tatsächlich bestehende hirnorganische Beeinträchtigungen. Soweit 2009 unter hoher Anstrengungsbereitschaft kognitive Leistungsdefizite bei komplexen Anforderungen unter Zeitdruck konstatiert werden, gilt entsprechendes. Im Übrigen hat Dr. J., wie auf S. 26 seines Zusatzgutachtens ausgeführt ist, die Grundsätze des Berufskrankheitenrechts im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung verkannt. Denn er führt aus, dass es dann, wenn die toxische Exposition gesichert sei, für die Anerkennung der BK 1317 der Anlage 1 zur BKV letztlich unerheblich sei, ob ein Teil der Beschwerden auch durch eine depressive Verhaltensstörung anderer, nicht toxischer Genese mit verursacht worden sei. Zum einen ist bereits, worauf schon hingewiesen worden ist, nicht im Vollbeweis gesichert, dass überhaupt eine Enzephalopathie vorliegt. Zum anderen kann dann, wenn eine solche hätte festgestellt werden können, die Frage der Ursächlichkeit der beruflichen Einwirkungen für dieses Krankheitsbild bei einer sicher feststehenden Konkurrenzursache gerade nicht offen bleiben, sondern es müsste nach der im Berufskrankheitenverfahren erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die berufliche Einwirkung wesentlich ursächlich für die festgestellte Erkrankung ist. Deshalb ist es auch widersprüchlich, wenn Dr. J. einerseits eine beruflich bedingte Enzephalopathie behauptet, andererseits (S. 28 unten seines Zusatzgutachtens) ausführt: "nach den Ergebnissen der neuropsychologischen Befunde ist es darüber hinaus begründet, den Grad 2 A der toxischen Enzephalopathie anzuerkennen. Die vulnerable Primärpersönlichkeit mit Neigung zu Belastungsreaktionen mit depressiven und aggressiven Anteilen moduliert richtungsweisend das bestehende hirnorganische Krankheitsbild mit kognitiven Defiziten".
Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit sich der Senat bei seiner Beurteilung (auch) auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. St. vom 6. Oktober 2010 stützt, unterliegt dessen Stellungnahme keinem Beweisverwertungsverbot, da sie nicht unter Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII zustande gekommen ist.
Danach soll vor Erteilung eines Gutachtensauftrags der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.
Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2008 (B 2 U 10/07 R) ausgeführt hat, gilt § 200 Abs. 2 SGB VII auch für Gutachten, die Unfallversicherungsträger während bzw. anlässlich eines gerichtlichen Verfahrens einholen. Der Begriff des Gutachtens ist allerdings eng auszulegen und erfasst nur solche Werke, die vom Versicherungsträger angefordert, rein äußerlich bereits als Gutachten bezeichnet werden oder inhaltlich jedenfalls eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachenfragen, z.B. des Kausalzusammenhangs, enthalten. Setzt sich die schriftliche Äußerung des Sachverständigen im Wesentlichen mit den eingeholten Gerichtsgutachten auseinander, insbesondere hinsichtlich der Schlüssigkeit der Gutachten, ihrer Überzeugungskraft und der Beurteilungsgrundlage, ist es nur eine beratende Stellungnahme. Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich bei der Äußerung des Prof. Dr. St. schon seiner Überschrift nach um eine beratungsärztliche Stellungnahme. Aber auch inhaltlich setzt sich Prof. Dr. St. vornehmlich mit den Gutachten von Prof. Dr. K. und Dr. J. auseinander, ohne eigenständige Bewertung der Zusammenhangsfrage. Allein der Umstand, dass Prof. Dr. St. nach Auseinandersetzung mit den angeführten Gutachten nicht empfiehlt, eine BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen, ist nicht als eigenständige Bewertung der Zusammenhangsfrage anzusehen, sondern nur der - logische - Schluss seiner Schlüssigkeitsbeurteilung hinsichtlich der Gutachten K./J ...
Nach alledem kann offen bleiben, ob und wenn ja in welchem Umfang der Kläger überhaupt schädlichen Stoffen ausgesetzt war, die generell geeignet sind, eines dieser Krankheitsbilder auszulösen. Insoweit waren auch die Ausführungen von Prof. Dr. K. (S. 46 seines Gutachtens) zur Neurotoxizität von Nanopartikeln ohne Belang, zudem nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV lediglich Lösemittel und deren Gemische als krankheitsauslösende Faktoren anerkannt sind. Unbeachtlich kann des Weiteren bleiben die Bedeutung der in SPECT oder PET gefundenen Veränderungen, da eine Aussage über deren Ursache durch diese Untersuchungen nicht getroffen werden kann.
Auch eine Erkrankung im Sinne der BK Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV liegt nicht vor. Wie im Gutachten von Prof. Dr. M.-Q. nach erneuter histologischer Auswertung der beim Kläger bereits 2005 entnommenen Lungenbiopsiepräperate und der aktenkundigen Arztbriefe und ärztlichen Stellungnahmen überzeugend ausgeführt worden ist, liegt die von der Klinik S. B. noch angenommene BOOP nicht vor, da die dafür charakteristischen intrabronchial beginnenden Granulationspfropf-Bildungen fehlen. Eine chemische Irritation der Bronchialschleimhaut mit unproduktivem Husten und 2malig nachgewiesener bronchialer Hyperreagibilität ist nach Aktenlage und den Schilderungen des Klägers zwar nicht auszuschließen. Die für die Anerkennung dieser Hyperreagibilität als BK erforderliche obstruktive Ventilationsstörung fehlt jedoch. Ebenso wenig konnte eine Isocyanat assoziierte Erkrankung festgestellt werden (unabhängig davon, dass bereits ein beruflicher Umgang des Klägers mit Isocyanat nicht nachgewiesen ist) oder ein massives, akutes Inhalationstrauma, das ursächlich für die Entwicklung einer BOOP hätte sein können. Deshalb ist beim Kläger von einer chronischen Bronchitis, bei aktuellem Ausschluss einer bronchialen Hyperreagibilität, ohne Hinweis auf Isocyanat-Sensibilisierung, bei Ausschluss einer allergischen Sensibilisierung gegenüber den häufigsten inhalativen Allergenen, ohne Nachweis einer obstruktiven Ventilationsstörung, histologisch ohne Zeichen einer BOOP oder Laryngitis gastrica mit endoskopisch deformierender Bronchiopathie auszugehen, die die Voraussetzungen für die Anerkennung als BK nach Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV nicht erfüllt.
Da es bereits an der Feststellung eines anerkennungsfähigen Krankheitsbildes fehlt, konnte die Frage der Verursachung durch berufliche Einwirkungen ebenso offen bleiben wie die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch in den Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung der Erkrankungen des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV; Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) sowie nach Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV (durch allergisierende Stoffe bzw. chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können).
Der Kläger ist 1951 geboren und seit 1986 mit einem Malergeschäft (Autolackiererei) als selbständiger Unternehmer Mitglied der Beklagten. Seit Mai 2001 ist der Kläger nicht mehr in der Werkstatt tätig. Mit ärztlicher Anzeige über eine Berufskrankheit vom 5. April 2001 teilte Dr. B., Nervenarzt, mit, der Kläger leide unter Vergesslichkeit, Aggressivität, Sehstörungen und Schwindelanfällen. Als Diagnose teilte er Neuropathie, deutliche Wesensänderung in Form von häufiger Depressivität oder Aggressivität sowie zunehmende chemische Überempfindlichkeit mit. In Anlage beigefügt war der Bericht über die Spect-Untersuchung des Dr. H., Arzt für Radiologie, vom 3. August 2000 (partielle Perfusionsminderungen) sowie der Bericht über die testpsychologische Untersuchung des Dipl.-Psych. Klein vom 23. November 2000 (Hirnleistungsstörung nicht feststellbar).
Die Beklagte leitete daraufhin das Feststellungsverfahren ein, zog u.a. Vorerkrankungsverzeichnisse bei und ließ sich vom Kläger eine Arbeits- und Krankheitsanamnese erstellen. Darin gab er an, seit 1994 unter zunehmenden Atembeschwerden und Husten zu leiden. Die Beklagte forderte von der behandelnden Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. F. ärztliche Unterlagen an, ebenso von den Dres. H. und B., die zahlreiche Arztbriefe in Anlage übersandten, u.a. den Bericht des Fachkrankenhauses für Erkrankungen der Atemwege S. B. vom 27. Juli 2001 (Bronchiolitis obliterans organisierendes Pneumoniesyndrom) und des Neurologen und Psychiaters Dr. A. vom 25. April 1995 (Überlastungssyndrom; Ausschluss toxischer Hirnatrophie). Der Lungenarzt Dr. K. teilte unter dem 22. August 2001 u.a. mit, er sehe keine berufliche Ursache der Erkrankung. Zahlreiche Arztbriefe waren ebenfalls in Anlage beigefügt.
Der Technische Aufsichtsbeamte führte hinsichtlich der BK Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV am 16. Juni 1999 Messungen in der Autolackiererei des Klägers durch und erhob weitere Angaben durch ein Gespräch mit dem Kläger selbst. In seinem Bericht teilte der Technische Aufsichtsbeamte mit, dass bei der Spritzlackierung der Grenzwert eingehalten worden sei. Beigefügt waren die Sicherheitsdatenblätter der verwendeten Materialien.
Im Auftrag der Beklagten erstellten Prof. Dr. S./Dr. M., U.klinikum T., Institut für Arbeits- und Sozialmedizin, unter dem 11. Juli 2002 ein arbeitsmedizinisches Gutachten, in dem zur Frage des Vorliegens einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV wie auch zu der BK nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV Stellung genommen wurde. Diese führten aus, der Kläger leide unter einer chronischen Bronchitis, ein erhöhter Atemwegswiderstand sei nicht festzustellen. In der Spirometrie seien die altersentsprechenden Normwerte vom Kläger nahezu durchgehend übertroffen worden. Eine restriktive oder obstruktive Ventilationsstörung habe nicht nachgewiesen werden können. Die Bronchitis sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf berufliche Einflüsse zurückzuführen. Was die BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV betreffe, lägen Anhaltspunkte für ein derartiges Krankheitsbild nicht vor. Hinsichtlich einer toxischen Enzephalopathie seien zwar nach den anamnestischen Angaben des Klägers Konzentrationsstörungen und Merkschwäche vorhanden, testpsychologisch hätten sich diese allerdings nicht feststellen lassen. Soweit der Kläger vermehrte Reizbarkeit und Verstimmtheit angeführt habe, wäre als Ursache eine chronische Lösungsmittelexposition denkbar. Allerdings erscheine nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Kläger und auch nach den nervenärztlichen Vorbefunden (erste Behandlung wegen Depression bereits 1993) eher ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom im Sinne einer Überlastungsreaktion vorzuliegen. Nach Beteiligung des staatlichen Gewerbearztes (Stellungnahme vom 23. August 2002; BK Nr. 1317 wurde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. Oktober 2002 die Anerkennung einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV ab. Der ursächliche Zusammenhang zwischen den angeschuldigten krankhaften Veränderungen und der beruflichen Tätigkeit sei nicht wahrscheinlich. Vielmehr seien die Beschwerden schicksalshaft und anlagebedingt entstanden, resultierend aus einer chronischen Überlastungsreaktion in Form eines psychovegetativen Erschöpfungszustands. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 19. Mai 2003 zurück. Es sei schon keine Polyneuropathie nachgewiesen. Auch eine Enzephalopathie sei nur denkbar, nicht aber im Vollbeweis gesichert. Doch auch dann, wenn eine solche unterstellt würde, wäre der ursächliche Zusammenhang zwischen dieser und der beruflichen Tätigkeit nicht wahrscheinlich.
Mit weiterem Bescheid vom 24. Oktober 2002 lehnte die Beklagte auch die Anerkennung der Atemwegserkrankung als Berufskrankheit ab. Eine nach Nr. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKV notwendige obstruktive Atemwegserkrankung oder eine dauerhafte bronchiale Hyperreagibilität würden nicht vorliegen. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 19. Mai 2003 zurückgewiesen.
In beiden Verfahren hat der Kläger am 20. Juni 2003 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.
Das SG hat im Verfahren S 9 U 1771/03 (BK 1317) den behandelnden Arzt des Klägers schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt (Dr. S., Neurologe und Psychiater, Auskunft vom 5. September 2003) und PD Dr. Sch., Arzt für Neurologie, U.klinikum F., Neurogeriatrie und Memory-Ambulanz, mit der Erstellung eines neurologisch-neuropsychologischen Fachgutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 27. Januar 2004 hat dieser ausgeführt, beim Kläger liege ein depressives Syndrom, eine Minderung des geistigen Leistungsvermögens sowie eine diskrete Polyneuropathie vor. Als einziges Zeichen einer Polyneuropathie sei eine Minderung des Vibrationsempfindens an den Großzehen zu werten, während ein für eine private Versicherung erstelltes Gutachten von Dr. K. vom November 2002 ein solches nicht beschrieben habe. Jedenfalls liege eine strumpf- oder handschuhförmige Sensibilitätsstörung, wie von Dr. B. beschrieben, nicht vor. Krankheitswertig oder relevant sei diese Sensibilitätsminderung allerdings nicht. Auch wenn die Befunde nicht ganz konsistent seien, sei eine geringfügige Neuropathie naheliegend. Denkbar sei auch, dass vor Jahren eine stärker ausgeprägte Polyneuropathie bestanden, diese sich jedoch nach Expositionsende zurückgebildet habe. Für das Bestehen einer Enzephalopathie lägen keine Nachweise vor. Allerdings widerlegten technische Untersuchungsbefunde das Vorliegen einer leicht- bis mittelgradigen Enzephalopathie nicht. Zusammenfassend kam er zum Schluss, es seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine leichte oder leicht- bis mittelgradige lösungsmittelinduzierte Enzephalopathie und zusätzlich psychosoziale/psychisch-reaktive Faktoren an der Ausbildung des Krankheitsbildes mit depressiver Störung und geistiger Leistungsstörung beteiligt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) belaufe sich auf mindestens 20 bis 30 v.H. Die Beklagte hat die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom 6. April 2004 vorgelegt, der sich der Beurteilung der Gutachter nicht angeschlossen hat.
Das SG hat daraufhin Dr. B., Facharzt für Allgemeinmedizin, mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragt. Dieser hat zunächst um eine Berechnung der Arbeitsbelastung anhand von ihm in Zusammenarbeit mit dem Kläger nacherhobenen Verbrauchsmengen gebeten, die der TAD unter dem 24. März 2006 vorgelegt hat. In seinem Gutachten vom 11. September 2006 hat Dr. B. dann zusammenfassend ausgeführt, in der neuropsychologischen Untersuchung hätten sich Hinweise auf eine mittelschwere Depression ergeben. Die kognitive Leistungsfähigkeit habe sich weitgehend unbeeinträchtigt gezeigt, vergleichbar den Ergebnissen aus den Voruntersuchungen. Die vom Kläger berichtete Beobachtung, wonach seine Merkfähigkeit und sein Konzentrationsvermögen stark situationsabhängig variiere, spreche zudem für einen Zusammenhang mit der jeweiligen psychischen Verfassung und gegen eine hirnorganische Verursachung. Die Ätiologie der beim Kläger bestehenden affektiven Störung könne nicht sicher geklärt werden. Sie sei zwar mit dem Bild einer lösungsmittelinduzierten Enzephalopathie vereinbar, es könne aber nicht geklärt werden, in welchem Ausmaß organische und nicht-organische Faktoren alleine und/oder in Interaktion das Zustandsbild des Klägers bestimmten. Es lägen aufgrund der langjährigen Tätigkeit als Autolackierer sowohl organisch-toxische Risiken als auch psycho-reaktive Faktoren vor. Gegen eine berufliche Verursachung spreche jedoch, dass sich leichte toxische Enzephalopathien regelmäßig nach Expositionsende zurückbildeten, die von ihm geklagten Einschränkungen stark situationsabhängig schwankten, eine organisch bedingte Hirnleistungsstörung nicht objektivierbar gewesen sei und sowohl Kernspintomographie als auch EEG des Gehirns ohne pathologischen Befund gewesen seien. Daher sei die Diagnose einer Enzephalopathie nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Die subjektiven Einschränkungen seien am ehesten als Folge der chronifizierten leichten bis mittelschweren depressiven Störung zu bewerten. Aktenkundig ist des Weiteren das neuropsychologische Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. Dr. P. S., Universität M., vom 2. August 2006.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. April 2007 hat das SG die Klage hinsichtlich der BK 1317 abgewiesen, da weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen der in Frage stehenden BK nachgewiesen seien. Das SG hat sich bei seiner Beurteilung auf das Gutachten des Dr. B. gestützt.
Im Verfahren S 9 U 1772/03 betreffen die BKen 4301/4302 hat das SG auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das pneumologische Gutachten des Dr. D. eingeholt. In seinem Gutachten vom 16. Juli 2004 hat er als Diagnosen eine bronchiale Hyperreagibilität, chronische Bronchitis mit ausgeprägter Plattenepithelmetaplasie, einen Zustand nach Bronchitis obliterans mit organisierender Pneumonie sowie Adipositas mitgeteilt. Es handle sich nicht um Erkrankungen nach der BK Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV; es sei problematisch, ob es sich um eine BK nach Nr. 4302 der Anlage 1 der BKV handle. Beim Kläger habe bei den Lungenfunktionsmessungen sowohl in Ruhe als auch unter Belastung keine obstruktive Ventilationsstörung objektiviert werden können. Bei zwei inhalativen Testungen sei eine bronchiale Hyperreagibilität attestiert worden. Es sei bei einem zu beobachtenden Chronifizierungsprozess mit chronischer Bronchitis mit bronchialer Hyperreagibiltiät davon auszugehen, dass die Ursache in der langjährigen inhalativen Exposition bei der beruflichen Tätigkeit liege. Auch die als weitere Komplikation mitgeteilte Bronchiolitis obliterans sei durch die chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffe ausgelöst, denen der Kläger ausgesetzt gewesen sei. Es liege also im weiteren Sinne eine Erkrankung im Sinne der BK nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV vor. Die MdE belaufe sich von 1990 bis 2000 auf 30 v.H., danach auf 40 v.H., da 2001 die Beschwerden deutlich zugenommen hätten.
Das SG hat daraufhin ein Gutachten von Amts wegen bei Prof. Dr. M.-Q., Ärztlicher Direktor der R.-K. Klinik F. mit histologischem Zusatzgutachten in Auftrag gegeben. In seinem Gutachten vom 16. Juni 2005 ist dieser mit Dr. Sch. zusammenfassend zum Schluss gekommen, man könne zwar aufgrund der Aktenlage sowie der Schilderungen des Klägers eine chemische Irritation der Bronchialschleimhaut mit unproduktiver Hustensymptomatik und 2malig nachgewiesener Hyperreagibilität nicht sicherlich ausschließen. Zu keinem Zeitpunkt sei es jedoch zu einer obstruktiven Ventilationsstörung gekommen. Auch könne aufgrund des diesjährigen histologischen Gutachtens der transbronchialen Biopsien das zuvor diagnostizierte BOOP-Syndrom (Bronchitis obliterans organisierende Pneumonie) nicht nachgewiesen werden, so dass die Schlussfolgerungen im Gutachten von Dr. D. vom 16. Juli 2004, wonach die chronische Bronchitis in eine BOOP gemündet sei, nicht zutreffend sei. Es liege keine Atemwegserkrankung im Sinne der BK nach Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. April 2007 hat das SG die Klage abgewiesen, gestützt im Wesentlichen auf das Gutachten Prof. Dr. M.-Q./Dr. Sch ...
Gegen die dem Bevollmächtigten am 16. April 2007 in beiden Verfahren zugestellten Gerichtsbescheide hat dieser am 11. Mai 2007 Berufungen eingelegt (Az.: L 1 U 2415/07 - BK 1317; Az.: L 1 U 2416/07 - BK 4301/4302). Zur Begründung wird ausgeführt, dass auch depressive Störungen zum Krankheitsbild einer Enzephalopathie des in Frage kommenden Schweregrads II a/b dazugehörten. Das habe das SG übersehen. Es sei auch ohne eigene medizinische Kenntnisse der Kausalitätsbeurteilung durch PD Dr. Sch. nicht gefolgt. Ein weiteres Gutachten hätte eingeholt werden müssen. Hinsichtlich der BK nach Nrn. 4301/4302 hätte das Gericht ebenfalls weiter ermitteln müssen, da zur Frage des Vorliegens einer Obstruktion verschiedene gutachterliche Bewertungen vorgelegen hätten.
Mit Beschluss vom 31. Oktober 2007 sind die Verfahren L 1 U 2415/07 und L 1 U 2416/07 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen L 1 U 2415/07 verbunden worden.
Mit Beschluss vom 8. April 2008 hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet, weil der vom Kläger nach § 109 SGG benannte Prof. Dr. K. angekündigt hatte, nicht vor August 2008 mit der Begutachtung beginnen zu können.
Am 2. November 2009 hat Prof. Dr. K. dem Gericht das Gutachten übersandt und darin ausgeführt, dass bei dem Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit nach seiner Analyse arbeitsmedizinisch relevante Expositionen bestanden hätten. Im psychiatrischen Zusatzgutachten vom 4. Oktober 2009 habe Dr. J. eine Belastungsreaktion mit depressiven und aggressiven Anteilen sowie eine toxische Enzephalopathie Grad IIa mit kognitiver Störung mitgeteilt. Die haftungsbegründenden Voraussetzungen im Rahmen der BK Nr. 1317 seien mit hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt. Aus der Eigen- und Fremdanamnese der Ehefrau ergebe sich eine frühkindliche Entwicklung, die zu einer Vulnerabilität des Klägers geführt habe, die in Zusammenhang mit Stressfaktoren (hier: Lösemittel) zu Belastungsreaktionen mit depressiven und aggressiven Anteilen kulminiert sei und zu einer Enzephalophathie Typ IIa. Von 1995 bis 2002 belaufe sich die MdE auf 20 v.H., danach auf 30 v.H.
Im Gutachten des Dr. J. ist unter "Zusammenfassung" ausgeführt, dass sich angesichts der qualitativ gesicherten Exposition mit Lösungsmitteln mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Enzephalopathie entwickelt habe. Diese sei mit den glaubhaft geschilderten Beschwerden (Merkfähigkeits- und Konzentrationsstörungen, Müdigkeit und Antriebsstörung, Neigung zu Aggressivität und Reizbarkeit) und mit den seit 2003 psychometrisch valide festgestellten kognitiven Leistungseinschränkungen begründet. Die reaktiv-depressive Komponente im Sinne einer Belastungsreaktion stehe dazu nicht im Widerspruch, sondern ergänze die Diagnose. Für eine Polyneuropathie habe sich kein Anhalt gefunden. Aktenkundig ist des Weiteren das neuropsychologische Zusatzgutachten zum neuropsychiatrischen Zusatzgutachten der Dipl.Psych. Jvom 30. Mai 2009.
Die Beklagte hat unter dem 29. November 2010 die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. St. vom 6. Oktober 2010 vorgelegt, der sich den Gutachten nicht angeschlossen hat.
Mit Schriftsatz vom 16. März 2011 hat der Bevollmächtigte des Klägers das ruhende Verfahren beim Landessozialgericht wieder angerufen (Az: L 1 U 1306/11) und u.a. ausgeführt, die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. St. hätte nur mit Zustimmung des Klägers eingeholt werden dürfen. Da dies nicht erfolgt sei, sei sie aus den Akten zu entfernen. Dem ist die Beklagte entgegen getreten.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt, sinngemäß gefasst,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. April 2007 im Verfahren S 9 1771/03, den Bescheid vom 24. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2003 hinsichtlich der BK Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10. April 2007 im Verfahren S 9 U 1772/03 und den Bescheid vom 24. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Mai 2003 hinsichtlich der BK Nr. 4301 und 4302 der Anlage 1 zur BKV aufzuheben, das Bestehen einer BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV sowie nach Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV festzustellen und die Beklagte zu verurteilen, Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen,
und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen sowie die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. St ...
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten in beiden Rechtszügen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthaften und auch im Übrigen zulässigen Berufungen, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), sind unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Anerkennung der Erkrankungen des Klägers als BKen nach den Nr. 1317, 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV abgelehnt. Deshalb steht dem Kläger auch keine Verletztenrente zu.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 2. April 2009 (B 2 U 9/08 R = SGb 2009, 355) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK) im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweis, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils RdNr. 15; BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 13 ff).
Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 4. Dezember 2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der genannten Entscheidung betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Nach Maßgabe dieser für das BK-Recht modifizierten Terminologie des BSG ist im Fall des Klägers keine Berufskrankheit festzustellen.
Nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV können als BK anerkannt werden Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische. Als BK nach Nr. 4301 der Anlage 1 zur BKV kommen in Betracht durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Die Anerkennung dieser Berufskrankheiten kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil weder eine Polyneuropathie, eine Enzephalopathie noch eine obstruktive Atemwegserkrankung im Vollbeweis nachgewiesen sind. Dabei stützt sich der Senat auf die Beurteilungen von Prof. Dr. S./Dr. M. und Dr. B. bzw. Prof. Dr. M.-Q ...
Prof. Dr. S./Dr. M. und Dr. B. haben in ihren Gutachten überzeugend und schlüssig dargelegt, dass eine Polyneuropathie nicht vorliegt. Auch PD Dr. Sch. konnte als einziges mögliches Zeichen für eine Polyneuropathie eine Minderung des Vibrationsempfindens in der Großzehe mitteilen, die jedoch von Dr. K. in seinem Gutachten für eine private Versicherung wiederum nicht beschrieben worden ist. Die von Dr. B. in seinem Arztbrief mitgeteilte strumpf- bzw. handschuhförmige Polyneuropathie ist daher von keinem mit dem Gesundheitszustand des Klägers befassten Arzt bestätigt worden, so dass von einem Nachweis dieser Erkrankung nicht auszugehen ist. Dem entsprechend hat der Kläger auch im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen nicht über Beschwerden geklagt, die unter eine Polyneuropathie gefasst werden könnten. Damit stimmt überein die Feststellung von Dr. J., wonach eine krankhafte Veränderung im Sinne einer manifesten Polyneuropathie nicht besteht.
Auch eine Enzephalopathie ist nicht festzustellen. Wie insbesondere Dr. B. in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt hat, ist zwar das Beschwerdebild des Klägers (Depressivität, allgemeine Antriebsminderung, Müdigkeit, emotionale Labilität und Reizbarkeit) durchaus mit dem Bild einer leichten lösungsmittelbedingten Enzephalopathie vereinbar. Bei einer toxischen Enzephalopathie leichten bis mittleren Grades sind nämlich an neuropsychologischen Störungen kognitive Defizite in Gestalt eines eingeschränkten Kurzzeitgedächtnisses bzw. Merkfähigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten bzw. Aufmerksamkeitsdefizite und Verlangsamung der psychomotorischen Geschwindigkeit zu erwarten, daneben nicht-kognitive Veränderungen wie Persönlichkeitsveränderungen, erhöhte Reizbarkeit, Antriebsarmut und erhöhte Ermüdbarkeit, affektive Labilität und Depressivität. Allerdings waren im Rahmen aller durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen kognitive Defizite, die auf eine organisch bedingte Hirnleistungsschwäche hindeuten könnten, nicht festzustellen. Das Kurzzeitgedächtnis des Klägers funktionierte ohne Einschränkungen, auch das Lernvermögen und die Merkfähigkeit wurden unvermindert demonstriert. Auch eine generelle Verlangsamung war nicht festzustellen, ebenso wenig eine signifikante Einschränkung der intellektuellen Fähigkeiten. Vielmehr sind die geringfügigen Beeinträchtigungen in der Exekutivfunktion und der Aufmerksamkeitsintensität, wie auch PD Dr. S./Dr. M. ausgeführt haben, Ausdruck der depressiven Erkrankung und als affektive Störung zu bezeichnen oder, wie Dr. J. in seinem Gutachten ausführte, als Belastungsreaktion mit depressiven und aggressiven Anteilen. Eine Unterscheidung danach, welche Anteile der affektiven Störung bzw. Belastungsreaktion wesentlich auf möglichen organisch-toxischen Einflüssen beruhen bzw. als psycho-reaktive Faktoren zu bewerten sind, ist nicht möglich. Denn typische kognitive Symptome einer lösungsmittelbedingten Enzephalopathie, die eine derartige Differenzierung erlauben würden, zeigen sich gerade nicht.
Der Darstellung von Prof. Dr. K./Dr. J., wonach eine Enzephalopathie Grad IIA vorliegen würde, war schon deshalb nicht zu folgen, weil eine solche Erkrankung neben ausgeprägten Persönlichkeitsveränderungen, Konzentrationsschwäche, Stimmungsschwankungen und Affektlabilität jedenfalls auch den Nachweis testpsychologischer Leistungsminderung erfordert. Auch wenn eine solche angeblich seit 2002 vorliegend von Dipl.Psych. J. behauptet wird, ist sie gerade, wie nicht zuletzt das Gutachten von Dr. B. gezeigt hat, nicht nachgewiesen, für die Feststellung einer toxischen Enzephalopathie aber auch deshalb unverzichtbar, weil sie eine Differenzierung zwischen den nur subjektiv vom Betroffenen zu beschreibenden nicht-kognitiven Einschränkungen und den Einschränkungen erlaubt, die auf einer hirnorganischen Veränderung beruhen. Die Schlüsse von Dr. J., wonach erstmals 2006, also nicht wie von Prof. Dr. K. dargestellt schon 2002, von Dr. Dipl.Psych. S. "eine geringfügige Beeinträchtigung der Aufmerksamkeitsintensität und eine geringfügige Beeinträchtigung bei Aufgabenstellungen, die hohe kognitive Flexibilität erfordern" festgestellt worden und daher von einer Beeinträchtigung kognitiver Faktoren auszugehen sei, überzeugt nicht. Denn diese geringfügigen Beeinträchtigungen können in ihrer Ausprägung ebenso Ausdruck der psychischen Grunderkrankung sein und belegen gerade nicht tatsächlich bestehende hirnorganische Beeinträchtigungen. Soweit 2009 unter hoher Anstrengungsbereitschaft kognitive Leistungsdefizite bei komplexen Anforderungen unter Zeitdruck konstatiert werden, gilt entsprechendes. Im Übrigen hat Dr. J., wie auf S. 26 seines Zusatzgutachtens ausgeführt ist, die Grundsätze des Berufskrankheitenrechts im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung verkannt. Denn er führt aus, dass es dann, wenn die toxische Exposition gesichert sei, für die Anerkennung der BK 1317 der Anlage 1 zur BKV letztlich unerheblich sei, ob ein Teil der Beschwerden auch durch eine depressive Verhaltensstörung anderer, nicht toxischer Genese mit verursacht worden sei. Zum einen ist bereits, worauf schon hingewiesen worden ist, nicht im Vollbeweis gesichert, dass überhaupt eine Enzephalopathie vorliegt. Zum anderen kann dann, wenn eine solche hätte festgestellt werden können, die Frage der Ursächlichkeit der beruflichen Einwirkungen für dieses Krankheitsbild bei einer sicher feststehenden Konkurrenzursache gerade nicht offen bleiben, sondern es müsste nach der im Berufskrankheitenverfahren erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die berufliche Einwirkung wesentlich ursächlich für die festgestellte Erkrankung ist. Deshalb ist es auch widersprüchlich, wenn Dr. J. einerseits eine beruflich bedingte Enzephalopathie behauptet, andererseits (S. 28 unten seines Zusatzgutachtens) ausführt: "nach den Ergebnissen der neuropsychologischen Befunde ist es darüber hinaus begründet, den Grad 2 A der toxischen Enzephalopathie anzuerkennen. Die vulnerable Primärpersönlichkeit mit Neigung zu Belastungsreaktionen mit depressiven und aggressiven Anteilen moduliert richtungsweisend das bestehende hirnorganische Krankheitsbild mit kognitiven Defiziten".
Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit sich der Senat bei seiner Beurteilung (auch) auf die beratungsärztliche Stellungnahme des Prof. Dr. St. vom 6. Oktober 2010 stützt, unterliegt dessen Stellungnahme keinem Beweisverwertungsverbot, da sie nicht unter Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII zustande gekommen ist.
Danach soll vor Erteilung eines Gutachtensauftrags der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.
Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 5. Februar 2008 (B 2 U 10/07 R) ausgeführt hat, gilt § 200 Abs. 2 SGB VII auch für Gutachten, die Unfallversicherungsträger während bzw. anlässlich eines gerichtlichen Verfahrens einholen. Der Begriff des Gutachtens ist allerdings eng auszulegen und erfasst nur solche Werke, die vom Versicherungsträger angefordert, rein äußerlich bereits als Gutachten bezeichnet werden oder inhaltlich jedenfalls eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachenfragen, z.B. des Kausalzusammenhangs, enthalten. Setzt sich die schriftliche Äußerung des Sachverständigen im Wesentlichen mit den eingeholten Gerichtsgutachten auseinander, insbesondere hinsichtlich der Schlüssigkeit der Gutachten, ihrer Überzeugungskraft und der Beurteilungsgrundlage, ist es nur eine beratende Stellungnahme. Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich bei der Äußerung des Prof. Dr. St. schon seiner Überschrift nach um eine beratungsärztliche Stellungnahme. Aber auch inhaltlich setzt sich Prof. Dr. St. vornehmlich mit den Gutachten von Prof. Dr. K. und Dr. J. auseinander, ohne eigenständige Bewertung der Zusammenhangsfrage. Allein der Umstand, dass Prof. Dr. St. nach Auseinandersetzung mit den angeführten Gutachten nicht empfiehlt, eine BK nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen, ist nicht als eigenständige Bewertung der Zusammenhangsfrage anzusehen, sondern nur der - logische - Schluss seiner Schlüssigkeitsbeurteilung hinsichtlich der Gutachten K./J ...
Nach alledem kann offen bleiben, ob und wenn ja in welchem Umfang der Kläger überhaupt schädlichen Stoffen ausgesetzt war, die generell geeignet sind, eines dieser Krankheitsbilder auszulösen. Insoweit waren auch die Ausführungen von Prof. Dr. K. (S. 46 seines Gutachtens) zur Neurotoxizität von Nanopartikeln ohne Belang, zudem nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV lediglich Lösemittel und deren Gemische als krankheitsauslösende Faktoren anerkannt sind. Unbeachtlich kann des Weiteren bleiben die Bedeutung der in SPECT oder PET gefundenen Veränderungen, da eine Aussage über deren Ursache durch diese Untersuchungen nicht getroffen werden kann.
Auch eine Erkrankung im Sinne der BK Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV liegt nicht vor. Wie im Gutachten von Prof. Dr. M.-Q. nach erneuter histologischer Auswertung der beim Kläger bereits 2005 entnommenen Lungenbiopsiepräperate und der aktenkundigen Arztbriefe und ärztlichen Stellungnahmen überzeugend ausgeführt worden ist, liegt die von der Klinik S. B. noch angenommene BOOP nicht vor, da die dafür charakteristischen intrabronchial beginnenden Granulationspfropf-Bildungen fehlen. Eine chemische Irritation der Bronchialschleimhaut mit unproduktivem Husten und 2malig nachgewiesener bronchialer Hyperreagibilität ist nach Aktenlage und den Schilderungen des Klägers zwar nicht auszuschließen. Die für die Anerkennung dieser Hyperreagibilität als BK erforderliche obstruktive Ventilationsstörung fehlt jedoch. Ebenso wenig konnte eine Isocyanat assoziierte Erkrankung festgestellt werden (unabhängig davon, dass bereits ein beruflicher Umgang des Klägers mit Isocyanat nicht nachgewiesen ist) oder ein massives, akutes Inhalationstrauma, das ursächlich für die Entwicklung einer BOOP hätte sein können. Deshalb ist beim Kläger von einer chronischen Bronchitis, bei aktuellem Ausschluss einer bronchialen Hyperreagibilität, ohne Hinweis auf Isocyanat-Sensibilisierung, bei Ausschluss einer allergischen Sensibilisierung gegenüber den häufigsten inhalativen Allergenen, ohne Nachweis einer obstruktiven Ventilationsstörung, histologisch ohne Zeichen einer BOOP oder Laryngitis gastrica mit endoskopisch deformierender Bronchiopathie auszugehen, die die Voraussetzungen für die Anerkennung als BK nach Nr. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKV nicht erfüllt.
Da es bereits an der Feststellung eines anerkennungsfähigen Krankheitsbildes fehlt, konnte die Frage der Verursachung durch berufliche Einwirkungen ebenso offen bleiben wie die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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