S 9 EG 28/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 EG 28/11
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Erziehungsgeldrecht - Elterngeldrecht
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Tatbestand:


Streitig ist die Höhe des Elterngeldes nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) für den 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes L ...

Die am 25.11.1980 geborene Klägerin, beschäftigt als Vertriebsmitarbeiterin bei der Fa. S.L. GmbH, A-Stadt, verheiratet mit M.H. (geb. 1977), beantragte am 17.03.2011 Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes L. (geb. 2011). Vorgelegt wurde eine Bescheinigung der Technikerkrankenkasse über den Bezug von Mutterschaftsgeld vom 01.02.2011 bis 10.04.2011 und neben der Erklärung zum Einkommen die "Abrechnung der Brutto-/Nettobezüge" für Januar 2010 bis Februar 2011, woraus sich auch ein Anspruch der Klägerin auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ergibt.

Das Zentrum Bayern - Region Mittelfranken - bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 21.03.2011 Elterngeld in Höhe von monatlich 983,39 EUR unter Anrechnung von Mutterschaftsgeld und dem Zuschuss zum Mutterschaftsgeld (zusammen: kalendertäglich 115,91 EUR); aus der Anlage zum Bescheid ergab sich, dass bei der Bewilligung von Elterngeld Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit von monatlich jeweils 2.300,00 EUR berücksichtigt wurde, Zahlungen im Februar 2010 (106,97 EUR), März 2010 (4.098,22 EUR), Juni 2010 (1.800,96 EUR), August 2010 (1.040,17 EUR), Oktober 2010 (2.823,27 EUR), November 2010 (4.328,24 EUR), Dezember 2010 (2.588,24 EUR) aber bei der Berechnung als Einmalzahlung unberücksichtigt blieben.

Gegen den Bewilligungsbescheid erhob die Klägerin mit Schreiben vom 06.04.2011 am 11.04.2011 Widerspruch; gemäß des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - müsse vom Arbeitgeber regelmäßig gezahlte Umsatzprovision bei der Berechnung des Elterngeldes einbezogen werden. Da sie im Vertrieb arbeite, seien die Umsatzprovisionen ein elementarer Bestandteil ihres Gehalts. In der Folgezeit legte die Klägerin ihren Arbeitsvertrag (gültig ab 29.06.2004) vor, aus dem sich (§ 3 des Arbeitsvertrages) ein Anspruch auf "eine Provision für die von ihr akquirierten Aufträge" ergab. Die Details seien in einer jährlichen Provisionsvereinbarung jedes Jahr vom Arbeitgeber festzulegen. Eine entsprechende Vereinbarung für 2010 (Provisionsmodell 2010) vom 05.01.2010 wurde von der Klägerin ebenfalls vorgelegt (Bl. 54 der Elterngeldakten - EA -).

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2011 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen; auf die Begründung des Widerspruchsbescheides nimmt das Sozialgericht Nürnberg Bezug.

Dagegen haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Telefax vom 07.07.2011 Klage erhoben und die Klage unter dem 16.08.2011 ausführlich begründet. Aus der beigefügten Stellungnahme des Steuerberaters der Klägerin ergebe sich, dass der Buchstabe "S" bei der steuerlichen Behandlung lediglich bedeute, unterjährig die Steuerlast zu nivellieren, da aufgrund der großen Schwankungen bei Anwendung der Monatstabelle in den Einzelmonaten ein viel zu hoher Steuerabzug entstehe. Lohnsteuerrechtlich sei diese Verfahrensweise zulässig. Gleichwohl handle es sich um laufende Gehaltsbestandteile. Insgesamt habe der Beklagte 16.786,07 EUR zu Unrecht unberücksichtigt gelassen. Beigefügt war eine entsprechende Bescheinigung der Steuerberatungsgesellschaft R. W. & Partner vom 03.08.2011.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 21.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2011 abzuändern und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin Elterngeld für L. (geb. 2011) für den 01. bis 12. Lebensmonat unter Berücksichtigung der im Kalenderjahr 2010 erhaltenen Provisionen in Höhe von 16.786,07 EUR zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat die Elterngeldakten beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Gerichts- und Beklagtenakten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Beklagten vom 21.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2011 hält einer gerichtlichen Überprüfung stand.
Der Klägerin steht höheres Elterngeld nicht zu.

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BEEG, weil sie einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, mit L. in einem Haushalt lebt, dieses Kind selbst betreut und erzieht und im streitigen Zeitraum keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. Hinsichtlich der Höhe des Elterngeldes nimmt das Sozialgericht Nürnberg auf den Bescheid des Beklagten vom 21.03.2011 Bezug und macht sich dessen Begründung gemäß § 136 Abs. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu Eigen.

Auf der Grundlage der vorgelegten Gehaltsbescheinigungen der Klägerin für den Januar bis Dezember 2010 ist erkennbar, dass die von der Klägerin in diesem Kalenderjahr erhaltenen Provisionen steuerrechtlich mit dem Buchstaben "S" gekennzeichnet sind und damit vom Arbeitgeber der Klägerin als "sonstiger Bezug" steuerlicher behandelt wurden. Sozialversicherungsrechtlich ist das teilweise (vgl. August 2010) nicht der Fall.

Unter den Beteiligten ist nicht streitig, dass die der Klägerin gezahlten Provisionen/Erfolgsbeteiligungen vom Arbeitgeber bzw. den die Buchhaltung des Arbeitgebers durchführenden Steuerberaterkanzlei als "sonstige Bezüge" behandelt wurden.

Damit ist nach Auffassung der Kammer § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG unmittelbar anwendbar, der bestimmt: "Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt." Diese Vorschrift ist einer Auslegung - etwa einer teleologischen Reduktion - zur Überzeugung der Kammer nicht zugänglich, denn der Wortlaut des § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG ist eindeutig und nicht auslegungsfähig.
§ 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG hat seine aktuell anzuwendende Fassung ab 01.01.2011 gefunden durch das Haushaltsbegleitgesetz 2011 - HBeglG 2011 - vom 09.12.2010 (Bundesgesetzblatt I, Seite 1885) gefunden. In der Gesetzesbegründung heißt es (Bundestagsdrucksache 17/3030): "Die Neufassung des Satzes 2 dient zum einen der Sicherstellung einer verwaltungspraktikablen Feststellbarkeit von sonstigen Bezügen im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Im Lohnsteuerabzugsverfahren nach § 38 a Abs. 1 Satz 3 und § 39 b EStG als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen sind bei der Elterngeldberechnung nicht zu berücksichtigen (anders zur bisherigen Rechtslage: BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009, B 10 EG 3/09 R, betreffend Voraus- und Nachzahlungen im Sinne von R § 39b.2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 8 LStR 2008, die für Zeitabschnitte in einem anderen Veranlagungszeitraum erfolgen und deswegen als sonstige Bezüge versteuert werden).
Zum anderen werden durch die Regelung des neuen Satzes 2 pauschal besteuerte Einnahmen nicht berücksichtigt. Dies bewirkt, dass nur Einnahmen, die von der Antrag stellenden Person zu versteuern sind, bei der Elterngeldberechnung berücksichtigt werden."

Damit hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass er einen verwaltungsökonomischen Gesetzesvollzug unter Bezugnahme auf die formale steuerliche Behandlung der Bezüge durch den Arbeitgeber sicherstellen will.

Das BSG hat im Urteil vom 18.08.2011 - B 10 EG 5/11 R - (in RdNr. 32 als "obiter dictum") ausgeführt: "§ 2 Abs 7 Satz 2 BEEG lautet seit dem 1.1.2011 (s. Art. 24 HBeglG 2011): ´Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt.´ Dem Beklagten ist zuzugeben, dass es nach dem neuen Wortlaut eindeutig und allein auf die lohnsteuerrechtliche Behandlung der Einnahmen ankommt."

Die Kammer hält somit an ihrer Rechtsprechung (Urteil vom 02.07.2012 - S 9 EG 6/12 -, Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht anhängig unter - L 12 EG 38/12 -) fest und sieht keine Möglichkeit, dem Klagebegehren der Klägerin zu entsprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Zur Rechtsmittelbelehrung siehe nächste Seite.
Rechtskraft
Aus
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