Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 275/13
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Krankenversicherung
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Behandlung mit dem Produkt "Repamun plus" als Sachleistung durch die Beklagte.
Die 1968 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Im Juli 2011 wurde bei ihr eine Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert, eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems.
Nach diagnostischer Sicherung des Krankheitsbildes wurde ihr das Präparat "Rilutekt" (Wirkstoff Riluzol) verordnet. Auf Anraten ihrer (mit-)behandlenden Hausärzte und ihres (mit-) behandlenden Heilpraktikers unterzog sich die Klägerin darüber hinaus im Rahmen eines individuellen Heilversuchs einer Therapie mit dem Produkt "Repamun plus".
Hierbei handelt es sich um ein Medizinprodukt, welches bislang allein für die äußere Anwendung am menschlichen Organismus zugelassen ist. Die Zulassung als Fertigarzneimittel wird derzeit von dem Hersteller des Produkts, der Arzneimittel B. GmbH & Co KG, betrieben, liegt jedoch nicht vor. Der Stand des Zulassungsverfahrens ist nicht bekannt.
Die steril aufbereitete Lösung aus sog. Hitzeschockproteinen wird bei der Klägerin auch injektiv verabreicht, im Wege einer subkutanen und/oder intramuskulären Injektion.
Am 30.12.2012 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für bereits erfolgte Behandlungen bei der Beklagten, welche dies mit Bescheid vom 21.01.2013 ablehnte.
Die Ablehnung wurde damit begründet, dass die begehrte Therapie wissenschaftlich noch nicht anerkannt sei. Im Übrigen existiere eine leitliniengerechte Behandlung mit zugelassenen Arzneimitteln sowie Heil- und Hilfsmitteln.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 28.04.2013 wandte sich die Klägerin im Rahmen des vorläufigen Rechtschutzes an das Sozialgericht Nürnberg (S 7 KR 165/13 ER).
Sie trug im Rahmen des Eilverfahrens vor, dass es durch die von ihr durchgeführte Therapie sowohl zu einer deutlichen Verbesserung ihres Allgemeinzustands als auch zu einem teilweisen Rückgang ihrer Beschwerden gekommen sei. Ferner habe sich ihr Gemütszustand aufgehellt und die ärztlich verordnete (Dauer-) Psychotherapie habe wieder deutlich angesprochen. Auch habe insgesamt eine deutliche Verlangsamung des Krankheitsgeschehens beobachtet werden können.
Heilungserfolge hätten auch von anderen Patienten bestätigt werden können, denen das Produkt im Rahmen individueller Heilversuche verabreicht worden sei. Dem Antrag war eine eidesstattliche Versicherung der an ALS erkrankten Frau S. K. beigefügt, die von einer Verbesserung des Krankheitsbildes durch die Behandlung mit Repamun berichtet.
Darüber hinaus würden die therapeutischen Effekte der Therapie mit Hitzeschockproteinen nicht nur seit gewisser Zeit in der Wissenschaft diskutiert, sondern hätten seit einigen Jahren auch gewisse Erfolge in der internationalen universitären Grundlagenforschung vorzuweisen. Aus diesen Forschungen wiederum seien wissenschaftliche Arbeiten hervorgegangen, die teilweise in den weltweit renommiertesten Fachzeitschriften veröffentlicht worden seien.
Die Klägerin trägt vor, dass die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V vorliegen würden. Es liege eine lebensbedrohliche Erkrankung vor, für die keine allgemein anerkannte Standardtherapie zur Verfügung stehe. Das Produkt Riluzol würde lediglich eine Verlängerung der Überlebenszeit von durchschnittlich ca. drei Monaten bewirken, könne ein Voranschreiten der Erkrankung jedoch nicht aufhalten. Angesichts der Tatsache, dass die Erkrankung innerhalb von durchschnittlich drei Jahren nach der Diagnose zum Tode führe, könne nicht mehr von einer erfolgversprechenden Therapie ausgegangen werden. Darüber hinaus seien bei der Behandlung mit Rilutek bei der Klägerin erhebliche Unverträglichkeiten aufgetreten.
Es bestünde auch eine hinreichende Erfolgsaussicht, welche durch die Erfahrungsberichte anderer Patienten sowie die wissenschaftlichen Veröffentlichungen belegt sei. Je schwerwiegender die Erkrankung und "hoffnungsloser" die Situation, desto geringere Anforderungen seien an die "ernsthaften Hinweise" auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg zu stellen.
Die Beklagte wies mit Bescheid vom 27.06.2013 den Widerspruch der Klägerin zurück.
Es wurde ausgeführt, dass es vorliegend bereits an einer vertragsärztlichen Verordnung nach § 73 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 SGB V fehle. Die Klägerin habe die Kostenerstattung für REPAMUN beantragt, ohne dass eine ärztliche Verordnung hierzu vorliege. Weiterhin bestehe für die Produkte "Repamun" und "Repamun plus" in Deutschland nur eine Zulassung als Medizinprodukt für die äußere Anwendung am menschlichen Organismus. Die Anwendung der Therapie der amyotrophen Lateralsklerose sei ein experimentelles Verfahren, über das erst in jüngster Zeit berichtet werde. Für eine Kostenübernahme für "Repamun" würden weder die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V (entsprechend dem Beschluss des BVerfG vom 06.12.2005) noch die Voraussetzungen des Off-label-Use des BSG vorliegen.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 11.07.2013 Klage.
In Ergänzung des Vorbringens im Eilverfahren trägt sie vor, dass es unerheblich sei, dass der Leistungserbringer Herr G. als Heilpraktiker nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Unabhängig davon werde ein Privatrezept der Arztpraxis D. und L. vorgelegt. Dieses trägt das Datum 16.08.2013.
Es werde auf einen Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 04.09.2013, L 11 KR 2995/13 ER-B hingewiesen, durch welchen die beteiligte Krankenkasse zur vorläufigen Übernahme des streitgegenständlichen Produkts "Repamun plus" verurteilt worden sei.
Die Klägerin beantragt
den Bescheid der Beklagten vom 08.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Kosten in Höhe von 5375,01EUR für die Behandlung mit "Repamun plus" zu erstatten
Die Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen ...
Unter anderem fehle es bereits an der Kausalität für einen Kostenerstattungsanspruch. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt bei der Beklagten die Leistung beantragt oder deren Entscheidung abgewartet. Vielmehr sei die Beklagte erstmals am 02.01.2013 davon informiert worden, dass die Klägerin eine Behandlung in der Praxis für ganzheitliche Heilwesen bereits seit August 2012 durchgeführt habe.
Darüber hinaus bestehe auch kein Primärleistungsanspruch für die von der Klägerin begehrte Leistung. Im vorliegenden Fall fehle es bereits an der ärztlichen Verordnung. So habe die Klägerin bei der Beklagten die Kostenerstattung für Repamun beantragt, ohne dass eine ärztliche Verordnung hierfür vorlag. Lediglich ein ärztliches Attest vom 20.11.2012 liege der Beklagten vor. Hier werde mitgeteilt, dass sich die Klägerin parallel zur Behandlung wegen amyotropher Lateralsklerose in der kassenärztlichen Praxis einen Heilpraktiker aufgesucht habe. Durch die von diesem durchgeführte Spritzentherapie mit Viathenampullen hätte eine Verbesserung der Beschwerden erreicht werden können.
Darüber hinaus handle es sich bei den Produkten Repamun und Repamun plus um eine sterile Lösung von bestimmten Hitzeschockproteinen und von Natriumselenit. In Deutschland bestehe eine Zulassung als Medizinprodukt für die äußere Anwendung am menschlichen Organismus. Die Anwendung in der Therapie der amytrophen Laterealsklerose sei ein experimentelles Verfahren, über das erst in jüngster Zeit berichtet werde. Eine Zulassung als Arzneimittel liege nicht vor.
Die Zusammensetzung "Hitzeschockproteine" und "Natriumselenit" lasse keine Schlüsse zu, in welcher Weise dieses Mittel qualitätsgesichert wirken könnte, noch irgendeinen Rückschluss auf vorliegende Studien und Informationen über Heilerfolge.
Zusammenfassend lägen weder die Voraussetzungen nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, noch die Voraussetzungen zum "Off-Label-Use" des Bundessozialgerichts vor.
Das Gericht lehnte im Eilverfahren S 7 KR 165/13 ER mit Beschluss vom 14.05.2013 den Antrag der Klägerin ab. Das Bayerische Landessozialgericht wies mit Beschluss vom 21.08.2013 die Beschwerde der Klägerin hiergegen zurück.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 08.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erstattung der Kosten zu, die sie für die Behandlung mit "Repamun plus" aufgewendet hat.
Da der Kläger nicht nach § 13 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hat, kommt als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch nur § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V in Betracht.
Für die bereits für Antragstellung erbrachten Leistungen ist eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V nach Ansicht des Gerichts nicht gegeben.
Die Leistung ist unaufschiebbar, wenn sie sofort - ohne die Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs - zu erbringen ist (vgl BSGE 73, 271, 287 = SozR 3S- 2500 § 13 Nr 4 S 26). Die Behandlung muss so dringlich sein, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit besteht, die Entscheidung der KK einzuholen (BSG SozR 4 - 2500 § 13 Nr 12 RdNr 23; vgl zur Absehbarkeit einer Entbindung BSG SozR 4 - 2500 § 13 Nr 1 RdNr 10). Allerdings darf kein Notfall vorliegen (su RdNr 78f). Streitgegenständlich ist die Dauerbehandlung der chronisch kranken Klägerin, welche über mehrere Monate durchgeführt worden war. In dieser Zeit bestand ohne weiteres die Möglichkeit, die Entscheidung der Beklagten herbeizuführen.
Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V kommt ebenfalls nicht in Betracht. Für die vor Antragstellung durchgeführten in Anspruch genommenen Behandlungen ergibt sicht dies alleine daraus, dass die Selbstbeschaffung vor der Ablehnung durch die Krankenkasse erfolgt ist. Ein Kostenerstattungsanspruch nach der 2. Alternative des Abs 3 S 1 setzt einen ordnungsgemäßen Beschaffungsweg insofern voraus, als die KK die Leistung abgelehnt haben muss. Die Notwendigkeit, eine Entscheidung der KK vor der Selbstbeschaffung einzuholen, ergibt sich bereits verfahrensrechtlich aus § 19 S 1 SGB IV und teleologisch aus dem Schutzzweck des Sachleistungsgrundsatzes (BSG SozR 3 - 2200 § 192 Nr. 15; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, K § 13 RdNr 54).Zwischen der Ablehnung der Leistung durch die KK und der Selbstbeschaffung muss also ein Kausalzusammenhang bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Aus diesem Erfordernis der Kausalität folgt nämlich, dass die Leistung zeitlich nach der Erteilung des Bescheides erbracht werden muss.
Im Ergebnis heißt dies, dass ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihrer Kosten selbst dann ausscheiden würde, wenn ein Primäranspruch auf die streitgegenständliche Behandlung bestanden hätte.
Dies ist jedoch ebenfalls nicht der Fall.
Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V reicht nämlich nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl. BSG, Urteil vom 27.3.2007, B 1 KR 17/06 R, Rz. 12).
Für den hier geltend gemachten Kostenübernahmeanspruch kommt als Anspruchsgrundlage lediglich § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB V i. V. m. § 31 Abs. 1 SGB V in Betracht. Ob die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind, kann an sich offen bleiben. Denn unabhängig davon, ob ein Medikament oder wie hier ein Medizinprodukt nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 i. V. m. § 31 Abs. 1 SGB V zur Erfüllung des Sachleistungsanspruchs auf die notwendige Versorgung mit Arzneimitteln bzw. Medizinprodukten gewährt werden muss, hängt der in die Zukunft gerichtete Kostenübernahmeanspruch jedenfalls davon ab, dass für das in Rede stehende Medikament eine vertragsärztliche Verordnung vorliegt (ausdrücklich BSG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 RK 15/96; LSG B-Stadt, Urteil vom 02.04.2003 - L 9 KR 70/00; ebenso SG Köln, Urteil vom 09.03.2007 - S 26 (19) KR 383/04; SG Gelsenkirchen, Urteil vom 04.07.2006 - S 28 KR 5/05, alle veröffentlicht in JURIS-Datenbank).
Das Erfordernis einer vertragsärztlichen Verordnung ergibt sich bezogen auf den Sachleistungsanspruch vor dem Hintergrund, dass § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i. V. m. § 31 Abs. 1 SGB V keine unmittelbar durchsetzbaren Ansprüche auf Versorgung schlechthin mit irgendwelchen Arzneimitteln, sondern lediglich ein ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht begründet. Dieses Rahmenrecht wird unter Beachtung des systematischen Zusammenhangs der §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 SGB V mit § 15 Abs. 1 SGB V (Arztvorbehalt) und § 73 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB V (Verordnung von Arzneimitteln) erst dadurch konkretisiert, dass ein Arzt den Eintritt eines Versicherungsfalls durch Diagnose einer Krankheit feststellt, dem Versicherten ein nach Zweck und Art bestimmtes Medikament als ärztliche Behandlungsmaßnahme "verschreibt" und damit die Verantwortung für den Einsatz dieses Arzneimittels übernimmt. Dass es sich bei dem die Verordnung ausstellenden Arzt, der insoweit als "Schlüsselfigur" der Arzneimittelversorgung bezeichnet werden kann, um einen Vertragsarzt handeln muss, ist in § 73 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB V dadurch klargestellt, dass alle ärztlichen Verordnungen zum Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung erklärt werden. Nur in deren Rahmen sind die gesetzlichen Krankenkassen zur Versorgung ihrer Versicherten mit entsprechenden Mitteln verpflichtet (BSG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 RK 15/96, veröffentlicht in JURIS-Datenbank).
An einer von einem Vertragsarzt ausgestellten ärztlichen Verordnung fehlt es im Hinblick auf die geltend gemachten Kosten für das Produkt "Repamun plus".
Im ärztlichen Attest der Praxis D./L. wird ausgeführt, man bitte um Überprüfung durch den MDK, ob die Kosten übernommen werden könnten, da die Ampullen nicht zu Lasten der Krankenkasse verschrieben werden könnten. Dies kann jedoch eine ärztliche Verordnung nicht ersetzen, da eine Übernahme der Verantwortung für die angestrebte Behandlung somit nicht zu erkennen ist. Die im Verfahren vorgelegte Verordnung der Praxis Dres. D./L. datiert vom 16.08.2013. Daraus folgt nur die Übernahme der Verantwortung für den in die Zukunft gerichteten Kostenübernahmeanspruch für das Produkt "Repamun plus". Eine rückwirkende Bestätigung der bereits erfolgten Behandlung scheidet indes aus.
Darüber hinaus liegen ungeachtet der fehlenden ärztlichen Verordnung auch die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB V i. V. m. § 31 Abs. 1 SGB V und damit der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage nicht vor. Danach haben Versicherte seit dem 01.07.2008 gem. § 31 Abs. 1 S. 2 SGB V nur noch dann einen Anspruch auf Versorgung mit Stoffen und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes (MPG) zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind (arzneimittelähnliche Medizinprodukte), wenn der G-BA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V (Arzneimittelrichtlinien) die medizinische Notwendigkeit anerkannt und das Medizinprodukt in der entsprechenden Richtlinie aufgenommen hat. Wird das Medizinprodukt nicht in der Arzneimittelrichtlinie erfasst oder gar dessen Aufnahme durch den G-BA abgelehnt, ist es in der Arzneimittelversorgung nicht einbezogen und damit auch nicht verordnungsfähig. So liegt es hier.
Ebenso wenig gebietet hier eine grundrechtsorientierte Auslegung (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98, veröffentlicht in www.bundesverfassungsgericht.de), nunmehr niedergelegt in § 2 Abs. 1a SGB V, bei der eine Ausnahme in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit in Betracht kommt, eine Pflicht der Beklagten, die Ast mit "Repamun plus" zu versorgen.
Ein Anspruch lässt sich nicht auf Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip aus dem in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Versicherungszwang stützen, obwohl es um die Versorgung mit einer neuen Behandlungsmethode im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit geht und für die Behandlung dieser Krankheit eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerfGE 115, 25 ). Der Gesetzgeber hat die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 in § 2 Abs. 1a SGB V einfachgesetzlich niedergelegt. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung und seiner fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung sind im Einzelfall auch die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Zwar folgt aus diesen Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich jedoch an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen. Insofern können diese Grundrechte in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Dies gilt insbesondere in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung. Denn das Leben stellt einen Höchstwert innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung dar. Behördliche und gerichtliche Verfahren müssen dieser Bedeutung und der im Grundrecht auf Leben enthaltenen grundlegenden objektiven Wertentscheidung gerecht werden und sie bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts berücksichtigen (vgl. BVerfGE 115, 25 m.w.N.).
Vorliegend vermag das Gericht hinsichtlich der Behandlung mit "Repamun plus" nicht zu erkennen, dass dadurch auch nur die entfernte Möglichkeit der positiven Beeinflussung des Krankheitsverlaufs der Klägerin besteht.
Zwar unterliegt der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der zu verlangen ist, um davon ausgehen zu dürfen, dass die behaupteten Behandlungserfolge mit hinreichender Sicherheit dem Einsatz gerade der streitigen Behandlung zugerechnet werden können und das einzugehende Risiko vertretbar ist, Abstufungen je nach der Schwere und dem Stadium der Erkrankung.
Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die "ernsthaften Hinweise" auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg" ( mit ähnlicher Tendenz schon: Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, 179; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl 2002, § 130 RdNr 23 ). Anhaltspunkte zur Entwicklung solcher Abstufungen können die in der Richtlinie des G-BA über die Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden niedergelegten Grundsätze bieten ( idF vom 1. Dezember 2003 , zuletzt geändert am 18. Oktober 2005 ; seit 1. April 2006 "Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung" idF vom 17. Januar 2006 ; die BUB-RL ist allerdings für den Bereich des Einsatzes von Fertigarzneimitteln nicht unmittelbar anwendbar, vgl zuletzt BSGE 94, 221 RdNr 30 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 31 mwN ), ebenso die Verfahrensordnung des G-BA ( vom 20. September 2005, BAnz 2005, S 16998 ). Danach können als Beurteilungsgrundlage beim Fehlen anderer Studien auch "Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, u.Ä.; nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten, Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen" in Betracht kommen ( vgl § 9 Abs 3 Punkt IV BUB-RL, § 18 Abs 2 Punkt IV und Abs 3 Punkt IV; § 20 Abs 2 Verfahrensordnung).
Vorgelegt wurde im Verfahren ein Patientenbericht der ebenfalls an ALS erkrankten Sybille Kazimierczak, in welcher von positiven Effekten der Behandlung mit "Repamun plus" berichtet wird. Wissenschaftliche Erkenntnisse über die Behandlung der ALS mit dem Präparat existieren darüber hinaus jedoch nicht. Von der Klägerin werden alleine Forschungen mit Tierversuchen zitiert, die auf eine mögliche Wirkung hindeuten. Es gibt demgegenüber keinerlei Untersuchungen an Menschen, so dass komplett ungeklärt ist, ob die Ergebnisse aus den Tierversuchen auf den Menschen übertragbar sind. Darüber hinaus gibt es keinerlei Anhaltspunkte über die Zusammensetzung, die Wirkweise, den Herstellungsprozess, etc. des Präparats, da keinerlei Herstellerinformation vorgelegt wurden oder auch vom Gericht ermittelbar waren. Im Ergebnis handelt es sich bei der streitgegenständlichen Behandlung daher um eine hochexperimentelle Vorgehensweise, bei der sich die Klägerin praktisch als Versuchsobjekt zur Verfügung stellt. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, muss die Kasse jedoch auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft erbringen(zuletzt: BVerfG, Beschluss vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12).
Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Behandlung mit dem Produkt "Repamun plus" als Sachleistung durch die Beklagte.
Die 1968 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Im Juli 2011 wurde bei ihr eine Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert, eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems.
Nach diagnostischer Sicherung des Krankheitsbildes wurde ihr das Präparat "Rilutekt" (Wirkstoff Riluzol) verordnet. Auf Anraten ihrer (mit-)behandlenden Hausärzte und ihres (mit-) behandlenden Heilpraktikers unterzog sich die Klägerin darüber hinaus im Rahmen eines individuellen Heilversuchs einer Therapie mit dem Produkt "Repamun plus".
Hierbei handelt es sich um ein Medizinprodukt, welches bislang allein für die äußere Anwendung am menschlichen Organismus zugelassen ist. Die Zulassung als Fertigarzneimittel wird derzeit von dem Hersteller des Produkts, der Arzneimittel B. GmbH & Co KG, betrieben, liegt jedoch nicht vor. Der Stand des Zulassungsverfahrens ist nicht bekannt.
Die steril aufbereitete Lösung aus sog. Hitzeschockproteinen wird bei der Klägerin auch injektiv verabreicht, im Wege einer subkutanen und/oder intramuskulären Injektion.
Am 30.12.2012 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für bereits erfolgte Behandlungen bei der Beklagten, welche dies mit Bescheid vom 21.01.2013 ablehnte.
Die Ablehnung wurde damit begründet, dass die begehrte Therapie wissenschaftlich noch nicht anerkannt sei. Im Übrigen existiere eine leitliniengerechte Behandlung mit zugelassenen Arzneimitteln sowie Heil- und Hilfsmitteln.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 28.04.2013 wandte sich die Klägerin im Rahmen des vorläufigen Rechtschutzes an das Sozialgericht Nürnberg (S 7 KR 165/13 ER).
Sie trug im Rahmen des Eilverfahrens vor, dass es durch die von ihr durchgeführte Therapie sowohl zu einer deutlichen Verbesserung ihres Allgemeinzustands als auch zu einem teilweisen Rückgang ihrer Beschwerden gekommen sei. Ferner habe sich ihr Gemütszustand aufgehellt und die ärztlich verordnete (Dauer-) Psychotherapie habe wieder deutlich angesprochen. Auch habe insgesamt eine deutliche Verlangsamung des Krankheitsgeschehens beobachtet werden können.
Heilungserfolge hätten auch von anderen Patienten bestätigt werden können, denen das Produkt im Rahmen individueller Heilversuche verabreicht worden sei. Dem Antrag war eine eidesstattliche Versicherung der an ALS erkrankten Frau S. K. beigefügt, die von einer Verbesserung des Krankheitsbildes durch die Behandlung mit Repamun berichtet.
Darüber hinaus würden die therapeutischen Effekte der Therapie mit Hitzeschockproteinen nicht nur seit gewisser Zeit in der Wissenschaft diskutiert, sondern hätten seit einigen Jahren auch gewisse Erfolge in der internationalen universitären Grundlagenforschung vorzuweisen. Aus diesen Forschungen wiederum seien wissenschaftliche Arbeiten hervorgegangen, die teilweise in den weltweit renommiertesten Fachzeitschriften veröffentlicht worden seien.
Die Klägerin trägt vor, dass die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V vorliegen würden. Es liege eine lebensbedrohliche Erkrankung vor, für die keine allgemein anerkannte Standardtherapie zur Verfügung stehe. Das Produkt Riluzol würde lediglich eine Verlängerung der Überlebenszeit von durchschnittlich ca. drei Monaten bewirken, könne ein Voranschreiten der Erkrankung jedoch nicht aufhalten. Angesichts der Tatsache, dass die Erkrankung innerhalb von durchschnittlich drei Jahren nach der Diagnose zum Tode führe, könne nicht mehr von einer erfolgversprechenden Therapie ausgegangen werden. Darüber hinaus seien bei der Behandlung mit Rilutek bei der Klägerin erhebliche Unverträglichkeiten aufgetreten.
Es bestünde auch eine hinreichende Erfolgsaussicht, welche durch die Erfahrungsberichte anderer Patienten sowie die wissenschaftlichen Veröffentlichungen belegt sei. Je schwerwiegender die Erkrankung und "hoffnungsloser" die Situation, desto geringere Anforderungen seien an die "ernsthaften Hinweise" auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg zu stellen.
Die Beklagte wies mit Bescheid vom 27.06.2013 den Widerspruch der Klägerin zurück.
Es wurde ausgeführt, dass es vorliegend bereits an einer vertragsärztlichen Verordnung nach § 73 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 SGB V fehle. Die Klägerin habe die Kostenerstattung für REPAMUN beantragt, ohne dass eine ärztliche Verordnung hierzu vorliege. Weiterhin bestehe für die Produkte "Repamun" und "Repamun plus" in Deutschland nur eine Zulassung als Medizinprodukt für die äußere Anwendung am menschlichen Organismus. Die Anwendung der Therapie der amyotrophen Lateralsklerose sei ein experimentelles Verfahren, über das erst in jüngster Zeit berichtet werde. Für eine Kostenübernahme für "Repamun" würden weder die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB V (entsprechend dem Beschluss des BVerfG vom 06.12.2005) noch die Voraussetzungen des Off-label-Use des BSG vorliegen.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 11.07.2013 Klage.
In Ergänzung des Vorbringens im Eilverfahren trägt sie vor, dass es unerheblich sei, dass der Leistungserbringer Herr G. als Heilpraktiker nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Unabhängig davon werde ein Privatrezept der Arztpraxis D. und L. vorgelegt. Dieses trägt das Datum 16.08.2013.
Es werde auf einen Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 04.09.2013, L 11 KR 2995/13 ER-B hingewiesen, durch welchen die beteiligte Krankenkasse zur vorläufigen Übernahme des streitgegenständlichen Produkts "Repamun plus" verurteilt worden sei.
Die Klägerin beantragt
den Bescheid der Beklagten vom 08.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Kosten in Höhe von 5375,01EUR für die Behandlung mit "Repamun plus" zu erstatten
Die Beklagte beantragt
die Klage abzuweisen ...
Unter anderem fehle es bereits an der Kausalität für einen Kostenerstattungsanspruch. Die Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt bei der Beklagten die Leistung beantragt oder deren Entscheidung abgewartet. Vielmehr sei die Beklagte erstmals am 02.01.2013 davon informiert worden, dass die Klägerin eine Behandlung in der Praxis für ganzheitliche Heilwesen bereits seit August 2012 durchgeführt habe.
Darüber hinaus bestehe auch kein Primärleistungsanspruch für die von der Klägerin begehrte Leistung. Im vorliegenden Fall fehle es bereits an der ärztlichen Verordnung. So habe die Klägerin bei der Beklagten die Kostenerstattung für Repamun beantragt, ohne dass eine ärztliche Verordnung hierfür vorlag. Lediglich ein ärztliches Attest vom 20.11.2012 liege der Beklagten vor. Hier werde mitgeteilt, dass sich die Klägerin parallel zur Behandlung wegen amyotropher Lateralsklerose in der kassenärztlichen Praxis einen Heilpraktiker aufgesucht habe. Durch die von diesem durchgeführte Spritzentherapie mit Viathenampullen hätte eine Verbesserung der Beschwerden erreicht werden können.
Darüber hinaus handle es sich bei den Produkten Repamun und Repamun plus um eine sterile Lösung von bestimmten Hitzeschockproteinen und von Natriumselenit. In Deutschland bestehe eine Zulassung als Medizinprodukt für die äußere Anwendung am menschlichen Organismus. Die Anwendung in der Therapie der amytrophen Laterealsklerose sei ein experimentelles Verfahren, über das erst in jüngster Zeit berichtet werde. Eine Zulassung als Arzneimittel liege nicht vor.
Die Zusammensetzung "Hitzeschockproteine" und "Natriumselenit" lasse keine Schlüsse zu, in welcher Weise dieses Mittel qualitätsgesichert wirken könnte, noch irgendeinen Rückschluss auf vorliegende Studien und Informationen über Heilerfolge.
Zusammenfassend lägen weder die Voraussetzungen nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, noch die Voraussetzungen zum "Off-Label-Use" des Bundessozialgerichts vor.
Das Gericht lehnte im Eilverfahren S 7 KR 165/13 ER mit Beschluss vom 14.05.2013 den Antrag der Klägerin ab. Das Bayerische Landessozialgericht wies mit Beschluss vom 21.08.2013 die Beschwerde der Klägerin hiergegen zurück.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 08.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.06.2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Erstattung der Kosten zu, die sie für die Behandlung mit "Repamun plus" aufgewendet hat.
Da der Kläger nicht nach § 13 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hat, kommt als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch nur § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V in Betracht.
Für die bereits für Antragstellung erbrachten Leistungen ist eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V nach Ansicht des Gerichts nicht gegeben.
Die Leistung ist unaufschiebbar, wenn sie sofort - ohne die Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs - zu erbringen ist (vgl BSGE 73, 271, 287 = SozR 3S- 2500 § 13 Nr 4 S 26). Die Behandlung muss so dringlich sein, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit besteht, die Entscheidung der KK einzuholen (BSG SozR 4 - 2500 § 13 Nr 12 RdNr 23; vgl zur Absehbarkeit einer Entbindung BSG SozR 4 - 2500 § 13 Nr 1 RdNr 10). Allerdings darf kein Notfall vorliegen (su RdNr 78f). Streitgegenständlich ist die Dauerbehandlung der chronisch kranken Klägerin, welche über mehrere Monate durchgeführt worden war. In dieser Zeit bestand ohne weiteres die Möglichkeit, die Entscheidung der Beklagten herbeizuführen.
Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V kommt ebenfalls nicht in Betracht. Für die vor Antragstellung durchgeführten in Anspruch genommenen Behandlungen ergibt sicht dies alleine daraus, dass die Selbstbeschaffung vor der Ablehnung durch die Krankenkasse erfolgt ist. Ein Kostenerstattungsanspruch nach der 2. Alternative des Abs 3 S 1 setzt einen ordnungsgemäßen Beschaffungsweg insofern voraus, als die KK die Leistung abgelehnt haben muss. Die Notwendigkeit, eine Entscheidung der KK vor der Selbstbeschaffung einzuholen, ergibt sich bereits verfahrensrechtlich aus § 19 S 1 SGB IV und teleologisch aus dem Schutzzweck des Sachleistungsgrundsatzes (BSG SozR 3 - 2200 § 192 Nr. 15; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, K § 13 RdNr 54).Zwischen der Ablehnung der Leistung durch die KK und der Selbstbeschaffung muss also ein Kausalzusammenhang bestehen. Dies ist hier nicht der Fall. Aus diesem Erfordernis der Kausalität folgt nämlich, dass die Leistung zeitlich nach der Erteilung des Bescheides erbracht werden muss.
Im Ergebnis heißt dies, dass ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihrer Kosten selbst dann ausscheiden würde, wenn ein Primäranspruch auf die streitgegenständliche Behandlung bestanden hätte.
Dies ist jedoch ebenfalls nicht der Fall.
Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V reicht nämlich nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl. BSG, Urteil vom 27.3.2007, B 1 KR 17/06 R, Rz. 12).
Für den hier geltend gemachten Kostenübernahmeanspruch kommt als Anspruchsgrundlage lediglich § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB V i. V. m. § 31 Abs. 1 SGB V in Betracht. Ob die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind, kann an sich offen bleiben. Denn unabhängig davon, ob ein Medikament oder wie hier ein Medizinprodukt nach § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 i. V. m. § 31 Abs. 1 SGB V zur Erfüllung des Sachleistungsanspruchs auf die notwendige Versorgung mit Arzneimitteln bzw. Medizinprodukten gewährt werden muss, hängt der in die Zukunft gerichtete Kostenübernahmeanspruch jedenfalls davon ab, dass für das in Rede stehende Medikament eine vertragsärztliche Verordnung vorliegt (ausdrücklich BSG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 RK 15/96; LSG B-Stadt, Urteil vom 02.04.2003 - L 9 KR 70/00; ebenso SG Köln, Urteil vom 09.03.2007 - S 26 (19) KR 383/04; SG Gelsenkirchen, Urteil vom 04.07.2006 - S 28 KR 5/05, alle veröffentlicht in JURIS-Datenbank).
Das Erfordernis einer vertragsärztlichen Verordnung ergibt sich bezogen auf den Sachleistungsanspruch vor dem Hintergrund, dass § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i. V. m. § 31 Abs. 1 SGB V keine unmittelbar durchsetzbaren Ansprüche auf Versorgung schlechthin mit irgendwelchen Arzneimitteln, sondern lediglich ein ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht begründet. Dieses Rahmenrecht wird unter Beachtung des systematischen Zusammenhangs der §§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 31 Abs. 1 SGB V mit § 15 Abs. 1 SGB V (Arztvorbehalt) und § 73 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB V (Verordnung von Arzneimitteln) erst dadurch konkretisiert, dass ein Arzt den Eintritt eines Versicherungsfalls durch Diagnose einer Krankheit feststellt, dem Versicherten ein nach Zweck und Art bestimmtes Medikament als ärztliche Behandlungsmaßnahme "verschreibt" und damit die Verantwortung für den Einsatz dieses Arzneimittels übernimmt. Dass es sich bei dem die Verordnung ausstellenden Arzt, der insoweit als "Schlüsselfigur" der Arzneimittelversorgung bezeichnet werden kann, um einen Vertragsarzt handeln muss, ist in § 73 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB V dadurch klargestellt, dass alle ärztlichen Verordnungen zum Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung erklärt werden. Nur in deren Rahmen sind die gesetzlichen Krankenkassen zur Versorgung ihrer Versicherten mit entsprechenden Mitteln verpflichtet (BSG, Urteil vom 19.11.1996 - 1 RK 15/96, veröffentlicht in JURIS-Datenbank).
An einer von einem Vertragsarzt ausgestellten ärztlichen Verordnung fehlt es im Hinblick auf die geltend gemachten Kosten für das Produkt "Repamun plus".
Im ärztlichen Attest der Praxis D./L. wird ausgeführt, man bitte um Überprüfung durch den MDK, ob die Kosten übernommen werden könnten, da die Ampullen nicht zu Lasten der Krankenkasse verschrieben werden könnten. Dies kann jedoch eine ärztliche Verordnung nicht ersetzen, da eine Übernahme der Verantwortung für die angestrebte Behandlung somit nicht zu erkennen ist. Die im Verfahren vorgelegte Verordnung der Praxis Dres. D./L. datiert vom 16.08.2013. Daraus folgt nur die Übernahme der Verantwortung für den in die Zukunft gerichteten Kostenübernahmeanspruch für das Produkt "Repamun plus". Eine rückwirkende Bestätigung der bereits erfolgten Behandlung scheidet indes aus.
Darüber hinaus liegen ungeachtet der fehlenden ärztlichen Verordnung auch die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB V i. V. m. § 31 Abs. 1 SGB V und damit der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage nicht vor. Danach haben Versicherte seit dem 01.07.2008 gem. § 31 Abs. 1 S. 2 SGB V nur noch dann einen Anspruch auf Versorgung mit Stoffen und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes (MPG) zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind (arzneimittelähnliche Medizinprodukte), wenn der G-BA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V (Arzneimittelrichtlinien) die medizinische Notwendigkeit anerkannt und das Medizinprodukt in der entsprechenden Richtlinie aufgenommen hat. Wird das Medizinprodukt nicht in der Arzneimittelrichtlinie erfasst oder gar dessen Aufnahme durch den G-BA abgelehnt, ist es in der Arzneimittelversorgung nicht einbezogen und damit auch nicht verordnungsfähig. So liegt es hier.
Ebenso wenig gebietet hier eine grundrechtsorientierte Auslegung (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98, veröffentlicht in www.bundesverfassungsgericht.de), nunmehr niedergelegt in § 2 Abs. 1a SGB V, bei der eine Ausnahme in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit in Betracht kommt, eine Pflicht der Beklagten, die Ast mit "Repamun plus" zu versorgen.
Ein Anspruch lässt sich nicht auf Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip aus dem in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Versicherungszwang stützen, obwohl es um die Versorgung mit einer neuen Behandlungsmethode im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit geht und für die Behandlung dieser Krankheit eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerfGE 115, 25 ). Der Gesetzgeber hat die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 in § 2 Abs. 1a SGB V einfachgesetzlich niedergelegt. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung und seiner fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung sind im Einzelfall auch die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Zwar folgt aus diesen Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich jedoch an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen. Insofern können diese Grundrechte in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Dies gilt insbesondere in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung. Denn das Leben stellt einen Höchstwert innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung dar. Behördliche und gerichtliche Verfahren müssen dieser Bedeutung und der im Grundrecht auf Leben enthaltenen grundlegenden objektiven Wertentscheidung gerecht werden und sie bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts berücksichtigen (vgl. BVerfGE 115, 25 m.w.N.).
Vorliegend vermag das Gericht hinsichtlich der Behandlung mit "Repamun plus" nicht zu erkennen, dass dadurch auch nur die entfernte Möglichkeit der positiven Beeinflussung des Krankheitsverlaufs der Klägerin besteht.
Zwar unterliegt der Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der zu verlangen ist, um davon ausgehen zu dürfen, dass die behaupteten Behandlungserfolge mit hinreichender Sicherheit dem Einsatz gerade der streitigen Behandlung zugerechnet werden können und das einzugehende Risiko vertretbar ist, Abstufungen je nach der Schwere und dem Stadium der Erkrankung.
Dabei sind Differenzierungen im Sinne der Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen an die "ernsthaften Hinweise" auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungserfolg" ( mit ähnlicher Tendenz schon: Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, 1994, 179; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl 2002, § 130 RdNr 23 ). Anhaltspunkte zur Entwicklung solcher Abstufungen können die in der Richtlinie des G-BA über die Bewertung medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden niedergelegten Grundsätze bieten ( idF vom 1. Dezember 2003 , zuletzt geändert am 18. Oktober 2005 ; seit 1. April 2006 "Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung" idF vom 17. Januar 2006 ; die BUB-RL ist allerdings für den Bereich des Einsatzes von Fertigarzneimitteln nicht unmittelbar anwendbar, vgl zuletzt BSGE 94, 221 RdNr 30 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 31 mwN ), ebenso die Verfahrensordnung des G-BA ( vom 20. September 2005, BAnz 2005, S 16998 ). Danach können als Beurteilungsgrundlage beim Fehlen anderer Studien auch "Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte, u.Ä.; nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten, Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen" in Betracht kommen ( vgl § 9 Abs 3 Punkt IV BUB-RL, § 18 Abs 2 Punkt IV und Abs 3 Punkt IV; § 20 Abs 2 Verfahrensordnung).
Vorgelegt wurde im Verfahren ein Patientenbericht der ebenfalls an ALS erkrankten Sybille Kazimierczak, in welcher von positiven Effekten der Behandlung mit "Repamun plus" berichtet wird. Wissenschaftliche Erkenntnisse über die Behandlung der ALS mit dem Präparat existieren darüber hinaus jedoch nicht. Von der Klägerin werden alleine Forschungen mit Tierversuchen zitiert, die auf eine mögliche Wirkung hindeuten. Es gibt demgegenüber keinerlei Untersuchungen an Menschen, so dass komplett ungeklärt ist, ob die Ergebnisse aus den Tierversuchen auf den Menschen übertragbar sind. Darüber hinaus gibt es keinerlei Anhaltspunkte über die Zusammensetzung, die Wirkweise, den Herstellungsprozess, etc. des Präparats, da keinerlei Herstellerinformation vorgelegt wurden oder auch vom Gericht ermittelbar waren. Im Ergebnis handelt es sich bei der streitgegenständlichen Behandlung daher um eine hochexperimentelle Vorgehensweise, bei der sich die Klägerin praktisch als Versuchsobjekt zur Verfügung stellt. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, muss die Kasse jedoch auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Gesichtspunkte nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft erbringen(zuletzt: BVerfG, Beschluss vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12).
Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.
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