L 8 SB 5309/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 187/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5309/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. April 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Grads der Behinderung (GdB) streitig.

Bei dem am 1946 geborenen Kläger ist von der Großhandels- und Lagerei-Berufs-genossenschaft eine Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule mit Belastungsschmerzen, eine Herabsetzung der groben Kraft des rechten Armes und einliegendes Fremdmaterial im Bereich des sechsten Halswirbelkörpers als Folgen eines Arbeitsunfalles vom 05.03.1992 mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. anerkannt (Bescheid vom 15.08.1994). Ein Antrag des Klägers auf Feststellung von Behinderungen nach dem Schwerbehindertengesetz beim Versorgungsamt F. vom 07.09.1992 blieb durch Bescheid des Versorgungsamtes vom 30.03.1993 erfolglos.

Am 25.02.2000 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt F. , u.a. wegen einer Bandscheibenerkrankung an der Lendenwirbelsäule, erneut die Feststellung von Behinderungen nach dem Schwerbehindertengesetz. Das Versorgungsamt zog medizinische Befundunterlagen bei (Berichte Rheuma- und Rehabilitationsklinik Bad B. vom 20.12.1999 und 26.01.2000, Universitätsklinikum F. vom 13.01.2000, Reha-Entlassungsbericht der B.-Klinik Bad K. vom 14.03.2000) und ließ diese versorgungsärztlich auswerten (gutachtliche Stellungnahme vom 22.05.2000). Mit Bescheid vom 31.05.2000 stellte das Versorgungsamt beim Kläger den GdB mit 20 seit dem 25.02.2000 fest.

Gegen den Bescheid vom 31.05.2000 legte der Kläger am 03.07.2000 Widerspruch ein, mit dem er einen GdB von mindestens 50 geltend machte. Er legte Berichte der Universitätsklinikums F. vom 19.05.1999 und 11.01.2000 (OP-Bericht) sowie das histologische Gutachten vom 13.01.2000 vor. Entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von OMR Dr. L. vom 20.11.2000 (wegen der "BG-Leiden" - Teil-GdB 20 -, einer Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule, operierter Bandscheibenschaden - Teil-GdB 20 - sowie Bluthochdruck und Diabetes mellitus - Teil-GdB jeweils 10 -) stellte das Versorgungsamt mit Teilabhilfebescheid vom 28.11.2000 den GdB mit 30 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz jeweils seit dem 25.02.2000 fest. Im Übrigen wurde der vom Kläger weiterverfolgte Widerspruch mit Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg vom 20.12.2000 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 17.01.2001 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Der Kläger führte zur Begründung aus, er leide aufgrund eines Bandscheibenvorfalles an Teillähmungserscheinungen in den unteren Extremitäten. Zudem liege eine Funktionsbeeinträchtigung der Harnblase und des Mastdarmes vor. Hierzu legte der Kläger die Befundmitteilung von Dr. F. vom 19.03.2001 vor. Außerdem leide er an Bluthochdruck und Diabetes. Der GdB sei mit mindestens 50 anzusetzen. Das Versorgungsamt habe seiner Amtsermittlungspflicht nicht genügt. Das Versorgungsamt hätte eine eigene ärztliche Untersuchung veranlassen müssen. Der Kläger legte weitere Befundberichte von Dr. D. vom 18.11.2002 und Dr. R. vom 06.02.2003 vor.

Das SG hörte Dr. F. schriftlich als sachverständigen Zeugen an, der in seiner Stellungnahme vom 28.05.2001 beim Kläger den Gesamt-GdB auf 70 bis 80 einschätzte und in einer weiteren Stellungnahme vom 11.03.2002 mitteilte, eine Änderung zu den Vorbefunden sei nicht eingetreten.

Auf Anregung des Klägers zog das SG die den Kläger betreffenden Akten der LVA Baden-Württemberg bei und nahm das Gutachten der Ärztlichen Dienststelle F. (Untersuchungstag 08.06.2001) in Kopie zu den Akten.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das SG das Gutachten des Dr. D. vom 23.07.2003 ein, in dem Dr. D. unter Berücksichtigung eines Postnukleotomie-Syndroms mit persistierender Schmerzsymptomatik und einer anhaltenden Funktionsbehinderung der Hals- und Lendenwirbelsäule (Teil-GdB 30), einer leichten Harninkontinenzgrad I, einer Polyneuropathie der unteren Extremitäten und einer Angststörung (Teil-GdB jeweils 10) den Gesamt-GdB auf 50 schätzte.

Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Kö. vom 11.09.2001 und 27.11.2003 sowie Dr. Fr. vom 24.07.2002 entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.04.2004 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, für das sich mit den Unfallfolgen vollständig überschneidende Wirbelsäulenleiden sei der GdB mit 30 zu bewerten. Der von Dr. F. angegebene GdB von 70 bis 80 für die Blasen- und Darminkontinenz treffe nicht zu. Dr. D. habe nur einen GdB von 10 für eine leichte Harninkontinenz angegeben. Dieser Befund und die weiteren von Dr. D. mit einem Teil-GdB von 10 bewerteten Befunde könnten zu keiner Erhöhung des Gesamt-GdB führen.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23.04.2004 Berufung (L 8 SB 1622/04) eingelegt. Er hat zur Begründung vorgetragen, das SG habe ihm Akteneinsicht verweigert und ihn in der Ausübung seiner Rechte behindert. Die Begründung des SG sei im Hinblick auf die Darm- und Blaseninkontinenz, die von der Beeinträchtigung an den Bandscheiben herrühre, respektive u.U. psychovegetative Ursachen habe, nicht nachvollziehbar. Auch überschnitten sich die Unfallfolgen und das Wirbelsäulenleiden nicht vollständig. Die etwas überraschenden Feststellungen von Dr. D. seien nicht richtig ausgewertet worden. Die Blasen- und Mastdarminkontinenz seien mit dem Wirbelsäulenleiden als Gesamtkomplex zu werten und rechtfertigten einen GdB von mindestens 50 mit einer Tendenz zu 70. Beim SG seien BG-Verfahren wegen der Bewertung der MdE anhängig.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 13. April 2004 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 31. Mai 2000 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 28. November 2000 und des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2000 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 50 seit dem 25. Februar 2000 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Einzel-GdB-Bewertungen seien durch Dr. D. bestätigt worden, die jedoch keinen höheren Gesamt-GdB als 30 ergäben.

Auf Antrag des Klägers - im Hinblick auf die anhängigen BG-Verfahren - ist mit Zustimmung des Beklagten mit Beschluss vom 13.01.2005 das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden.

Am 15.11.2010 hat der Kläger das ruhende Berufungsverfahren wieder angerufen. Er hat ergänzend vorgetragen, in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.11.2003 seien die (jeweils mit einem Teil-GdB von 10 bewerteten) Gesundheitsstörungen Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Polyneuropathie und Harninkontinenz bagatellisiert worden. Diese Erkrankungen stellten einen Themenkomplex dar und führten zu einer Verschlimmerung des Gesamtzustandes. Weiter bestehe eine reaktive Depression, die mit einem Teil-GdB von 10 ebenfalls bagatellisiert werde. Der Kläger hat die Beiziehung der Akten des Landessozialgerichts Baden-Württemberg L 1 U 1283/05 beantragt.

Der Senat hat - entsprechend dem Antrag des Klägers - die Akten L 1 U 1283/05 beigezogen. In diesem Verfahren begehrte der Kläger die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nrn. 2108 und 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sowie Verletztenrente nach einer MdE von wenigstens 20 v.H. (hilfsweise von 10 v.H.), nachdem eine hierauf gerichtete Klage des Klägers vom SG mit Urteil vom 10.03.2005 (S 10 1599/03) abgewiesen worden war. In diesem Berufungsverfahren wurden das orthopädische Gutachten des Prof. Dr. Dr. H. vom 10.11.2005, auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das arbeitsmedizinische Gutachten von Prof. Dr. Dr. B. vom 05.01.2007 - mit nervenärztlichem Zusatzgutachten von Dr. Ki. vom 26.08.2006, der die MdE auf 10 v.H. schätzte, orthopädisches Zusatzgutachten von Dr. K. vom 06.09.2006 und radiologisches Gutachten PD Dr. Ri. vom 06.11.2006 -, in dem Prof. Dr. Dr. B. wegen einer Berufskrankheit Nummer 2108 der Berufskrankheitenverordnung eine MdE von 20 v.H. annahm, eingeholt, auf die Bezug genommen wird. In einer zu diesen Gutachten von der Beklagten Berufsgenossenschaft vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. He. vom 17.02.2007 wurde eine MdE von 10 v.H. für angemessen erachtet. Die Beklagte Berufsgenossenschaft unterbreitete dem Kläger ein Vergleichsangebot dahin, eine Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung mit einer MdE von 10 v.H. anzuerkennen (Schriftsatz vom 26.02.2007), das der Kläger zur Erledigung des Rechtsstreites annahm; hinsichtlich einer Berufskrankheit nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung wurde vom Kläger der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt (Schriftsatz vom 05.03.2007).

Der Kläger ist (über seinen Prozessbevollmächtigten) mit richterlichem Hinweisschreiben vom 04.03.2011 (unter Hinweis auf § 106a Abs. 3 SGG) gebeten worden, zu Änderungen des Gesundheitszustandes Angaben zu machen. Eine Äußerung des Klägers hierzu ist nicht erfolgt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die beigezogenen Akten L 1 U 1283/05 sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des GdB von über 30 seit 25.02.2000.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. In diesem Zusammenhang waren bis zum 31.12.2008 die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), zuletzt Ausgabe 2008 (AHP) heranzuziehen (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1).

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien erfolgte hierdurch nicht. Die VG haben vielmehr die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. zum Vorstehenden auch LSG Baden Württemberg, Urteil vom 19.02.2009 - L 6 SB 4693/08 -).

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Seite 10 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).

Hiervon ausgehend hat der Beklagte den Gesamt-GdB zu Recht auf 30 für die Zeit ab 25.02.2000 festgestellt.

Der Beklagte hat die von der Berufsgenossenschaft anerkannten Folgen des vom Kläger erlittenen Arbeitsunfalls vom 05.03.1992 (Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule mit Belastungsschmerzen, eine Herabsetzung der groben Kraft des rechten Armes und einliegendes Fremdmaterial im Bereich des 6. Halswirbelkörpers) zuzüglich der außerdem bestehenden Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Lendenwirbelsäule) des Klägers mit einem (Gesamt-) GdB von 30 nicht zu Lasten des Klägers zu niedrig bewertet. Nach den im vorliegenden Verfahren und im Verfahren L 1 U 1283/05 zu den Akten gelangten Gutachten und medizinischen Befundunterlagen bestehen beim Kläger hinsichtlich der Hals- und der Lendenwirbelsäule lediglich leichte bis allenfalls mäßige Funktionseinschränkungen. So wird nach dem vom SG zu den Akten genommenen Gutachten der Ärztlichen Dienststelle F. der LVA Baden-Württemberg jeweils eine mäßig eingeschränkten Entfaltbarkeit sowie Rotationsmobilität cervikal wie lumbal beschrieben. Auch Dr. F. nannte in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 28.05.2001 eine endgradig eingeschränkte Rotation der Halswirbelsäule mit schmerzhaft möglicher Reklination. Nach dem Gutachten von Dr. D. vom 23.07.2003 bestehen an der Halswirbelsäule des Klägers eine leichte und im Lendenwirbelsäulenbereich eine mittelschwere Beeinträchtigung. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. H. vom 10.11.2005 besteht beim Kläger in Verriegelung ein freies, in Entriegelung eine mäßige konzentrische Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, eine Druckdolenz der Facettengelenke im unteren Bereich der Halswirbelsäule mit mäßigen Verspannungen und der Nackenstrecker, ohne radikuläre Irritation, eine freie Funktion der Brustwirbelsäule ohne wesentliche Muskelirritation sowie ein mäßiges Postnukleotomie-Syndrom im Sinne eines chronisch-rezidivierenden lokalen unteren Lendenwirbelsäulen-Syndroms mit reaktiv muskulären Fehlfunktionen bei nur geringfügiger Funktionsbeeinträchtigung, ohne Hinweis für eine radikuläre Störung. Nach den nervenärztlichem Zusatzgutachten von Dr. Ki. vom 26.08.2006 finden sich beim Kläger zwar Zeichen einer Funktionsstörung der L4 Wurzel rechts sowie der S1 Wurzel links, elektrophysiologisch subklinische Schädigungszeichen auch in den Wurzeln L4, L5 und C6, die aber klinisch zu keinen relevanten Funktionsausfällen führen. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. B. vom 05.01.2007 ist die Beweglichkeit der Halswirbelsäule unauffällig. Dies gilt auch für die Beweglichkeit und Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule. Hinweise auf Muskellähmungen oder eine Muskelschwäche im Bereich der oberen und unteren Extremität sowie für Sensibilitätsstörungen bestehen nach dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. B. beim Kläger nicht. Nach den Gutachten von Prof. Dr. Dr. H. vom 10.11.2005 liegt beim Kläger auch keine relevante Funktionsbehinderung des rechten Armes vor. Die Muskulatur des Oberarmes (wie des Unterarmes) sind beim Kläger seitengleich normal entwickelt, eine Minderung der groben Kraft besteht nicht. Die Schulter- und Ellenbogengelenke sind funktionell unauffällig und frei beweglich. Entsprechendes gilt auch hinsichtlich der Handgelenke und der Fingergelenke. Auch Prof. Dr. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 05.01.2007 Einschränkungen der Funktion des rechten Armes beim Kläger nicht festgestellt. Damit besteht beim Kläger als GdB-relevant eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule.

Nach diesen Befunden ist die vom Beklagten vorgenommene Bewertung des GdB mit 30 für die anerkannten Folgen des vom Kläger erlittenen Arbeitsunfalls vom 05.03.1992 zuzüglich der außerdem bestehenden Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule großzügig bemessen. Nach den AHP (Nr. 26.18) wie auch den inhaltsgleichen VG (Teil B Nr. 18.9) rechtfertigen Wirbelsäulenschäden einen GdB von 30 erst bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) oder bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) in zwei Wirbelsäulenabschnitten. Dies trifft beim Kläger nach den oben dargestellten Wirbelsäulenbefunden nicht zu. Beim Kläger ist vielmehr davon auszugehen, dass bei ihm allenfalls geringe bis mittelgradige funktionelle Auswirkungen der Wirbelsäule bestehen, die einen Teil-GdB von 20, allenfalls von 30, angemessen erscheinen lassen. Dem entspricht im übrigen auch der Ausgang des Berufungsverfahrens L 1 U 1283/05, in dem hinsichtlich der Lendenwirbelsäule des Klägers von einer MdE von 10 v.H. ausgegangen wurde.

Sonstige Gesundheitsstörungen und Behinderungen, die einen höheren GdB als 30 beim Kläger rechtfertigen, liegen zur Überzeugung des Senates nicht vor.

Soweit sich der Kläger zur Begründung seines Begehrens unter Bezug auf Dr. F. auf eine Blasen- und Darminkontinenz beruft, die er mit einem GdB von 50 (bis 70) bewertet, kann dem Kläger nicht gefolgt werden. Anhaltspunkte für die Annahme des Klägers, dass eine Blasen- und Darminkontinenz von einem Bandscheibenschaden hervorgerufen werden, bestehen nicht. Ein objektiv medizinischer Untersuchungsbefund für eine Blasen- und Darminkontinenz findet sich in den zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen nicht. Nach dem Befundbericht von Dr. D. vom 18.11.2002 bestehen eine neurologische und nach dem Befundbericht von Dr. R. vom 08.02.2003 eine urologische Ursache nicht. Dies wird von Dr. D. in seinem Gutachten vom 23.07.2003 bestätigt, der hinsichtlich der Blasen- und Mastdarminkontinenz von einer unklaren Genese ausgeht. Dr. D. geht in seinem Gutachten vom 23.06.2003 weiter von einer leichten Harninkontinenz aus, die er mit einem Teil-GdB von 10 bewertet. Dem entsprechen auch die Angaben des Klägers bei der Begutachtung durch Dr. Ki. , der in seinem Gutachten bezüglich der vegetativen Anamnese ausgeführt hat, der Kläger müsse nachts häufiger zur Toilette und die Darmfunktion sei unauffällig, sowie dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. B. , der hinsichtlich der vegetativen Anamnese den Stuhlgang und das Wasserlassen beim Kläger sogar als unauffällig beschreibt. Damit sind beim Kläger keine Beeinträchtigungen der Blasen- und Darmfunktion belegt, die eine Anhebung des Teil-GdB von 30 auf 40 (oder gar 50, wie vom Kläger angestrebt) rechtfertigen. Der abweichenden Meinung von Dr. F. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 28.05.2001 kann nicht gefolgt werden. Dr. F. berücksichtigt bei seiner Bewertung des GdB mit 70 bis 80 Harnblasen- und Mastdarmstörungen in Form einer globalen Inkontinenz, die durch medizinische Befunde sowie nach den Angaben des Klägers bei der Begutachtung durch Dr. Ki. und Prof. Dr. Dr. B. nicht belegt sind, bzw. nicht zutreffen. Auch Dr. F. nennt keine medizinischen Untersuchungsbefunde, die seine Ansicht hinsichtlich der Harnblasen- und Mastdarmstörungen plausibel machen.

Auch der Diabetes mellitus des Klägers rechtfertigt eine Erhöhung des GdB von 30 nicht. Nach den Angaben von Dr. F. (Befundmitteilungen vom 19.03.2001 und schriftliche sachverständige Zeugenaussage an das SG vom 28.05.2001) wird der Diabetes mit Diät behandelt. Dass beim Kläger eine dauerhafte Behandlung zusätzlich mit Medikamenten erforderlich ist, steht zur Überzeugung des Senats nicht fest. Zwar wird der Kläger nach den Angaben von Dr. F. auch mit Medikamenten behandelt. Diese Angaben finden aber in den weiteren medizinischen Befundunterlagen keine Bestätigung. Die im Ärztlichen Gutachten der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (Untersuchungstag 08.06.2001) genannten vom Kläger eingenommenen Medikamente (Remid und Cibadrex) sind keine Medikamente zur Behandlung eines Diabetes und es wird - lediglich - von einem diätpflichtigen Diabetes mellitus beim Kläger ausgegangen. Entsprechendes gilt für den Reha-Entlassungsbericht der B.-Klinik Bad K. vom 14.03.2000 (stationäre Reha-Maßnahme vom 28.01.2000 bis 03.03.2000) hinsichtlich der Diagnose (diabetische Stoffwechseltendenz) und der Medikation (Cibarex). Nach dem Entlassungsbericht waren beim Kläger während der stationären Maßnahme die Blutzuckerwerte bei Kontrolle unter Vollkost sogar unauffällig, weshalb ärztlich kein Bedarf an diätischen oder medikamentösen Maßnahmen gesehen wurde (bei Notwendigkeit regelmäßiger Kontrollen der Blutzuckerwerte). Nach den AHP (1996) Nr. 26.15 (und später) rechtfertigen diese Befunde für den Diabetes einen Teil-GdB von 10. Davon geht auch Dr. Dr. F. in seiner schriftlichen sachverständige Zeugenaussage an das SG vom 28.05.2001 aus. Eine andere Bewertung ist auch nicht nach dem Inkrafttreten der Zweiten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 14.07.2010 (BGBl. 928) gerechtfertigt. Danach ist bei an Diabetes erkrankten Menschen ein GdB von 20 erst dann gerechtfertigt, wenn die Therapie eine Hypoglykämie auslosen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, was jedoch beim Kläger - nach dem Ausgeführten - nicht der Fall ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Kläger im Übrigen auch nicht geltend gemacht. Danach ist beim Kläger für den Diabetes weiterhin von einem Teil-GdB von allenfalls 10 auszugehen, der bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht erhöhend zu berücksichtigen ist. Im Übrigen hält der Senat nach den dargestellten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB selbst dann, wenn zu Gunsten des Klägers wegen des Diabetes mellitus von einem Teil-GdB von 20 ausgegangen würde, eine Erhöhung des GdB auf 40 (oder höher) - seit dem Inkrafttreten der Zweiten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung - im Hinblick auf die großzügige Bewertung der Folgen des vom Kläger erlittenen Arbeitsunfalls vom 05.03.1992 zuzüglich der außerdem bestehenden Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Lendenwirbelsäule) mit einem Teil-GdB von 30, für nicht rechtfertigt.

Auch die sonst beim Kläger bestehenden und vom Beklagten berücksichtigten Gesundheitsstörungen rufen keine Behinderungen hervor, die bei der Bildung des Gesamt-GdB erhöhend berücksichtigt werden können. Dr. F. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage an das SG vom 28.05.2001 hinsichtlich des (medikamentös behandelten) Bluthochdruckes sowie der Periarthropathia humeri scapularis den Teil-GdB jeweils mit 10 angenommen. Diese Bewertungen schließt sich der Senat an. Gegen diese Bewertung hat der Kläger im Übrigen auch keine substantiierten Einwendungen erhoben. Hinsichtlich der seelischen Störung sowie der Polyneuropathie geht Dr. D. in seinem Gutachten vom 23.06.2003 an das SG ebenfalls von einem Teil-GdB von jeweils 10 aus. Diese Bewertung wird auch durch die sonst zu den Unterlagen gelangten medizinischen Befunde bestätigt. Hinsichtlich der Psyche ist der Kläger nach dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. H. vom 10.11.2005 geordnet und zeitlich wie räumlich voll orientiert. Auch dem Gutachten von Dr. Ki. vom 26.08.2006 lassen sich keine relevanten psychischen Auffälligkeiten des Klägers entnehmen. Dies gilt auch für das orthopädische Zusatzgutachten von Dr. K. vom 06.09.2006, wonach beim Kläger kein Hinweis auf psychische Erkrankungen besteht. Die Polyneuropathie führt nach dem Gutachten von Dr. D. vom 23.07.2003 nur zu einer leichten Funktionsstörungen. Eine Beeinträchtigung des Gehvermögens des Klägers ist durch die Polyneuropathie nach den Gutachten von Dr. Dr. H. , Dr. Ki. und Prof. Dr. Dr. B. nicht gegeben, und lässt sich auch den sonst vorliegenden medizinischen Befundunterlagen nicht entnehmen. Diese Teil-GdB-Werte von 10 können nach den dargestellten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB - auch in ihrer Gesamtschau - nicht erhöhend berücksichtigt werden. Der Bewertung von Dr. D. in seinem Gutachten, der den Gesamt-GdB auf 50 eingeschätzt hat, kann nicht gefolgt werden, da er in seine GdB-Bewertung von 50 die von ihm mit einem Teil-GdB von 10 bewerteten Gesundheitsstörungen des Klägers unzulässig mit einbezogen hat.

Der Senat sieht sich zu weiteren Ermittlungen nicht gedrängt. Dazu, ob beim Kläger eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes eingetreten ist und bei welchen Ärzten sich der Kläger seit dem Ruhen des Verfahrens bis heute ggf. in Behandlung befindet, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers keine Angaben gemacht. Für den Senat nachprüfbare Angaben hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten - trotz des richterlichen Hinweisschreibens vom 04.03.2011 - auch nicht nachgeholt. Mit diesem Schreiben ist der Kläger (über seinen Prozessbevollmächtigten) darauf hingewiesen worden, dass nach Überprüfung der beigezogenen Akten der Eintritt einer relevante Änderung seines Gesundheitszustandes nicht ersichtlich sei, und unter Fristsetzung gebeten worden, mitzuteilen, ob eine Änderung des Gesundheitszustandes seit dem Ruhensbeschluss vom 13.01.2005 bzw. der im Berufungsverfahren L 1 U 1283/05 erfolgten Begutachtungen eingetreten ist, und wenn ja, welche Änderung jeweils konkret eingetreten ist und welcher Arzt welche Änderung jeweils wann festgestellt hat. Hierzu hat sich der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten nicht geäußert. Damit fehlt es an für den Senat nachprüfbaren Angaben des Klägers zu Veränderungen im Gesundheitszustand. Für den Senat bestehen damit keine - gezielten - Ermittlungsmöglichkeiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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