L 13 AS 3100/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 1937/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 3100/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller vom 15. Juli 2011 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 13. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsteller ist statthaft (§ 172 SGG), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit insgesamt zulässig. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Ulm (SG) hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

1. Soweit die Antragsteller Leistungen auch für die Zeit bis zum 8. Juni 2011 geltend machen, ist der Antrag auf Erlasse einer Anordnung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes unzulässig. Wie das Sozialgericht (SG) zutreffend ausgeführt hat, kommt der Erlass einer entsprechenden Anordnung frühestens ab Antragstellung beim SG, hier also dem 9. Juni 2011, in Betracht.

2. Soweit sich die Antragsteller gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 26. April 2011 wenden, ist der Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unzulässig. Dieser Bescheid ist nicht mit Widerspruch angefochten worden und war damit zur Zeit der vorliegenden Antragstellung bestandskräftig. Insoweit kommt ein auch Vorgehen nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht in Betracht. Eine rückwirkende Überprüfung nach § 44 SGB X ist der Verwaltung vorbehalten. Insoweit ist den Antragstellern zuzumuten, vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zunächst eine Überprüfung in einem Verwaltungsverfahren zu begehren - was bislang noch nicht erfolgt ist - und - bei abschlägiger Verwaltungsentscheidung - das anschließende Hauptsacheverfahren abzuwarten. Auch insoweit mangelt es dem vorliegenden Antrag am Rechtsschutzbedürfnis.

3. Auch soweit die Antragsteller begehren, die Antragsgegnerin zur Übernahme von Mietschulden zu verpflichten, hat das SG zutreffend den Antrag zurückgewiesen. Vor Inanspruchnahme von einstweiligem Rechtsschutz durch die Gerichte haben die Antragsteller dieses Begehren zunächst bei der Antragsgegnerin vorzubringen und die Übernahme der Mietschulden dort zu beantragten. Das war bislang nicht erfolgt, weshalb ein Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Antrag insoweit fehlt.

4. Soweit die Antragsteller sich gegen die mit Bescheid vom 18. Mai 2011 festgesetzte Erstattungspflicht wenden, ist der Antrag ebenfalls unzulässig. Denn insoweit kommt zunächst dem Widerspruch vom 8. Juni 2011 aufschiebende Wirkung zu; § 39 Nr. 1 SGB II betrifft nur aufhebende Entscheidungen, nicht Erstattungsbescheide. Da die Beklagte jedoch die aufschiebende Wirkung nicht bestritten und Leistungen bisher in voller Höhe ausbezahlt hat, kommt eine Anordnung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht in Betracht. Auch eine Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG kommt bei entsprechend den ursprünglichen Bewilligungen vollständig ausbezahlten Leistungen nicht in Betracht.

5. Soweit die Antragsteller höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach den §§ 19 ff SGB II begehren, ist ihr Antrag unbegründet.

Das SG hat zutreffend die rechtlichen Grundlagen dargelegt; insoweit wird auf die Ausführungen des SG Bezug genommen.

Soweit die Antragsteller ihr Begehren auf höhere Leistungen mit einem Bedarf an Babyausstattung (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II) begründen, so hat die Antragsgegnerin diesen Bedarf bisher mit Bescheid vom 24. März 2011 bestandskräftig beschieden. Seither haben die Antragsteller keinen höheren Erstausstattungsbedarf mehr glaubhaft gemacht, weshalb insoweit ihr Antrag im einstweiligen Rechtsschutz unbegründet ist.

Der Regelbedarf der Antragstellerin Ziff. 1 nach §§ 20, 28 SGB II ist nicht um einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II zu erhöhen, denn insoweit hat die Antragstellerin Ziff. 1 einen Mehrbedarf nicht glaubhaft gemacht. Entsprechend der Entscheidung des SG Karlsruhe vom 31. März 2011 (S 4 AS 2626/09 - juris Rdnr. 24 ff.) rechtfertigt Lactoseintoleranz grds. nicht die Gewährung von Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II, da es sich bei den probiotische Nahrungsergänzungsmitteln um von der Regelleistung umfassten Nahrungsmitteln handelt, die daher nicht mehrbedarfsfähig i.S. von § 21 Abs. 5 SGB II sind.

Eine Erhöhung des Regelbedarfs wegen eines Mehraufwandes für Babynahrung und Windeln sieht das SGB II in § 21 nicht vor. Insoweit kann nur bei werdenden Müttern ein Mehrbedarf anerkannt werden (§ 21 Abs. 2 SGB II). Weil das Kind - der Antragsteller Ziff. 4 - bereits geboren ist, kommt ein solcher Anspruch auch nicht mehr in Betracht. Es handelt sich aber auch nicht um einen Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II, da der Hygiene- und Ernährungsbedarf des Kindes bereits bei der Regelleistung berücksichtigt ist. Die Antragsteller haben im Übrigen auch einen tatsächlichen Mehrbedarf im Sinne eines Mehranfalls von Kosten nicht glaubhaft gemacht haben.

Ein zur Erhöhung der Regelbedarfe führender Mehrbedarf ist damit nicht glaubhaft gemacht, es besteht insoweit weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund.

Hinsichtlich der Regelleistungen (§§ 20, 28 SGB II) und der Kosten der Unterkunft und Heizung (§§ 22, 28 SGB II) für den Monat Juni hat das SG zutreffend die Bedarfe der Antragsteller und das zu berücksichtigende Einkommen sowie die von der Antragsgegnerin gezahlten Leistungen dargelegt. Ein Anordnungsgrund ergibt sich daraus nicht.

Für den Monat Juli hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 7. Juli 2011 die Leistungen der Antragsteller berechnet. Den Antragstellern steht ein Regelbedarf von (2 x 328,00 Euro zuzüglich 2 x 215,00 Euro) insgesamt 1.086,00 Euro zu. Das SG hat zutreffend den Bedarf an Kosten der Unterkunft und Heizung für den Monat Juli auf 630,06 Euro festgelegt. Insgesamt besteht daher ein Gesamtbedarf der Antragsteller in Höhe von 1.716,06 Euro. Dem stehen Einkommen in Form von Kindergeld (3 x 184,00 Euro = 552,00 Euro) sowie weiterer Einnahmen der Antragstellerin Ziff. 1 in Höhe von 150,00 Euro gegenüber. Unter Berücksichtigung des Absetzbetrages nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in Höhe von 2 x 30,00 Euro sowie der aufgrund des bestandskräftigen Sanktionsbescheids vom 26. April 2011 vorzunehmenden zehnprozentigen Absenkung der Regelleistung des Antragstellers Ziff. 2 ergibt sich ein ungedeckter Gesamtbedarf für Juli 2011 in Höhe von (1.716,06 Euro abzüglich 32,80 Euro, abzüglich 552,00 Euro, abzüglich 150,00 Euro zuzüglich 60,00 Euro) insgesamt 1.041,26 Euro. Für Juli 2011 hat die Antragsgegnerin 999,91 Euro bewilligt und ausgezahlt. Hinsichtlich der Auszahlung der Differenz von 41,35 Euro kann das Widerspruchsverfahren abgewartet werden, sodass Eilbedürftigkeit und somit ein Anordnungsgrund nicht besteht. Dies hat auch das SG zutreffend so ausgeführt.

Soweit für die Zeit ab 1. August 2011 höhere Leistungen begehrt werden, hat die Antragsgegnerin hierüber mit weiterem Bescheid vom 7. Juli 2011 entschieden. Zu berücksichtigen ist hier, dass die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 7. Juli 2011 auch festgestellt hat, für die Zeit vom 1. August 2011 bis zum 31. Oktober 2011 sei der Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Alg II) des Antragstellers Ziff. 2 wegen einer Sanktion nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II vollständig zum Wegfall gekommen. Da der Antragsteller Ziff. 2 dadurch, dass er nicht mehr zur Arbeit erschien, somit sich zum 16. Mai 2011 geweigert hat, eine zumutbare Arbeit fortzuführen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), er schon mit dem Sanktionsbescheid vom 24. Februar 2011 auf die Rechtsfolgen einer weiteren Pflichtverletzung, das vollständige Entfallen des Anspruchs auf Alg II, hingewiesen worden und damit im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausreichend deutlich belehrt worden war, ist bei der vorliegend ausreichenden summarischer Prüfung eine Sanktion nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II eingetreten. Da der 1991 geborene Antragsteller Ziff. 2 sich bereits schon zuvor, am 27. Dezember 2010, durch sein zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führendes unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz geweigert hat die damalige zumutbare Arbeit fortzuführen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II), die Antragsgegnerin diesbezüglich bestandskräftig mit Bescheid vom 24. Februar 2011 eine Sanktion nach § 31 Abs. 5 Satz 1 SGB II für die Zeit vorm 1. März 2011 bis zum 31. Mai 2011 festgestellt hatte und diese erste Sanktion innerhalb des letzten Jahres liegt (§ 31a Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 SGB II), handelt es sich bei der vorliegenden Sanktion um eine weitere Sanktion im Sinne des § 31a Abs. 2 Satz 2 SGB II, bei das Alg II des Antragstellers Ziff. 2 vollständig entfällt. Insoweit steht dem Antragsteller Ziff. 2 wegen des am 7. Juli 2011 erlassenen Sanktionsbescheides für die Zeit vom 1. August 2011 bis 31. Oktober 2011 kein Alg II zu (§ 31b Abs. 1 SGB II). Den sich unter Berücksichtigung der Sanktion ergebenden Zahlbetrag hat die Antragsgegnerin bei der hier ausreichenden summarischer Prüfung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht (BVerfG in NJW 2003, 1236 f. und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - veröffentlicht in juris) zutreffend berechnet und mit Bescheid vom 7. Juli 2011 festgesetzt. Dasselbe gilt auch für die Zeit ab dem 1. November 2011.

6. Soweit überhaupt - und entgegen dem Vortrag der Antragstellervertreter vor dem SG, nur einen Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG gestellt zu haben - auch nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Sanktionsbescheid vom 7. Juli 2011 begehrt werden sollte, erscheint der Sanktionsbescheid nicht als rechtswidrig (vgl. oben). Erscheint der angefochtene Sanktionsbescheid vom 7. Juli 2011 nicht als rechtswidrig, ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs auch nicht anzuordnen.

7. Insgesamt steht den Antragstellern daher kein Anspruch auf Erlass der begehrten Anordnungen zu, die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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