L 3 AS 1730/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 3526/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 1730/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. März 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger sieht sich in seinem Recht auf freie Berufswahl und -ausübung durch Eingliederungsverwaltungsakte und Sanktionsbescheide beeinträchtigt und begehrt die Feststellung, den Beruf des Schriftstellers wählen und auszuüben zu dürfen.

Der am 28.07.1953 geborene Kläger ist seit 1997 arbeitslos. Er steht seit dem 01.01.2005 im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Im Rahmen eines beim Sozialgericht Konstanz (SG) anhängigen Klageverfahren - S 5 AS 2875/08 - gegen den Beklagten wegen eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes hat der Kläger am 01.12.2008 "zusätzlich" Klage erhoben, mit der er die Feststellung begehrt, den Beruf des Schriftstellers wählen und ein Buch schreiben zu dürfen, ohne vom Beklagten als arbeitsunwillig beleidigt und unter Druck gesetzt zu werden und die bedingungslose Sicherung des Existenzminimums versagt zu bekommen. Dass er seinen Lebensunterhalt noch nicht durch die von ihm frei gewählte Tätigkeit als Schriftsteller sichern könne, sei den andauernden Schikanen des Beklagten zuzuschreiben, der seine Tätigkeit seit 2007 behindere. Sich in eine vom Beklagten ausgewählte beliebige Tätigkeit eingliedern zu lassen, käme einer Preisgabe seiner Menschenrechte und einer Rückkehr zur Planwirtschaft gleich. Der Beklagte habe die ihm zustehenden bedarfssichernden Leistungen im Zeitraum von März bis Dezember 2008 um insgesamt 1.326,70 EUR gekürzt. Dieses Vorgehen sei als faschistoid zu bezeichnen. Die Gerichte seien zur vorrangigen Beachtung der Grundrechte verpflichtet. Die Sanktionsregelung des § 31 SGB II sei verfassungswidrig und verstoße gegen das Folterverbot in Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Durch diese Vorschrift werde auf die Erwerbslosen Druck ausgeübt. Der Grundsatz des Förderns und Forderns sei widersinnig.

Der Beklagte ist der Klage unter Hinweis auf das aus seiner Sicht fehlende Feststellungsinteresse entgegengetreten. Der Kläger müsse nach dem Grundsatz des Förderns und Forderns gemäß §§ 1, 2 SGB II aktiv an seiner Eingliederung in Arbeit mitwirken und seine Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts einsetzen. Von seinem Beruf als Schriftsteller könne der Kläger seinen Lebensunterhalt bisher nicht sichern.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.03.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, die Feststellungsklage sei bereits unzulässig. Der Kläger könne sich zwar insofern auf ein Feststellungsinteresse berufen, als er ein wirtschaftliches Interesse daran habe, sich ohne sanktionsbewehrte Verhaltenspflichten der Tätigkeit eines Schriftsteller widmen zu können. Der Feststellungsklage stehe jedoch der Grundsatz der Subsidiarität dieser Klageart entgegen. Im sozialgerichtlichen Verfahren könne eine gerichtliche Feststellung nicht verlangt werden, soweit die Möglichkeit bestehe, die geltend gemachten Rechte mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage zu verfolgen. Da der Kläger gegen ihn erlassenen Eingliederungsvereinbarungs-Verwaltungsakte und Sanktionsbescheide jedoch mit Widerspruch und Anfechtungsklage anfechten könne, was er auch getan habe, sei die Feststellungsklage unzulässig.

Gegen den ihm am 13.03.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.04.2010 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt er vor, der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage gelte für Feststellungen gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht, wenn zu erwarten stehe, dass durch die Feststellung der Streitfall endgültig geklärt werde und sich die Gerichte nicht noch einmal mit der Sache befassen müssten. Auch habe es das SG in den anhängigen Verfahren gegen die Eingliederungsverwaltungsakte vermieden, zur grundgesetzlich geschützten freien Berufs- und Arbeitsplatzwahl Stellung zu nehmen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. März 2010 aufzuheben und festzustellen, dass er das Recht habe, den Beruf des Schriftstellers zu wählen und ein Buch zu schreiben, ohne vom Beklagten als arbeitsunwillig beleidigt zu werden, unter Druck gesetzt zu werden und die bedingungslose Sicherung des Existenzminimums versagt zu bekommen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die beim Beklagten für den Kläger geführten Leistungsakten, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2011 wurden, sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 20.07.2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Der Senat verweist zur Begründung seiner Entscheidung auf die zutreffenden Ausführungen des SG und sieht von einer Begründung seiner Entscheidung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch das Vorbringen des Klägers zur Begründung der Berufung vermag eine abweichende Beurteilung der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht zu begründen. Soweit der Kläger vorbringt, der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage gelte nicht für Feststellungen gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts, ist dies zwar grundsätzlich zutreffend, da angenommen werden kann, dass diese die Leistungsberechtigten angesichts ihrer in der Verfassung verankerten Bindung an Gesetz und Recht auch ohne Leistungsurteil mit Vollstreckungsdruck befriedigen werden (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 09.08.1973 - 2 RU 5/72 - veröffentlicht in juris). Dies gilt jedoch nur für solche Fallkonstellationen, in denen zu erwarten steht, dass der Streitfall mit der gerichtlichen Feststellung endgültig geklärt wird, die Gerichte also nicht noch einmal mit der Sache befasst werden müssen, um über weitere streitige Punkte zu entscheiden, die von der begehrten Feststellung nicht erfasst werden (BSG, Urteil vom 08.05.2007 - B 2 U 3/06 R - veröffentlicht in juris, dort Rn. 23). Vorliegend steht jedoch nicht zu erwarten, dass der Beklagte im Falle eines Obsiegens des Klägers von seinem gesetzlichen Auftrag, den Kläger zu fordern und in den Arbeitsmarkt einzugliedern, Abstand nehmen würde. Ein feststellendes Urteil mit dem vom Kläger beantragten Inhalt stünde weder einer Sanktionierung einer - zukünftigen - Pflichtverletzung des Klägers, noch einem neuerlichen Herantreten an den Kläger zwecks Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung entgegen. Es stünde vielmehr auch im Falle eines zusprechenden Urteils zu erwarten, dass der Beklagte, sollte sich der Kläger weiterhin den Eingliederungsbemühungen widersetzen, neuerlich Eingliederungsvereinbarungen unterbreiten und diese ggf. im Wege eines Verwaltungsaktes festsetzen wird. Hierüber wäre sodann, auch im Falle eines zusprechenden Feststellungsurteil, neuerlich von den Sozialgerichten zu entscheiden.

Die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Keiner der in § 160 Abs. 2 SGG genannten Zulassungsgründe liegt vor. Der Senat weicht weder von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab, noch hat die Sache grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
Saved