Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 SB 2758/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 576/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. November 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob der Beklagte zu Recht den Nachteilsausgleich aG aberkannt und die Feststellung des Nachteilsausgleiches RF abgelehnt hat.
Bei dem am 1975 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt Stuttgart (VA) mit Bescheid vom 21.11.2002 unter Berücksichtigung einer Gewebserkrankung des Gehirns ab 23.07.2002 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Nachteilsausgleiche G, B, H und aG fest. Die Feststellung des Nachteilsausgleiches RF wurde hingegen abgelehnt. Diesen Entscheidungen lag der Bericht der Fachkliniken H. vom 07.10.2002 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 06.06. bis 03.10.2002 zugrunde, während der am 06.05.2002 ein Astrozytom WHO Grad I cerebellär entfernt und wegen eines Zustandes nach Hydrozephalus occlusus am 13.05.2002 ein ventrikulo-peritonealer Shunt angelegt worden war. Nach dem Klinikbericht konnte der Kläger gegen Schluss des stationären Aufenthalts mit Hilfe eines Unterarmgehstützwagens ca. 50 bis 100 m zurücklegen. Zuletzt war danach auch das selbständige Gehen mit Hilfe eines Easywalkers ca. 300 bis 400 m möglich. Beim selbständigen Gehen ohne Hilfe oder Begleitperson bestand noch massive Sturzgefahr.
Gegen die Versagung des Nachteilsausgleiches RF legte der Vater des Klägers, der seit 06.08.2002 Generalvollmacht hatte, mit der Begründung, der Kläger könne das Haus kaum verlassen, am 18.12.2002 Widerspruch ein. Nach Beiziehung des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Klägers vom 16.12.2002 und Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Ha. vom 11.02.2004, wonach die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen unter Verwendung von Hilfsmitteln und in Begleitung möglich erscheine (das Gehvermögen zeige zwar auch eine Besserungstendenz, für den Entzug von aG sei die Besserung noch zu gering und er empfehle eine Nachuntersuchung in einem Jahr) wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 09.09.2004 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 07.10.2004 Klage (S 19 SB 6680/04) zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Mit Beschluss vom 11.03.2005 ordnete das SG das Ruhen des Verfahrens an.
Nach Anhörung des Klägers (Schreiben des VA vom 31.03.2004) hob das VA mit Bescheid vom 27.09.2004 die Feststellung des Nachteilsausgleichs H im Bescheid vom 21.11.2002 ab 30.09.2004 mit der Begründung auf, aus dem Pflegegutachten vom 16.12.2002 gehe eine wesentliche Besserung hervor. Die Hände könnten wieder besser eingesetzt werden und Gehen sei in Begleitung möglich. Der GdB betrage weiterhin 100.
Dagegen legte der Kläger am 07.10.2004 Widerspruch ein. Das VA zog den Bericht der R.-Klinik W. vom 31.07.2004 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 19.07. bis 31.07.2004 und das Gutachten des MDK Baden-Württemberg zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 19.11.2004 bei. Nach dem Bericht der R.-Klinik vom 31.07.2004 stand eine deutliche ataktische Störung mit Beeinträchtigung der ADL und der Gehfähigkeit im Vordergrund. Hierzu äußerte sich am 16.02.2005 Dr. Ge. vom Ärztlichen Dienst des inzwischen zuständig gewordenen Landratsamts B. (LRA) dahingehend, dass die Gehfähigkeit des Klägers nicht auf das Schwerste eingeschränkt sei. Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sei in nennenswertem Umfang zumutbar. Fast 3 Jahre nach der Operation liege kein Rezidiv vor und der frische postoperative Zustand sei abgeklungen, so dass eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Funktionsstörungen (Gewebserkrankung des Gehirns, operiert, Hydrozephalus [mit Ventil versorgt], hirnorganisches Psychosyndrom und Störungen der Koordination) bestehe nun ein GdB von nur noch 80 und die Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche G und B, hingegen nicht mehr die der Nachteilsausgleiche H und aG. Anschließend holte das LRA noch den Befundbericht des Neurologen und Psychiater Dr. Pe. vom 20.07.2005 (Befunde u. a.: durchgehende Spastik linksbetont, Gang erschwert, an den Rollstuhl gebunden) ein und zog das Pflegegutachten des MDK Baden-Württemberg vom 20.12.2005 bei. In letzterem wird das Gangbild als ataktisch, unsicher mit deutlicher Sturzgefahr beschrieben. Der Kläger sei bei der Untersuchung alleine gegangen und habe sich an einem Schrank angestoßen. Es bestehe Begleitungsbedarf. Mit Bescheid vom 26.02.2007 hob das LRA nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 11.01.2007) die Bescheide vom 21.11.2002 und 27.09.2004 auf und stellte ab 02.03.2007 ein GdB von nur noch 80 fest. Die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG wurden ab diesem Zeitpunkt (und die des Nachteilsausgleiches H ab 30.09.2004) verneint. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2007 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch gegen die Bescheide vom 27.09.2004 und 26.02.2007 zurück.
Am 05.04.2007 erhob der Kläger Klage (S 19 SB 2758/07) zum SG, mit der er sich gegen die Herabsetzung des GdB von 100 auf 80 und die Entziehung der Nachteilsausgleiche H und aG wandte.
Am 19.04.2007 rief der Kläger das ruhende Verfahren S 19 SB 6680/04 wieder an (nun S 19 SB 3161/07) und machte geltend, ihm stehe der Nachteilsausgleich RF zu, nachdem ihm von anderen eine aggressive Haltung bescheinigt worden sei und zum begünstigten Personenkreis geistig oder seelisch behinderte Menschen gehörten, bei denen befürchtet werden müsse, dass sie beim Besuch von öffentlichen Veranstaltungen durch aggressives Verhalten störten.
Das SG hörte zunächst im Verfahren S 19 SB 3161/07 den Orthopäden Dr. P. , Dr. Pe. , den Neurologen und Psychiater Dr. Di. und den praktischen Arzt Dr. Ta. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. P. gab unter Beifügung des Untersuchungsberichts der Ärztin für Neurologie Dr. S.-G. vom 25.09.2006 an (Aussage vom 13.11.2007), er habe während der Behandlung des Klägers vom 13.03.2006 bis 20.10.2007 eine chronische Lumbalgie, eine persistente Lumboischialgie, kontrakte Senk-Spreizfüße beiderseits und eine Kniegelenksarthralgie beidseits diagnostiziert. Diese Gesundheitsstörungen bewerte er als geringfügig bis leicht. Dr. Pe. berichtete unter dem 17.11.2007 über die Behandlung des Klägers seit 04.10.2002 und diagnostizierte neben dem Kleinhirntumor eine Hemiparesis spastica sinistra und ein initiales hirnorganisches Psychosyndrom. Er bejahte eine Blindheit oder eine wesentliche Sehbehinderung und verneinte Gehörlosigkeit. Es bestehe eine ausgeprägte Spastizität und Gehbehinderung. Die auffälligen dyskoordinativen Armbewegungen, die beim Kläger zu beobachten seien, würden anderen Menschen (Zuschauer im Theater, Kino ...) nicht angenehm auffallen und Aufmerksamkeit ablenken. Der den Kläger seit 12.06.2006 behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. Di. gab unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen an (Aussage vom 20.11.2007), der Kläger leide an einer schwereren Gangstörung. Es bestehe eine Sehbinderung durch die Lähmung des N. abducens und einen permanenten Blickrichtungsnystagmus. Eine Verständigung sei zur Zeit ohne Hörhilfe möglich. Der Kläger könne an öffentlichen Veranstaltungen nur sehr bedingt teilnehmen, weil er gar keine richtige Durchhaltefähigkeit habe und wegen der Bewegungsstörungen auffalle. Der praktische Arzt Dr. Ta. teilte mit (Aussage vom 25.11.2007), der Kläger habe sich bis Januar 2006 in seiner hausärztlichen Betreuung befunden. Seither habe er ihn nicht mehr gesehen. Beim Kläger liege eine ausgeprägte Gang- und Rumpfataxie vor, was eine deutliche Bewegungsstörung darstelle.
Nach Verbindung der beiden Klageverfahren (Verbindungsbeschluss vom 22.09.2008) holte das SG von Prof. Dr. A. , Chefarzt der Neurologischen Abteilung der Fachkliniken H. , ein Gutachten ein. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 08.01.2009 gelangte der Sachverständige in seinem neurologischen Gutachten vom 20.01.2009 zu dem Ergebnis, der Kläger leide an einer Gangataxie mit ausgeprägter Sturz- und Frakturgefährdung, an Okulomotorikstörungen (Augenbeweglichkeit) mit sakkadierter Blickfolge und Blickrichtungsnystagmus einhergehend mit Doppelbildern beim Blick nach links und verschwommen Sehen beim Blick geradeaus und nach rechts, einer ataktischen Dysarthrie (Beeinträchtigung von Artikulation und Stimmgebung), einer Dysmetrie zielgerichteter Bewegungen der oberen Extremitäten und Feinmotorikstörung sowie Dysdiadochokinesie der Hände und einem Tinnitus beidseits. Er bewertete die Gesundheitsstörungen auf neurologischem Fachgebiet (cerebeläre Koordinationsstörungen im Bereich aller Teilsysteme der Motorik) mit einem GdB von 100 und die Gesundheitsstörungen auf orthopädisch/unfallchirurgischem Gebiet mit einem GdB von 10. Den Gesamt-GdB schätzte er seit 2004 auf 100 ein. Im Unterschied zur Diagnose von Dr. Pe. vom 17.11.2007 sei beim Kläger keine "Hemiparesis spastica sinistra" nachzuweisen. Insoweit stimme er mit dem Arztbrief der R.-Klinik W. vom 31.07.2004 überein. Abweichend von der Beurteilung von Dr. Di. vom 20.11.2007 habe er auch keine wesentliche Anhaltspunkte für ein hirnorganisches Psychosyndrom gefunden. Die versorgungsärztliche Bewertung der Funktionsstörung des Klägers mit einem GdB von 80 berücksichtige nicht die vorliegend ausgeprägten Augenbewegungsstörungen. Der von ihm erhobene klinisch-neurologische und psychopathologische Befund stimme mit den Angaben im Bericht der R.-Klinik Bad W. vom 31.07.2004 völlig überein. Aus medizinischer Sicht könne auch nicht erwartet werden, dass sich 2 Jahre nach erfolgter Tumorresektion - sofern sich kein Rezidiv ausbilde - noch wesentliche Änderungen der Gesundheitsstörungen ergeben. Das in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.02.2005 erwähnte "Abklingen des frischen postoperativen Zustandes" erstrecke sich über die ersten Wochen und allenfalls Monate nach einem Eingriff und könne nicht eine klinische Verbesserung mehr als 2 Jahre nach Tumorresektion bedingen. Vor diesem Hintergrund sei nicht nachzuvollziehen, dass mit Bescheid vom 27.09.2004 ein GdB von 100 und mit dem nachfolgenden Bescheid vom 26.02.2007 aber nur noch ein GdB von 80 festgestellt wurde. Der Kläger sei in der Lage, sich ohne Unterstützung, wenn auch breitbeinig, auf Zimmer - oder Wohnungsebene zu bewegen. Vor diesem Hintergrund liege keine außergewöhnliche Gehbehinderung vor, die in ihrer Schwere mit einer Querschnittslähmung zu vergleichen wäre. Nach dem Bericht der Neurologischen Abteilung der Fachkliniken H. vom 07.10.2002 sei der Kläger schon damals in der Lage gewesen, mit Hilfe eines Rollators 300 bis 400 m zurückzulegen. Es sei davon auszugehen, dass eine entsprechende Gehstrecke auch jetzt noch zuzumuten sei. Beim Kläger liege keine Blindheit vor, allerdings bestehe eine erhebliche Beeinträchtigung der Sehfähigkeit durch die ausgeprägte Augenbewegungsstörung. Diese Einschränkungen behinderten in erheblichem Ausmaß alle visuellen Leistungen wie beispielsweise das Lesen, die Arbeit am Bildschirm oder das Fernsehen bzw. Kino - oder Theaterbesuche, da szenische Abfolgen nicht rasch genug erfasst werden könnten. Hinzu komme eine Beeinträchtigung auch der akustischen Kommunikation in Folge eines Hörgeräusches beidseits und eine ataktische Dysarthrie. Es sei deshalb davon auszugehen, dass der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könne.
Das daraufhin vom Beklagten am 27.04.2009 unterbreitete Vergleichsangebot (GdB 100 über den 01.03.2007 hinaus), das auf den versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Pa. vom 15.04.2009 und Dr. W. vom 23.04.2009 beruhte, lehnte der Kläger ab. Das entsprechende Teilanerkenntnis des Beklagten vom 29.05.2009 nahm der Kläger an (Schriftsatz vom 16.06.2009). Im Übrigen verfolgte er sein Begehren weiter und verwies hinsichtlich des Nachteilsausgleiches RF auf die nicht unterschriebene Stellungnahme der Sprachtherapeutin Büchel vom 14.05.2009 und die Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. A ... Er könne nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen, weil ihn seine Sehbehinderung (Doppelbilder, verschwommen sehen) daran hindere, die Bildabfolge zu erfassen. Ferner habe er weiterhin Anspruch auf den Nachteilsausgleich aG, weil bei ihm eine sehr hohe Sturz- und Frakturgefährdung vorliege. Er habe schwerste Koordinationsprobleme, weshalb er ständig eine Begleitperson benötige. Selbst wenn er mit Hilfe eines Rollators 300 m bis 400 m bewältigen könne, wobei er nicht davon ausgehe, dass ihm dies möglich sei, sei zu berücksichtigen, dass auch z. B. Doppelunterschenkelamputierte mit Krücken und damit Hilfsmitteln gehen könnten, ohne dass diesen deshalb der Nachteilsausgleich aG nicht zuerkannt werden würde.
In der mündlichen Verhandlung am 19.11.2009 hörte das SG den Kläger an. Er gab an, einen Rollstuhl benutze er nicht. Auch den Rollator benutze er eigentlich gar nicht mehr. Wenn er gehe, rolle er den Fuß nicht ab, sondern humple, indem er den Fuß immer wieder gleich aufsetze. Wenn er kürzere Strecken zurücklege, habe er keine Schmerzen. Schmerzen träten gelegentlich bei längeren Strecken auf bzw. er müsse sich nach längeren Strecken ausruhen. Wenn er beispielsweise vom Einkaufen (mit seinem Vater) zurückkomme, müsse er sich hinlegen und ausruhen. Er mache aber zwischendurch viele Pausen. Er könne nicht genau sagen, nach wie vielen Metern er Beschwerden habe. Direkt nach der Operation habe er nicht gehen können. Es habe bestimmt 2 bis 3 Jahre gedauert, bis er wieder habe gehen können. Wenn er seinerzeit vom Bett aufgestanden sei, habe er sich auf allen vieren fortbewegt; insoweit sei eine Besserung eingetreten. Die Besserung sei aber als minimal zu bezeichnen.
Mit Urteil vom 19.11.2009 wies das SG die Klagen ab. Es verneinte einen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs RF, weil seine Sehbehinderung und die Beeinträchtigung seines Hörvermögens die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllten. Der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. A. , wonach der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen könne, folge es nicht. Zwar sei nachvollziehbar, dass der Kläger Probleme habe, öffentlichen Veranstaltungen zu folgen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei jedoch allein maßgebend, ob eine körperliche Teilnahme möglich sei. Es werde nicht zusätzlich eine ständige geistige Anteilnahme an der Veranstaltung verlangt. Die von Dr. Pe. und auch Dr. Di. beschriebenen auffälligen dyskoordinativen Armbewegungen, die unangenehm auffielen und Aufmerksamkeit auf sich lenkten, reichten allein nicht aus, um den Nachteilsausgleich RF zu begründen. Auch insoweit schließe es sich der Einschätzung des BSG an, wonach der Öffentlichkeit ein hohes Maß an Belastung durch behinderungsbedingte Auffälligkeiten zuzumuten sei. Behinderungsbedingte Auffälligkeiten, die unzumutbar, störend oder gar abstoßend wirken könnten, seien beim Kläger in der mündlichen Verhandlung auch in keiner Weise zu erkennen gewesen. Die Nachteilsausgleiche H und aG habe der Beklagte zu Recht entzogen. Der Kläger habe zwar erhebliche Probleme bei der Fortbewegung. Er gehe sehr breitbeinig und schwankend. Ihm sei es aber grundsätzlich möglich, sich ggf. unter Benutzung von Hilfsmitteln fortzubewegen. Auch sei insoweit eine wesentliche Besserung eingetreten, da der Kläger angegeben habe, sich mindestens 2 Jahre nach der Operation wenn überhaupt dann nur sehr mühselig fortbewegt zu haben.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 04.01.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.02.2010 Berufung eingelegt, mit der er sich nur noch gegen die Entziehung des Nachteilsausgleiches aG wendet und den Nachteilsausgleich RF geltend macht. Er habe Anspruch auf den Nachteilsausgleich RF, da es ihm nicht zugemutet werden könne, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, bei denen er zwar körperlich anwesend sei, jedoch durch die Besonderheiten seiner Behinderungen psychisch beeinträchtigt werde. Wenn er durch seine Sehbehinderungen in der vom Sachverständigen Prof. Dr. A. beschriebenen Weise seelisch dergestalt beeinträchtigt werde, dass er trivial gesagt "wahnsinnig" werde, wenn er Bilder betrachten müsse, die entweder in so schneller Abfolge vorbeigingen, dass er diese nicht wahrnehmen könne oder aber zu Doppelbilder führten, seien die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches RF erfüllt. Hinzu kämen die auffälligen dyskoordinativen Armbewegungen, die äußerst störend auf die Teilnehmer öffentlicher Veranstaltungen wirkten und deren Konzentration beeinträchtigten. Er habe auch weiterhin Anspruch auf den Nachteilsausgleich aG, da er sich auf Grund seiner Orientierungslosigkeit ohne Begleitperson nur fortbewegen könne, wenn er sich ständig an feststehenden Gegenständen abstützen könne. Ansonsten sei er auf eine Begleitperson angewiesen und könne keineswegs auf einem Rollator o. ä. Hilfsmitteln verwiesen werden. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass sich seine gesundheitliche Situation seit 02.03.2007 verbessert habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. November 2009 abzuändern und die Bescheide des Beklagten vom 21. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2004 sowie vom 26. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Nachteilsausgleich RF ab 23. Juli 2002 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger sei nicht allgemein und umfassend vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen. Der Kläger könne Konzerte, die nicht vorwiegend auf visueller, sondern auf akustischer Wahrnehmung basierten, besuchen. Der Nachteilsausgleich aG stehe ihm nicht (mehr) zu, da er mit einer Begleitperson - wobei der Nachteilsausgleich B festgestellt sei - durchaus in der Lage sei, sich außerhalb eines Kraftfahrzeugs ohne größere Anstrengung zu bewegen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat nach Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet.
Das SG hat die Klagen - soweit noch darüber zu befinden war - zu Recht abgewiesen. Der Beklagte hat zutreffend die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF verneint und die Voraussetzungen für die Aberkennung des Nachteilsausgleiches aG bejaht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den Nachteilsausgleich RF sowie darauf, dass ihm der Nachteilsausgleich aG über den 02.03.2007 hinaus verbleibt.
Streitgegenstand ist nur noch, ob der Beklagte die Feststellung des Nachteilsausgleiches RF zu Recht abgelehnt und den dem Kläger mit Bescheid vom 21.11.2002 zuerkannten Nachteilsausgleich aG zu Recht ab 02.03.2007 aberkannt hat. Nicht mehr Streitgegenstand ist die Höhe des GdB, da der Kläger das entsprechende Teilanerkenntnis des Beklagten (GdB über den 02.03.2007 hinaus 100) im erstinstanzlichen Verfahren angenommen hat. Auch die Aberkennung des Nachteilsausgleiches H ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens, nachdem der Kläger das Urteil des SG in diesem Punkt nicht angefochten hat und es daher insoweit rechtskräftig und damit bindend geworden ist.
Die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches RF waren bis 31.03.2005 in § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung der Landesregierung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 21.07.1992 des Landes Baden-Württemberg (GBl 1992, 578) geregelt. An deren Stelle trat zwar mit Wirkung ab 01.04.2005 Art. 5 § 6 Abs. 1 Nr. 8 des 8. Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 08. bis 15.10.2004 idF des Baden-Württembergischen Gesetzes vom 17.03.2005 (GBl 2005, 189). Diese Normen regeln jedoch inhaltsgleich die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Sie sind grundsätzlich für die inhaltliche Beurteilung, ob dem Kläger der Nachteilsausgleich RF zusteht, zugrunde zu legen (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2007, B 9/9a SB 3/06 R, Juris). Danach werden auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreit:
- Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem GdB von 60 allein wegen der Sehbehinderung - Hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfe nicht möglich ist - behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Der Kläger ist nicht blind und auch nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehindert mit einem GdB von 60 allein wegen der Sehbehinderung. Er ist ferner nicht in der für den Nachteilsausgleich RF erforderlichen Intensität hörgeschädigt. Weder die Sehbehinderung, die im Wesentlichen in einer ausgeprägten Augenbewegungsstörung besteht, die aber keinen GdB von 60 bedingt, noch die in einem beidseitigen Tinnitus bestehende Hörstörung haben ein Ausmaß, das es zuläßt, den Kläger dem insoweit begünstigten Personenkreis zuordnen zu können. Der Sachverständige Prof. Dr. A. , der die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs RF bejaht, begründet dies ebenfalls nicht mit der Zugehörigkeit des Klägers zu einer der in der zitierten Regelung eingangs genannten zwei Personengruppen. Der Senat hält die Darlegungen des SG im angefochtenen Urteil hierzu für zutreffend und nimmt - zur Vermeidung von Wiederholungen - insoweit zur Begründung seiner eigenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Zu Recht ist das SG auch zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger nicht an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann. Der entgegenstehenden Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. A. , die dieser - wie erwähnt - nicht mit Blindheit oder einer einen GdB von 60 bedingenden Sehbehinderung, sondern damit begründet hat, dass der Kläger wegen seinen okulomotorischen Funktionsstörungen und der Beeinträchtigung der akustischen Kommunikation an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könne, folgt der Senat nicht. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im visuellen Bereich, auf die im Berufungsverfahren zur Begründung des Nachteilsausgleiches RF hauptsächlich abgestellt wird, sind nicht derart, dass er damit allgemein von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen ist. Es genügt nämlich nicht, dass die Teilnahme an Veranstaltungen bestimmter Art nicht möglich ist. Nicht ausreichend ist deshalb, wenn Veranstaltungen, die mit der Notwendigkeit der Erfassung szenischer Abfolgen (wie z.B. Kino-, Theater- und Zirkusvorführungen) verbunden sind, visuell nicht gefolgt werden kann. Der körperlichen Anwesenheit des Klägers bei solchen Veranstaltungen stehen ebenso wie seiner geistigen Aufnahmefähigkeit keine gesundheitlichen Gründe entgegen. Dass der Kläger wegen seiner Sehbehinderung Darbietungen mit entsprechenden Szenenfolgen nicht (rasch genug) zu erfassen vermag, begründet keinen Anspruch auf diesen Nachteilsausgleich. Für den Fall, dass ein Behinderter infolge einer Beeinträchtigung seiner geistigen Aufnahmefähigkeit öffentliche Veranstaltungen nicht bis zum Ende folgen kann, hat dies das BSG (Urteil vom 11.09.1999 - 9 a/9 RF 15/89 -) bereits entschieden. In dieser Entscheidung hat das BSG betont, dass es nach der Systematik der (früheren) Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht keinem Zweifel unterliegen kann, dass in der betreffenden Regelung nur solche Behinderte mit einem GdB von wenigstens 80 gemeint sind, die allein physisch nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können, sei es wegen körperlicher Behinderung, sei es wegen Unzumutbarkeit für ihre Umgebung. Solche Gründe sind leicht erkennbar und in ihrer Auswirkung sicher zu beurteilen. Für geistige und seelische Beeinträchtigungen gilt das nicht. Gleiches hat zu gelten, wenn der Behinderte wegen einer visuellen Beeinträchtigung - teilweise - bestimmten Veranstaltungen nicht folgen kann. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Kläger physisch in der Lage ist, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Die visuelle Erfassung der Darbietungen ist hingegen - was die Erfassung der szenischen Abfolgen anbetrifft - eingeschränkt, was wiederum zu einer Störung der Wahrnehmung führt. Diese Wahrnehmungsstörung ist aber nicht mit einem Unvermögen, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, verbunden. Im Übrigen gibt es auch öffentliche Veranstaltungen, die keine (rasche) Erfassung szenischer Abfolgen erfordern. Hierzu gehören Messen, Jahrmärkte und Vorträge. Schon die Möglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen lässt aber den Anspruch auf den Nachteilsausgleich RF entfallen.
Der Senat folgt dem angefochtenen Urteil auch insoweit, als die durch die Koordinationsstörungen bedingten erheblichen Beeinträchtigungen der Bewegungsfähigkeit der oberen Extremitäten, die nach Prof. Dr. A. zeitweise zu unkoordinierten, aber willkürlich in Gang gesetzten Armbewegungen führen und zielgerichtete Bewegungen der Arme beeinträchtigen und eine erheblich verlangsamte, dysdiadochkinetische feinmotorische Beschränkung der Finger- und Handbewegungen darstellen, nicht auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken. Grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen liegen beim Kläger nicht vor. Prof. Dr. A. hat keine Auffälligkeiten des Muskeltonus, insbesondere keine Spastik bei seiner Untersuchung des Klägers erheben können. Auch ist er nicht geistig oder seelisch behindert, so dass befürchtet werden muss, dass er beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch aggressives Verhalten stört. Die im Bericht der Fachkliniken H. vom 07.10.2002 erwähnte Aggressivität des Klägers, die sich mitunter während der stationären Behandlung gezeigt hätte, bestand nach Behandlungsende nicht mehr und wird auch nachfolgend von keinem Arzt mehr beschrieben.
Dem Kläger wurde mit Neufeststellungsbescheid vom 26.02.2007 (Widerspruchsbescheid vom 05.03.2007) der Nachteilsausgleich aG ab 02.03.2007 zu Recht aberkannt. Diese Entscheidung des Beklagten beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Dies bejaht der Senat. Gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen, die zur Zeit des Bescheides vom 21.11.2002 (Vergleichsbescheid) vorlagen und mit denen die Verhältnisse zur Zeit der angegriffenen Bescheide verglichen werden müssen, ist eine wesentliche Änderung der Gestalt eingetreten, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG nicht mehr zu bejahen sind.
Nach § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) iVm §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, zuletzt geändert durch Art. 12 Nr. 4 des Gesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950), ist auf Antrag des behinderten Menschen der Nachteilsausgleich aG in den Schwerbehindertenausweis einzutragen, wenn der behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist. Ein solcher Vermerk ist Grundlage für die Inanspruchnahme von Parkerleichterungen, die von den Straßenverkehrsbehörden für bestimmte Ausnahmefälle vorgesehen sind.
Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Vorschrift ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO). Nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können, oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.
Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 23). Hierbei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG SozR 3-3250 § 69 Nr. 1).
Zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des betreffenden Widerspruchsbescheides vom 05.03.2007 hatte sich das Gehvermögen des Klägers im Vergleich zu den zur Zeit des Bescheides vom 21.11.2002 bestehenden gesundheitlichen Verhältnissen wesentlich gebessert, so dass eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu bejahen ist.
Der Kläger ist - jedenfalls seit 02.03.2007 - nicht mehr außergewöhnlich gehbehindert. Nach dem neurologischen Gutachten von Prof. Dr. A. , das auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 08.01.2009 beruht, ist der Kläger in der Lage, sich ohne Unterstützung, wenn auch breitbeinig, auf Zimmer- oder Wohnungsebene zu bewegen. Vor diesem Hintergrund - so der Sachverständige - liege keine außergewöhnliche Gehbehinderung vor, die in ihrer Schwere mit einer Querschnittslähmung zu vergleichen wäre. Dieser Beurteilung folgt der Senat auch für den hier maßgeblichen Zeitpunkt (02.03.2007), da nicht ersichtlich ist, dass das Gehvermögen des Klägers zu dem Zeitpunkt noch stärker als zum Zeitpunkt seiner Untersuchung am 08.01.2009 beeinträchtigt war. Der Senat geht ferner davon aus, dass sich der Kläger nicht nur auf Zimmer- oder Wohnungsebene, sondern auch außerhalb eines Kraftfahrzeuges ohne fremde Hilfe und ohne große Anstrengung fortbewegen kann.
Die Einschätzungen der vom SG gehörten behandelnden Ärzte des Klägers sprechen ebenfalls nicht dafür, dass der Kläger am 02.03.2007 noch außergewöhnlich gehbehindert war. In den Berichten von Dr. Pe. vom 17.11.2007, Dr. Di. vom 20.11.2007 und Dr. Ta. vom 25.11.2007 ist zwar von ausgeprägter Spastizität und Gehbehinderung (Dr. Pe. ), schwereren Gangstörung (Dr. Di. ) bzw. ausgeprägten Gang- und Rumpfataxie (Dr. Ta. ) die Rede. Dass der Kläger nur noch mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung (letzteres von den ersten Schritten an) gehen kann, ergibt sich daraus jedoch nicht. Dies stimmt auch mit dem eigenen Angaben des Klägers vom 19.11.2009 gegenüber dem SG überein. Danach benutzt er keinen Rollstuhl und auch keinen Rollator mehr. Das Zurücklegen kürzerer Strecken bereite ihm keine Schmerzen, während er nach längeren Strecken gelegentlich Schmerzen habe und sich ausruhen müsse. Dass er nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung gehen kann, lässt sich dem ebenfalls nicht entnehmen. Vielmehr kann er der von den Ärzten berichteten Sturzneigung wirksam und zumutbar mit dem Rollator begegnen; ansonsten ist der Kläger in der Lage, alleine zu gehen.
Soweit der Kläger mit der Berufung geltend macht, ihm stehe der Nachteilsausgleich aG weiter zu, da er sich aufgrund seiner Orientierungslosigkeit ohne Begleitperson nur fortbewegen könne, wenn er sich ständig an feststehenden Gegenständen abstützen könne, folgt ihm der Senat nicht. Aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG ergibt sich, dass es allein auf das Maß der Gehbehinderung ankommt. Auch der Zusammenhang mit der Regelung in der VwV-StVO macht den Gesetzeszweck deutlich, dass das Restgehvermögen für den Nachteilsausgleich "aG" maßgebend ist. Nach der an diesem Gesetzeszweck orientierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) muss daher der Leidenszustand die Möglichkeit der Fortbewegung auf das Schwerste behindern (grundlegend Urteil vom 08.05.1981 - 9 RVs 5/80 -). Die genannte Rechtsprechung ist in der Folgezeit durch weitere Entscheidungen des BSG bestätigt worden (z.B. Urteile vom 06.11.1985 - 9a RVs 7/83 - und vom 13.12.1994 - 9 RVs 3/94 - betreffend Anfallsleiden und Störungen der Orientierungsfähigkeit; zuletzt Urteile vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - und 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R betreffend dem Begriff der großen Anstrengung). Allen genannten Entscheidungen gemein ist, dass der Nachteilsausgleich aG eine Einschränkung des Gehvermögens des betreffenden Behinderten auf das Schwerste erfordert. Orientierungsstörungen reichen hierfür nach der og. Rechtsprechung des BSG gerade nicht aus. Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Senats. Die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches aG sind mithin nicht (mehr) erfüllt.
Die Änderung des das Gehvermögen des Klägers betreffenden Gesundheitszustandes war auch wesentlich im Sinne des § 48 SGB X. Wesentlich wäre sie nur dann nicht, wenn die Entscheidung im Vergleichsbescheid vom 21.11.2002 unrichtig gewesen wäre, der Kläger also damals keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleiches aG gehabt hätte (vgl. BSG, Urteil vom 11.10.1994 - 9 RVs 9/93 -). Dies war aber nicht der Fall. Maßgebend dafür, dass dem Kläger mit Bescheid vom 21.11.2002 auch der Nachteilsausgleich aG zuerkannt worden ist, war der Bericht der Fachkliniken H. vom 07.10.2002 und die hierzu eingeholte versorgungsärztliche Stellungnahme. Im Klinikbericht war ausgeführt, dass der Kläger gegen Schluss des stationären Aufenthalts mit Hilfe eines Unterarmgehstützwagens ca. 50 bis 100 m habe zurücklegen können und zuletzt auch das selbständige Gehen mit Hilfe eines Easywalkers ca. 300 bis 400 m möglich gewesen sei. Beim selbständigen Gehen ohne Hilfe oder Begleitperson - so der Bericht - bestand noch massive Sturzgefahr. In welcher Zeitdauer die Wegstrecke bewältigt werden konnte, war nicht angeführt. Versorgungsärztlicherseits wurde daraus der Schluss gezogen, dass die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG erfüllt sind. Dass dabei der bestehende Beurteilungsspielraum überschritten worden ist, kann nicht angenommen werden, da bei umfassender Würdigung des Sachverhalts davon ausgegangen werden kann, dass zu diesem Zeitpunkt das Gehen nur mit großer Anstrengung quasi ab den ersten Schritten möglich war. Hierzu passen die glaubhaften Angaben des Klägers gegenüber dem SG, wonach er direkt nach der Operation nicht habe gehen können und er sich nach dem Aufstehen aus dem Bett auf allen Vieren fortbewegt habe. Es habe bestimmt 2 bis 3 Jahre gedauert, bis er wieder habe gehen können. Für den Senat steht deshalb fest, dass der Kläger in der Zeit nach der Gehirnoperation im Mai 2002 nicht ohne fremde Hilfe bzw. nur mit großer Anstrengung gehen konnte, dass sich sein Gehvermögen aber nach und nach so gebessert hat, dass jedenfalls seit 02.03.2007 keine außergewöhnliche Gehbehinderung mehr vorliegt. Eine Besserung hat auch der Kläger selbst eingeräumt, sie aber - nach Auffassung des Senats unzutreffend - nur als minimal bezeichnet.
Die Berufung des Klägers erweist sich somit als unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 192 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob der Beklagte zu Recht den Nachteilsausgleich aG aberkannt und die Feststellung des Nachteilsausgleiches RF abgelehnt hat.
Bei dem am 1975 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt Stuttgart (VA) mit Bescheid vom 21.11.2002 unter Berücksichtigung einer Gewebserkrankung des Gehirns ab 23.07.2002 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Nachteilsausgleiche G, B, H und aG fest. Die Feststellung des Nachteilsausgleiches RF wurde hingegen abgelehnt. Diesen Entscheidungen lag der Bericht der Fachkliniken H. vom 07.10.2002 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 06.06. bis 03.10.2002 zugrunde, während der am 06.05.2002 ein Astrozytom WHO Grad I cerebellär entfernt und wegen eines Zustandes nach Hydrozephalus occlusus am 13.05.2002 ein ventrikulo-peritonealer Shunt angelegt worden war. Nach dem Klinikbericht konnte der Kläger gegen Schluss des stationären Aufenthalts mit Hilfe eines Unterarmgehstützwagens ca. 50 bis 100 m zurücklegen. Zuletzt war danach auch das selbständige Gehen mit Hilfe eines Easywalkers ca. 300 bis 400 m möglich. Beim selbständigen Gehen ohne Hilfe oder Begleitperson bestand noch massive Sturzgefahr.
Gegen die Versagung des Nachteilsausgleiches RF legte der Vater des Klägers, der seit 06.08.2002 Generalvollmacht hatte, mit der Begründung, der Kläger könne das Haus kaum verlassen, am 18.12.2002 Widerspruch ein. Nach Beiziehung des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des Klägers vom 16.12.2002 und Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Ha. vom 11.02.2004, wonach die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen unter Verwendung von Hilfsmitteln und in Begleitung möglich erscheine (das Gehvermögen zeige zwar auch eine Besserungstendenz, für den Entzug von aG sei die Besserung noch zu gering und er empfehle eine Nachuntersuchung in einem Jahr) wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 09.09.2004 zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 07.10.2004 Klage (S 19 SB 6680/04) zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Mit Beschluss vom 11.03.2005 ordnete das SG das Ruhen des Verfahrens an.
Nach Anhörung des Klägers (Schreiben des VA vom 31.03.2004) hob das VA mit Bescheid vom 27.09.2004 die Feststellung des Nachteilsausgleichs H im Bescheid vom 21.11.2002 ab 30.09.2004 mit der Begründung auf, aus dem Pflegegutachten vom 16.12.2002 gehe eine wesentliche Besserung hervor. Die Hände könnten wieder besser eingesetzt werden und Gehen sei in Begleitung möglich. Der GdB betrage weiterhin 100.
Dagegen legte der Kläger am 07.10.2004 Widerspruch ein. Das VA zog den Bericht der R.-Klinik W. vom 31.07.2004 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 19.07. bis 31.07.2004 und das Gutachten des MDK Baden-Württemberg zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit vom 19.11.2004 bei. Nach dem Bericht der R.-Klinik vom 31.07.2004 stand eine deutliche ataktische Störung mit Beeinträchtigung der ADL und der Gehfähigkeit im Vordergrund. Hierzu äußerte sich am 16.02.2005 Dr. Ge. vom Ärztlichen Dienst des inzwischen zuständig gewordenen Landratsamts B. (LRA) dahingehend, dass die Gehfähigkeit des Klägers nicht auf das Schwerste eingeschränkt sei. Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sei in nennenswertem Umfang zumutbar. Fast 3 Jahre nach der Operation liege kein Rezidiv vor und der frische postoperative Zustand sei abgeklungen, so dass eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Funktionsstörungen (Gewebserkrankung des Gehirns, operiert, Hydrozephalus [mit Ventil versorgt], hirnorganisches Psychosyndrom und Störungen der Koordination) bestehe nun ein GdB von nur noch 80 und die Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche G und B, hingegen nicht mehr die der Nachteilsausgleiche H und aG. Anschließend holte das LRA noch den Befundbericht des Neurologen und Psychiater Dr. Pe. vom 20.07.2005 (Befunde u. a.: durchgehende Spastik linksbetont, Gang erschwert, an den Rollstuhl gebunden) ein und zog das Pflegegutachten des MDK Baden-Württemberg vom 20.12.2005 bei. In letzterem wird das Gangbild als ataktisch, unsicher mit deutlicher Sturzgefahr beschrieben. Der Kläger sei bei der Untersuchung alleine gegangen und habe sich an einem Schrank angestoßen. Es bestehe Begleitungsbedarf. Mit Bescheid vom 26.02.2007 hob das LRA nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 11.01.2007) die Bescheide vom 21.11.2002 und 27.09.2004 auf und stellte ab 02.03.2007 ein GdB von nur noch 80 fest. Die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG wurden ab diesem Zeitpunkt (und die des Nachteilsausgleiches H ab 30.09.2004) verneint. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2007 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch gegen die Bescheide vom 27.09.2004 und 26.02.2007 zurück.
Am 05.04.2007 erhob der Kläger Klage (S 19 SB 2758/07) zum SG, mit der er sich gegen die Herabsetzung des GdB von 100 auf 80 und die Entziehung der Nachteilsausgleiche H und aG wandte.
Am 19.04.2007 rief der Kläger das ruhende Verfahren S 19 SB 6680/04 wieder an (nun S 19 SB 3161/07) und machte geltend, ihm stehe der Nachteilsausgleich RF zu, nachdem ihm von anderen eine aggressive Haltung bescheinigt worden sei und zum begünstigten Personenkreis geistig oder seelisch behinderte Menschen gehörten, bei denen befürchtet werden müsse, dass sie beim Besuch von öffentlichen Veranstaltungen durch aggressives Verhalten störten.
Das SG hörte zunächst im Verfahren S 19 SB 3161/07 den Orthopäden Dr. P. , Dr. Pe. , den Neurologen und Psychiater Dr. Di. und den praktischen Arzt Dr. Ta. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. P. gab unter Beifügung des Untersuchungsberichts der Ärztin für Neurologie Dr. S.-G. vom 25.09.2006 an (Aussage vom 13.11.2007), er habe während der Behandlung des Klägers vom 13.03.2006 bis 20.10.2007 eine chronische Lumbalgie, eine persistente Lumboischialgie, kontrakte Senk-Spreizfüße beiderseits und eine Kniegelenksarthralgie beidseits diagnostiziert. Diese Gesundheitsstörungen bewerte er als geringfügig bis leicht. Dr. Pe. berichtete unter dem 17.11.2007 über die Behandlung des Klägers seit 04.10.2002 und diagnostizierte neben dem Kleinhirntumor eine Hemiparesis spastica sinistra und ein initiales hirnorganisches Psychosyndrom. Er bejahte eine Blindheit oder eine wesentliche Sehbehinderung und verneinte Gehörlosigkeit. Es bestehe eine ausgeprägte Spastizität und Gehbehinderung. Die auffälligen dyskoordinativen Armbewegungen, die beim Kläger zu beobachten seien, würden anderen Menschen (Zuschauer im Theater, Kino ...) nicht angenehm auffallen und Aufmerksamkeit ablenken. Der den Kläger seit 12.06.2006 behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. Di. gab unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen an (Aussage vom 20.11.2007), der Kläger leide an einer schwereren Gangstörung. Es bestehe eine Sehbinderung durch die Lähmung des N. abducens und einen permanenten Blickrichtungsnystagmus. Eine Verständigung sei zur Zeit ohne Hörhilfe möglich. Der Kläger könne an öffentlichen Veranstaltungen nur sehr bedingt teilnehmen, weil er gar keine richtige Durchhaltefähigkeit habe und wegen der Bewegungsstörungen auffalle. Der praktische Arzt Dr. Ta. teilte mit (Aussage vom 25.11.2007), der Kläger habe sich bis Januar 2006 in seiner hausärztlichen Betreuung befunden. Seither habe er ihn nicht mehr gesehen. Beim Kläger liege eine ausgeprägte Gang- und Rumpfataxie vor, was eine deutliche Bewegungsstörung darstelle.
Nach Verbindung der beiden Klageverfahren (Verbindungsbeschluss vom 22.09.2008) holte das SG von Prof. Dr. A. , Chefarzt der Neurologischen Abteilung der Fachkliniken H. , ein Gutachten ein. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 08.01.2009 gelangte der Sachverständige in seinem neurologischen Gutachten vom 20.01.2009 zu dem Ergebnis, der Kläger leide an einer Gangataxie mit ausgeprägter Sturz- und Frakturgefährdung, an Okulomotorikstörungen (Augenbeweglichkeit) mit sakkadierter Blickfolge und Blickrichtungsnystagmus einhergehend mit Doppelbildern beim Blick nach links und verschwommen Sehen beim Blick geradeaus und nach rechts, einer ataktischen Dysarthrie (Beeinträchtigung von Artikulation und Stimmgebung), einer Dysmetrie zielgerichteter Bewegungen der oberen Extremitäten und Feinmotorikstörung sowie Dysdiadochokinesie der Hände und einem Tinnitus beidseits. Er bewertete die Gesundheitsstörungen auf neurologischem Fachgebiet (cerebeläre Koordinationsstörungen im Bereich aller Teilsysteme der Motorik) mit einem GdB von 100 und die Gesundheitsstörungen auf orthopädisch/unfallchirurgischem Gebiet mit einem GdB von 10. Den Gesamt-GdB schätzte er seit 2004 auf 100 ein. Im Unterschied zur Diagnose von Dr. Pe. vom 17.11.2007 sei beim Kläger keine "Hemiparesis spastica sinistra" nachzuweisen. Insoweit stimme er mit dem Arztbrief der R.-Klinik W. vom 31.07.2004 überein. Abweichend von der Beurteilung von Dr. Di. vom 20.11.2007 habe er auch keine wesentliche Anhaltspunkte für ein hirnorganisches Psychosyndrom gefunden. Die versorgungsärztliche Bewertung der Funktionsstörung des Klägers mit einem GdB von 80 berücksichtige nicht die vorliegend ausgeprägten Augenbewegungsstörungen. Der von ihm erhobene klinisch-neurologische und psychopathologische Befund stimme mit den Angaben im Bericht der R.-Klinik Bad W. vom 31.07.2004 völlig überein. Aus medizinischer Sicht könne auch nicht erwartet werden, dass sich 2 Jahre nach erfolgter Tumorresektion - sofern sich kein Rezidiv ausbilde - noch wesentliche Änderungen der Gesundheitsstörungen ergeben. Das in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.02.2005 erwähnte "Abklingen des frischen postoperativen Zustandes" erstrecke sich über die ersten Wochen und allenfalls Monate nach einem Eingriff und könne nicht eine klinische Verbesserung mehr als 2 Jahre nach Tumorresektion bedingen. Vor diesem Hintergrund sei nicht nachzuvollziehen, dass mit Bescheid vom 27.09.2004 ein GdB von 100 und mit dem nachfolgenden Bescheid vom 26.02.2007 aber nur noch ein GdB von 80 festgestellt wurde. Der Kläger sei in der Lage, sich ohne Unterstützung, wenn auch breitbeinig, auf Zimmer - oder Wohnungsebene zu bewegen. Vor diesem Hintergrund liege keine außergewöhnliche Gehbehinderung vor, die in ihrer Schwere mit einer Querschnittslähmung zu vergleichen wäre. Nach dem Bericht der Neurologischen Abteilung der Fachkliniken H. vom 07.10.2002 sei der Kläger schon damals in der Lage gewesen, mit Hilfe eines Rollators 300 bis 400 m zurückzulegen. Es sei davon auszugehen, dass eine entsprechende Gehstrecke auch jetzt noch zuzumuten sei. Beim Kläger liege keine Blindheit vor, allerdings bestehe eine erhebliche Beeinträchtigung der Sehfähigkeit durch die ausgeprägte Augenbewegungsstörung. Diese Einschränkungen behinderten in erheblichem Ausmaß alle visuellen Leistungen wie beispielsweise das Lesen, die Arbeit am Bildschirm oder das Fernsehen bzw. Kino - oder Theaterbesuche, da szenische Abfolgen nicht rasch genug erfasst werden könnten. Hinzu komme eine Beeinträchtigung auch der akustischen Kommunikation in Folge eines Hörgeräusches beidseits und eine ataktische Dysarthrie. Es sei deshalb davon auszugehen, dass der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könne.
Das daraufhin vom Beklagten am 27.04.2009 unterbreitete Vergleichsangebot (GdB 100 über den 01.03.2007 hinaus), das auf den versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Pa. vom 15.04.2009 und Dr. W. vom 23.04.2009 beruhte, lehnte der Kläger ab. Das entsprechende Teilanerkenntnis des Beklagten vom 29.05.2009 nahm der Kläger an (Schriftsatz vom 16.06.2009). Im Übrigen verfolgte er sein Begehren weiter und verwies hinsichtlich des Nachteilsausgleiches RF auf die nicht unterschriebene Stellungnahme der Sprachtherapeutin Büchel vom 14.05.2009 und die Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. A ... Er könne nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen, weil ihn seine Sehbehinderung (Doppelbilder, verschwommen sehen) daran hindere, die Bildabfolge zu erfassen. Ferner habe er weiterhin Anspruch auf den Nachteilsausgleich aG, weil bei ihm eine sehr hohe Sturz- und Frakturgefährdung vorliege. Er habe schwerste Koordinationsprobleme, weshalb er ständig eine Begleitperson benötige. Selbst wenn er mit Hilfe eines Rollators 300 m bis 400 m bewältigen könne, wobei er nicht davon ausgehe, dass ihm dies möglich sei, sei zu berücksichtigen, dass auch z. B. Doppelunterschenkelamputierte mit Krücken und damit Hilfsmitteln gehen könnten, ohne dass diesen deshalb der Nachteilsausgleich aG nicht zuerkannt werden würde.
In der mündlichen Verhandlung am 19.11.2009 hörte das SG den Kläger an. Er gab an, einen Rollstuhl benutze er nicht. Auch den Rollator benutze er eigentlich gar nicht mehr. Wenn er gehe, rolle er den Fuß nicht ab, sondern humple, indem er den Fuß immer wieder gleich aufsetze. Wenn er kürzere Strecken zurücklege, habe er keine Schmerzen. Schmerzen träten gelegentlich bei längeren Strecken auf bzw. er müsse sich nach längeren Strecken ausruhen. Wenn er beispielsweise vom Einkaufen (mit seinem Vater) zurückkomme, müsse er sich hinlegen und ausruhen. Er mache aber zwischendurch viele Pausen. Er könne nicht genau sagen, nach wie vielen Metern er Beschwerden habe. Direkt nach der Operation habe er nicht gehen können. Es habe bestimmt 2 bis 3 Jahre gedauert, bis er wieder habe gehen können. Wenn er seinerzeit vom Bett aufgestanden sei, habe er sich auf allen vieren fortbewegt; insoweit sei eine Besserung eingetreten. Die Besserung sei aber als minimal zu bezeichnen.
Mit Urteil vom 19.11.2009 wies das SG die Klagen ab. Es verneinte einen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung des Nachteilsausgleichs RF, weil seine Sehbehinderung und die Beeinträchtigung seines Hörvermögens die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllten. Der Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. A. , wonach der Kläger an öffentlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen könne, folge es nicht. Zwar sei nachvollziehbar, dass der Kläger Probleme habe, öffentlichen Veranstaltungen zu folgen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei jedoch allein maßgebend, ob eine körperliche Teilnahme möglich sei. Es werde nicht zusätzlich eine ständige geistige Anteilnahme an der Veranstaltung verlangt. Die von Dr. Pe. und auch Dr. Di. beschriebenen auffälligen dyskoordinativen Armbewegungen, die unangenehm auffielen und Aufmerksamkeit auf sich lenkten, reichten allein nicht aus, um den Nachteilsausgleich RF zu begründen. Auch insoweit schließe es sich der Einschätzung des BSG an, wonach der Öffentlichkeit ein hohes Maß an Belastung durch behinderungsbedingte Auffälligkeiten zuzumuten sei. Behinderungsbedingte Auffälligkeiten, die unzumutbar, störend oder gar abstoßend wirken könnten, seien beim Kläger in der mündlichen Verhandlung auch in keiner Weise zu erkennen gewesen. Die Nachteilsausgleiche H und aG habe der Beklagte zu Recht entzogen. Der Kläger habe zwar erhebliche Probleme bei der Fortbewegung. Er gehe sehr breitbeinig und schwankend. Ihm sei es aber grundsätzlich möglich, sich ggf. unter Benutzung von Hilfsmitteln fortzubewegen. Auch sei insoweit eine wesentliche Besserung eingetreten, da der Kläger angegeben habe, sich mindestens 2 Jahre nach der Operation wenn überhaupt dann nur sehr mühselig fortbewegt zu haben.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 04.01.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.02.2010 Berufung eingelegt, mit der er sich nur noch gegen die Entziehung des Nachteilsausgleiches aG wendet und den Nachteilsausgleich RF geltend macht. Er habe Anspruch auf den Nachteilsausgleich RF, da es ihm nicht zugemutet werden könne, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, bei denen er zwar körperlich anwesend sei, jedoch durch die Besonderheiten seiner Behinderungen psychisch beeinträchtigt werde. Wenn er durch seine Sehbehinderungen in der vom Sachverständigen Prof. Dr. A. beschriebenen Weise seelisch dergestalt beeinträchtigt werde, dass er trivial gesagt "wahnsinnig" werde, wenn er Bilder betrachten müsse, die entweder in so schneller Abfolge vorbeigingen, dass er diese nicht wahrnehmen könne oder aber zu Doppelbilder führten, seien die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleiches RF erfüllt. Hinzu kämen die auffälligen dyskoordinativen Armbewegungen, die äußerst störend auf die Teilnehmer öffentlicher Veranstaltungen wirkten und deren Konzentration beeinträchtigten. Er habe auch weiterhin Anspruch auf den Nachteilsausgleich aG, da er sich auf Grund seiner Orientierungslosigkeit ohne Begleitperson nur fortbewegen könne, wenn er sich ständig an feststehenden Gegenständen abstützen könne. Ansonsten sei er auf eine Begleitperson angewiesen und könne keineswegs auf einem Rollator o. ä. Hilfsmitteln verwiesen werden. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass sich seine gesundheitliche Situation seit 02.03.2007 verbessert habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. November 2009 abzuändern und die Bescheide des Beklagten vom 21. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2004 sowie vom 26. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Nachteilsausgleich RF ab 23. Juli 2002 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger sei nicht allgemein und umfassend vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen. Der Kläger könne Konzerte, die nicht vorwiegend auf visueller, sondern auf akustischer Wahrnehmung basierten, besuchen. Der Nachteilsausgleich aG stehe ihm nicht (mehr) zu, da er mit einer Begleitperson - wobei der Nachteilsausgleich B festgestellt sei - durchaus in der Lage sei, sich außerhalb eines Kraftfahrzeugs ohne größere Anstrengung zu bewegen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat nach Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet.
Das SG hat die Klagen - soweit noch darüber zu befinden war - zu Recht abgewiesen. Der Beklagte hat zutreffend die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF verneint und die Voraussetzungen für die Aberkennung des Nachteilsausgleiches aG bejaht. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den Nachteilsausgleich RF sowie darauf, dass ihm der Nachteilsausgleich aG über den 02.03.2007 hinaus verbleibt.
Streitgegenstand ist nur noch, ob der Beklagte die Feststellung des Nachteilsausgleiches RF zu Recht abgelehnt und den dem Kläger mit Bescheid vom 21.11.2002 zuerkannten Nachteilsausgleich aG zu Recht ab 02.03.2007 aberkannt hat. Nicht mehr Streitgegenstand ist die Höhe des GdB, da der Kläger das entsprechende Teilanerkenntnis des Beklagten (GdB über den 02.03.2007 hinaus 100) im erstinstanzlichen Verfahren angenommen hat. Auch die Aberkennung des Nachteilsausgleiches H ist nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens, nachdem der Kläger das Urteil des SG in diesem Punkt nicht angefochten hat und es daher insoweit rechtskräftig und damit bindend geworden ist.
Die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches RF waren bis 31.03.2005 in § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung der Landesregierung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 21.07.1992 des Landes Baden-Württemberg (GBl 1992, 578) geregelt. An deren Stelle trat zwar mit Wirkung ab 01.04.2005 Art. 5 § 6 Abs. 1 Nr. 8 des 8. Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 08. bis 15.10.2004 idF des Baden-Württembergischen Gesetzes vom 17.03.2005 (GBl 2005, 189). Diese Normen regeln jedoch inhaltsgleich die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Sie sind grundsätzlich für die inhaltliche Beurteilung, ob dem Kläger der Nachteilsausgleich RF zusteht, zugrunde zu legen (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2007, B 9/9a SB 3/06 R, Juris). Danach werden auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreit:
- Blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem GdB von 60 allein wegen der Sehbehinderung - Hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfe nicht möglich ist - behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Der Kläger ist nicht blind und auch nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehindert mit einem GdB von 60 allein wegen der Sehbehinderung. Er ist ferner nicht in der für den Nachteilsausgleich RF erforderlichen Intensität hörgeschädigt. Weder die Sehbehinderung, die im Wesentlichen in einer ausgeprägten Augenbewegungsstörung besteht, die aber keinen GdB von 60 bedingt, noch die in einem beidseitigen Tinnitus bestehende Hörstörung haben ein Ausmaß, das es zuläßt, den Kläger dem insoweit begünstigten Personenkreis zuordnen zu können. Der Sachverständige Prof. Dr. A. , der die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs RF bejaht, begründet dies ebenfalls nicht mit der Zugehörigkeit des Klägers zu einer der in der zitierten Regelung eingangs genannten zwei Personengruppen. Der Senat hält die Darlegungen des SG im angefochtenen Urteil hierzu für zutreffend und nimmt - zur Vermeidung von Wiederholungen - insoweit zur Begründung seiner eigenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Zu Recht ist das SG auch zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger nicht an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann. Der entgegenstehenden Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. A. , die dieser - wie erwähnt - nicht mit Blindheit oder einer einen GdB von 60 bedingenden Sehbehinderung, sondern damit begründet hat, dass der Kläger wegen seinen okulomotorischen Funktionsstörungen und der Beeinträchtigung der akustischen Kommunikation an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen könne, folgt der Senat nicht. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im visuellen Bereich, auf die im Berufungsverfahren zur Begründung des Nachteilsausgleiches RF hauptsächlich abgestellt wird, sind nicht derart, dass er damit allgemein von öffentlichen Zusammenkünften ausgeschlossen ist. Es genügt nämlich nicht, dass die Teilnahme an Veranstaltungen bestimmter Art nicht möglich ist. Nicht ausreichend ist deshalb, wenn Veranstaltungen, die mit der Notwendigkeit der Erfassung szenischer Abfolgen (wie z.B. Kino-, Theater- und Zirkusvorführungen) verbunden sind, visuell nicht gefolgt werden kann. Der körperlichen Anwesenheit des Klägers bei solchen Veranstaltungen stehen ebenso wie seiner geistigen Aufnahmefähigkeit keine gesundheitlichen Gründe entgegen. Dass der Kläger wegen seiner Sehbehinderung Darbietungen mit entsprechenden Szenenfolgen nicht (rasch genug) zu erfassen vermag, begründet keinen Anspruch auf diesen Nachteilsausgleich. Für den Fall, dass ein Behinderter infolge einer Beeinträchtigung seiner geistigen Aufnahmefähigkeit öffentliche Veranstaltungen nicht bis zum Ende folgen kann, hat dies das BSG (Urteil vom 11.09.1999 - 9 a/9 RF 15/89 -) bereits entschieden. In dieser Entscheidung hat das BSG betont, dass es nach der Systematik der (früheren) Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht keinem Zweifel unterliegen kann, dass in der betreffenden Regelung nur solche Behinderte mit einem GdB von wenigstens 80 gemeint sind, die allein physisch nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können, sei es wegen körperlicher Behinderung, sei es wegen Unzumutbarkeit für ihre Umgebung. Solche Gründe sind leicht erkennbar und in ihrer Auswirkung sicher zu beurteilen. Für geistige und seelische Beeinträchtigungen gilt das nicht. Gleiches hat zu gelten, wenn der Behinderte wegen einer visuellen Beeinträchtigung - teilweise - bestimmten Veranstaltungen nicht folgen kann. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Kläger physisch in der Lage ist, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Die visuelle Erfassung der Darbietungen ist hingegen - was die Erfassung der szenischen Abfolgen anbetrifft - eingeschränkt, was wiederum zu einer Störung der Wahrnehmung führt. Diese Wahrnehmungsstörung ist aber nicht mit einem Unvermögen, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, verbunden. Im Übrigen gibt es auch öffentliche Veranstaltungen, die keine (rasche) Erfassung szenischer Abfolgen erfordern. Hierzu gehören Messen, Jahrmärkte und Vorträge. Schon die Möglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen lässt aber den Anspruch auf den Nachteilsausgleich RF entfallen.
Der Senat folgt dem angefochtenen Urteil auch insoweit, als die durch die Koordinationsstörungen bedingten erheblichen Beeinträchtigungen der Bewegungsfähigkeit der oberen Extremitäten, die nach Prof. Dr. A. zeitweise zu unkoordinierten, aber willkürlich in Gang gesetzten Armbewegungen führen und zielgerichtete Bewegungen der Arme beeinträchtigen und eine erheblich verlangsamte, dysdiadochkinetische feinmotorische Beschränkung der Finger- und Handbewegungen darstellen, nicht auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken. Grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen liegen beim Kläger nicht vor. Prof. Dr. A. hat keine Auffälligkeiten des Muskeltonus, insbesondere keine Spastik bei seiner Untersuchung des Klägers erheben können. Auch ist er nicht geistig oder seelisch behindert, so dass befürchtet werden muss, dass er beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch aggressives Verhalten stört. Die im Bericht der Fachkliniken H. vom 07.10.2002 erwähnte Aggressivität des Klägers, die sich mitunter während der stationären Behandlung gezeigt hätte, bestand nach Behandlungsende nicht mehr und wird auch nachfolgend von keinem Arzt mehr beschrieben.
Dem Kläger wurde mit Neufeststellungsbescheid vom 26.02.2007 (Widerspruchsbescheid vom 05.03.2007) der Nachteilsausgleich aG ab 02.03.2007 zu Recht aberkannt. Diese Entscheidung des Beklagten beruht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsakts vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Dies bejaht der Senat. Gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen, die zur Zeit des Bescheides vom 21.11.2002 (Vergleichsbescheid) vorlagen und mit denen die Verhältnisse zur Zeit der angegriffenen Bescheide verglichen werden müssen, ist eine wesentliche Änderung der Gestalt eingetreten, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG nicht mehr zu bejahen sind.
Nach § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) iVm §§ 1 Abs. 4 und 3 Abs. 1 Nr. 1 der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, zuletzt geändert durch Art. 12 Nr. 4 des Gesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950), ist auf Antrag des behinderten Menschen der Nachteilsausgleich aG in den Schwerbehindertenausweis einzutragen, wenn der behinderte Mensch außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften ist. Ein solcher Vermerk ist Grundlage für die Inanspruchnahme von Parkerleichterungen, die von den Straßenverkehrsbehörden für bestimmte Ausnahmefälle vorgesehen sind.
Eine derartige straßenverkehrsrechtliche Vorschrift ist die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO). Nach Abschnitt II Nr. 1 der VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können, oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind.
Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Nr. 11 Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 1. Halbsatz VwV-StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 23). Hierbei ist zu beachten, dass die maßgebenden straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften nicht darauf abstellen, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG SozR 3-3250 § 69 Nr. 1).
Zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des betreffenden Widerspruchsbescheides vom 05.03.2007 hatte sich das Gehvermögen des Klägers im Vergleich zu den zur Zeit des Bescheides vom 21.11.2002 bestehenden gesundheitlichen Verhältnissen wesentlich gebessert, so dass eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu bejahen ist.
Der Kläger ist - jedenfalls seit 02.03.2007 - nicht mehr außergewöhnlich gehbehindert. Nach dem neurologischen Gutachten von Prof. Dr. A. , das auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 08.01.2009 beruht, ist der Kläger in der Lage, sich ohne Unterstützung, wenn auch breitbeinig, auf Zimmer- oder Wohnungsebene zu bewegen. Vor diesem Hintergrund - so der Sachverständige - liege keine außergewöhnliche Gehbehinderung vor, die in ihrer Schwere mit einer Querschnittslähmung zu vergleichen wäre. Dieser Beurteilung folgt der Senat auch für den hier maßgeblichen Zeitpunkt (02.03.2007), da nicht ersichtlich ist, dass das Gehvermögen des Klägers zu dem Zeitpunkt noch stärker als zum Zeitpunkt seiner Untersuchung am 08.01.2009 beeinträchtigt war. Der Senat geht ferner davon aus, dass sich der Kläger nicht nur auf Zimmer- oder Wohnungsebene, sondern auch außerhalb eines Kraftfahrzeuges ohne fremde Hilfe und ohne große Anstrengung fortbewegen kann.
Die Einschätzungen der vom SG gehörten behandelnden Ärzte des Klägers sprechen ebenfalls nicht dafür, dass der Kläger am 02.03.2007 noch außergewöhnlich gehbehindert war. In den Berichten von Dr. Pe. vom 17.11.2007, Dr. Di. vom 20.11.2007 und Dr. Ta. vom 25.11.2007 ist zwar von ausgeprägter Spastizität und Gehbehinderung (Dr. Pe. ), schwereren Gangstörung (Dr. Di. ) bzw. ausgeprägten Gang- und Rumpfataxie (Dr. Ta. ) die Rede. Dass der Kläger nur noch mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung (letzteres von den ersten Schritten an) gehen kann, ergibt sich daraus jedoch nicht. Dies stimmt auch mit dem eigenen Angaben des Klägers vom 19.11.2009 gegenüber dem SG überein. Danach benutzt er keinen Rollstuhl und auch keinen Rollator mehr. Das Zurücklegen kürzerer Strecken bereite ihm keine Schmerzen, während er nach längeren Strecken gelegentlich Schmerzen habe und sich ausruhen müsse. Dass er nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung gehen kann, lässt sich dem ebenfalls nicht entnehmen. Vielmehr kann er der von den Ärzten berichteten Sturzneigung wirksam und zumutbar mit dem Rollator begegnen; ansonsten ist der Kläger in der Lage, alleine zu gehen.
Soweit der Kläger mit der Berufung geltend macht, ihm stehe der Nachteilsausgleich aG weiter zu, da er sich aufgrund seiner Orientierungslosigkeit ohne Begleitperson nur fortbewegen könne, wenn er sich ständig an feststehenden Gegenständen abstützen könne, folgt ihm der Senat nicht. Aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG ergibt sich, dass es allein auf das Maß der Gehbehinderung ankommt. Auch der Zusammenhang mit der Regelung in der VwV-StVO macht den Gesetzeszweck deutlich, dass das Restgehvermögen für den Nachteilsausgleich "aG" maßgebend ist. Nach der an diesem Gesetzeszweck orientierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) muss daher der Leidenszustand die Möglichkeit der Fortbewegung auf das Schwerste behindern (grundlegend Urteil vom 08.05.1981 - 9 RVs 5/80 -). Die genannte Rechtsprechung ist in der Folgezeit durch weitere Entscheidungen des BSG bestätigt worden (z.B. Urteile vom 06.11.1985 - 9a RVs 7/83 - und vom 13.12.1994 - 9 RVs 3/94 - betreffend Anfallsleiden und Störungen der Orientierungsfähigkeit; zuletzt Urteile vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R - und 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R betreffend dem Begriff der großen Anstrengung). Allen genannten Entscheidungen gemein ist, dass der Nachteilsausgleich aG eine Einschränkung des Gehvermögens des betreffenden Behinderten auf das Schwerste erfordert. Orientierungsstörungen reichen hierfür nach der og. Rechtsprechung des BSG gerade nicht aus. Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Senats. Die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches aG sind mithin nicht (mehr) erfüllt.
Die Änderung des das Gehvermögen des Klägers betreffenden Gesundheitszustandes war auch wesentlich im Sinne des § 48 SGB X. Wesentlich wäre sie nur dann nicht, wenn die Entscheidung im Vergleichsbescheid vom 21.11.2002 unrichtig gewesen wäre, der Kläger also damals keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleiches aG gehabt hätte (vgl. BSG, Urteil vom 11.10.1994 - 9 RVs 9/93 -). Dies war aber nicht der Fall. Maßgebend dafür, dass dem Kläger mit Bescheid vom 21.11.2002 auch der Nachteilsausgleich aG zuerkannt worden ist, war der Bericht der Fachkliniken H. vom 07.10.2002 und die hierzu eingeholte versorgungsärztliche Stellungnahme. Im Klinikbericht war ausgeführt, dass der Kläger gegen Schluss des stationären Aufenthalts mit Hilfe eines Unterarmgehstützwagens ca. 50 bis 100 m habe zurücklegen können und zuletzt auch das selbständige Gehen mit Hilfe eines Easywalkers ca. 300 bis 400 m möglich gewesen sei. Beim selbständigen Gehen ohne Hilfe oder Begleitperson - so der Bericht - bestand noch massive Sturzgefahr. In welcher Zeitdauer die Wegstrecke bewältigt werden konnte, war nicht angeführt. Versorgungsärztlicherseits wurde daraus der Schluss gezogen, dass die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs aG erfüllt sind. Dass dabei der bestehende Beurteilungsspielraum überschritten worden ist, kann nicht angenommen werden, da bei umfassender Würdigung des Sachverhalts davon ausgegangen werden kann, dass zu diesem Zeitpunkt das Gehen nur mit großer Anstrengung quasi ab den ersten Schritten möglich war. Hierzu passen die glaubhaften Angaben des Klägers gegenüber dem SG, wonach er direkt nach der Operation nicht habe gehen können und er sich nach dem Aufstehen aus dem Bett auf allen Vieren fortbewegt habe. Es habe bestimmt 2 bis 3 Jahre gedauert, bis er wieder habe gehen können. Für den Senat steht deshalb fest, dass der Kläger in der Zeit nach der Gehirnoperation im Mai 2002 nicht ohne fremde Hilfe bzw. nur mit großer Anstrengung gehen konnte, dass sich sein Gehvermögen aber nach und nach so gebessert hat, dass jedenfalls seit 02.03.2007 keine außergewöhnliche Gehbehinderung mehr vorliegt. Eine Besserung hat auch der Kläger selbst eingeräumt, sie aber - nach Auffassung des Senats unzutreffend - nur als minimal bezeichnet.
Die Berufung des Klägers erweist sich somit als unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 192 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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