Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 SB 5598/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4920/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgericht St. vom 8. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die behördliche Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 statt 40.
Bei dem im Jahre 1947 geborenen Kläger hatte das damalige Landesversorgungsamt Baden-Württemberg mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.1997 einen GdB von 20 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen "belastungsabhängige Lumbalgien, degenerative Veränderungen des linken Hüftgelenks, Epicondylopathie humeri radialis beiderseits und psychovegetative Labilität" (jeweils Teil-GdB 10) festgestellt.
Den vom Kläger im Jahre 2003 gestellten Erhöhungsantrag lehnten das damalige Versorgungsamt St. und das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg ab. Der letztgenannten Entscheidung lag u. a. der Reha-Entlassungsbericht der Schlossklinik Bad B. vom 06.08.2003 zu Grunde. Danach wurde der Kläger am 01.08.2003 mit den Diagnosen phobischer Schwankschwindel, Dysthymie sowie chronisch-degeneratives Wirbelsäulensyndrom als arbeitsunfähig für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Fräser mit der Einschätzung eines mehr als sechsstündigen Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarktes aus der rund dreiwöchigen stationären Behandlung entlassen. Im anschließenden Klageverfahren - S 6 SB 2263/04 - holte das Sozialgericht St. das Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. Sch. vom 07.04.2005 ein. Darin werden Schwindelbeschwerden mit einem Teil-GdB von 20, eine geringgradige Innenohrhochtonschwerhörigkeit beidseits mit einem Teil-GdB von unter 10 und Ohrgeräusche mit einem Teil-GdB von 0 aufgeführt. Die nach Abweisung der Klage (Urteil vom 23.02.2006) eingelegte Berufung - L 8 SB 1843/06 - nahm der Kläger zurück. In der Folgezeit blieb auch der vom Kläger noch im Jahre 2006 gestellte Erhöhungsantrag ohne Erfolg.
Am 19.03.2008 beantragte der Kläger beim Landratsamt Rems-Murr-Kreis erneut die Erhöhung des GdB. Zur Begründung legte er die ärztliche Stellungnahme des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. L. vom 17.03.2008 vor. Darin heißt es, der Kläger leide an einer anhaltenden chronischen Depression mit schwerer Beeinträchtigung der Erlebnisfähigkeit und der Fähigkeit zur Bewältigung von Alltagsproblemen, die für sich allein ohne weiteres die Feststellung einer Schwerbehinderung rechtfertige. Darüber hinaus bestünden degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Wurzelkompressionssyndromen C6/7 und L4 bis S1 sowie daraus resultierenden Schmerzen und einer Ausstrahlung in die Hände bzw. Füße, Sensibilitätsstörungen und einer Behinderung der Motorik. Hinzu komme eine Coxarthrose links mit chronischen Schmerzen und Limitierung der Wegstrecke auf maximal 100 bis 200 m, ferner eine Epicondylitis radialis beidseits mit chronischen Schmerzen schon bei geringen Belastungen und einer hierdurch hervorgerufenen Minderung der groben Kraft beider Arme.
Das Landratsamt holte die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. S. vom 24.04.2008 (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schwindel und Kopfschmerzsyndrom [Teil-GdB 20], Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke [Teil-GdB 10], Funktionsbehinderung beider Ellenbogengelenke [Teil-GdB 10] sowie psychovegetative Störungen [Teil-GdB 10]; Gesamt-GdB 20) und von Dr. F. vom 08.05.2008 (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schwindel und Kopfschmerzsyndrom [Teil-GdB 20], Depression [Teil-GdB 20], Funktionsbehinderung beider Ellenbogengelenke [Teil-GdB 10] sowie Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke [Teil-GdB 10]; Gesamt-GdB 30) ein.
Gestützt auf die Einschätzung von Dr. F. sowie unter Wiederholung der in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.05.2008 angeführten Funktionsbeeinträchtigungen hob das Landratsamt den Bescheid vom 09.05.1997 gem. § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und stellte beim Kläger einen GdB von 30 seit dem 19.03.2008 fest.
Der Kläger erhob Widerspruch und legte die weitere ärztliche Stellungnahme von Dr. L. vom 30.05.2008 vor, in der von einer deutlichen Verschlechterung mit in vollem Maße aufgebrochener depressiver Symptomatik berichtet und die Einschätzung vom 17.03.2008 wiederholt wird.
Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 24.06.2008, der die Beurteilung von Dr. F. unter Hinweis auf einen für die episodisch verlaufende Depression festzulegenden "Durchschnitts-GdB" bestätigte, wies das Regierungspräsidium St. den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2008 zurück.
Am 15.08.2008 erhob der Kläger beim Sozialgericht St. Klage. Er machte geltend, er leide an neurologischen und psychiatrischen Störungen, wie schweren Depressionen, Negativismus und Nihilismus, einer Angststörung, chronischen Schlafstörungen (Einschlaf- und Durchschlafstörungen), Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, neuropsychologischen Defiziten bei deutlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit Kontaktbeschränkungen auf den engsten Familienkreis, einer Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule sowie Schäden der Brustwirbelsäule, einem Schulter-Arm-Syndrom, einer rheumatischen Erkrankung, einem chronischen Schmerzsyndrom im Bereich beider Schultern mit Schwerpunkt an der linken Schulter, im linken Arm und Rückenbereich, einer Funktions- und Gebrauchsbehinderung beider Hüftgelenke, einer Funktionsbehinderung beider Ellenbogengelenke, chronischen Schmerzen, einem fehlenden verwertbaren Restleistungsvermögen, häufigen Schwindelgefühlen, Herzrasen, Ohrgeräuschen rechts, einer subjektiven Kraftlosigkeit sowie chronischen Magenschmerzen. Auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet bestehe jeweils ein Teil-GdB von 40 und hals-nasen-ohrenärztlicherseits ein Teil-GdB von 20 bis 30; der Gesamt-GdB sei mit mindestens 50 zu bewerten.
Zur Bestätigung legte er ärztliche Stellungnahmen der Hals-Nasen-Ohrenärztin Dr. medic. S. vom 28.08.2008 mit Tonaudiogramm vom 26.08.2008, des Orthopäden Dr. K. vom 10.09.2008 (GdB auf orthopädischem Fachgebiet 50, Gesamt-GdB 60) und der Allgemeinmedizinerin Dr. J. vom 26.11.2008 vor. Dr. R. und Dr. W. kamen in ihren versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 29.12.2008 und vom 13.01.2009 zu dem Ergebnis, beim Kläger bestehe wegen der Funktionsbeeinträchtigungen "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schwindel und Kopfschmerzsyndrom (Teil-GdB 20), Depression (Teil-GdB 20) und Polyarthrose (Teil-GdB 10)" weiterhin ein Gesamt-GdB von 30.
Das Sozialgericht holte die Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Sch. vom 30.03.2009 und des Orthopäden Dr. H. vom 20.05.2009 ein. Dr. Sch. diagnostizierte eine stärker behindernde depressive Symptomatik mit Somatisierungen, die im Grenzbereich zu den leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen angesiedelt und daher mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten sei. Die Wirbelsäulenbeschwerden rechtfertigten aus nervenärztlicher Sicht einen Teil-GdB von 10; die darüber hinaus vom Kläger berichteten Beeinträchtigungen (Kopfschmerzen und Schwindel ohne gravierende Auswirkungen sowie Kreuzschmerzen) seien im Rahmen der depressiven Symptomatik berücksichtigt. Insgesamt bestehe nervenärztlicherseits ein GdB von 30. Die Folgerung von Dr. L., die beim Kläger vorliegende Depression rechtfertige für sich allein die Annahme einer Schwerbehinderung, sei nicht nachzuvollziehen. Dr. H. fand ein Cervikalsyndrom mit degenerativen Veränderungen C5 bis Th1 ohne Wurzelreizsymptomatik, eine chronische, muskulär bedingte Dorsalgie, eine chronische Lumbalgie bei degenerativen Veränderungen ohne akute Wurzelreizsymptomatik und neurologische Ausfälle, eine Periarthropathie im Bereich beider Schultergelenke bei Rotatorenmanschettensyndrom und Arthrose, eine initiale Coxarthrose beidseits, eine Lateralisierungstendenz beider Kniescheiben bei unzureichender muskulärer Führung, Senk-Spreizfüße und Hallux valgus sowie Krallenzehenbildung beidseits und schließlich eine Adipositas. Die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 30 in Ansatz zu bringen, der Teil-GdB für die Funktionsbehinderungen der Schultergelenke, der Hüftgelenke, der Kniegelenke und der Füße sei jeweils mit unter 10 zu bewerten. Orthopädischerseits bestehe danach ein Teil-GdB von 30. Unter Berücksichtigung der Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet mit einem Teil-GdB von 30 sowie auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet mit einem von Dr. Sch. angesetzten Teil-GdB von 20 bewertete der Sachverständige den Gesamt-GdB mit 40.
In der daraufhin vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 02.09.2009 heißt es, der von Dr. Sch. angenommene Teil-GdB von 30 für die Depression einschließlich Schwindel und Kopfschmerzen könne übernommen werden. Hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens sei demgegenüber unter Berücksichtigung der festgestellten Funktionseinschränkungen ein Teil-GdB von 20 ausreichend. Insgesamt sei der GdB mit 40 ab dem 19.03.2008 zu bewerten. Das dem entsprechende Vergleichsangebot des Beklagten nahm der Kläger nicht an.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete die Internistin und Rheumatologin Dr. R. das Gutachten vom 22.01.2010. Sie diagnostizierte eine Periarthropathia humeroscapularis beidseits (rechts mittelschwer und links leicht; Teil-GdB 20), ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom (mittelschwer; Teil-GdB 20), ein myofasziales Schmerzsyndrom (mittelschwer; Teil-GdB 30) sowie ein depressives Syndrom (mittelschwer; Teil-GdB 30) und schätzte den Gesamt-GdB auf 50 seit dem Jahre 2008.
Dr. G. führte in der vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.04.2010 aus, das myofasziale Schmerzsyndrom könne als chronisches Schmerzsyndrom in die Beurteilung eingestellt werden, führe aber gemeinsam mit der Depression, dem Schwindel, dem Kopfschmerzsyndrom und den funktionellen Organbeschwerden nicht zu einem Teil-GdB mehr als 30. Eine dauerhafte Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit sei nicht nachgewiesen im Übrigen auch mit einem Teil-GdB von allenfalls 10 zu bewerten. Dies ergebe unter Berücksichtigung des Teil-GdB von 20 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule keinen Gesamt-GdB von mehr als 40 seit Antragstellung.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.10.2010 verurteilte das Sozialgericht den Beklagten gemäß dem von ihm in der nichtöffentlichen Sitzung vom 30.08.2010 abgegebenen Teilanerkenntnis unter Aufhebung des Bescheides vom 13.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2008 dazu, beim Kläger einen GdB von 40 ab dem 19.03.2008 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung ist ausgeführt, ein über das abgegebene Teilanerkenntnis des Beklagten hinausgehender Anspruch des Klägers auf Neufeststellung seines GdB bestehe nicht. Die Wirbelsäulenbeschwerden seien mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Schultergelenke rechtfertigten keinen Teil-GdB. So bestehe schon mit Blick auf die von Dr. R. mitgeteilten, sämtlich im Normbereich liegenden Bewegungsmaße kein Teil-GdB von 20 und sei angesichts der von Dr. H. erhobenen passiven Beweglichkeit ohne wesentliche Einschränkungen keine Funktionsbeeinträchtigung von mehr als sechsmonatiger Dauer nachgewiesen. Die Coxarthrose führe zu einer weniger als geringgradigen Bewegungseinschränkung und auch die Funktionsbeeinträchtigungen der Kniegelenke sowie die beidseitige Fußfehlform jeweils zu einem Teil-GdB von weniger als 10. Die Gesundheitsstörungen des Klägers auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet seien mit einem Teil-GdB von 30 angemessen bewertet. Dabei sei zu berücksichtigen, dass eine längerfristige depressive bzw. psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung bislang nicht erfolgt sei und die Kopfschmerzen medikamentös gut eingestellt seien. Dieser Teil-GdB schließe das Schmerzsyndrom des Klägers ein. Die Gleichgewichtsstörungen und der Tinnitus rechtfertigten jeweils keinen Teil-GdB von mindestens 10. Schließlich komme der Hörminderung keine maßgebliche Bedeutung für die Feststellung des GdB zu.
Am 20.10.2010 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er verweist auf das erstinstanzlich eingeholte Gutachten von Dr. R. und trägt ergänzend vor, seine psychische Situation habe sich weiter verschlechtert und könne für sich allein einen GdB von 50 bedingen. Zusätzlich seien seine Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet mit einem Teil-GdB von 40 und seine Funktionsbeeinträchtigungen auf hals-nasen-ohrenfachärztlichem Gebiet mit einem Teil-GdB von 20 bis 30 in die Beurteilung einzustellen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts St. vom 8. Oktober 2010 sowie den Bescheid vom 13. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Widerspruchsbescheid vom 09. Mai 1997 abzuändern und bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 seit 19. März 2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers seien mit einem GdB von 40 angemessen bewertet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts St. sowie die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger erstrebt mit seinem Berufungsbegehren die Abänderung des seinem Begehren nur teilweise entsprechenden Gerichtsbescheides des Sozialgerichts sowie - im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. und 2. Alternative SGG) - die weitere Abänderung des Bescheides vom 13.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2008 und die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines (erhöhten) GdB von mindestens 50.
Der Kläger erstrebt mit seinem Berufungsbegehren die Abänderung des seinem Begehren nur teilweise entsprechenden Gerichtsbescheides des Sozialgerichts sowie - im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. und 2. Alternative SGG) - die weitere Abänderung des Bescheides vom 13.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2008 und die Verurteilung des Beklagten zur Abänderung des einem Erhöhungsanspruch entgegenstehenden bestandskräftigen Widerspruchsbescheides vom 09.05.1997 sowie zur Feststellung eines (erhöhten) GdB von mindestens 50.
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, soweit der Kläger eine Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von mehr als 40 und eine entsprechende weitere Abänderung der angegriffenen Bescheide begehrt. Denn ihm steht ein entsprechender Anspruch nicht zur Seite.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Erhöhung des bei ihm festgestellten GdB von 40 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. mit § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest.
Menschen sind im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 SGB IX). Liegen mehrere sich gegenseitig beeinflussende Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so ist der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Der GdB als Ausmaß der Behinderung ist in freier richterlicher Würdigung aller Umstände, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr. 5), gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX unter Zugrundelegung der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" - VG (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10.12.2008, BGBl. I, S. 2412]) - mit denen eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP), von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, nicht einhergeht - festzustellen.
Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (BSG, Urteil vom 15.03.1979 a. a. O.). In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. c und d der VG).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R - SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Daher und angesichts der angeführten Abstufung des GdB nach Zehnergraden liegt bei einem nur den Behinderungsgrad betreffenden Neufeststellungsbegehren eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i.S. des § 48 SGB X auch erst dann vor, wenn die Änderung des Gesamt-GdB wenigstens 10 beträgt (vgl. Teil A Nr. 7 Buchst. a Satz 1 der VG).
In Anwendung dieser Grundsätze scheidet die vom Kläger erstrebte weitere Erhöhung des GdB im Ergebnis aus. Denn sein GdB ist mit 40 angemessen bewertet.
Im Vordergrund der Funktionsbeurteilung stehen die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im Rahmen des Funktionssystems Nervensystem und Psyche. Insoweit liegen nach den vom Sozialgericht eingeholten Gutachten von Dr. Sch. und Dr. R. eine Depression sowie Kopfschmerzen und Schmerzen am Bewegungsapparat vor. Dass und weshalb die hieraus resultierenden - nach Teil A Nr. 2. Buchst. e der VG zusammenfassend zu bewertenden - Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten sind, hat das Sozialgericht im angegriffenen Gerichtsbescheid unter Verwertung der von den genannten Sachverständigen erhobenen Befunde ausführlich und zutreffend dargelegt, weshalb der Senat hierauf verweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist mit Blick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren Folgendes auszuführen:
Die Behauptung, "insbesondere die schwere Depressionen, Angststörung, chronische Schlafstörungen (Einschlaf- und Durchschlafstörungen), Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, neuropsychologische Defizite bei deutlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit" hätten sich verschlechtert, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger gleichlautende Angaben zu bei ihm vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen bereits in der Klageschrift vom 13.08.2008 (schwere Depressionen, Angststörung, chronische Schlafstörungen [Einschlaf- und Durchschlafstörungen], Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, neuropsychologische Defizite bei deutlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit Kontaktbeschränkungen auf den engsten Familienkreis) gemacht hatte, sich im Rahmen der Begutachtung durch Dr. Sch. aber lediglich eine stärker behindernde und zudem nur im Grenzbereich zu den leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen angesiedelte depressive Symptomatik mit Somatisierungen bestätigen ließ und der Sachverständige die mnestischen und intellektuellen Fähigkeiten des Klägers als ausreichend beurteilte (vgl. hierzu das Gutachten vom 30.03.2009). Der unter Außerachtlassung dieses Ermittlungsergebnisses erfolgte Hinweis auf eine Verschlechterung von im Wesentlichen nicht bzw. nicht im behaupteten Ausmaß vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen führt daher für sich allein auch nicht zu einem (weiteren) Ermittlungsbedarf.
Nichts anderes gilt, soweit der Kläger die behauptete Verschlechterung seiner psychischen Situation mit dem Hinweis zu substantiieren sucht, er sei teilnahmsloser geworden und meide Mitmenschen sowie die Gesellschaft. Denn entsprechende Angaben des Klägers über Lustlosigkeit mit starker Einschränkung bzw. Aufgabe von Aktivitäten im Haushalt und Garten sowie von Hobbies und sozialen Kontakten selbst innerhalb der Familie, beispielsweise mit seinen Enkeln, waren ebenfalls bereits Gegenstand der Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. Sch ...
Hinzu kommen die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers auf orthopädischen Fachgebiet, die hinsichtlich der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 20 und in Bezug auf die Coxarthrose, die Funktionsbehinderungen der Kniegelenke sowie die beidseitige Fußfehlform jeweils mit einem Teil-GdB von weniger als 10 zu bewerten sind. Der Senat verweist auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Gerichtsbescheid vom 08.10.2010 (§ 153 Abs. 2 SGG). Die darüber hinaus bestehenden Schulterbeschwerden rechtfertigen selbst unter Zugrundelegung der von Dr. R. erhobenen Bewegungsmaße keinen Teil-GdB. Denn nach Teil B Nr. 18.13 der VG ist eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks erst dann mit einem GdB (von 10) zu bewerten, wenn die Armhebung (Anteversion) nur noch bis zu 120° möglich ist und eine entsprechende Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit vorliegt. Eine solche Einschränkung liegt nach den von Dr. R. gemessenen Werten für die Ante-/Retroversion von 130/0/30°, die Außen-/Innenrotation von 40/0/70° sowie die Abduktion/Adduktion von 120/0/20° aber nicht vor.
Auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet beruft sich der Kläger wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf Ohrgeräusche (Tinnitus) und Schwindelgefühle, für die er einen Teil-GdB von 20 bis 30 in Ansatz bringt. Allerdings sind die nicht mit wesentlichen Funktionseinschränkungen einhergehenden Schwindelanfälle bereits bei der Beurteilung des Funktionssystems Nervensystem und Psyche - im Rahmen der Depression - berücksichtigt (vgl. das Gutachten von Dr. Sch. vom 30.03.2009), nachdem weder der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. Sch. im Gutachten vom 07.04.2005 noch der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. im Gutachten vom 30.03.2009 Schwindelgefühle oder eine organische Ursache für dieselben zu objektivieren vermochten. Der Tinnitus führt unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der behandelnden Hals-Nasen-Ohrenärztin Dr. medic. S. vom 28.08.2008 gem. Teil B Nr. 5.4 der VG allenfalls zu einem Teil-GdB von 20. Denn nach den genannten Stellungnahmen bestehen beim Kläger anamnestisch ständige zischende Ohrgeräusche beidseits, die als sehr belästigend empfunden werden und zu erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen wie Einschlaf- und Durchschlafstörungen, Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen, Angst vor Verschlimmerung und Depressionen führen.
Ausgehend von dem im Bereich des Funktionssystems Nervensystem und Psyche vorliegenden Teil-GdB von 30 führen die Wirbelsäulenbeschwerden mit einem Teil-GdB von 20 zur Erhöhung des GdB auf 40. Eine weitere Erhöhung ist angesichts der bereits nervenärztlicherseits berücksichtigten Schmerzen nicht gerechtfertigt. Ferner haben die Ohrgeräusche mit einem Teil-GdB von 20 keine Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung zur Folge. Denn auch die bei der Bewertung des Teil-GdB für die Ohrgeräusche mit 20 maßgeblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen (Einschlaf- und Durchschlafstörungen, Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen, Angst vor Verschlimmerung und Depressionen) sind schon im Rahmen des Funktionssystems Nervensystem und Psyche berücksichtigt, so dass eine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB von 40 auf 50 durch die lediglich leichte Funktionsbehinderung - wie vielfach (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. d ee der VG) - nicht gerechtfertigt ist. Dabei ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers bei der Gesamtwürdigung nicht - wie aber erforderlich (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. b der VG) - mit Gesundheitsschäden vergleichbar sind, für die in der Tabelle ein fester GdB-Wert von 50 angegeben und bei deren Vorliegen damit die Schwerbehinderung anzuerkennen ist. Denn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen ist nicht so erheblich wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung oder bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung (vgl. zu diesen Beispielsfällen noch Nr. 19 Abs. 2 der AHP 2008).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erstrebt die behördliche Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 statt 40.
Bei dem im Jahre 1947 geborenen Kläger hatte das damalige Landesversorgungsamt Baden-Württemberg mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.1997 einen GdB von 20 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen "belastungsabhängige Lumbalgien, degenerative Veränderungen des linken Hüftgelenks, Epicondylopathie humeri radialis beiderseits und psychovegetative Labilität" (jeweils Teil-GdB 10) festgestellt.
Den vom Kläger im Jahre 2003 gestellten Erhöhungsantrag lehnten das damalige Versorgungsamt St. und das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg ab. Der letztgenannten Entscheidung lag u. a. der Reha-Entlassungsbericht der Schlossklinik Bad B. vom 06.08.2003 zu Grunde. Danach wurde der Kläger am 01.08.2003 mit den Diagnosen phobischer Schwankschwindel, Dysthymie sowie chronisch-degeneratives Wirbelsäulensyndrom als arbeitsunfähig für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Fräser mit der Einschätzung eines mehr als sechsstündigen Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarktes aus der rund dreiwöchigen stationären Behandlung entlassen. Im anschließenden Klageverfahren - S 6 SB 2263/04 - holte das Sozialgericht St. das Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes Dr. Sch. vom 07.04.2005 ein. Darin werden Schwindelbeschwerden mit einem Teil-GdB von 20, eine geringgradige Innenohrhochtonschwerhörigkeit beidseits mit einem Teil-GdB von unter 10 und Ohrgeräusche mit einem Teil-GdB von 0 aufgeführt. Die nach Abweisung der Klage (Urteil vom 23.02.2006) eingelegte Berufung - L 8 SB 1843/06 - nahm der Kläger zurück. In der Folgezeit blieb auch der vom Kläger noch im Jahre 2006 gestellte Erhöhungsantrag ohne Erfolg.
Am 19.03.2008 beantragte der Kläger beim Landratsamt Rems-Murr-Kreis erneut die Erhöhung des GdB. Zur Begründung legte er die ärztliche Stellungnahme des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. L. vom 17.03.2008 vor. Darin heißt es, der Kläger leide an einer anhaltenden chronischen Depression mit schwerer Beeinträchtigung der Erlebnisfähigkeit und der Fähigkeit zur Bewältigung von Alltagsproblemen, die für sich allein ohne weiteres die Feststellung einer Schwerbehinderung rechtfertige. Darüber hinaus bestünden degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit Wurzelkompressionssyndromen C6/7 und L4 bis S1 sowie daraus resultierenden Schmerzen und einer Ausstrahlung in die Hände bzw. Füße, Sensibilitätsstörungen und einer Behinderung der Motorik. Hinzu komme eine Coxarthrose links mit chronischen Schmerzen und Limitierung der Wegstrecke auf maximal 100 bis 200 m, ferner eine Epicondylitis radialis beidseits mit chronischen Schmerzen schon bei geringen Belastungen und einer hierdurch hervorgerufenen Minderung der groben Kraft beider Arme.
Das Landratsamt holte die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. S. vom 24.04.2008 (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schwindel und Kopfschmerzsyndrom [Teil-GdB 20], Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke [Teil-GdB 10], Funktionsbehinderung beider Ellenbogengelenke [Teil-GdB 10] sowie psychovegetative Störungen [Teil-GdB 10]; Gesamt-GdB 20) und von Dr. F. vom 08.05.2008 (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schwindel und Kopfschmerzsyndrom [Teil-GdB 20], Depression [Teil-GdB 20], Funktionsbehinderung beider Ellenbogengelenke [Teil-GdB 10] sowie Funktionsbehinderung beider Hüftgelenke [Teil-GdB 10]; Gesamt-GdB 30) ein.
Gestützt auf die Einschätzung von Dr. F. sowie unter Wiederholung der in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 08.05.2008 angeführten Funktionsbeeinträchtigungen hob das Landratsamt den Bescheid vom 09.05.1997 gem. § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und stellte beim Kläger einen GdB von 30 seit dem 19.03.2008 fest.
Der Kläger erhob Widerspruch und legte die weitere ärztliche Stellungnahme von Dr. L. vom 30.05.2008 vor, in der von einer deutlichen Verschlechterung mit in vollem Maße aufgebrochener depressiver Symptomatik berichtet und die Einschätzung vom 17.03.2008 wiederholt wird.
Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 24.06.2008, der die Beurteilung von Dr. F. unter Hinweis auf einen für die episodisch verlaufende Depression festzulegenden "Durchschnitts-GdB" bestätigte, wies das Regierungspräsidium St. den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2008 zurück.
Am 15.08.2008 erhob der Kläger beim Sozialgericht St. Klage. Er machte geltend, er leide an neurologischen und psychiatrischen Störungen, wie schweren Depressionen, Negativismus und Nihilismus, einer Angststörung, chronischen Schlafstörungen (Einschlaf- und Durchschlafstörungen), Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, neuropsychologischen Defiziten bei deutlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit Kontaktbeschränkungen auf den engsten Familienkreis, einer Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule sowie Schäden der Brustwirbelsäule, einem Schulter-Arm-Syndrom, einer rheumatischen Erkrankung, einem chronischen Schmerzsyndrom im Bereich beider Schultern mit Schwerpunkt an der linken Schulter, im linken Arm und Rückenbereich, einer Funktions- und Gebrauchsbehinderung beider Hüftgelenke, einer Funktionsbehinderung beider Ellenbogengelenke, chronischen Schmerzen, einem fehlenden verwertbaren Restleistungsvermögen, häufigen Schwindelgefühlen, Herzrasen, Ohrgeräuschen rechts, einer subjektiven Kraftlosigkeit sowie chronischen Magenschmerzen. Auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet bestehe jeweils ein Teil-GdB von 40 und hals-nasen-ohrenärztlicherseits ein Teil-GdB von 20 bis 30; der Gesamt-GdB sei mit mindestens 50 zu bewerten.
Zur Bestätigung legte er ärztliche Stellungnahmen der Hals-Nasen-Ohrenärztin Dr. medic. S. vom 28.08.2008 mit Tonaudiogramm vom 26.08.2008, des Orthopäden Dr. K. vom 10.09.2008 (GdB auf orthopädischem Fachgebiet 50, Gesamt-GdB 60) und der Allgemeinmedizinerin Dr. J. vom 26.11.2008 vor. Dr. R. und Dr. W. kamen in ihren versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 29.12.2008 und vom 13.01.2009 zu dem Ergebnis, beim Kläger bestehe wegen der Funktionsbeeinträchtigungen "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schwindel und Kopfschmerzsyndrom (Teil-GdB 20), Depression (Teil-GdB 20) und Polyarthrose (Teil-GdB 10)" weiterhin ein Gesamt-GdB von 30.
Das Sozialgericht holte die Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. Sch. vom 30.03.2009 und des Orthopäden Dr. H. vom 20.05.2009 ein. Dr. Sch. diagnostizierte eine stärker behindernde depressive Symptomatik mit Somatisierungen, die im Grenzbereich zu den leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen angesiedelt und daher mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten sei. Die Wirbelsäulenbeschwerden rechtfertigten aus nervenärztlicher Sicht einen Teil-GdB von 10; die darüber hinaus vom Kläger berichteten Beeinträchtigungen (Kopfschmerzen und Schwindel ohne gravierende Auswirkungen sowie Kreuzschmerzen) seien im Rahmen der depressiven Symptomatik berücksichtigt. Insgesamt bestehe nervenärztlicherseits ein GdB von 30. Die Folgerung von Dr. L., die beim Kläger vorliegende Depression rechtfertige für sich allein die Annahme einer Schwerbehinderung, sei nicht nachzuvollziehen. Dr. H. fand ein Cervikalsyndrom mit degenerativen Veränderungen C5 bis Th1 ohne Wurzelreizsymptomatik, eine chronische, muskulär bedingte Dorsalgie, eine chronische Lumbalgie bei degenerativen Veränderungen ohne akute Wurzelreizsymptomatik und neurologische Ausfälle, eine Periarthropathie im Bereich beider Schultergelenke bei Rotatorenmanschettensyndrom und Arthrose, eine initiale Coxarthrose beidseits, eine Lateralisierungstendenz beider Kniescheiben bei unzureichender muskulärer Führung, Senk-Spreizfüße und Hallux valgus sowie Krallenzehenbildung beidseits und schließlich eine Adipositas. Die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 30 in Ansatz zu bringen, der Teil-GdB für die Funktionsbehinderungen der Schultergelenke, der Hüftgelenke, der Kniegelenke und der Füße sei jeweils mit unter 10 zu bewerten. Orthopädischerseits bestehe danach ein Teil-GdB von 30. Unter Berücksichtigung der Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet mit einem Teil-GdB von 30 sowie auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet mit einem von Dr. Sch. angesetzten Teil-GdB von 20 bewertete der Sachverständige den Gesamt-GdB mit 40.
In der daraufhin vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 02.09.2009 heißt es, der von Dr. Sch. angenommene Teil-GdB von 30 für die Depression einschließlich Schwindel und Kopfschmerzen könne übernommen werden. Hinsichtlich des Wirbelsäulenleidens sei demgegenüber unter Berücksichtigung der festgestellten Funktionseinschränkungen ein Teil-GdB von 20 ausreichend. Insgesamt sei der GdB mit 40 ab dem 19.03.2008 zu bewerten. Das dem entsprechende Vergleichsangebot des Beklagten nahm der Kläger nicht an.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete die Internistin und Rheumatologin Dr. R. das Gutachten vom 22.01.2010. Sie diagnostizierte eine Periarthropathia humeroscapularis beidseits (rechts mittelschwer und links leicht; Teil-GdB 20), ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom (mittelschwer; Teil-GdB 20), ein myofasziales Schmerzsyndrom (mittelschwer; Teil-GdB 30) sowie ein depressives Syndrom (mittelschwer; Teil-GdB 30) und schätzte den Gesamt-GdB auf 50 seit dem Jahre 2008.
Dr. G. führte in der vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.04.2010 aus, das myofasziale Schmerzsyndrom könne als chronisches Schmerzsyndrom in die Beurteilung eingestellt werden, führe aber gemeinsam mit der Depression, dem Schwindel, dem Kopfschmerzsyndrom und den funktionellen Organbeschwerden nicht zu einem Teil-GdB mehr als 30. Eine dauerhafte Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit sei nicht nachgewiesen im Übrigen auch mit einem Teil-GdB von allenfalls 10 zu bewerten. Dies ergebe unter Berücksichtigung des Teil-GdB von 20 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule keinen Gesamt-GdB von mehr als 40 seit Antragstellung.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.10.2010 verurteilte das Sozialgericht den Beklagten gemäß dem von ihm in der nichtöffentlichen Sitzung vom 30.08.2010 abgegebenen Teilanerkenntnis unter Aufhebung des Bescheides vom 13.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2008 dazu, beim Kläger einen GdB von 40 ab dem 19.03.2008 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung ist ausgeführt, ein über das abgegebene Teilanerkenntnis des Beklagten hinausgehender Anspruch des Klägers auf Neufeststellung seines GdB bestehe nicht. Die Wirbelsäulenbeschwerden seien mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Schultergelenke rechtfertigten keinen Teil-GdB. So bestehe schon mit Blick auf die von Dr. R. mitgeteilten, sämtlich im Normbereich liegenden Bewegungsmaße kein Teil-GdB von 20 und sei angesichts der von Dr. H. erhobenen passiven Beweglichkeit ohne wesentliche Einschränkungen keine Funktionsbeeinträchtigung von mehr als sechsmonatiger Dauer nachgewiesen. Die Coxarthrose führe zu einer weniger als geringgradigen Bewegungseinschränkung und auch die Funktionsbeeinträchtigungen der Kniegelenke sowie die beidseitige Fußfehlform jeweils zu einem Teil-GdB von weniger als 10. Die Gesundheitsstörungen des Klägers auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet seien mit einem Teil-GdB von 30 angemessen bewertet. Dabei sei zu berücksichtigen, dass eine längerfristige depressive bzw. psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung bislang nicht erfolgt sei und die Kopfschmerzen medikamentös gut eingestellt seien. Dieser Teil-GdB schließe das Schmerzsyndrom des Klägers ein. Die Gleichgewichtsstörungen und der Tinnitus rechtfertigten jeweils keinen Teil-GdB von mindestens 10. Schließlich komme der Hörminderung keine maßgebliche Bedeutung für die Feststellung des GdB zu.
Am 20.10.2010 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er verweist auf das erstinstanzlich eingeholte Gutachten von Dr. R. und trägt ergänzend vor, seine psychische Situation habe sich weiter verschlechtert und könne für sich allein einen GdB von 50 bedingen. Zusätzlich seien seine Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet mit einem Teil-GdB von 40 und seine Funktionsbeeinträchtigungen auf hals-nasen-ohrenfachärztlichem Gebiet mit einem Teil-GdB von 20 bis 30 in die Beurteilung einzustellen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts St. vom 8. Oktober 2010 sowie den Bescheid vom 13. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Widerspruchsbescheid vom 09. Mai 1997 abzuändern und bei ihm einen Grad der Behinderung von mindestens 50 seit 19. März 2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers seien mit einem GdB von 40 angemessen bewertet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts St. sowie die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger erstrebt mit seinem Berufungsbegehren die Abänderung des seinem Begehren nur teilweise entsprechenden Gerichtsbescheides des Sozialgerichts sowie - im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. und 2. Alternative SGG) - die weitere Abänderung des Bescheides vom 13.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2008 und die Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines (erhöhten) GdB von mindestens 50.
Der Kläger erstrebt mit seinem Berufungsbegehren die Abänderung des seinem Begehren nur teilweise entsprechenden Gerichtsbescheides des Sozialgerichts sowie - im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. und 2. Alternative SGG) - die weitere Abänderung des Bescheides vom 13.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2008 und die Verurteilung des Beklagten zur Abänderung des einem Erhöhungsanspruch entgegenstehenden bestandskräftigen Widerspruchsbescheides vom 09.05.1997 sowie zur Feststellung eines (erhöhten) GdB von mindestens 50.
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, soweit der Kläger eine Verurteilung des Beklagten zur Feststellung eines GdB von mehr als 40 und eine entsprechende weitere Abänderung der angegriffenen Bescheide begehrt. Denn ihm steht ein entsprechender Anspruch nicht zur Seite.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Erhöhung des bei ihm festgestellten GdB von 40 ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i. V. mit § 69 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest.
Menschen sind im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind als GdB nach Zehnergraden abgestuft von 20 bis 100 festzustellen. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäbe entsprechend. Eine Feststellung ist nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 SGB IX). Liegen mehrere sich gegenseitig beeinflussende Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so ist der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX).
Der GdB als Ausmaß der Behinderung ist in freier richterlicher Würdigung aller Umstände, wie sie dem Verfahren des § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) entspricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 § 3 Nr. 5), gemäß § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX unter Zugrundelegung der zum 01.01.2009 in Kraft getretenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" - VG (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV - vom 10.12.2008, BGBl. I, S. 2412]) - mit denen eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" (AHP), von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen, nicht einhergeht - festzustellen.
Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Daher ist für die Bildung des Gesamt-GdB eine Addition von Einzel-GdB-Werten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (BSG, Urteil vom 15.03.1979 a. a. O.). In der Regel wird von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. c und d der VG).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur das Vorliegen einer (unbenannten) Behinderung und den Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zu Grunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998 - B 9 SB 17/97 R - SozR 3-3870 § 4 Nr. 24). Der Einzel-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Daher und angesichts der angeführten Abstufung des GdB nach Zehnergraden liegt bei einem nur den Behinderungsgrad betreffenden Neufeststellungsbegehren eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i.S. des § 48 SGB X auch erst dann vor, wenn die Änderung des Gesamt-GdB wenigstens 10 beträgt (vgl. Teil A Nr. 7 Buchst. a Satz 1 der VG).
In Anwendung dieser Grundsätze scheidet die vom Kläger erstrebte weitere Erhöhung des GdB im Ergebnis aus. Denn sein GdB ist mit 40 angemessen bewertet.
Im Vordergrund der Funktionsbeurteilung stehen die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers im Rahmen des Funktionssystems Nervensystem und Psyche. Insoweit liegen nach den vom Sozialgericht eingeholten Gutachten von Dr. Sch. und Dr. R. eine Depression sowie Kopfschmerzen und Schmerzen am Bewegungsapparat vor. Dass und weshalb die hieraus resultierenden - nach Teil A Nr. 2. Buchst. e der VG zusammenfassend zu bewertenden - Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten sind, hat das Sozialgericht im angegriffenen Gerichtsbescheid unter Verwertung der von den genannten Sachverständigen erhobenen Befunde ausführlich und zutreffend dargelegt, weshalb der Senat hierauf verweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist mit Blick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren Folgendes auszuführen:
Die Behauptung, "insbesondere die schwere Depressionen, Angststörung, chronische Schlafstörungen (Einschlaf- und Durchschlafstörungen), Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, neuropsychologische Defizite bei deutlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit" hätten sich verschlechtert, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger gleichlautende Angaben zu bei ihm vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen bereits in der Klageschrift vom 13.08.2008 (schwere Depressionen, Angststörung, chronische Schlafstörungen [Einschlaf- und Durchschlafstörungen], Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, neuropsychologische Defizite bei deutlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit Kontaktbeschränkungen auf den engsten Familienkreis) gemacht hatte, sich im Rahmen der Begutachtung durch Dr. Sch. aber lediglich eine stärker behindernde und zudem nur im Grenzbereich zu den leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen angesiedelte depressive Symptomatik mit Somatisierungen bestätigen ließ und der Sachverständige die mnestischen und intellektuellen Fähigkeiten des Klägers als ausreichend beurteilte (vgl. hierzu das Gutachten vom 30.03.2009). Der unter Außerachtlassung dieses Ermittlungsergebnisses erfolgte Hinweis auf eine Verschlechterung von im Wesentlichen nicht bzw. nicht im behaupteten Ausmaß vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen führt daher für sich allein auch nicht zu einem (weiteren) Ermittlungsbedarf.
Nichts anderes gilt, soweit der Kläger die behauptete Verschlechterung seiner psychischen Situation mit dem Hinweis zu substantiieren sucht, er sei teilnahmsloser geworden und meide Mitmenschen sowie die Gesellschaft. Denn entsprechende Angaben des Klägers über Lustlosigkeit mit starker Einschränkung bzw. Aufgabe von Aktivitäten im Haushalt und Garten sowie von Hobbies und sozialen Kontakten selbst innerhalb der Familie, beispielsweise mit seinen Enkeln, waren ebenfalls bereits Gegenstand der Beurteilung durch den Sachverständigen Dr. Sch ...
Hinzu kommen die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers auf orthopädischen Fachgebiet, die hinsichtlich der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 20 und in Bezug auf die Coxarthrose, die Funktionsbehinderungen der Kniegelenke sowie die beidseitige Fußfehlform jeweils mit einem Teil-GdB von weniger als 10 zu bewerten sind. Der Senat verweist auch insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Gerichtsbescheid vom 08.10.2010 (§ 153 Abs. 2 SGG). Die darüber hinaus bestehenden Schulterbeschwerden rechtfertigen selbst unter Zugrundelegung der von Dr. R. erhobenen Bewegungsmaße keinen Teil-GdB. Denn nach Teil B Nr. 18.13 der VG ist eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks erst dann mit einem GdB (von 10) zu bewerten, wenn die Armhebung (Anteversion) nur noch bis zu 120° möglich ist und eine entsprechende Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit vorliegt. Eine solche Einschränkung liegt nach den von Dr. R. gemessenen Werten für die Ante-/Retroversion von 130/0/30°, die Außen-/Innenrotation von 40/0/70° sowie die Abduktion/Adduktion von 120/0/20° aber nicht vor.
Auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet beruft sich der Kläger wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren auf Ohrgeräusche (Tinnitus) und Schwindelgefühle, für die er einen Teil-GdB von 20 bis 30 in Ansatz bringt. Allerdings sind die nicht mit wesentlichen Funktionseinschränkungen einhergehenden Schwindelanfälle bereits bei der Beurteilung des Funktionssystems Nervensystem und Psyche - im Rahmen der Depression - berücksichtigt (vgl. das Gutachten von Dr. Sch. vom 30.03.2009), nachdem weder der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. Sch. im Gutachten vom 07.04.2005 noch der Neurologe und Psychiater Dr. Sch. im Gutachten vom 30.03.2009 Schwindelgefühle oder eine organische Ursache für dieselben zu objektivieren vermochten. Der Tinnitus führt unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der behandelnden Hals-Nasen-Ohrenärztin Dr. medic. S. vom 28.08.2008 gem. Teil B Nr. 5.4 der VG allenfalls zu einem Teil-GdB von 20. Denn nach den genannten Stellungnahmen bestehen beim Kläger anamnestisch ständige zischende Ohrgeräusche beidseits, die als sehr belästigend empfunden werden und zu erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen wie Einschlaf- und Durchschlafstörungen, Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen, Angst vor Verschlimmerung und Depressionen führen.
Ausgehend von dem im Bereich des Funktionssystems Nervensystem und Psyche vorliegenden Teil-GdB von 30 führen die Wirbelsäulenbeschwerden mit einem Teil-GdB von 20 zur Erhöhung des GdB auf 40. Eine weitere Erhöhung ist angesichts der bereits nervenärztlicherseits berücksichtigten Schmerzen nicht gerechtfertigt. Ferner haben die Ohrgeräusche mit einem Teil-GdB von 20 keine Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung zur Folge. Denn auch die bei der Bewertung des Teil-GdB für die Ohrgeräusche mit 20 maßgeblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen (Einschlaf- und Durchschlafstörungen, Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen, Angst vor Verschlimmerung und Depressionen) sind schon im Rahmen des Funktionssystems Nervensystem und Psyche berücksichtigt, so dass eine weitere Erhöhung des Gesamt-GdB von 40 auf 50 durch die lediglich leichte Funktionsbehinderung - wie vielfach (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. d ee der VG) - nicht gerechtfertigt ist. Dabei ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers bei der Gesamtwürdigung nicht - wie aber erforderlich (vgl. Teil A Nr. 3 Buchst. b der VG) - mit Gesundheitsschäden vergleichbar sind, für die in der Tabelle ein fester GdB-Wert von 50 angegeben und bei deren Vorliegen damit die Schwerbehinderung anzuerkennen ist. Denn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen ist nicht so erheblich wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung oder bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung (vgl. zu diesen Beispielsfällen noch Nr. 19 Abs. 2 der AHP 2008).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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