Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AS 2715/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2673/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 01. Juni 2011 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
In der Sache wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Absenkung des Arbeitslosengeldes II (ALG II) um 30 vom Hundert der maßgeblichen Regelleistung für die Zeit vom 01. Januar bis zum 31. März 2011 sowie um 60 vom Hundert für die Zeit vom 01. März bis zum 31. Mai 2011.
Der 1978 geborene Antragsteller bezieht seit 2005 ALG II durch den Antragsgegner. Zuletzt gewährte der Antragsgegner mit Bescheid vom 24. September 2010 dem Antragsteller, der kostenfrei bei seinen Eltern wohnt, für die Zeit vom 01. November 2010 bis zum 30. April 2011 ALG II in Höhe von monatlich 359,- EUR (Regelleistung).
Am 27. September 2010 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung, in der sich der Antragsteller u.a. zur aktiven Teilnahme und Mitarbeit an der Maßnahme "Aktivcenter" des Sozialunternehmens N. A. gGmbH mit Gruppeninformation am 29. Oktober 2010 und Beginn der Maßnahme am 02. November 2010 verpflichtete. Die Eingliederungsvereinbarung enthält eine Rechtsfolgenbelehrung.
Der Antragsteller erschien am 29. Oktober 2010 zur Gruppeninformation in den Schulungsräumen der N. A. GmbH nicht. Auch trat er die am 02. November 2010 beginnende Maßnahme nicht an. Im Rahmen der Anhörung (Schreiben des Antragsgegners vom 05. November 2010) brachte der Antragsteller vor, dass die Möglichkeit eines 400,- EUR -Jobs oder einer Teilzeitbeschäftigung als Reinigungskraft bestehe. Weiter sei der Gang zur "Tafel" nicht mehr möglich, da die Schulung von 8.00 bis 17.00 Uhr stattfinde. Auch sei die Maßnahme nicht freiwillig und es werde sein "Unwohlgefühl" stark beeinträchtigt.
Der Antragsgegner senkte mit Bescheid vom 30. November 2010, der bestandskräftig geworden ist, das ALG II für die Zeit vom 01. Januar bis 31. März 2011 monatlich um 30 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung in Höhe von 107,70 EUR ab und hob insofern den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 24. September 2010 für den Sanktionszeitraum auf. Der Antragsteller habe am 29. Oktober 2010 trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die Maßnahme bei der N. A. GmbH abgebrochen, obwohl ihm die weitere Teilnahme an dieser Maßnahme unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit und seiner persönlichen Verhältnisse zumutbar gewesen sei. Wichtige Gründe seien trotz Aufforderung nicht angegeben und nachgewiesen worden. Der Bescheid enthält weiterhin den Hinweis, dass bei wiederholter gleichartiger Pflichtverletzung der Anspruch auf Leistungen für die Dauer von drei Monaten um 60 vom Hundert der dem Antragsteller zustehenden Regelleistung gemindert werde.
Der Antragsgegner wies dem Antragsteller am 05. Januar 2011 erneut die Maßnahme "Aktivcenter" bei der N. A. GmbH ab 21. Januar 2011 für sechs Monate zu. Auch zu dieser Maßnahme erschien der Antragsteller nicht. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens zum möglichen Eintritt einer Sanktion teilte der Antragsteller mit, dass seine Bewerbungsunterlagen vollständig seien, er ähnliche Kurse ohne Erfolg besucht habe, der zweimal in der Woche nötige Besuch bei der "Tafel" während des Kurses nicht möglich sei und er zweieinhalb Wochen krank gewesen sei, ohne einen Arzt aufgesucht zu haben. Der Antragsteller bat um Abmeldung von diesem Kurs und Benennung von Alternativen. Daraufhin senkte der Antragsgegner mit Bescheid vom 15. Februar 2011 das ALG II für die Zeit vom 01. März bis zum 31. Mai 2011 monatlich um 60 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung in Höhe von monatlich 215,40 EUR ab und hob insofern den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 23. September 2010 auf. Der Antragsteller habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen seine in der Eingliederungsvereinbarung vom 27. September 2010 festgelegten Pflichten nicht umfassend erfüllt. Gründe dafür, dass er an der Maßnahme "Aktivcenter" nicht teilnehme, seien weder ersichtlich noch vorgetragen.
Auf Fortzahlungsantrag des Antragstellers vom 17. März 2011 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 29. März 2011 für die Zeit vom 01. Mai bis zum 31. Oktober 2011 ALG II und zwar für Mai 2011 in Höhe von 145,60 EUR (364,- EUR zur Sicherung des Lebensunterhalts - 218,40 EUR Minderungsbetrag aufgrund Sanktionen) und für Zeit vom 01. Juni 2011 bis zum 31. Oktober 2011 364,- EUR (Regelbedarf).
Am 17. März 2011 legte der Antragsteller gegen den Sanktionsbescheid vom 15. Februar 2011 Widerspruch ein und beantragte die Überprüfung gemäß § 44 SGB X des Sanktionsbescheides vom 30. November 2010. Die Sanktionsbescheide seien ohne Rechtsgrundlage ergangen und unwirksam. Die Sanktionen seien seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010 (BvL 1/09) rechts- und verfassungswidrig infolge des neuen Grundrechts auf "menschenwürdiges Existenzminimum" und seiner "Unverfügbarkeit". Auch widerrief er seine Unterschrift unter die Eingliederungsvereinbarung vom 27. September 2010. Sie sei unter Druck entstanden, ohne dass er Gelegenheit erhalten habe, wunschgemäß das Dokument zuhause zunächst einmal in Ruhe überprüfen zu können.
Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 31. März 2011 den Überprüfungsantrag ab, da der Bescheid vom 30. November 2010 nicht zu beanstanden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2011 wies er den Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 15. Februar 2011 als unbegründet zurück. Am 09. Mai 2011 legte der Antragsteller gegen den Bescheid vom 31. März 2011 Widerspruch ein, über den bisher noch nicht entschieden wurde.
Am 06. Mai 2011 hat der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 04. April 2011 und den Überprüfungsbescheid vom 31. März 2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel beantragt, ihm die aufgrund der Sanktionen einbehaltenen Leistungsanteile sofort auszuzahlen. Die Leistungskürzungen durch die Sanktionen hätten sich nunmehr auf insgesamt 969,30 EUR aufaddiert. Ihm - dem Antragsteller - bleibe nach Abzug von existenzsichernder Zahlungen nahezu nichts zum Leben übrig. Von März bis Mai habe er monatlich über lediglich 148,60 EUR verfügt, die unter keinen Umständen für eine ausreichende Lebensführung genügten. Die so entstandene Finanzierungslücke sei auch nicht durch nunmehr wieder volle Regelleistungen zu heilen, denn die Fehlbeträge setzten sich in der Zukunft fort. Infolge der sich fortsetzenden Finanzierungslücke sei es ihm - dem Antragsteller - aktuell nicht möglich, sich ausreichend zu ernähren und eine ausreichende Körper- und Kleiderpflege zu betreiben. Wenn er die ihm jetzt mögliche Arbeitsgelegenheit, die er sich selbst gesucht habe, aktuell nicht aufnehmen könne, weil der Antragsgegner dies verhindere, könne ihm diese Arbeitsmöglichkeit verloren gehen. Insofern sei ihm ein Zuwarten im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens nicht zuzumuten. Er habe guten Grund zu der Hoffnung, dass aus dieser Arbeitsgelegenheit ein dauerhafter versicherungspflichtiger Arbeitsplatz werden könne.
Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz durch Beschluss vom 01. Juni 2011 abgelehnt. Sowohl hinsichtlich der Absenkung der Leistungen um 30 vom Hundert für den Zeitraum 01. Januar bis 31. März 2011 als auch hinsichtlich der Absenkung um 60 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung für den Zeitraum 01. März bis 31. Mai 2011 lägen die Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht vor. Im Hinblick auf die Absenkung der Leistungen des Antragstellers in Höhe von 30 vom Hundert der Regelleistung für den Zeitraum 01. Januar bis 31. März 2011 stelle § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dar. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG könne das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliege, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr bestehe, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGB seien einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine. Nachdem der Absenkungsbescheid vom 30. November 2010 bestandskräftig geworden sei und der Antragsgegner den Überprüfungsantrag des Antragstellers abgelehnt habe, hätte der Antragsteller sein Begehren auf ungekürzte Leistungen nach dem SGB II im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machen. Eine einstweilige Regelung sei zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine. Dies sei etwa dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung sei gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO dabei stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigung der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf die für den Zeitraum 01. Januar bis 31. März 2011 abgesenkten Leistungen sei nach den vorstehenden Grundsätzen abzulehnen. Zur Überzeugung der Kammer habe der Antragsteller bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft machen können. Im Rahmen einer Regelungsanordnung sei Anordnungsgrund die Notwendigkeit, wesentliche Nachteile abzuwenden, um zu vermeiden, dass der Antragsteller vor vollendete Tatsachen gestellt werde, er wirksamen Rechtsschutz erlangen könne. Charakteristisch sei daher für den Anordnungsgrund die Dringlichkeit der Angelegenheit, die in aller Regel nur in die Zukunft wirke. Es sei rechtlich zwar nicht auszuschließen, dass auch für vergangene Zeiträume diese Dringlichkeit angenommen werden könne, diese überhole sich jedoch regelmäßig durch Zeitablauf. Ein Anordnungsgrund für Zeiträume vor einer gerichtlichen Entscheidung sei daher nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn ein noch gegenwärtig schwerer irreparabler und unzumutbarer Nachteil glaubhaft gemacht werde und sich ein besonderer Nachholbedarf durch die Verweigerung der Leistung in der Vergangenheit und auch in der Zukunft noch fortwirke oder ein Anspruch eindeutig bestehe. Der Zeitraum Januar bis März 2011 liege deutlich in der Vergangenheit. Der Antragsteller habe weder einen gegenwärtig schweren, irreparablen und unzumutbaren Nachteil glaubhaft gemacht, noch bestehe der vom Antragsteller geltend gemachte Leistungsanspruch offenkundig. Daher scheidet die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung zur ungekürzten Auszahlung der dem Antragsteller mit Bescheid vom 30. November 2010 abgesenkten Leistungen bereits mangels Eilbedürftigkeit aus. Die vom Antragsteller geltend gemachten Nachteile wären bereits eingetreten und könnten somit gegenwärtig oder aber für die Zukunft nicht mehr abgewendet werden. Dem Antragsteller sei auch ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zuzumuten. Daran vermöge auch der Vortrag des Antragstellers, es seien Finanzierungslücken entstanden, nichts zu ändern. Zum einen habe der Antragsteller nicht dargelegt, welche konkreten Nachteile ihm entstanden seien, zum anderen sei zu berücksichtigten, dass dem Antragsteller auch keine Mietschulden aufgelaufen seien oder Energielieferungssperren drohten, da er bei seinen Eltern wohne. Ein für den Antragsteller sprechendes, objektives Interesse, die einbehaltenen Beträge unmittelbar zum jetzigen Zeitpunkt anstatt gegebenenfalls nach dem Obsiegen in der Hauptsache ausgezahlt zu bekommen, sei für die Kammer nicht erkennbar. Insbesondere werde der laufende Lebensunterhalt ab Juni 2011 wieder durch die ungekürzte Leistungsgewährung des Antragsgegners sichergestellt.
Auch bezüglich der Absenkung der Regelleistung um 60 vom Hundert mit Bescheid vom 15. Februar 2011 seien die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht gegeben. Der Eilrechtsschutzantrag des Antragstellers bezüglich der Absenkung der Leistungen um 60 vom Hundert für die Zeit vom 01. März bis zum 30. April 2011 sei als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auszulegen, da insoweit aufgrund der vorangegangenen Leistungsbewilligung vom 24. September 2010 und der im Sanktionsbescheid vom 15. Februar 2011 enthaltenen teilweise Aufhebungsentscheidung in der Hauptsache die Anfechtungsklage die statthafte Klageart sei. Demnach bilde § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage. Zwar hätten nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, die aufschiebende Wirkung entfalle jedoch in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen (§ 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Ein solcher Fall sei hier gegeben. Nach § 39 Abs. 2 SGB II hätten Widerspruch und Klage gegen Absenkungsbescheide keine aufschiebende Wirkung. Allein die Anordnung der aufschiebenden Wirkung würde - angesichts der vom Antragsteller begehrten Auszahlung der bereits für die Monate März und April 2011 einbehaltenen Leistungen - ins Leere laufen. Die Absenkung für die vorbenannten Monate sei durch den Einbehalt der abgesenkten Beträge bereits vom Antragsgegner vollzogen worden. Insofern sei der Antrag des Antragstellers ergänzend dahingehend auszulegen, dass er auch die Anordnung der Aufhebung der Vollziehung nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG durch das Gericht begehre. Für Mai 2011 seien hingehend mit Bescheid vom 29. März 2011 bereits abgesenkte Leistungen bewilligt worden. Hinsichtlich dieser von Anfang an um 60 vom Hundert abgesenkten Leistungen richte sich das Begehren auf einstweilige Bewilligung ungekürzter Leistungen mithin auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Sowohl der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzw. auf Aufhebung der Vollziehung als auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung sei unbegründet. Im Hinblick auf die um 60 vom Hundert abgesenkten Leistungen für den Zeitraum 01. März bis 30. April 2011 gelte dies bereits deshalb, da ein für den Antragsteller objektiv dringendes Interesse, die einbehaltenen Beträge unmittelbar zum jetzigen Zeitpunkt ausbezahlt zu bekommen, nicht erkennbar sei. Dabei habe die Kammer nicht verkannt, dass der Prüfungsmaßstab im Rahmen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eine Interessenabwägung sei. Vorliegend könne allerdings dahinstehen, ob die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfüllt seien, da es jedenfalls an der Eilbedürftigkeit für eine vorläufige Rückabwicklung der angegriffenen Absenkung des ALG II fehle. § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG erfasse als unselbstständiger Folgenbeseitigungsanspruch die Rückgängigmachung bereits erfolgter Vollziehungshandlungen. Bei der Entscheidung, ob eine bereits erfolgte Vollziehung aufzuheben sei und Leistungen für die Vergangenheit auszuzahlen seien, sei jedoch das öffentliche Interesse an dem Fortbestand des Vollzugs gegen das Interesse des Antragstellers an der Aufhebung der Vollziehung abzuwägen. Auch hierbei sei die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers nach § 39 SGB II, der die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen Absenkungsbescheide gerade ausschließe, ausreichend zu beachten. Nur in Ausnahmefällen könne im Wege der Aufhebung der Vollziehung eine Maßnahme angeordnet werden, die nur schwer rückgängig zu machen sei. Ein solcher Ausnahmefall sei dann gegeben, wenn es zur Gewährung effektiven Rechtschutzes erforderlich sei. Ungeachtet dessen, ob nach summarischer Prüfung Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheides vom 15. Februar 2010 bestehen, sei eine Aufhebung der Vollziehung für die Monate März und April 2011 zu Gunsten des Antragstellers nicht gerechtfertigt. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass durch die sofortige Vollziehung Tatsachen geschaffen worden seien, die - sollte sich der Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen - nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Auch die Monate März und April 2011 lägen in der Vergangenheit. Eine Eilbedürftigkeit komme nur dann in Betracht, wenn die geltend gemachte Dringlichkeit in die Zukunft fortwirke, mithin noch gegenwärtig sei. Eine Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz sei durch die pauschale Geltendmachung von "Finanzierungslücken" und "fortwirkenden Fehlbeträgen wegen liegengebliebener Zahlungsverpflichtungen" nicht ersichtlich. Dabei habe die Kammer nicht verkannt, dass eine Absenkung der Regelleistung um 60 vom Hundert durchaus eine wirtschaftliche Härte für den Antragsteller bedeute. Eine existenzielle Notlage des Antragstellers sei für die Kammer allerdings nicht ersichtlich gewesen. Im Rahmen der Interessenabwägung sei hierbei auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Antragsteller bei seinen Eltern wohne und somit auflaufende Mietschulden mit einer eventuell hieraus resultierenden Wohnraumkündigung nicht zu befürchten seien. Dem hingegen sei zu berücksichtigen, dass im Falle einer Auszahlung der vorläufig einbehaltenen Leistungen in Höhe des Absenkungsbetrages im einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Antragsgegner im Falle seines Obsiegens im Hauptsacheverfahren die Leistungen nur schwerlich realisieren könnte. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers dürften Zweifel daran bestehen, dass er sodann finanziell in der Lage wäre, die vorläufig ausgezahlten Beträge zurückzuerstatten. Schließlich habe die Kammer auch berücksichtigt, dass der Sanktionszeitraum am 31. Mai 2011 geendet habe und der Antragsteller ab Juni 2011 wieder ungekürzte Leistungen erhalte. Auch bezüglich der Absenkung des ALG II um 60 vom Hundert der Regelleistung im Monat Mai 2011 fehle es an der erforderlichen Eilbedürftigkeit. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Anordnungsgrundes sei in jeder Lage des Verfahrens der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Ab Juni 2011 erhalte der Antragsteller wieder ungekürzte Leistungen. Eine Dringlichkeit dahingehend, dass dem Antragsteller in Zukunft fortwirkend schwere, irreparable und unzumutbare Nachteile entstünden, sei für das Gericht nicht ersichtlich. Sofern der Antragsteller vortrage, dass ihm seine Körper- und Kleiderpflege nicht mehr in ausreichendem Umfang möglich sei, sei dies nur pauschal geltend gemacht worden und ein irreparabler Nachteil nicht zu erkennen. Sofern der Antragsteller ausführe, dass er sich nicht mehr ausreichend ernähren könne, ändere dies an der mangelnden Eilbedürftigkeit nichts. Zum einen habe der Antragsteller dies nicht glaubhaft gemacht und zum anderen habe der Antragsgegner im Bescheid vom 15. Februar 2011 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auf Antrag ergänzende Sachleistungen - insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen - gewährt werden könnten. Dass der Antragsteller einen solchen Antrag gestellt bzw. abgelehnt bekommen habe, sei für die Kammer nicht ersichtlich.
Gegen den ihm am 04. Juni 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 28. Juni 2011 eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Er verweist auf seinen bisherigen Vortrag. Ergänzend bringt er vor, dass die Sanktionen insgesamt als rechts- und verfassungswidrig bestritten würden. Sie verstießen gegen das mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010 postulierte Grundrecht auf "menschenwürdiges Existenzminimum", das "unverfügbar" sei sowie "eingelöst werden" müsse und woraus ein "absolut wirkender Anspruch ( ) auf Achtung der Würde jedes einzelnen" abzuleiten sei. Ein Abweichen von diesem Grundrecht werde auch im neuen SGB nicht akzeptiert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG). Ist der Verwaltungsakt in dem Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 86 b Abs. 1 S. 2 SGG). Soweit ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 86 b Abs. 2 S. 1 SGG). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 S. 2 SGG).
2. Das SG hat in Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe zutreffend das einstweilige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers dahingehend ausgelegt, dass dieser hinsichtlich der Absenkung um 30 vom Hundert für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2011 den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG, bezüglich der Absenkung um 60 vom Hundert für die Zeit vom 1. März bis zum 30. April 2011 die Aufhebung der Vollziehung nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und S. 2 SGG sowie hinsichtlich der Absenkung um 60 vom Hundert für Mai 2011 den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG begehrt.
a. Hinsichtlich der durch den - mangels hiergegen eingelegten Widerspruchs bestandskräftig und damit für die Beteiligten bindend gewordenen (vgl. §§ 77 SGG, 39 Abs. 2 SGB X) - Sanktionsbescheid vom 30. November 2010 verfügten Absenkung für die Zeit vom 01. Januar bis zum 31. März 2011 monatlich um 30 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung fehlt es an dem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund, wie das SG zutreffend erkannt hat. Insofern weist der Senat die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses des SG als unbegründet zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend weist der Senat daraufhin, dass in den Fällen, in denen ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X gestellt worden ist, besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zu stellen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 07. April 2011 - L 12 AS 996/11 ER-B -). Soll ein bestandskräftig gewordener Bescheid in einem Verfahren nach § 44 SGB X zurückgenommen werden, so ist es dem Antragsteller im Regelfall zuzumuten, die Entscheidung im Verwaltungs- und gegebenenfalls in einem anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten. Denn das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG ist regelmäßig auf die Bewilligung von Leistungen nicht für die Vergangenheit, sondern für die Gegenwart und die Zukunft gerichtet.
b. Auch hinsichtlich des Zeitraums vom 1. März bis zum 30. April 2011 hat das SG zutreffend die Eilbedürftigkeit verneint. Bei der nach § 86 b Abs. 1 S. 2 SGG zu treffenden Entscheidung, ob eine bereits erfolgte Vollziehung, vorliegend die Nichtauszahlung der bewilligten Leistungen für die Zeit vom 1. März bis zum 31. April 2011, aufzuheben ist und Leistungen für die Vergangenheit auszuzahlen sind, hat es das öffentliche Interesse an dem Fortbestand des Vollzuges gegen das Interesse des Antragstellers an der Aufhebung der Vollziehung überzeugend abgewogen (vgl. zur vorzunehmenden Interessenabwägung LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Juli 2009 - L 29 AS 375/09 ER B -) und den Antragsteller zur Durchsetzung seiner Interessen auf das Hauptsacheverfahren verwiesen. Auch insoweit weist der Senat die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses des SG als unbegründet zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
c. Die Beschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit der Antragsteller die vorläufige Gewährung von ALG II in Höhe des vollen Regelbedarfs für Alleinstehenden für Mai 2011 geltend macht. Das SG hat zutreffend eine Verpflichtung zur Leistungserbringung für die Vergangenheit, nämlich für die Zeit vor Anbringung des einstweiligen Rechtsschutzgesuchs beim SG am 6. Mai 2011, abgelehnt, da insoweit die erforderliche Eilbedürftigkeit fehlt. Aber auch für die Zeit vom 6. Mai bis zum 31. Mai 2011 fehlt es im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an einer drohenden Rechtsverletzung von einigem Gewicht, das eine einstweilige Anordnung gebieten würde. Es ist nicht ersichtlich, dass die fehlende Leistungsgewährung im oben genannten Zeitraum in die Gegenwart fortwirkt und eine gegenwärtige Notlage des Antragstellers begründet, nachdem er während des Sanktionszeitraums die ihm vom Antragsgegner angebotenen ergänzenden Sachleistungen (vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 2011 - L 12 AS 5852/10 - dazu, dass dem Antragsteller zugleich mit der Absenkung durch Bescheid vom 15. Februar 2011 noch keine konkreten ergänzenden Sachleistungen bewilligt worden waren) nicht in Anspruch genommen hat und ab 1. Juni 2011 den vollen Regelbedarf erhält. Denn der Antragsteller trägt nicht vor, welche schweren und gegebenenfalls nicht wiedergutzumachenden Nachteile ihm drohen, wenn der Vollzug der umstrittenen Leistungsabsenkung nicht rückgängig gemacht wird. Somit ist es dem Antragsteller zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Im Rahmen des Hauptsacheverfahren kann auch der Frage nachgegangen werden, ob verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vorgenommene Absenkung des ALG II bestehen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 09. November 2011 - B 4 AS 27/10 R -; Senatsurteil vom 10. Juni 2011 - L 12 AS 5558/09 mit weiteren Nachweisen).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
In der Sache wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Absenkung des Arbeitslosengeldes II (ALG II) um 30 vom Hundert der maßgeblichen Regelleistung für die Zeit vom 01. Januar bis zum 31. März 2011 sowie um 60 vom Hundert für die Zeit vom 01. März bis zum 31. Mai 2011.
Der 1978 geborene Antragsteller bezieht seit 2005 ALG II durch den Antragsgegner. Zuletzt gewährte der Antragsgegner mit Bescheid vom 24. September 2010 dem Antragsteller, der kostenfrei bei seinen Eltern wohnt, für die Zeit vom 01. November 2010 bis zum 30. April 2011 ALG II in Höhe von monatlich 359,- EUR (Regelleistung).
Am 27. September 2010 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung, in der sich der Antragsteller u.a. zur aktiven Teilnahme und Mitarbeit an der Maßnahme "Aktivcenter" des Sozialunternehmens N. A. gGmbH mit Gruppeninformation am 29. Oktober 2010 und Beginn der Maßnahme am 02. November 2010 verpflichtete. Die Eingliederungsvereinbarung enthält eine Rechtsfolgenbelehrung.
Der Antragsteller erschien am 29. Oktober 2010 zur Gruppeninformation in den Schulungsräumen der N. A. GmbH nicht. Auch trat er die am 02. November 2010 beginnende Maßnahme nicht an. Im Rahmen der Anhörung (Schreiben des Antragsgegners vom 05. November 2010) brachte der Antragsteller vor, dass die Möglichkeit eines 400,- EUR -Jobs oder einer Teilzeitbeschäftigung als Reinigungskraft bestehe. Weiter sei der Gang zur "Tafel" nicht mehr möglich, da die Schulung von 8.00 bis 17.00 Uhr stattfinde. Auch sei die Maßnahme nicht freiwillig und es werde sein "Unwohlgefühl" stark beeinträchtigt.
Der Antragsgegner senkte mit Bescheid vom 30. November 2010, der bestandskräftig geworden ist, das ALG II für die Zeit vom 01. Januar bis 31. März 2011 monatlich um 30 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung in Höhe von 107,70 EUR ab und hob insofern den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 24. September 2010 für den Sanktionszeitraum auf. Der Antragsteller habe am 29. Oktober 2010 trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die Maßnahme bei der N. A. GmbH abgebrochen, obwohl ihm die weitere Teilnahme an dieser Maßnahme unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit und seiner persönlichen Verhältnisse zumutbar gewesen sei. Wichtige Gründe seien trotz Aufforderung nicht angegeben und nachgewiesen worden. Der Bescheid enthält weiterhin den Hinweis, dass bei wiederholter gleichartiger Pflichtverletzung der Anspruch auf Leistungen für die Dauer von drei Monaten um 60 vom Hundert der dem Antragsteller zustehenden Regelleistung gemindert werde.
Der Antragsgegner wies dem Antragsteller am 05. Januar 2011 erneut die Maßnahme "Aktivcenter" bei der N. A. GmbH ab 21. Januar 2011 für sechs Monate zu. Auch zu dieser Maßnahme erschien der Antragsteller nicht. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens zum möglichen Eintritt einer Sanktion teilte der Antragsteller mit, dass seine Bewerbungsunterlagen vollständig seien, er ähnliche Kurse ohne Erfolg besucht habe, der zweimal in der Woche nötige Besuch bei der "Tafel" während des Kurses nicht möglich sei und er zweieinhalb Wochen krank gewesen sei, ohne einen Arzt aufgesucht zu haben. Der Antragsteller bat um Abmeldung von diesem Kurs und Benennung von Alternativen. Daraufhin senkte der Antragsgegner mit Bescheid vom 15. Februar 2011 das ALG II für die Zeit vom 01. März bis zum 31. Mai 2011 monatlich um 60 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung in Höhe von monatlich 215,40 EUR ab und hob insofern den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 23. September 2010 auf. Der Antragsteller habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen seine in der Eingliederungsvereinbarung vom 27. September 2010 festgelegten Pflichten nicht umfassend erfüllt. Gründe dafür, dass er an der Maßnahme "Aktivcenter" nicht teilnehme, seien weder ersichtlich noch vorgetragen.
Auf Fortzahlungsantrag des Antragstellers vom 17. März 2011 bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 29. März 2011 für die Zeit vom 01. Mai bis zum 31. Oktober 2011 ALG II und zwar für Mai 2011 in Höhe von 145,60 EUR (364,- EUR zur Sicherung des Lebensunterhalts - 218,40 EUR Minderungsbetrag aufgrund Sanktionen) und für Zeit vom 01. Juni 2011 bis zum 31. Oktober 2011 364,- EUR (Regelbedarf).
Am 17. März 2011 legte der Antragsteller gegen den Sanktionsbescheid vom 15. Februar 2011 Widerspruch ein und beantragte die Überprüfung gemäß § 44 SGB X des Sanktionsbescheides vom 30. November 2010. Die Sanktionsbescheide seien ohne Rechtsgrundlage ergangen und unwirksam. Die Sanktionen seien seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010 (BvL 1/09) rechts- und verfassungswidrig infolge des neuen Grundrechts auf "menschenwürdiges Existenzminimum" und seiner "Unverfügbarkeit". Auch widerrief er seine Unterschrift unter die Eingliederungsvereinbarung vom 27. September 2010. Sie sei unter Druck entstanden, ohne dass er Gelegenheit erhalten habe, wunschgemäß das Dokument zuhause zunächst einmal in Ruhe überprüfen zu können.
Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 31. März 2011 den Überprüfungsantrag ab, da der Bescheid vom 30. November 2010 nicht zu beanstanden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2011 wies er den Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 15. Februar 2011 als unbegründet zurück. Am 09. Mai 2011 legte der Antragsteller gegen den Bescheid vom 31. März 2011 Widerspruch ein, über den bisher noch nicht entschieden wurde.
Am 06. Mai 2011 hat der Kläger gegen den Widerspruchsbescheid vom 04. April 2011 und den Überprüfungsbescheid vom 31. März 2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel beantragt, ihm die aufgrund der Sanktionen einbehaltenen Leistungsanteile sofort auszuzahlen. Die Leistungskürzungen durch die Sanktionen hätten sich nunmehr auf insgesamt 969,30 EUR aufaddiert. Ihm - dem Antragsteller - bleibe nach Abzug von existenzsichernder Zahlungen nahezu nichts zum Leben übrig. Von März bis Mai habe er monatlich über lediglich 148,60 EUR verfügt, die unter keinen Umständen für eine ausreichende Lebensführung genügten. Die so entstandene Finanzierungslücke sei auch nicht durch nunmehr wieder volle Regelleistungen zu heilen, denn die Fehlbeträge setzten sich in der Zukunft fort. Infolge der sich fortsetzenden Finanzierungslücke sei es ihm - dem Antragsteller - aktuell nicht möglich, sich ausreichend zu ernähren und eine ausreichende Körper- und Kleiderpflege zu betreiben. Wenn er die ihm jetzt mögliche Arbeitsgelegenheit, die er sich selbst gesucht habe, aktuell nicht aufnehmen könne, weil der Antragsgegner dies verhindere, könne ihm diese Arbeitsmöglichkeit verloren gehen. Insofern sei ihm ein Zuwarten im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens nicht zuzumuten. Er habe guten Grund zu der Hoffnung, dass aus dieser Arbeitsgelegenheit ein dauerhafter versicherungspflichtiger Arbeitsplatz werden könne.
Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz durch Beschluss vom 01. Juni 2011 abgelehnt. Sowohl hinsichtlich der Absenkung der Leistungen um 30 vom Hundert für den Zeitraum 01. Januar bis 31. März 2011 als auch hinsichtlich der Absenkung um 60 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung für den Zeitraum 01. März bis 31. Mai 2011 lägen die Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht vor. Im Hinblick auf die Absenkung der Leistungen des Antragstellers in Höhe von 30 vom Hundert der Regelleistung für den Zeitraum 01. Januar bis 31. März 2011 stelle § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dar. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG könne das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliege, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr bestehe, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGB seien einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine. Nachdem der Absenkungsbescheid vom 30. November 2010 bestandskräftig geworden sei und der Antragsgegner den Überprüfungsantrag des Antragstellers abgelehnt habe, hätte der Antragsteller sein Begehren auf ungekürzte Leistungen nach dem SGB II im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend zu machen. Eine einstweilige Regelung sei zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine. Dies sei etwa dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung sei gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO dabei stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigung der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf die für den Zeitraum 01. Januar bis 31. März 2011 abgesenkten Leistungen sei nach den vorstehenden Grundsätzen abzulehnen. Zur Überzeugung der Kammer habe der Antragsteller bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft machen können. Im Rahmen einer Regelungsanordnung sei Anordnungsgrund die Notwendigkeit, wesentliche Nachteile abzuwenden, um zu vermeiden, dass der Antragsteller vor vollendete Tatsachen gestellt werde, er wirksamen Rechtsschutz erlangen könne. Charakteristisch sei daher für den Anordnungsgrund die Dringlichkeit der Angelegenheit, die in aller Regel nur in die Zukunft wirke. Es sei rechtlich zwar nicht auszuschließen, dass auch für vergangene Zeiträume diese Dringlichkeit angenommen werden könne, diese überhole sich jedoch regelmäßig durch Zeitablauf. Ein Anordnungsgrund für Zeiträume vor einer gerichtlichen Entscheidung sei daher nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn ein noch gegenwärtig schwerer irreparabler und unzumutbarer Nachteil glaubhaft gemacht werde und sich ein besonderer Nachholbedarf durch die Verweigerung der Leistung in der Vergangenheit und auch in der Zukunft noch fortwirke oder ein Anspruch eindeutig bestehe. Der Zeitraum Januar bis März 2011 liege deutlich in der Vergangenheit. Der Antragsteller habe weder einen gegenwärtig schweren, irreparablen und unzumutbaren Nachteil glaubhaft gemacht, noch bestehe der vom Antragsteller geltend gemachte Leistungsanspruch offenkundig. Daher scheidet die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Anordnung zur ungekürzten Auszahlung der dem Antragsteller mit Bescheid vom 30. November 2010 abgesenkten Leistungen bereits mangels Eilbedürftigkeit aus. Die vom Antragsteller geltend gemachten Nachteile wären bereits eingetreten und könnten somit gegenwärtig oder aber für die Zukunft nicht mehr abgewendet werden. Dem Antragsteller sei auch ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache zuzumuten. Daran vermöge auch der Vortrag des Antragstellers, es seien Finanzierungslücken entstanden, nichts zu ändern. Zum einen habe der Antragsteller nicht dargelegt, welche konkreten Nachteile ihm entstanden seien, zum anderen sei zu berücksichtigten, dass dem Antragsteller auch keine Mietschulden aufgelaufen seien oder Energielieferungssperren drohten, da er bei seinen Eltern wohne. Ein für den Antragsteller sprechendes, objektives Interesse, die einbehaltenen Beträge unmittelbar zum jetzigen Zeitpunkt anstatt gegebenenfalls nach dem Obsiegen in der Hauptsache ausgezahlt zu bekommen, sei für die Kammer nicht erkennbar. Insbesondere werde der laufende Lebensunterhalt ab Juni 2011 wieder durch die ungekürzte Leistungsgewährung des Antragsgegners sichergestellt.
Auch bezüglich der Absenkung der Regelleistung um 60 vom Hundert mit Bescheid vom 15. Februar 2011 seien die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht gegeben. Der Eilrechtsschutzantrag des Antragstellers bezüglich der Absenkung der Leistungen um 60 vom Hundert für die Zeit vom 01. März bis zum 30. April 2011 sei als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auszulegen, da insoweit aufgrund der vorangegangenen Leistungsbewilligung vom 24. September 2010 und der im Sanktionsbescheid vom 15. Februar 2011 enthaltenen teilweise Aufhebungsentscheidung in der Hauptsache die Anfechtungsklage die statthafte Klageart sei. Demnach bilde § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage. Zwar hätten nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung, die aufschiebende Wirkung entfalle jedoch in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen (§ 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Ein solcher Fall sei hier gegeben. Nach § 39 Abs. 2 SGB II hätten Widerspruch und Klage gegen Absenkungsbescheide keine aufschiebende Wirkung. Allein die Anordnung der aufschiebenden Wirkung würde - angesichts der vom Antragsteller begehrten Auszahlung der bereits für die Monate März und April 2011 einbehaltenen Leistungen - ins Leere laufen. Die Absenkung für die vorbenannten Monate sei durch den Einbehalt der abgesenkten Beträge bereits vom Antragsgegner vollzogen worden. Insofern sei der Antrag des Antragstellers ergänzend dahingehend auszulegen, dass er auch die Anordnung der Aufhebung der Vollziehung nach § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG durch das Gericht begehre. Für Mai 2011 seien hingehend mit Bescheid vom 29. März 2011 bereits abgesenkte Leistungen bewilligt worden. Hinsichtlich dieser von Anfang an um 60 vom Hundert abgesenkten Leistungen richte sich das Begehren auf einstweilige Bewilligung ungekürzter Leistungen mithin auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG. Sowohl der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzw. auf Aufhebung der Vollziehung als auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung sei unbegründet. Im Hinblick auf die um 60 vom Hundert abgesenkten Leistungen für den Zeitraum 01. März bis 30. April 2011 gelte dies bereits deshalb, da ein für den Antragsteller objektiv dringendes Interesse, die einbehaltenen Beträge unmittelbar zum jetzigen Zeitpunkt ausbezahlt zu bekommen, nicht erkennbar sei. Dabei habe die Kammer nicht verkannt, dass der Prüfungsmaßstab im Rahmen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eine Interessenabwägung sei. Vorliegend könne allerdings dahinstehen, ob die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung erfüllt seien, da es jedenfalls an der Eilbedürftigkeit für eine vorläufige Rückabwicklung der angegriffenen Absenkung des ALG II fehle. § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG erfasse als unselbstständiger Folgenbeseitigungsanspruch die Rückgängigmachung bereits erfolgter Vollziehungshandlungen. Bei der Entscheidung, ob eine bereits erfolgte Vollziehung aufzuheben sei und Leistungen für die Vergangenheit auszuzahlen seien, sei jedoch das öffentliche Interesse an dem Fortbestand des Vollzugs gegen das Interesse des Antragstellers an der Aufhebung der Vollziehung abzuwägen. Auch hierbei sei die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers nach § 39 SGB II, der die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen Absenkungsbescheide gerade ausschließe, ausreichend zu beachten. Nur in Ausnahmefällen könne im Wege der Aufhebung der Vollziehung eine Maßnahme angeordnet werden, die nur schwer rückgängig zu machen sei. Ein solcher Ausnahmefall sei dann gegeben, wenn es zur Gewährung effektiven Rechtschutzes erforderlich sei. Ungeachtet dessen, ob nach summarischer Prüfung Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheides vom 15. Februar 2010 bestehen, sei eine Aufhebung der Vollziehung für die Monate März und April 2011 zu Gunsten des Antragstellers nicht gerechtfertigt. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass durch die sofortige Vollziehung Tatsachen geschaffen worden seien, die - sollte sich der Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen - nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Auch die Monate März und April 2011 lägen in der Vergangenheit. Eine Eilbedürftigkeit komme nur dann in Betracht, wenn die geltend gemachte Dringlichkeit in die Zukunft fortwirke, mithin noch gegenwärtig sei. Eine Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz sei durch die pauschale Geltendmachung von "Finanzierungslücken" und "fortwirkenden Fehlbeträgen wegen liegengebliebener Zahlungsverpflichtungen" nicht ersichtlich. Dabei habe die Kammer nicht verkannt, dass eine Absenkung der Regelleistung um 60 vom Hundert durchaus eine wirtschaftliche Härte für den Antragsteller bedeute. Eine existenzielle Notlage des Antragstellers sei für die Kammer allerdings nicht ersichtlich gewesen. Im Rahmen der Interessenabwägung sei hierbei auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Antragsteller bei seinen Eltern wohne und somit auflaufende Mietschulden mit einer eventuell hieraus resultierenden Wohnraumkündigung nicht zu befürchten seien. Dem hingegen sei zu berücksichtigen, dass im Falle einer Auszahlung der vorläufig einbehaltenen Leistungen in Höhe des Absenkungsbetrages im einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Antragsgegner im Falle seines Obsiegens im Hauptsacheverfahren die Leistungen nur schwerlich realisieren könnte. Aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers dürften Zweifel daran bestehen, dass er sodann finanziell in der Lage wäre, die vorläufig ausgezahlten Beträge zurückzuerstatten. Schließlich habe die Kammer auch berücksichtigt, dass der Sanktionszeitraum am 31. Mai 2011 geendet habe und der Antragsteller ab Juni 2011 wieder ungekürzte Leistungen erhalte. Auch bezüglich der Absenkung des ALG II um 60 vom Hundert der Regelleistung im Monat Mai 2011 fehle es an der erforderlichen Eilbedürftigkeit. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Anordnungsgrundes sei in jeder Lage des Verfahrens der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Ab Juni 2011 erhalte der Antragsteller wieder ungekürzte Leistungen. Eine Dringlichkeit dahingehend, dass dem Antragsteller in Zukunft fortwirkend schwere, irreparable und unzumutbare Nachteile entstünden, sei für das Gericht nicht ersichtlich. Sofern der Antragsteller vortrage, dass ihm seine Körper- und Kleiderpflege nicht mehr in ausreichendem Umfang möglich sei, sei dies nur pauschal geltend gemacht worden und ein irreparabler Nachteil nicht zu erkennen. Sofern der Antragsteller ausführe, dass er sich nicht mehr ausreichend ernähren könne, ändere dies an der mangelnden Eilbedürftigkeit nichts. Zum einen habe der Antragsteller dies nicht glaubhaft gemacht und zum anderen habe der Antragsgegner im Bescheid vom 15. Februar 2011 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auf Antrag ergänzende Sachleistungen - insbesondere in Form von Lebensmittelgutscheinen - gewährt werden könnten. Dass der Antragsteller einen solchen Antrag gestellt bzw. abgelehnt bekommen habe, sei für die Kammer nicht ersichtlich.
Gegen den ihm am 04. Juni 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 28. Juni 2011 eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Er verweist auf seinen bisherigen Vortrag. Ergänzend bringt er vor, dass die Sanktionen insgesamt als rechts- und verfassungswidrig bestritten würden. Sie verstießen gegen das mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010 postulierte Grundrecht auf "menschenwürdiges Existenzminimum", das "unverfügbar" sei sowie "eingelöst werden" müsse und woraus ein "absolut wirkender Anspruch ( ) auf Achtung der Würde jedes einzelnen" abzuleiten sei. Ein Abweichen von diesem Grundrecht werde auch im neuen SGB nicht akzeptiert.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§ 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG). Ist der Verwaltungsakt in dem Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 86 b Abs. 1 S. 2 SGG). Soweit ein Fall des § 86 b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 86 b Abs. 2 S. 1 SGG). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 S. 2 SGG).
2. Das SG hat in Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe zutreffend das einstweilige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers dahingehend ausgelegt, dass dieser hinsichtlich der Absenkung um 30 vom Hundert für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 2011 den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG, bezüglich der Absenkung um 60 vom Hundert für die Zeit vom 1. März bis zum 30. April 2011 die Aufhebung der Vollziehung nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und S. 2 SGG sowie hinsichtlich der Absenkung um 60 vom Hundert für Mai 2011 den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG begehrt.
a. Hinsichtlich der durch den - mangels hiergegen eingelegten Widerspruchs bestandskräftig und damit für die Beteiligten bindend gewordenen (vgl. §§ 77 SGG, 39 Abs. 2 SGB X) - Sanktionsbescheid vom 30. November 2010 verfügten Absenkung für die Zeit vom 01. Januar bis zum 31. März 2011 monatlich um 30 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung fehlt es an dem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund, wie das SG zutreffend erkannt hat. Insofern weist der Senat die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses des SG als unbegründet zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend weist der Senat daraufhin, dass in den Fällen, in denen ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X gestellt worden ist, besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zu stellen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 07. April 2011 - L 12 AS 996/11 ER-B -). Soll ein bestandskräftig gewordener Bescheid in einem Verfahren nach § 44 SGB X zurückgenommen werden, so ist es dem Antragsteller im Regelfall zuzumuten, die Entscheidung im Verwaltungs- und gegebenenfalls in einem anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten. Denn das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG ist regelmäßig auf die Bewilligung von Leistungen nicht für die Vergangenheit, sondern für die Gegenwart und die Zukunft gerichtet.
b. Auch hinsichtlich des Zeitraums vom 1. März bis zum 30. April 2011 hat das SG zutreffend die Eilbedürftigkeit verneint. Bei der nach § 86 b Abs. 1 S. 2 SGG zu treffenden Entscheidung, ob eine bereits erfolgte Vollziehung, vorliegend die Nichtauszahlung der bewilligten Leistungen für die Zeit vom 1. März bis zum 31. April 2011, aufzuheben ist und Leistungen für die Vergangenheit auszuzahlen sind, hat es das öffentliche Interesse an dem Fortbestand des Vollzuges gegen das Interesse des Antragstellers an der Aufhebung der Vollziehung überzeugend abgewogen (vgl. zur vorzunehmenden Interessenabwägung LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Juli 2009 - L 29 AS 375/09 ER B -) und den Antragsteller zur Durchsetzung seiner Interessen auf das Hauptsacheverfahren verwiesen. Auch insoweit weist der Senat die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses des SG als unbegründet zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
c. Die Beschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit der Antragsteller die vorläufige Gewährung von ALG II in Höhe des vollen Regelbedarfs für Alleinstehenden für Mai 2011 geltend macht. Das SG hat zutreffend eine Verpflichtung zur Leistungserbringung für die Vergangenheit, nämlich für die Zeit vor Anbringung des einstweiligen Rechtsschutzgesuchs beim SG am 6. Mai 2011, abgelehnt, da insoweit die erforderliche Eilbedürftigkeit fehlt. Aber auch für die Zeit vom 6. Mai bis zum 31. Mai 2011 fehlt es im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung an einer drohenden Rechtsverletzung von einigem Gewicht, das eine einstweilige Anordnung gebieten würde. Es ist nicht ersichtlich, dass die fehlende Leistungsgewährung im oben genannten Zeitraum in die Gegenwart fortwirkt und eine gegenwärtige Notlage des Antragstellers begründet, nachdem er während des Sanktionszeitraums die ihm vom Antragsgegner angebotenen ergänzenden Sachleistungen (vgl. Senatsurteil vom 10. Juni 2011 - L 12 AS 5852/10 - dazu, dass dem Antragsteller zugleich mit der Absenkung durch Bescheid vom 15. Februar 2011 noch keine konkreten ergänzenden Sachleistungen bewilligt worden waren) nicht in Anspruch genommen hat und ab 1. Juni 2011 den vollen Regelbedarf erhält. Denn der Antragsteller trägt nicht vor, welche schweren und gegebenenfalls nicht wiedergutzumachenden Nachteile ihm drohen, wenn der Vollzug der umstrittenen Leistungsabsenkung nicht rückgängig gemacht wird. Somit ist es dem Antragsteller zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Im Rahmen des Hauptsacheverfahren kann auch der Frage nachgegangen werden, ob verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vorgenommene Absenkung des ALG II bestehen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 09. November 2011 - B 4 AS 27/10 R -; Senatsurteil vom 10. Juni 2011 - L 12 AS 5558/09 mit weiteren Nachweisen).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved