Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 3686/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 3095/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten für eine Umschulung zum Restaurantfachmann.
Der 1969 geborene Antragsteller bezieht mit Ehefrau und zwei Kindern vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Der Antragsgegner finanzierte ihm eine Qualifizierungsmaßnahme im Bereich Hotel- und Gaststättengewerbe im ...-Hotel in Stuttgart, die der Antragsteller vom 1. Dezember 2010 bis 19. April 2011 absolvierte. Zuvor hatte der Antragsteller eine Qualifizierung im Lagerbereich absolviert und Berufspraxis im Lager erworben.
Am 20. Dezember 2010 beantragte er die Förderung einer Umschulung zum Restaurantfachmann und führte hierzu aus, dass er nach Auffassung des Dozenten beim ...-Hotel das Potential hierfür habe und eine Qualifizierung über sieben Monate ohne ausführliche Theorie nicht ausreichend sei, weshalb er an der Maßnahme nicht weiter teilnehmen wolle. Mit E-Mail vom 21. Dezember 2010 teilte der Antragsgegner mit, dass er keine Notwendigkeit für eine andere Förderung sehe, da die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit vorrangig vor einer Weiterbildungsmaßnahme sei, er nach Abschluss der Qualifizierung ausreichend qualifiziert sei, um einen Arbeitsplatz zu erhalten und zudem weiterhin im Lagerbereich einsetzbar sei. Ein persönliches Gespräch wurde angeboten. Der Antragsteller antwortete per E-Mail am 21. Dezember 2010, dass er nicht einverstanden sei und ab April eine Umschulung beim IB beginnen könne. Der Antragsgegner teilte mit E-Mail vom 22. Dezember 2010 mit, dass sich an seiner Entscheidung nichts ändern werde. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein mit der Begründung, die Weiterbildung sei notwendig, da er über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge und das angestrebte Bildungsziel mit hoher Wahrscheinlichkeit eine hohe Eingliederungschance erwarten lasse. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2011 verwarf der Antragsgegner den Widerspruch als unzulässig, da es sich bei der E-Mail nicht um eine Verwaltungsakt gehandelt habe. Hilfsweise wurde ausgeführt, dass der Widerspruch auch in der Sache unbegründet sei, da die begehrte Umschulung zur Eingliederung in Arbeit nicht notwendig sei.
Hiergegen richtet sich die am 20. April 2011 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage (S 14 AS 2404/11). Zur Begründung hat der Kläger ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen vorgetragen, er habe bereits von 1994 bis 1998 als Geschäftsführer in einem Fastfood Restaurant in M. gearbeitet und ein Praktikum an der Rezeption eines Hotels absolviert, ferner habe er 2008 ein Praktikum im H. I. in S, absolviert.
Am 4. April 2011 beantragte der Antragsteller erneut eine Umschulung zum Restaurantfachmann, was der Antragsgegner mit bestandskräftigem Bescheid vom 4. Mai 2011 ablehnte.
Am 22. Juni 2011 hat der Antragsteller beim SG die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt im Hinblick auf eine mögliche Umschulung zum Restaurantfachmann beim ...Hotel in S., die im Oktober 2011 beginne und zu der er sich bis Mitte September anmelden müsse.
Mit Beschluss vom 18. Juli 2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anordnungsanspruch i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht glaubhaft gemacht sei. Es könne dahinstehen, ob es sich bei der E-Mail des Antragsgegners um einen Verwaltungsakt gehandelt und der Antragsgegner den Widerspruch dagegen zu Recht als unzulässig verworfen habe. Denn der Antragsgegner habe den erneuten Förderungsantrag mit Bescheid vom 4. Mai 2011 bestandskräftig abgelehnt. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des Antragsgegners, die Übernahme der Kosten für eine Umschulung zum Restaurantfachmann abzulehnen, zu beanstanden wäre. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) könnten Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung notwendig sei, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt sei. Da die Förderung also im Ermessen des Leistungsträgers liege, komme die Verpflichtung zur Bewilligung einer ganz bestimmten Weiterbildungsmaßnahme im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nur dann in Betracht, wenn jede andere Entscheidung als die Förderung der vom Antragsteller favorisierten Maßnahme fehlerhaft wäre. Anhaltspunkte für eine solche Ermessensreduktion auf Null seien vorliegend nicht ersichtlich. Nach § 2 Abs. 2 SGB II müssten erwerbsfähige Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten; nach § 10 SGB II sei grundsätzlich jede Arbeit zumutbar. Leistungen zur Eingliederung könnten nach § 3 Abs. 1 SGB II nur erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich seien. Vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des Antragsgegners, dass angesichts der vorhandenen Qualifikationen die Vermittlung des Antragstellers auf einen entsprechenden Arbeitsplatz möglich und zumutbar sei, zu beanstanden wäre.
Mit seiner am 21. Juli 2011 eingelegten Beschwerde macht der Antragsteller geltend, dass er ohne Berufsabschluss auf dem Arbeitsmarkt keine Chance habe. Es genüge nicht, sich in der Restaurantbranche auszukennen und über allgemeine Abläufe Bescheid zu wissen, die Arbeitgeber verlangten eine durch Ausbildung nachweisbare Qualifikation. Es fehle ihm an fundierten Kenntnissen im Restaurantbereich. Ohne die Umschulung erhalte er keine Anstellung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt, denn dieser ist unbegründet. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Wird im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breith 2005, 803). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, weil etwa eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden unter Berücksichtigung insbesondere der grundrechtlichen Belange des Antragstellers. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 42).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das SG zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, denn es fehlt bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Ungeachtet der Frage, ob der Antragsgegner den Widerspruch gegen die E-Mail zu Recht als unzulässig abgewiesen hat (Gegenstand des Verfahrens S 14 AS 2404/11) und ungeachtet der nachfolgenden bestandskräftigen Ablehnung des Antrags mit Bescheid vom 4. Mai 2011, kann der Antragsteller eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Kosten für eine Umschulung zum Restaurantfachmann nicht verlangen.
Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Betracht. Danach kann der Antragsgegner als Leistung zur Eingliederung in Arbeit die übrigen im Dritten Kapitel, im Ersten bis Dritten und Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels, im Fünften Kapitel, im Ersten, Fünften und Siebten Abschnitt des Sechsten Kapitels und die in den §§ 417, 421f, 421g, 421i, 421k 421m, 421n, 421o, 421p und 421q des SGB III geregelten Leistungen, somit auch Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 77 Abs. 1 SGB III erbringen. Der Antragsteller ist als erwerbsfähiger Leistungsberechtigter nach § 7 Abs. 1 SGB II grundsätzlich anspruchsberechtigt auch für die Eingliederungsleistungen des § 16 SGB II. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn (1.) die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, (2.) vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und (3.) die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind. Anerkannt wird die Notwendigkeit der Weiterbildung nach § 77 Abs. 2 Satz 1 SGB III bei Arbeitnehmern wegen fehlenden Berufsabschlusses, wenn sie (1.) über einen Berufsabschluss verfügen, jedoch aufgrund einer mehr als vier Jahre ausgeübten Beschäftigung in an- oder ungelernter Tätigkeit eine entsprechende Beschäftigung voraussichtlich nicht mehr ausüben können, oder (2.) nicht über einen Berufsabschluss verfügen, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist. Arbeitnehmer ohne Berufsabschluss, die noch nicht drei Jahre beruflich tätig gewesen sind, können nur gefördert werden, wenn eine berufliche Ausbildung oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
Unklar ist zunächst, ob es sich bei der angestrebten Umschulung zum Restaurantfachmann tatsächlich um eine berufliche Weiterbildung und nicht doch um eine Berufsausbildung handelt, die nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht vom Antragsgegner gefördert werden könnte, da die Vorschrift ausdrücklich nicht auf die Leistungen des Fünften Abschnitts des Vierten Kapitels des SGB III (§§ 60 ff., berufliche Ausbildung) verweist. Letztlich kann dies im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens jedoch offen bleiben, denn selbst wenn es sich um eine Maßnahme i.S.v. § 77 SGB III handelte, bestünde der geltend gemachte Anspruch nicht.
Die Bewilligung einer Eingliederungsmaßnahme steht auf der Rechtsfolgenseite angesichts der Formulierung in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II "kann erbringen" im Ermessen des Leistungsträgers (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 117/10 R - (juris)). Die Bewilligung einer ganz bestimmten Weiterbildungsmaßnahme setzt voraus, dass jede andere Entscheidung als die Förderung der vom Antragsteller gewünschten Maßnahme fehlerhaft wäre (vgl. Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 86b Rdnr. 30a; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Juli 2010 - L 6 AS 842/10 B - (juris) m.w.N.). Anhaltspunkte für eine solche Ermessensreduktion auf Null sind nach dem Sach- und Streitstand in keiner Weise ersichtlich, insbesondere ist hier hinsichtlich der beruflichen Wiedereingliederung nicht von einer Alternativlosigkeit bezüglich anderer (denkbarer) Eingliederungsleistungen auszugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten für eine Umschulung zum Restaurantfachmann.
Der 1969 geborene Antragsteller bezieht mit Ehefrau und zwei Kindern vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Der Antragsgegner finanzierte ihm eine Qualifizierungsmaßnahme im Bereich Hotel- und Gaststättengewerbe im ...-Hotel in Stuttgart, die der Antragsteller vom 1. Dezember 2010 bis 19. April 2011 absolvierte. Zuvor hatte der Antragsteller eine Qualifizierung im Lagerbereich absolviert und Berufspraxis im Lager erworben.
Am 20. Dezember 2010 beantragte er die Förderung einer Umschulung zum Restaurantfachmann und führte hierzu aus, dass er nach Auffassung des Dozenten beim ...-Hotel das Potential hierfür habe und eine Qualifizierung über sieben Monate ohne ausführliche Theorie nicht ausreichend sei, weshalb er an der Maßnahme nicht weiter teilnehmen wolle. Mit E-Mail vom 21. Dezember 2010 teilte der Antragsgegner mit, dass er keine Notwendigkeit für eine andere Förderung sehe, da die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit vorrangig vor einer Weiterbildungsmaßnahme sei, er nach Abschluss der Qualifizierung ausreichend qualifiziert sei, um einen Arbeitsplatz zu erhalten und zudem weiterhin im Lagerbereich einsetzbar sei. Ein persönliches Gespräch wurde angeboten. Der Antragsteller antwortete per E-Mail am 21. Dezember 2010, dass er nicht einverstanden sei und ab April eine Umschulung beim IB beginnen könne. Der Antragsgegner teilte mit E-Mail vom 22. Dezember 2010 mit, dass sich an seiner Entscheidung nichts ändern werde. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein mit der Begründung, die Weiterbildung sei notwendig, da er über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge und das angestrebte Bildungsziel mit hoher Wahrscheinlichkeit eine hohe Eingliederungschance erwarten lasse. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2011 verwarf der Antragsgegner den Widerspruch als unzulässig, da es sich bei der E-Mail nicht um eine Verwaltungsakt gehandelt habe. Hilfsweise wurde ausgeführt, dass der Widerspruch auch in der Sache unbegründet sei, da die begehrte Umschulung zur Eingliederung in Arbeit nicht notwendig sei.
Hiergegen richtet sich die am 20. April 2011 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage (S 14 AS 2404/11). Zur Begründung hat der Kläger ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen vorgetragen, er habe bereits von 1994 bis 1998 als Geschäftsführer in einem Fastfood Restaurant in M. gearbeitet und ein Praktikum an der Rezeption eines Hotels absolviert, ferner habe er 2008 ein Praktikum im H. I. in S, absolviert.
Am 4. April 2011 beantragte der Antragsteller erneut eine Umschulung zum Restaurantfachmann, was der Antragsgegner mit bestandskräftigem Bescheid vom 4. Mai 2011 ablehnte.
Am 22. Juni 2011 hat der Antragsteller beim SG die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt im Hinblick auf eine mögliche Umschulung zum Restaurantfachmann beim ...Hotel in S., die im Oktober 2011 beginne und zu der er sich bis Mitte September anmelden müsse.
Mit Beschluss vom 18. Juli 2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anordnungsanspruch i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht glaubhaft gemacht sei. Es könne dahinstehen, ob es sich bei der E-Mail des Antragsgegners um einen Verwaltungsakt gehandelt und der Antragsgegner den Widerspruch dagegen zu Recht als unzulässig verworfen habe. Denn der Antragsgegner habe den erneuten Förderungsantrag mit Bescheid vom 4. Mai 2011 bestandskräftig abgelehnt. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des Antragsgegners, die Übernahme der Kosten für eine Umschulung zum Restaurantfachmann abzulehnen, zu beanstanden wäre. Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) könnten Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung notwendig sei, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt sei. Da die Förderung also im Ermessen des Leistungsträgers liege, komme die Verpflichtung zur Bewilligung einer ganz bestimmten Weiterbildungsmaßnahme im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nur dann in Betracht, wenn jede andere Entscheidung als die Förderung der vom Antragsteller favorisierten Maßnahme fehlerhaft wäre. Anhaltspunkte für eine solche Ermessensreduktion auf Null seien vorliegend nicht ersichtlich. Nach § 2 Abs. 2 SGB II müssten erwerbsfähige Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten nutzen, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten; nach § 10 SGB II sei grundsätzlich jede Arbeit zumutbar. Leistungen zur Eingliederung könnten nach § 3 Abs. 1 SGB II nur erbracht werden, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich seien. Vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des Antragsgegners, dass angesichts der vorhandenen Qualifikationen die Vermittlung des Antragstellers auf einen entsprechenden Arbeitsplatz möglich und zumutbar sei, zu beanstanden wäre.
Mit seiner am 21. Juli 2011 eingelegten Beschwerde macht der Antragsteller geltend, dass er ohne Berufsabschluss auf dem Arbeitsmarkt keine Chance habe. Es genüge nicht, sich in der Restaurantbranche auszukennen und über allgemeine Abläufe Bescheid zu wissen, die Arbeitgeber verlangten eine durch Ausbildung nachweisbare Qualifikation. Es fehle ihm an fundierten Kenntnissen im Restaurantbereich. Ohne die Umschulung erhalte er keine Anstellung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet.
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt, denn dieser ist unbegründet. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Wird im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt, ist die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breith 2005, 803). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, weil etwa eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden unter Berücksichtigung insbesondere der grundrechtlichen Belange des Antragstellers. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 42).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das SG zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, denn es fehlt bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Ungeachtet der Frage, ob der Antragsgegner den Widerspruch gegen die E-Mail zu Recht als unzulässig abgewiesen hat (Gegenstand des Verfahrens S 14 AS 2404/11) und ungeachtet der nachfolgenden bestandskräftigen Ablehnung des Antrags mit Bescheid vom 4. Mai 2011, kann der Antragsteller eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Kosten für eine Umschulung zum Restaurantfachmann nicht verlangen.
Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Betracht. Danach kann der Antragsgegner als Leistung zur Eingliederung in Arbeit die übrigen im Dritten Kapitel, im Ersten bis Dritten und Sechsten Abschnitt des Vierten Kapitels, im Fünften Kapitel, im Ersten, Fünften und Siebten Abschnitt des Sechsten Kapitels und die in den §§ 417, 421f, 421g, 421i, 421k 421m, 421n, 421o, 421p und 421q des SGB III geregelten Leistungen, somit auch Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 77 Abs. 1 SGB III erbringen. Der Antragsteller ist als erwerbsfähiger Leistungsberechtigter nach § 7 Abs. 1 SGB II grundsätzlich anspruchsberechtigt auch für die Eingliederungsleistungen des § 16 SGB II. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn (1.) die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, (2.) vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und (3.) die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind. Anerkannt wird die Notwendigkeit der Weiterbildung nach § 77 Abs. 2 Satz 1 SGB III bei Arbeitnehmern wegen fehlenden Berufsabschlusses, wenn sie (1.) über einen Berufsabschluss verfügen, jedoch aufgrund einer mehr als vier Jahre ausgeübten Beschäftigung in an- oder ungelernter Tätigkeit eine entsprechende Beschäftigung voraussichtlich nicht mehr ausüben können, oder (2.) nicht über einen Berufsabschluss verfügen, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist. Arbeitnehmer ohne Berufsabschluss, die noch nicht drei Jahre beruflich tätig gewesen sind, können nur gefördert werden, wenn eine berufliche Ausbildung oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
Unklar ist zunächst, ob es sich bei der angestrebten Umschulung zum Restaurantfachmann tatsächlich um eine berufliche Weiterbildung und nicht doch um eine Berufsausbildung handelt, die nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht vom Antragsgegner gefördert werden könnte, da die Vorschrift ausdrücklich nicht auf die Leistungen des Fünften Abschnitts des Vierten Kapitels des SGB III (§§ 60 ff., berufliche Ausbildung) verweist. Letztlich kann dies im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens jedoch offen bleiben, denn selbst wenn es sich um eine Maßnahme i.S.v. § 77 SGB III handelte, bestünde der geltend gemachte Anspruch nicht.
Die Bewilligung einer Eingliederungsmaßnahme steht auf der Rechtsfolgenseite angesichts der Formulierung in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II "kann erbringen" im Ermessen des Leistungsträgers (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 6. April 2011 - B 4 AS 117/10 R - (juris)). Die Bewilligung einer ganz bestimmten Weiterbildungsmaßnahme setzt voraus, dass jede andere Entscheidung als die Förderung der vom Antragsteller gewünschten Maßnahme fehlerhaft wäre (vgl. Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 86b Rdnr. 30a; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Juli 2010 - L 6 AS 842/10 B - (juris) m.w.N.). Anhaltspunkte für eine solche Ermessensreduktion auf Null sind nach dem Sach- und Streitstand in keiner Weise ersichtlich, insbesondere ist hier hinsichtlich der beruflichen Wiedereingliederung nicht von einer Alternativlosigkeit bezüglich anderer (denkbarer) Eingliederungsleistungen auszugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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