L 4 R 1824/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 165/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 1824/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. März 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung

Der am 1950 im Kosovo geborene Kläger absolvierte seinen Angaben nach dort eine Ausbildung als Maurer. Nach dem Zuzug in das damaligen Bundesgebiet war er mit Unterbrechungen ab 1973 versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt vom 1. Mai 1987 bis 7. März 2005 als Bauhelfer. Nach Angaben des letzten Arbeitgebers gegenüber der Beklagten (Auskunft vom 3. September 2008 mit der Ergänzung vom 14. November 2008) hatte der Kläger Handarbeiten im Tiefbau zu verrichten und Baukleingeräte zu bedienen. Es habe sich um angelernte Arbeiten gehandelt. Die Anlernzeit würde ca. ein Jahr dauern. Die Einarbeitung sei durch Fachpersonal erfolgt. Der Kläger sei in Teilbereichen des Facharbeiterberufs Straßenbauer eingesetzt gewesen. Die Tätigkeit sei tarifvertraglich nicht erfasst gewesen. Seit 1. Oktober 2005 übte der Kläger eine geringfügige Beschäftigung als Bauhelfer im Garten- und Landschaftsbau bei einem Dienstleistungsunternehmen aus. Der Kläger bezog vom 27. Oktober 2003 bis 7. März 2005 Krankengeld, unterbrochen durch den Bezug von Übergangsgeld wegen der Teilnahme an stationären Maßnahme der medizinischen Rehabilitation vom 3. bis 24. Dezember 2003, sowie seit 8. März 2005 Leistungen wegen Arbeitslosigkeit, seit 2. Oktober 2007 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Kläger beantragte am 2. März 2007 Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog von der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen das von Privatdozent Dr. F. erstattete Gutachten vom 9. August 2007 wegen eines Arbeitsunfalls vom 7. August 2000 (Quetschverletzung des linken Mittelfingers mit subtotaler Amputation des Endglieds des Mittelfingers), den Entlassungsbericht des Privatdozent Dr. H. vom 9. Januar 2004 über die stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme vom 3. bis 24. Dezember 2003 sowie von Allgemeinarzt Dr. L. ihm zugegangene Arztbriefe bei. Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. G. erstattete das Gutachten vom 11. Juni 2008. Er diagnostizierte mäßiggradige, teils deutliche degenerative Veränderungen mit Funktionseinschränkung bei Fehlhaltung, eine mäßiggradige Polyarthrose der kleinen Fingergelenke mit endgradiger Funktionseinschränkung, einen Zustand nach Endgliedamputation des linken Mittelfingers, Dupytren‘sche Kontrakturen beider 4. Strähle mehr links als rechts, eine endgradige Funktionseinschränkung in beiden Handgelenken, eine beginnende Gonarthrose beidseits, eine emotional instabile Persönlichkeit sowie eine Verdeutlichungstendenz. Das Leistungsvermögen des Klägers sei soweit gemindert, dass er noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten vollschichtig (sechs Stunden und mehr) ausüben könne mit Einschränkungen für langes Stehen, häufiges Bücken, Knien und Hocken. Ferner sollten nur noch Lasten bis maximal zehn kg gehoben und getragen werden. Als Tiefbauarbeiter sei er dauerhaft nicht mehr einsetzbar. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 5. September 2008 den Rentenantrag ab.

Der Kläger erhob Widerspruch. Die Beklagte erhob daraufhin die genannte Auskunft des letzten Arbeitgebers vom 3. September 2008 (mit der Ergänzung vom 14. November 2008) sowie den Befundbericht des Dr. L. vom 14. Oktober 2008, der eine bestehende Wirbelsäulen- und Skelettinsuffizienz, ein chronisches Schmerzsyndrom sowie eine Persönlichkeitsstörung nannte. Orthopäde Dr. v. C. teilte der Beklagten auf die Anforderung eines Befundberichts mit, es lägen keine Untersuchungsergebnisse der letzten drei Jahre vor. Der beratende Arzt der Beklagten Dr. Kl. schloss sich der Leistungsbeurteilung des Dr. G. an (Stellungnahme vom 29. Oktober 2008).

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 2009). Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert noch berufsunfähig. Die Beurteilung des Leistungsvermögens durch den Sozialmedizinischen Dienst sei schlüssig und nachvollziehbar. Die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung als Bauhelfer sei dem Leitberuf des angelernten Arbeiters des unteren Bereichs zuzuordnen, weshalb sich der Kläger auf sämtliche angelernten und ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen müsse. Solche seien ihm noch mindestens sechs Stunden zumutbar.

Der Kläger erhob am 16. Januar 2009 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) und begehrte in der mündlichen Verhandlung des SG Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung. Er machte - wie bereits mit seinem Widerspruch - geltend, wegen seiner Erkrankungen (schwere Wirbelsäulenerkrankung, zahlreiche Unfallverletzungen aus seiner Tätigkeit als Bauhelfer) sei er nicht mehr in der Lage, eine Tätigkeit von über drei Stunden täglich auszuüben. Auch die ihn behandelnden Ärzte hielten eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von sechs Stunden täglich für nicht zumutbar. Es bestehe ein teilweise verschlossener Arbeitsmarkt. Auch sei er der deutschen Sprache nicht mächtig und nicht in der Lage, auf Deutsch zu lesen und zu schreiben, so dass Arbeiten wie Bürotätigkeit, Sortierarbeiten oder Botendienste entfielen. Die Schmerzerkrankung bewirke, dass er an einer höhergradigen depressiven Verstimmung leide.

Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid entgegen.

Das SG erhob die Gutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. D. vom 23. September 2009, des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. S. vom 16. März 2010 auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sc. vom 16. Dezember 2010. Dr. D. nannte als Diagnosen eine chronische rezidivierende Cervikalgie bei degenerativen Veränderungen ohne Neurologie, eine chronische rezidivierende Lumboischialgie links bei degenerativen Veränderungen und Nervenwurzelirritation links mit Sensibilitätsstörungen der ersten bis vierten Zehen links, eine Fingerpolyarthrose, einen Zustand nach Endgliedamputation des linken Mittelfingers, Morbus Dupuytren beider 4. Strähle, am fünften Strahl mit leichter Bewegungseinschränkung, ein subacriomales Schmerzsyndrom bei leichter Bursitis subacromialis links und leichter Schultereckgelenksarthrose sowie einen Spreizfuß beidseits. Den Beruf des Maurers im Tief- und Straßenbau könne der Kläger nur noch unter drei Stunden verrichten. Leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (z.B. Sortierarbeiten, Bürotätigkeiten, Bedienen und Arbeiten mit oder an Maschinen oder ähnliches) könne er mindestens sechs Stunden täglich durchführen ohne Heben und Tragen schwerer Lasten über zehn kg, regelmäßige gebückte Tätigkeiten, Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen, Tätigkeiten in Nässe, Kälte und Zugluft sowie Überkopf sowie Tätigkeiten mit der Notwendigkeit zum Besteigen von Leitern und Gerüsten. Bei der Untersuchung hätten sich Hinweise für eine erhebliche Verdeutlichungstendenz gezeigt. Unter Ablenkung hätten die Gelenke problemlos ohne Schmerzangabe und ohne Gegenspannen bewegt werden können, und der Bewegungsumfang der Wirbelsäule sei entsprechend gewesen. Dr. S. nannte als wesentliche Erkrankung ein chronisches Schmerzsyndrom in fortgeschrittenem Chronifizierungsstadium, chronisch rezidivierende Erkrankungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit Bandscheibendegenerationen, ein subacromiales Impingement-Syndrom beider Schultergelenke, eine Fingerpolyarthrose mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung, einen Zustand nach Endgliedteilamputation des linken Mittelfingers, eine Fibromatose der Palmarfascie des 4. Strahls beidseits und des 5. Strahls links mit Flexionskon-traktur in den Grundgelenken, einen Senk-Spreizfuß und Hallus valgus beidseits sowie eine Adipositas. Es bestünden schmerzhafte Bewegungseinschränkungen und ein Nervenwurzelreiz S 1. Das chronische Schmerzsyndrom liege beim Kläger zumindest seit der Zeit der längeren Arbeitsunfähigkeit im Jahre 2006 vor. Im letzten Beruf als Maurer im Tief- und Straßenbau könne der Kläger nicht mehr arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (Bürotätigkeit, Sortierarbeiten oder Botendienste) könne er leichte körperliche Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Ein Heben und Tragen schwerer Lasten von über zehn kg, regelmäßig gebückte Tätigkeiten, Tätigkeit in Zwangshaltungen, Feuchtigkeit, Kälte, Zugluft, Überkopf sowie mit der Notwendigkeit des Besteigens von Leitern und Gerüsten seien dem Kläger aufgrund seiner Wirbelsäulen- und Schultererkrankung nicht mehr zuzumuten. Aufgrund der depressiven Stimmungslage bei chronischem Schmerzsyndrom seien besondere geistige Beanspruchungen, verantwortungsvolle Tätigkeiten sowie Tätigkeiten mit Publikumsverkehr nahezu ausgeschlossen. Inwieweit er aufgrund seiner chronischem Schmerzerkrankung sowie depressiven und verzweifelten Stimmungslage arbeitsfähig sei, müsse von anderer Seite beurteilt werden. Dr. Sc. stellte auf psychiatrisch-psychotherapeutischem Fachgebiet die Diagnose einer leichtgradigen depressiven Störung. Weitere Erkrankungen beträfen das orthopädische Fachgebiet (Verweis auf die Gutachten der Dres. D. und S.). Wegen des orthopädischen Leidens sei der Kläger nicht mehr in der Lage, im Beruf des Maurers im Tief- und Straßenbau zu arbeiten. Die verschiedenen Gesundheitsstörungen bedingten qualitative Einschränkungen. Bei Beachtung dieser Einschränkungen sei er weiterhin in der Lage, vollschichtig (bis zu acht Stunden) an fünf Tagen in der Woche zu arbeiten. Die leichtgradige depressive Störung begründe kein relevantes quantitatives Leistungsdefizit, weil es an objektivierbaren Defiziten der Ausdauerleistungsfähigkeit fehle. Die wesentlichen Leistungseinschränkungen resultierten aus den auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen. Wegen der depressiven Störung sei die Fähigkeit, Stressbelastungen adäquat zu bewältigen, vermindert ausgeprägt. Es schieden Tätigkeiten mit Akkordarbeit, Nachtarbeit und unmittelbarem Kundenkontakt aus. Grundsätzlich in Frage kämen kognitiv wenig beanspruchende, körperlich leichte Tätigkeiten in Büro, Logistik und Dienstleistung (z.B. leichte Transport-, Lager- und Botenarbeiten).

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 29. März 2011 ab. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Die Gesundheitsstörungen seien nach den Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen erheblich und schränkten die Leistungsfähigkeit des Klägers ein, gingen jedoch nicht so weit, dass der Kläger nicht mehr leichte körperliche Tätigkeiten mit den von den Sachverständigen genannten funktionellen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig. Er sei nach seinem beruflichen Werdegang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Es müsse nicht entschieden werden, ob der Kläger tatsächlich der deutschen Sprache mächtig sei. Denn bei der Prüfung einer Erwerbsminderung könne sich ein Versicherter nicht darauf berufen, dass eine andere Sprache als Deutsch seine Muttersprache sei und er für gesundheitlich zumutbare Tätigkeiten keine ausreichenden Kenntnisse der deutschen Sprache habe. Im Übrigen bestünden auch keine Anhaltspunkte, dass der Kläger Analphabet wäre. Unabhängig davon vermöge der Analphabetismus eines im Ausland aufgewachsenen Versicherten keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zu begründen. Ein nicht auf einer gesundheitlichen Störung oder Minderbegabung beruhender Analphabetismus eines im Ausland aufgewachsenen Versicherten sei keine Krankheit oder Behinderung im Sinne des Gesetzes, sondern ein Bildungsdefizit. Im Übrigen spiele ein Analphabetismus bei leichten Tätigkeiten des Abnehmens, Kontrollierens und Verpackens von Beuteln in Produktionsstätten der Papier- und Elektroindustrie keine Rolle. Entsprechendes gelte für die leichte Tätigkeit eines Warenaufmachers, Versandfertigmachers oder Warensortierers, die mit keinen besonderen Anforderungen an die kommunikativen Fähigkeiten verbunden seien und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang zur Verfügung stünden.

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 8. April 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. Mai 2011 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein Vorbringen, der Arbeitsmarkt sei für ihn teilverschlossen, weil er der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei und sie nicht lesen könne. Das Verständnis sowie auch das Erkennen und Lesen der deutschen Sprache sei entscheidend für die vom SG benannten Berufsvorschläge und Tätigkeiten. Auch nach Auffassung der zuständigen Agentur für Arbeit sei er aufgrund dieser Einschränkung nicht einsetzbar. Das SG habe nicht geprüft, ob eine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vorliege.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. März 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 5. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. März 2007 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 5. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Januar 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat ab 1. März 2007 weder Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) noch - unabhängig davon, dass der Kläger dies in der mündlichen Verhandlung des SG nicht beantragt hat - auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI.

1. Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Beim Kläger bestehen degenerative Veränderungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule, ein subacromiales Syndrom der Schultern bei Bursitis subacriomalis, eine Fingerpolyarthrose, eine Amputation des Endglieds des Mittelfingers links. Wegen der Verschleißerkrankungen bestehen Bewegungseinschränkungen. Dies ergibt sich aus den Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. D. und Dr. S ... Die von ihnen in ihren Gutachten für das orthopädische Fachgebiet beschriebenen Befunde stimmen überein. Wegen der orthopädischen Erkrankungen sind die vom Kläger geklagten Schmerzen glaubhaft, wovon auch der gerichtliche Sachverständige Dr. Sc. ausgeht, und bestätigen die Diagnose eines chronischen Schmerzsyndroms in fortgeschrittenem Chronifizierungsstadium durch Dr. S ... Eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung lässt sich demgegenüber nicht feststellen. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. Sc ...

Beim Kläger besteht des Weiteren eine leichtgradige depressive Störung. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. Sc ... Für eine höhergradige depressive Störung gibt es keine Anhaltspunkte, wie Dr. Sc. unter Berücksichtigung der weiteren in den Akten enthaltenen Befunde in seinem Gutachten zutreffend herausgearbeitet hat.

Die Gesundheitsstörungen, insbesondere die orthopädischen Erkrankungen, führen zu qualitativen Leistungseinschränkungen. Auch diese werden von den Sachverständigen übereinstimmend beschrieben. Aufgrund seiner Wirbelsäulen- und Schultererkrankung kann der Kläger Tätigkeiten mit Heben und Tragen schwerer Lasten über 10 kg, regelmäßige gebückte Tätigkeiten, Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen, Tätigkeiten in Nässe, Kälte, Zugluft und Überkopf sowie Tätigkeiten mit der Notwendigkeit zum Besteigen von Leitern und Gerüsten nicht mehr verrichten. Aufgrund der depressiven Stimmungslage bei chronischem Schmerzsyndrom sind auch Tätigkeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung, verantwortungsvolle Tätigkeiten, Tätigkeiten mit Publikumsverkehr und Kundenkontakt sowie Tätigkeiten mit Akkordarbeit und Nachtarbeit nicht mehr zumutbar.

Aus den Gesundheitsstörungen resultieren zur Überzeugung des Senats keine Leistungseinschränkungen in zeitlicher Hinsicht auf weniger als sechs Stunden. Der Senat folgt den Sachverständigen darin, dass der Kläger noch leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts zumindest sechs Stunden täglich verrichten kann. Auch dies haben die Sachverständigen übereinstimmend festgestellt.

Eine Leistungseinschränkung bedingt nicht die Behauptung des Klägers, er sei nicht in der Lage, die deutsche Sprache zu lesen und zu schreiben. Zum einen kann ein ausländischer Versicherter sich nicht auf die ungenügende Beherrschung der deutschen Sprache berufen, sofern der vergleichbare deutsche Versicherte die erforderlichen Sprachkenntnisse besitzt (Bundessozialgerichts - BSG -, Urteil vom 15. Mai 1991 - 5 RJ 92/89 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 11). Zum anderen verfügt der Kläger trotz dieser behaupteten mangelhaften Beherrschung der deutschen Sprache über ausreichende kommunikative Fähigkeiten, so dass er in der Lage war, über 18 Jahre die Tätigkeit als Bauhelfer zu verrichten. Daraus ergibt sich, dass es für den Arbeitgeber oder Vorgesetzten des Klägers möglich war, dem Kläger Anweisungen zu erteilen, um die notwendigen Arbeiten sachgerecht auszuführen und - so die Angaben des letzten Arbeitgebers gegenüber der Beklagten (Auskunft vom 3. September 2008 mit der Ergänzung vom 14. November 2008) - Baukleingeräte zu bedienen. Dies ist dann auch bei den vom SG genannten Tätigkeiten möglich, die ebenfalls nach entsprechenden Anweisungen ausgeführt werden können. Dies gilt insbesondere für die vom SG genannte Tätigkeit des Warenaufmachers, die meist keine Lese- und Rechtschreibkenntnisse erfordert (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 06. März 2009 - L 5 R 280/06 - in juris; Stellungnahme des Landesarbeitsamts Hessen vom 6. Januar 2011, abrufbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de/Berufskunde).

2. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 des RV-Altergrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderung ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45; Urteil vom 25. Juli 2001 - B 8 KN 14/00 R - SozR 3-2600 § 43 Nr. 26) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem so genannten Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit den Leitberufen des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an. Eine Verweisung kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R - in juris).

Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (z. B. BSG, Urteil vom 29. März 1994 - 13 RJ 35/93 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45; Urteil vom 18. Februar 1998 - B 5 RJ 34/97 R - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 61; Urteil vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 19/04 R - in juris).

Ausgehend davon ist bisheriger Beruf des Klägers die Tätigkeit des Bauhelfers, die er zuletzt über 18 Jahre hinweg ausübte. Diese Tätigkeit kann allenfalls als Tätigkeit eines angelernten Arbeiters, keinesfalls aber als Facharbeitertätigkeit eingestuft werden. Denn der Kläger verrichtete eine angelernte Tätigkeit als Bauhelfer nach einer Anlernzeit von ca. einem Jahr. Dies ergibt sich aus der Auskunft des letzten Arbeitgebers gegenüber der Beklagten vom 3. September 2008 mit der Ergänzung vom 14. November 2008. Der Kläger ist damit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, auf welchem er, wie aufgezeigt, noch vollschichtig erwerbstätig sein kann.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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