L 1 U 1269/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 1609/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1269/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16.02.2011 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung des Ereignisses vom 11.07.2008 als Arbeitsunfall sowie die Feststellung von Unfallfolgen im Streit.

Der 1976 geborene Kläger arbeitete am 11.07.2008 als abhängig beschäftigter Gartengestalter. Beim Anlegen einer Treppe verlegte er gemeinsam mit einem Arbeitskollegen einen ca. 150 kg schweren Steinblock, wobei den Kläger ein plötzlicher stechender Schmerz im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule (LWS) durchfuhr. Der Kläger stellte daraufhin seine Arbeit ein und sprach bei seinem Hausarzt Dr. E. vor.

Am 29.09.2008 zeigte der Kläger das Ereignis bei der Beklagten telefonisch als Arbeitsunfall an. Er habe sich aufgrund des Vorgangs einen Bandscheibenvorfall zugezogen. Auf Aufforderung der Beklagten legte der Kläger am 07.10.2008 die entsprechende schriftliche Unfallanzeige vor. Der Hausarzt Dr. E. teilte am 05.11.2008 mit, dass der Kläger sich am 11.07.2008 gegen 10:00 Uhr morgens mit akuten Rückenschmerzen und einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung der LWS vorgestellt habe. Der Kläger habe gravierende Schmerzen im Rückenbereich angegeben. Der Kläger habe berichtet, beim Hochheben eines schweren Blocks einen plötzlichen Rückenschmerz im unteren Rückenbereich verspürt zu haben. Der Auskunft war ein radiologischer Befund des Dr. A. vom 03.09.2008 beigefügt, wonach beim Kläger eine Streckfehlhaltung am thorakolumbalen Übergang, eine Chondrosis intervertebralis sowie eine breitbasige linksbetonte Protrusion im Segment L5/S1 vorlägen; ein Prolaps oder eine Spinalkanalstenose seien nicht erkennbar.

Mit Bescheid vom 14.11.2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignis vom 11.07.2008 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Ein Unfall im Sinne des § 8 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) liege vor, wenn ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis zu einem Gesundheitsschaden führe. Bei einem Unfall aus innerer Ursache, d. h. einem inneren Leiden (hier: plötzlich auftretender Schmerz im Rücken) fehle es an dem erforderlichen äußeren Ereignis.

Der Kläger legte am 09.12.2008 bei der Beklagten Widerspruch ein. Seine Bevollmächtigten begründeten den Widerspruch damit, dass der Kläger sich am 11.07.2008 beim Verlegen der 150 kg schweren Blockstufe in vornüber geneigter Tätigkeit und in Rotationsstellung befunden habe, als er plötzlich einen stechenden Schmerz im Bereich der unteren LWS verspürt habe. Seit diesem Vorfall liege Arbeitsunfähigkeit vor, welche ärztlich bestätigt worden sei. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles sei es ausreichend, dass Verletzungen nach einer erhöhten Kraftanstrengung eingetreten seien. Von einer erhöhten Kraftanstrengung sei beim Anheben einer 150 kg schweren Blockstufe ohne Weiteres auszugehen.

Der Kläger legte ein am 08.01.2009 von dem Facharzt für Orthopädie Dr. S. für die C. Krankenversicherung AG verfasstes Gutachten vor, in eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer akuten Lumboischialgie bestätigt wird. Der beschriebene Mechanismus beim Auftreten des Schmerzes spreche für das Auftreten einer akuten Blockierung im Bereich des SIG (Sakroiliakalgelenk, auch Kreuz-Darmbeingelenk bzw. Iliosakralgelenk [ISG] genannt) bzw. der LWS. Die beschriebene Schmerzausstrahlung entspreche typischerweise der einer Kreuz-Darmbeingelenksblockierung. Hinweise auf eine Nervenwurzelkompression hätten sich nicht gezeigt. Ein klassischer Bandscheibenvorfall habe sich auch im MRT nicht nachweisen lassen. Die Höhenminderung der geschädigten Bandscheibe L5/S1 führe zu einem erhöhten Anpressdruck auf die Facetten L5/S1.

Mit Stellungnahme vom "16.09.2009" (gemeint wohl: 16.02.2009) vertrat der Beratungsarzt Dr. T. die Auffassung, dass das Anheben eines Gegenstandes (früher auch als Verhebetrauma bezeichnet) nach aktuellem wissenschaftlichen Diskussionsstand nicht in der Lage sei, eine isolierte Bandscheibenverletzung, Bandscheibenprotrusion oder gar einen Prolaps zu bewirken. Gemäß dem vorliegenden MRT bestehe beim Kläger ein degenerativer Bandscheibenschaden mit Protrusion der Bandscheibe im Segment L5/S1 ohne Prolaps. Die ausgewertete Literatur belege, dass eine isolierte traumatische Diskushernie als Folge einmaliger Gewalteinwirkung bisher kein einziges Mal nachgewiesen worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2009 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, wozu die Beklagte sich auf die Ausführungen ihres Beratungsarztes stützte.

Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 15.05.2009 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben, mit der sie weiterhin an ihrer Auffassung festhalten, ein Ursachenzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Wirbelsäulenverletzung des Klägers liege vor.

Im Klageverfahren vor dem SG hat der Kläger eine gutachterliche fachorthopädische Stellungnahme zur Vorlage bei der Züricher Versicherung des Orthopäden Dr. G. vom 28.07.2009 vorgelegt, wonach der Kläger sich seit dem 18.02.2008 in der regelmäßigen dortigen fachorthopädischen Behandlung befinde. Durch intensive schmerztherapeutische und orthopädische Therapie sei keine durchgreifende Beschwerdebesserung möglich gewesen. Mittlerweile beklage der Kläger neben lumbalen Beschwerden auch eine wiederholte Schmerzausstrahlung in die unteren Extremitäten. Die fachneurologische/-psychiatrische Untersuchung habe keinen Anhalt für eine larvierte Depression oder sonstige seelische Ursachen der Beschwerden aufgezeigt. Mittlerweile müsse von einem chronifizierten Schmerzsyndrom ausgegangen werden. Seines Erachtens sei der kausale Zusammenhang zum Unfallereignis gegeben. Der Kläger sei bis zum Unfallzeitpunkt gänzlich beschwerdefrei gewesen, was auch hausärztlich bestätigt werden könne.

Auf Nachfrage des Gerichts haben die Klägerbevollmächtigten mitgeteilt, dass der Kläger bis zu dem Verletzungsereignis nicht in orthopädischer Behandlung gewesen sei.

Im Auftrag des SG hat daraufhin der Unfallchirurg und Orthopäde Dr. D. am 09.11.2009 ein Sachverständigengutachten erstellt. Beim Kläger bestünden schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Brustwirbelsäule (BWS) und der LWS, welche durch Funktionsstörungen des unteren Bewegungssegmentes der LWS (L5/S1) und durch Funktionsstörungen der Kreuz-Darmbeinfugen bedingt seien. Die schädigenden Einwirkungen des Ereignisses vom 11.07.2008 seien nicht wesentlich ursächlich und auch nicht annähernd gleichwertig ursächlich für die genannten Gesundheitsstörungen. Bei einer gesunden Wirbelsäule seien Muskulatur und Skelettsystem in der Regel so aufeinander abgestimmt, dass ihr Zusammenwirken keine Schädigung eines der Teile bedingen könne. Das nervale Reglersystem, das vorzugsweise im Rückenmark untergebracht sei, habe nicht nur anheizende, also zur Lieferung und Muskelspannleistung anregende, sondern auch drosselnde, das Aktivierungsausmaß beschränkende Funktion. Die Frage der wesentlichen Teilursächlichkeit sei in diesem Zusammenhang danach zu beantworten, ob die Einwirkung der versicherten Tätigkeit auf die beteiligte Struktur physiologisch oder unphysiologisch gewesen sei. Das Heben der Last sei vorliegend physiologisch gewesen, d. h. geplant und koordiniert, und habe bezüglich der Bewegung und Belastung dem Bauplan der LWS und der Kreuz-Darmbeinfugen entsprochen. Ein Schaden nach einer physiologischen Belastung lasse jedoch den sicheren Rückschluss auf eine höherwertige Alternativursache zu. Beim Kläger seien insoweit degenerative Verschleißerscheinungen der geschädigten Strukturen im Bewegungssegment L5/S1 durch das Kernspintomogramm objektiv nachgewiesen worden, welche als wesentliche Teilursache für seine Gesundheitsstörungen anzusehen seien.

Die Klägerbevollmächtigten haben in der Folgezeit Einwendungen gegen die Ausführungen des Gutachtens erhoben, worauf Dr. D. zur ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme aufgefordert worden ist. Mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 11.03.2010 hat Dr. D. die Auffassung vertreten, dass die vom Radiologischen Zentrum W. festgestellte Chondrosis intervertebralis mit breitbasig links betonter Protrusion im Bewegungssegment L5/S1 als anatomischer Befund zu den beim Kläger vorliegenden schmerzhaften Bewegungseinschränkungen der BWS und LWS führen könne. Der vom Kläger erneut geschilderte Verletzungsvorgang habe der üblichen Bewegung und Belastung des Bauplans der LWS bzw. der Kreuz-Darmbeinfuge entsprochen. Die beim Kläger feststellbaren schmerzhaften Bewegungseinschränkungen der BWS und LWS könnten durch die Funktionsstörung der unteren Bewegungssegmente der LWS (L5/S1) und durch Funktionsstörungen der Kreuz-Darmbeinfuge bestimmt sein. Die gesicherte orthopädische Erfahrung zeige, dass die beim Kläger festgestellte Schadensanlage so leicht ansprechbar sein könne, dass es keine besonderen in ihrer Art unersetzlichen äußeren Einwirkung bedürfe, sondern das jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die festgestellten Erscheinungen auslösen könne. Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) liege beim Kläger nicht vor. Soweit Dr. G. in seinem Schreiben die Auffassung vertreten habe, dass seines Erachtens der kausale Zusammenhang zum Unfallereignis gegeben sei, sei bereits die Annahme einer wesentlichen Teilursächlichkeit des vom Kläger geschilderten Ereignisses für die Beschwerden zu verneinen.

Mit Urteil vom 16.02.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Das SG hat sich hierbei maßgeblich auf die Ausführungen des Gutachters Dr. D. vom 09.11.2009 und 11.03.2010 gestützt. Beim Kläger seien Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule in Form einer Chondrose (Verschmälerung des Zwischenwirbelraums) festgestellt worden, wobei im Bewegungssegment L5/S1 das altersentsprechende Ausmaß diskret überstiegen werde. Außerdem bestehe eine Funktionsstörung der Kreuz-Darmbeinfuge. Diese Gesundheitsstörungen seien nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. D. verschleißbedingte Veränderungen, welche sich nur anlässlich des Geschehens vom 11.07.2008 bemerkbar gemacht hätten. Insoweit vertrete Dr. D. zu Recht die Auffassung, das bei einer gesunden Wirbelsäule Muskulatur- und Skelettsystem so abgestimmt seien, dass ihr Zusammenwirken keine Schädigung eines der Teile bedingen könne. Da es sich um einen kontrollierten Bewegungsablauf gehandelt habe und der geschilderte Bewegungsablauf nach der Darlegung des Gutachters einer dem Bauplan der LWS bzw. der Kreuz-Darmbeinfuge entsprechenden Belastung (physiologische Belastung) gleichzusetzen sei, sei eine höherwertige Alternativursache anzunehmen. Bei typisch degenerativ veränderten Strukturen sei auf der Grundlage medizinisch-naturwissenschaftlicher Erkenntnisse dieser Rückschluss der indirekte Vollbeweis einer Schadensanlage. Die Beurteilung durch Dr. D. werde durch die Ausführung des Beratungsarztes Dr. T. vom 16.09.2009 gestützt. Dementsprechend sei auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung vielfach anerkannt, dass bei willentlichen Kraftentfaltungen regelmäßig kein Arbeitsunfall vorliege (mit Verweis auf die bei Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 437 zitierten Beispielsfälle, wie das Absetzen eines zwei Zentner schweren Sacks, das Rollen und Kippen eines 90 kg schweren Bierfasses etc.). Auch das LSG Nordrhein-Westfalen habe entschieden, dass ein isolierter Bandscheibenschaden nicht als Folge äußerer Gewalteinwirkung angenommen werden könne (Urteil vom 27.03.2006 - L 17 U 256/05 -). Auch vorliegend hätten beim Kläger zum Unfallzeitpunkt bis dahin stumme degenerative Veränderungen vorgelegen, welche nahelegten, dass die mit dem Geschehen am 11.07.2008 einhergehenden Belastungen nicht die Bedeutung einer wesentlichen (Teil-) Ursache für die bei ihm bestehende Problematik hätten. Soweit der Kläger auf die Stellungnahme von Dr. G. verweise, sei darauf hinzuweisen, dass Dr. G. sich im Wesentlichen mit der Frage beschäftigt habe, ob der Kläger weiterhin als Wirtschaftsgärtner arbeite könne oder nicht. Zur Frage des kausalen Zusammenhangs habe Dr. G. sich nicht in der erforderlichen wissenschaftlichen Form geäußert. Sofern nach der Stellung des Gutachten des Dr. D. vom 09.11.2009 weitere Fragen aufgetreten seien, seien diese im erforderlichen Umfang durch die ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Dr. D. vom 11.03.2010 geklärt worden. Das Urteil des SG ist dem Bevollmächtigten des Klägers am 25.02.2011 zugestellt worden.

Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 25.03.2011 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Berufung ist nicht begründet worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 16.02.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2009 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 11.07.2008 um einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall mit den Folgen Lumbago bei SIG-Blockierung links und Facettensyndrom L5/S1 handelt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Bei dem Ereignis vom 11.07.2008 handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R -).

Entsprechend den Ausführungen des SG fehlt es vorliegend an dem Erfordernis eines von außen auf den Körper des Klägers wirkenden Ereignisses, welches für die Anerkennung des Vorfalls als Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII erforderlich wäre. Andererseits lag durch die Willens- und Kraftanstrengung des Klägers bei dem Vorfall ein inneres und vom Kläger gesteuertes Geschehen vor, welches eine solche Einwirkung von außen gerade ausschloss.

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr., vgl. stellvertretend BSG vom 12.04.2005 a.a.O., RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adä-quanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl. 2008, Vorb. v. § 249 RdNr. 58 ff. m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Aus-gangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht wer-den kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursa-chen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ur-sache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Be-deutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vor-handenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erschei-nungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, son-dern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung aus-gelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfol-gen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.N.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte Kausalität für die erlittene Kreuz-Darmbeingelenksblockierung mit ausstrahlenden Schmerzen und das Facettensyndrom L5/S1 nicht vor. Das SG weist zu Recht darauf hin, dass nach dem vom Kläger geschilderten Ablauf der Ereignisse eine von diesem vollkommen kontrollierte Hebesituation vorlag. Der Kläger hat gemeinsam mit einem Kollegen einen schweren Steinblock angehoben, wobei er sich voll auf diese Tätigkeit konzentrieren konnte. Eine Einwirkung von außen, eine plötzliche Ablenkung oder sonstige überraschende Momente sind hierbei nicht aufgetreten. Die völlig vom Willen des Klägers gesteuerte Handlung wies - abgesehen vom Eintritt der Verletzung - keinerlei Überraschungsmoment auf. Erst nach plötzlichem und unerwartetem Auftreten des Schmerzes im Bereich der LWS kam es zu einem unvorhergesehenen äußeren Ablauf, nämlich dem plötzlichen Ablegen der Steinblocks links vom Kläger, um nicht durch das Gewicht des Blocks verletzt zu werden. Zwar muss die Einwirkung nicht äußerlich sichtbar sein (BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - mit Hinweis auf BSG SozR 2200 § 548 Nr. 56: Störung eines Herzschrittmachers durch Kurzwellen eines elektrischen Geräts), ganz verzichtet werden kann hierauf jedoch nicht.

Damit lag bis zum Auftreten der Verletzung kein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vor, weil es an einem plötzlichen von außen wirkenden Ereignis fehlte (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R -: Beschluss des erkennenden Senats vom 07.11.2006 - L 1 U 4027/06 -; Urteil des erkennenden Senats vom 26.01.2009 - L 1 U 3612/08 -). Auch in den Fällen, in denen eine Verletzung allein aufgrund einer außergewöhnlichen Kraftanstrengung - diese könnte vorliegend angesichts des Gewichts der Blockstufe von 150 kg angenommen werden - diskutiert wird (ablehnend mit Darstellung der älteren Rechtsprechung SG Augsburg, Urteil vom 07.11.2005 - S 5 U 184/04 -, HVBG-Info 005/2006, S. 565-582), ist zumindest für ein von außen wirkendes Ereignis zu fordern, dass von der Einwirkung als einem unfreiwilligen Element des Geschehensablaufs auszugehen ist, was hier jedenfalls nicht gegeben ist (BSGE 61, 113, 115 = SozR 2200 § 1252 Nr. 6 S. 20).

Nach der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 437 ff.) ist ein plötzlicher Schmerz beim Anheben eines Gegenstandes kein für die vorliegende Verletzung geeigneter Vorgang. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die überzeugenden Ausführungen des SG und dessen Interpretation der Stellungnahmen des Sachverständigen Dr. D. Bezug genommen.

Im Fall des Klägers liegen zudem degenerative, d.h. schon vor dem Ereignis vom 11.07.2008 bestehende Veränderungen im Bereich des SIG und der unteren WS vor, welche kernspintomo-graphisch objektiv nachgewiesen sind und welche nach den überzeugenden Ausführungen sowohl des Dr. D. als auch des Dr. T. für sich genommen geeignet sind, die am 11.07.2008 aufgetretenen Verletzungen und Schmerzen des Klägers zu erklären.

An diesem Ergebnis ändern auch die vom Kläger vorgelegten und für private Versicherungen erstellten Stellungnahmen von Dr. S. und Dr. G. nichts. Die Ausführungen von Dr. S. vom 08.01.2009 zu der von ihm festgestellten Lumboischialgie enthalten ebenso wie die Ausführungen des Dr. G. vom 28.07.2009 mit der dort festgestellten Kreuz-Darmbeingelenkblockade zwar Aussagen zur resultierenden Arbeitsunfähigkeit, nicht jedoch Ausführungen zur Kausalität im Hinblick auf das Vorliegen einer Schadensanlage und einer Gelegenheitsursache. Die Feststellungen von Dr. S. und Dr. G. stehen daher den voranstehenden Ausführungen nicht entgegen. Dies gilt auch für die pauschale Aussage des Dr. G., er bejahe den kausalen Zusammenhang, da auch im Falle einer unwesentlichen Teilursache bzw. Gelegenheitsursache - wie im vorliegenden Fall - Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinn, nicht jedoch im rechtlichen Sinn gegeben ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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