L 6 SB 5158/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 10 SB 3785/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5158/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Dem Kläger werden Kosten in Höhe von 225,- EUR auferlegt.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung eines höheren Grades der Behinderung (GdB) als 90 sowie der Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG), "Berechtigung für eine ständige Begleitung" (B) und "Rundfunkgebührenbefreiung" (RF).

Das ehemalige Versorgungsamt K. hatte in Ausführung eines vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg geschlossenen Vergleichs mit Bescheid vom 15.08.1995 den GdB des 1940 geborenen Klägers mit 70 seit 01.05.1994 und die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) festgestellt.

Der Kläger beantragte am 09.06.2005 die Neufeststellung des GdB und die Feststellung der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF. Das Landratsamt R. zog diverse Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte bei. Dr. D.-L. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.10.2005 als Behinderungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, einen operierten Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 50), eine Afterschließmuskelschwäche, eine Entleerungsstörung der Harnblase, eine Polyneuropathie und ein chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 20), ein Schielen und eine Sehbehinderung (Teil-GdB 20), psychovegetative Störungen und funktionelle Organbeschwerden (Teil-GdB 30) sowie eine Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, eine Arthrose und operierte Knorpelschäden am linken Kniegelenk (Teil-GdB 20), bewertete den Gesamt-GdB mit 80 und führte aus, dem Kläger sei eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen in nennenswertem Umfang zumutbar.

Mit Bescheid vom 18.11.2005 stellte das Landratsamt den GdB des Klägers mit 80 seit 09.06.2005 fest, lehnte die Feststellung der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF ab und führte aus, das Merkzeichen G bleibe festgestellt.

Hiergegen legte der Kläger am 20.12.2005 Widerspruch ein. Das Landratsamt zog erneut Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte bei. Zuletzt berücksichtigte Dr. Z.-C. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.06.2006 als Behinderungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, einen operierten Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 30), eine Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, eine Arthrose, Knorpelschäden am linken Kniegelenk und eine Hüftgelenksendoprothese links (Teil-GdB 30), ein Schielen und eine Sehbehinderung (Teil-GdB 20), psychovegetative Störungen, funktionelle Organbeschwerden und ein chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 20) sowie eine Afterschließmuskelschwäche und eine Entleerungsstörung der Harnblase (Teil-GdB 10), bewertete den Gesamt-GdB mit 70 und führte aus, die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF seien nicht gegeben.

Mit Schreiben vom 03.05.2006 hörte das Landratsamt den Kläger zur beabsichtigten Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2005 an. Mit Bescheid vom 22.06.2006 hob das Landratsamt den Bescheid vom "18.07.1940" (gemeint 18.11.2005) auf, stellte den GdB des Klägers mit 70 seit 25.06.2006 fest und führte aus, das Merkzeichen G bleibe festgestellt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2006 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den gegen den Bescheid vom 18.11.2005 eingelegten Widerspruch zurück.

Der Kläger beantragte am 29.06.2006 die Neufeststellung des GdB und legte am 30.06.2006 Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.06.2006 ein.

Der Kläger erhob am 08.08.2006 gegen den Widerspruchsbescheid vom 29.06.2006 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Der Kläger beantragte am 16.08.2006 die Feststellung der Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche aG und B.

Das Landratsamt zog erneut Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte bei. Dr. Z.-C. bewertete in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 06.09.2006 unter Aufrechterhaltung der übrigen Teil-GdB-Werte nunmehr für die Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks, die Arthrose, die Knorpelschäden am linken Kniegelenk und die Hüftgelenksendoprothese den Teil-GdB mit 40 sowie den Gesamt-GdB mit 80 und führte aus, die Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche aG, B und RF seien nicht gegeben.

Mit Ablehnungsbescheid vom 04.05.2007 lehnte das Landratsamt den auf die Feststellung der Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche aG und B gerichteten Antrag ab.

Mit Teil-Abhilfebescheid vom 04.05.2007 stellte das Landratsamt den GdB des Klägers mit 80 seit 25.06.2006 fest.

Der Kläger legte am 05.06.2007 gegen den Ablehnungsbescheid vom 04.05.2007 Widerspruch ein. Das Landratsamt zog erneut Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte bei. Dr. G. bewertete in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.07.2007 unter Aufrechterhaltung der übrigen Teil-GdB-Werte nunmehr für die Kniegelenksendoprothese links und die Hüftgelenksendoprothese beidseits den Teil-GdB mit 50 und den Gesamt-GdB mit 90.

Mit Teil-Abhilfebescheid vom 20.07.2007 stellte das Landratsamt den GdB des Klägers mit 90 seit 20.11.2006 fest und führte aus, das Merkzeichen G bleibe festgestellt.

Der Kläger legte am 08.08.2007 gegen den Teil-Abhilfebescheid vom 20.07.2007 Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2007 wies das Regierungspräsidium Stuttgart die gegen die Bescheide vom 22.06.2007 und 20.07.2007 eingelegten Widersprüche zurück.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2007 wies das Regierungspräsidium Stuttgart den gegen den Ablehnungsbescheid vom 04.05.2007 eingelegten Widerspruch zurück.

Der Kläger erhob am 27.09.2007 gegen die Widerspruchsbescheide vom 20.08.2007 und 21.08.2007 jeweils Klage beim Sozialgericht Karlsruhe.

Mit Beschluss vom 12.11.2007 verband das Sozialgericht Karlsruhe die Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung.

Sodann holte das Sozialgericht das Gutachten des Orthopäden Dr. J., Oberarzt an der Orthopädischen Klinik der St. V.-Klinik in K., vom 30.06.2008 ein. Der Sachverständige bewertete den Wirbelsäulenschaden in Form einer leichten Fehlstatik mit geringen bis mittelgradigen funktionellen Auswirkungen und ausgeprägten Wirbelsäulensyndromen mit einem Teil-GdB von 30, die endoprothetisch versorgten Hüftgelenke mit gutem funktionellen Ergebnis und das endoprothetisch versorgte linke Kniegelenk mit leichtem bis mäßigem Reizzustand mit einem Teil-GdB von 50, die Spreizfüße mit einem Teil-GdB von unter 10 sowie die endgradige Bewegungseinschränkung der Schultergelenke mit einem Teil-GdB von unter 10 und den Gesamt-GdB mit 90 und führte aus, die Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche aG, B und RF seien nicht gegeben.

Dr. Götz schloss sich in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.11.2008 dieser Beurteilung an.

Sodann holte das Sozialgericht auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Orthopäden und Rheumatologen Dr. S. vom 21.04.2009 ein. Der Sachverständige bewertete die endoprothetische Versorgung der Hüftgelenke und des linken Kniegelenks mit einem Teil-GdB von 50 sowie die Halswirbelsäulenproblematik und die mit einer Gangunsicherheit und Koordinationsstörungen verbundenen lumbalen Schmerzzustände mit einem Teil-GdB von 30 und den Gesamt-GdB mit 90 und führte aus, die Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche aG, B und RF seien nicht gegeben.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.10.2009 wies das Sozialgericht die Klagen ab.

Hiergegen hat der Kläger am 06.11.2009 Berufung eingelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Oktober 2009 aufzuheben, den Bescheid vom 18. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2006 abzuändern, den Bescheid vom 4. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2007 aufzuheben, den Bescheid vom 20. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Grad der Behinderung mit 100 ab 25. Juni 2006 sowie die Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche "außergewöhnliche Gehbehinderung", "Berechtigung für eine ständige Begleitung" und "Rundfunkgebührenbefreiung" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das Gutachten des Orthopäden Dr. M. vom 27.05.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat die Hüftendoprothese beidseits und die Knieprothese links mit einem Teil-GdB von 50 sowie die mittelgradigen Funktionsstörungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten, die neurologischen Ausfälle im linken Bein nach Bandscheiben- und Versteifungsoperation mit einem Teil-GdB von 30 und den Gesamt-GdB mit 90 bewertet und ausgeführt, die Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche aG, B und RF seien nicht gegeben.

Ferner hat der Senat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG das Gutachten des Urologen Dr. Sch. vom 28.12.2010 eingeholt. Der Sachverständige hat die Blasenentleerungsstörung mit einem Teil-GdB von 10 sowie die Afterschließmuskelschwäche mit einem Teil-GdB von 10 und den Gesamt-GdB mit 90 bewertet und ausgeführt, die Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche aG, B und RF seien nicht gegeben.

Der Berichterstatter hat den Rechtsstreit am 06.06.2011 mit dem Kläger erörtert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 90 noch auf Feststellung der Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche aG, B und RF.

Maßgebliche Rechtsgrundlage für eine Aufhebung von Verwaltungsakten wegen einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).

Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers nicht vor, da eine wesentliche Änderung in des tatsächlichen Verhältnissen im Vergleich zu dem hier maßgebenden Bescheid vom 20.07.2007 auch zur Überzeugung des Senats nicht eingetreten ist.

Die Beurteilung des GdB und die Feststellung der Voraussetzungen von Nachteilsausgleichen richtet sich nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX). Die Feststellung des GdB und der Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 90.

Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung in Auswertung der beiden Gutachten von Dr. J. und Dr. S. zutreffend und umfassend ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren ein höherer GdB als 90 nicht festzustellen und deswegen eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen nicht eingetreten ist. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen nach eigener Prüfung in Anbetracht der guten Beweglichkeit der Hüftgelenke, des leichten Reizzustands des linken Kniegelenks und der nur leichten Fehlstatik mit geringen und mittelgradigen Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides zur Vermeidung von Wiederholungen an.

Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren und den vom Senat angestellten Ermittlungen ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. So haben die auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. M. und Dr. Sch. in ihren Gutachten die in der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. G. und dem Gutachten des Dr. J. für angemessen erachteten Teil-GdB-Werte und den Gesamt-GdB von 90 bestätigt. Diese Einschätzung war für den Senat hinsichtlich der orthopädischen Beschwerden deswegen nachvollziehbar, weil die Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule auch bei der Untersuchung durch Dr. M. nur mittelgradig und die seitens der Hüft- und Kniegelenke nur leicht- bis mittelgradig waren. Eine wesentliche Änderung ist auch bei der urologischen Grunderkrankung des Klägers nicht eingetreten. Angesichts des Umstands, dass der Kläger selbst dem Sachverständigen Dr. Sch. berichtet hat, dass er mit einer Vorlage pro Tag auskomme und eine Geruchsbelästigung durch die Urudynamik (instabiler Blasenmuskel) und die Überempfindlichkeit gegenüber der Füllung der Blase nicht vorliege, kommt kein höherer Teil-GdB auf urologischem Fachgebiet in Betracht.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG.

Zu den gesundheitlichen Merkmalen im Sinne des § 69 Abs. 5 SGB IX gehört die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen aG einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Vierte Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes [SchwbAwV]). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne des § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen Behindertenparkplätzen (Rollstuhlfahrersymbol, Zusatzzeichen 1020-11, 1044-10, 1044-11 StVO) und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen (zum Beispiel vom eingeschränkten Halteverbot für die Dauer von drei Stunden). Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz [KraftStG]) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und gegebenenfalls zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG). Sie macht die steuerliche Geltendmachung von Kosten des Kraftfahrzeuges, soweit sie nicht schon Werbungs- oder Betriebskosten sind, als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) in angemessenem Umfang möglich.

Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung ist Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO; abgedruckt noch in den AHP 2008, Nr. 27; nicht mehr in den VG). Dies ist, obwohl nach Art. 84 Abs. 2 Grundgesetz (GG) erlassene Verwaltungsvorschriften keine unmittelbare Außenwirkung entfalten (Lerche in Maunz-Dürig, GG, Kommentar, Stand Januar 1985, Art. 84, Rz. 94 bis 103), ständige höchstrichterliche Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R). Danach ist außergewöhnlich gehbehindert im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann (Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO). Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind (Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO), sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind (Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO).

Zwar enthalten die VG hinsichtlich der Beurteilung der Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs aG weitere Kriterien. Danach darf die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden (VG, Teil D, Nr. 3 c Satz 1), ist bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und ist deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen (VG, Teil D, Nr. 3 c Satz 2) und sind als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigten, beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen (VG, Teil D, Nr. 3 c Satz 5). Den VG lassen sich aber im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Nachteilsausgleichs entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche G, B, aG, "Gehörlosigkeit" (Gl) und "Blindheit" (Bl) unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Nachteilsausgleichs "Hilflosigkeit" (H) - weder in § 30 Abs. 17 BVG noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteil des Senats vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09 - unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08 - und 24.09.2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4; so zuletzt auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.05.2011 - L 8 SB 2294/10).

Während die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgeführten Schwerbehinderten relativ einfach zu bestimmen sind, ist dies bei der Gruppe der gleichgestellten Schwerbehinderten nicht ohne Probleme möglich. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erstgenannte Gruppe von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (BSG, Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 1/97 R). Schwierigkeiten bereitet hierbei der Vergleichsmaßstab, weil die verschiedenen, in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgezählten Gruppen in ihrer Wegefähigkeit nicht homogen sind und einzelne Vertreter dieser Gruppen - bei gutem gesundheitlichem Allgemeinzustand, hoher körperlicher Leistungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung - ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen können (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R). Solche Besonderheiten können aber angesichts des mit der Zuerkennung des Merkzeichens aG bezweckten Nachteilsausgleichs nicht als Maßstab für die Bestimmung der Gleichstellung herangezogen werden. Vielmehr muss sich dieser strikt an dem der einschlägigen Regelung vorangestellten Obersatz und mithin an Abschnitt II Nr. 1 Satz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO beziehungsweise § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG orientieren (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Parkraum für diejenigen Schwerbehinderten geschaffen werden sollte, denen es unzumutbar ist, längere Wege zu Fuß zurückzulegen (BT-Drucks 8/3150, S. 9 und 10 in der Begründung zu § 6 StVG). Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, sind hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten (BSG, Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 1/97 R).

Für die Gleichstellung ist bei dem Restgehvermögen des Betroffenen anzusetzen. Dabei lässt sich ein anspruchsausschließendes Restgehvermögen griffig weder quantifizieren noch qualifizieren (BSG, Urteil vom 10.12.2002 - B 9 SB 7/01 R). Weder der gesteigerte Energieaufwand noch eine in Metern ausgedrückte Wegstrecke taugen grundsätzlich dazu. Denn die maßgeblichen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften stellen nicht darauf ab, über welche Wegstrecke ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern darauf, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzung praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt. Der gleichzustellende Personenkreis beschränkt sich daher auf Schwerbehinderte, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maß eingeschränkt ist und die sich nur unter ebenso großen körperlichen Anstrengungen fortbewegen können wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Vergleichsgruppen (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R).

Auch soweit diese großen körperlichen Anstrengungen festzustellen sind, kann nicht allein auf eine gegriffene Größe wie die schmerzfrei zurückgelegte Wegstrecke abgestellt werden. Unabhängig von der Schwierigkeit, eine solche Wegstrecke objektiv fehlerfrei und verwertbar festzustellen, ist die Tatsache, dass ein Betroffener nach einer bestimmten Strecke eine Pause machen muss, lediglich Indiz für eine Erschöpfung. Für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs aG reichen überdies nicht irgendwelche Erschöpfungszustände aus. Sie müssen in ihrer Intensität vielmehr gleichwertig mit den Erschöpfungszuständen sein, die Schwerbehinderte der in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO einzeln aufgeführten Gruppen erleiden. Gradmesser hierfür kann die Intensität der Schmerzen beziehungsweise der Luftnot nach dem Zurücklegen einer bestimmten Wegstrecke sein. Ein solches Erschöpfungsbild lässt sich unter anderem aus der Dauer der erforderlichen Pause sowie den Umständen herleiten, unter denen der Schwerbehinderte nach der Pause seinen Weg fortsetzt. Nur kurzes Pausieren mit anschließendem Fortsetzen des Weges ohne zusätzliche Probleme ist im Hinblick auf den durch die Vergleichsgruppen gebildeten Maßstab zumutbar (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R).

Ob die danach erforderlichen großen körperlichen Anstrengungen beim Gehen vorliegen, ist Gegenstand tatrichterlicher Würdigung, die sich auf alle verfügbaren Beweismittel, wie Befundberichte der behandelnden Ärzte, Sachverständigengutachten oder einen dem Gericht persönlich vermittelten Eindruck, stützen kann. Gerade bei multimorbiden Schwerbehinderten liegt auf der Hand, dass allein das Abstellen auf ein starres Kriterium keine sachgerechte Beurteilung ermöglicht, weil es eine Gesamtschau aller relevanten Umstände eher verhindert. Gerade die Anwendung eines einzelnen starren Kriteriums birgt die Gefahr eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R).

Ein an einer bestimmten Wegstrecke und einem Zeitmaß orientierter Maßstab liegt auch nicht wegen der Methode nahe, mit der die gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens G festgestellt werden (vergleiche dazu VG, Teil D, Nr. 1). Denn für den Nachteilsausgleich aG gelten gegenüber dem Nachteilsausgleich G nicht gesteigerte, sondern andere Voraussetzungen (BSG, Urteil vom 13.12.1994 - 9 RVs 3/94).

Ebenso wenig lässt sich ein allein maßgebliches Wegstrecken-Zeit-Kriterium aus dem straßen-verkehrsrechtlichen Zweck des Nachteilsausgleichs aG herleiten. Insofern kommt es nicht auf die üblicherweise auf Großparkplätzen zurückzulegende Strecke zwischen allgemein nutzbaren Parkplätzen und Gebäudeeingängen an. Der Nachteilsausgleich aG soll die stark eingeschränkte Gehfähigkeit durch Verkürzung der Wege infolge der gewährten Parkerleichterungen ausgleichen (BSG, Urteil vom 06.11.1985 - 9a RVs 7/83). Ein bestimmtes Wegstreckenkriterium erschiene nur dann als sachgerecht, wenn die betreffende Wegstrecke grundsätzlich geeignet wäre, den bestehenden Nachteil auszugleichen. Das könnte es nahelegen, auf die Platzierung gesondert ausgewiesener Behindertenparkplätze abzustellen. Aber auch diesem Ansatz ist nicht zuzustimmen. Abgesehen davon, dass es keine empirischen Untersuchungen zur durchschnittlichen Entfernung zwischen gesondert ausgewiesenen Behindertenparkplätzen und den Eingängen zu Einrichtungen des sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens gibt, greift die alleinige Ausrichtung auf Behindertenparkplätze (Zusatzzeichen 1020-11, 1044-10, 1044-11 StVO) zu kurz. Denn daneben werden nach Abschnitt I Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO weitere umfangreiche Parkerleichterungen, wie zum Beispiel die Ausnahme vom eingeschränkten Halteverbot, gewährt (BSG, Urteil vom 05.07.2007 - B 9/9a SB 5/06 R; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R; BSG, Urteil vom 29.03.2007 - B 9a SB 1/06 R).

Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung umfassend dargestellt und zutreffend ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich aG nicht festzustellen sind. Auch diesbezüglich schließt sich der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG den Ausführungen des Sozialgerichts nach eigener Prüfung an. Auch die vom Senat durchgeführten Ermittlungen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Unter Berücksichtigung der oben dargestellten Grundsätze ist der Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger außergewöhnlich gehbehindert war und ist. Weder gehört er zu dem in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO aufgeführten Personenkreis, noch ist er nach Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 Abs. 2 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VvV-StVO aufgrund seiner Erkrankungen diesem Personenkreis gleichzustellen. Denn der Senat konnte sich angesichts des Gutachtens des Dr. J. nicht davon überzeugen, dass das Gehvermögen des Klägers auf das Schwerste eingeschränkt ist und mit dem Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten gleichzusetzen ist. Dagegen spricht bereits die nur gering- bis mittelgradig Funktionseinschränkung seitens der Hüft- und Kniegelenke, zumal der Kläger, worauf Dr. M. hingewiesen hat, ohne Gehstützen zu benützen, selbständig aufstehen, sich entkleiden, die Untersuchungsliege und anschließend seinen Stuhl wieder aufsuchen konnte. Des Weiteren belegt der Umstand, dass der Kläger morgens und mittags jeweils eine halbe Stunde spazieren gehen kann, dass die Gehstrecke nicht in einem das Merkzeichen aG berechtigenden Ausmaß limitiert ist. Die Einschätzung des Dr. J. ist auch von den auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. S., Dr. M. und Dr. Sch. bestätigt worden.

Zwar sieht der Senat, dass eine beträchtliche Einschränkung der Gehfähigkeit des Klägers vorliegt. Diese ist aber angemessen mit der Zuerkennung des Merkzeichens G berücksichtigt. Eine das Merkzeichen aG rechtfertigende Einschränkung der Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße, also derart, dass sich der Kläger unter ebenso großen Anstrengungen wie beispielsweise ein Doppeloberschenkelamputierter oder sich nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann, ist nicht festzustellen.

3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich B.

Zu den gesundheitlichen Merkmalen im Sinne des § 69 Abs. 5 SGB IX gehört auch die Notwendigkeit ständiger Begleitung. Zur Mitnahme einer Begleitperson sind schwerbehinderte Menschen berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind (§ 146 Abs. 2 SGB IX).

Auch hier gilt, dass die in den VG hinsichtlich der Beurteilung der Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs B genannten Kriterien, wonach die Berechtigung für den Nachteilsausgleich B stets bei Querschnittsgelähmten, Ohnhändern, Blinden und Sehbehinderten, Hörbehinderten, geistig behinderten Menschen und Anfallskranken angenommen wird, bei denen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist (VG, Teil D, Nr. 2), wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage nicht heranzuziehen sind. Für die Beurteilung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs B kommt es darauf an, ob der Schwerbehinderte beim Ein- oder Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels auf fremde Hilfe angewiesen ist oder ob Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen, beispielsweise bei einer Sehbehinderung oder einer geistigen Behinderung, erforderlich sind (Bayerisches LSG, Urteil vom 20.10.2010 - L 16 SB 72/09).

Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und umfassend dargestellt und ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich B nicht festzustellen sind. Auch insoweit verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren und den vom Senat angestellten Ermittlungen ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Dass die oben dargestellten Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben sind, ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten des Dr. J., das wiederum in den auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG eingeholten Gutachten von Dr. S., Dr. M. und Dr. Sch. seine Bestätigung gefunden hat. Gegen die Zuerkennung des Merkzeichens B spricht, dass der Kläger, der im 2. Obergeschoss wohnt, täglich zweimal ohne fremde Hilfe mehrere Treppen bewältigen kann. Zuletzt konnte er zur Untersuchung bei Dr. M. selbständig mit dem Pkw anreisen, hat diesen parkiert und über Fahrstühle das Gutachtensinstitut im 5. Stockwerk selbständig aufsuchen können. Deswegen ist auch für den Senat nicht nachvollziehbar, warum das Besteigen öffentlicher Verkehrsmittel nicht gelingen sollte.

4. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF.

Wegen der Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF ist für den in Baden-Württemberg wohnhaften Kläger seit 01.04.2005 Art. 5 § 6 Abs. 1 Nr. 8 des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 15.10.2004 in der Fassung des Baden-Württembergischen Gesetzes vom 17.03.2005 (GBl. 2005, 189) heranzuziehen. Danach werden unter anderem behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Ein sonstiger Gebührenbefreiungstatbestand scheidet beim Kläger aus.

Unter öffentlichen Veranstaltungen in diesem Sinne sind alle Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.05.2011 - L 8 SB 2294/10 - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 10.08.1993 - 9/9a RVs 7/91 - und BSG, Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist nur dann gegeben, wenn der Schwerbehinderte wegen seines Leidens ständig, das heißt allgemein und umfassend, vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Bei dieser Auslegung muss der behinderte Mensch praktisch an das Haus gebunden sein, um seinen Ausschluss an öffentlichen Veranstaltungen begründen zu können (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.08.2010 - L 8 SB 818/10).

Das Sozialgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zutreffend und umfassend dargestellt und ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich RF nicht festzustellen sind. Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs. 2 SGG diesen Ausführungen des Sozialgerichts unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides an. Auch angesichts der vom Senat durchgeführten Ermittlungen ist gegenüber der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts eine andere Beurteilung nicht gerechtfertigt. Denn von den oben dargestellten Grundsätzen ausgehend, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger trotz der bei ihm zweifellos vorliegenden zahlreichen Funktionsbeeinträchtigungen, die der Senat nicht verkennt, in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen in einem nennenswerten Teil der Gesamtheit aufsuchen kann. Daran ist der Kläger trotz der bei ihm auf orthopädischem und urologischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen nicht gehindert. Dies steht zur Überzeugung des Senates aufgrund der im gerichtlichen Verfahren von Amts wegen von Dr. J. und auf die Anträge des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten von Dr. S., Dr. M. und Dr. Sch. und der vorliegenden Befundunterlagen fest.

Nach alledem hat und hatte der Kläger weder einen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 90 noch der Voraussetzungen für die Nachteilsausgleiche aG, B und RF. Die angegriffenen Entscheidungen haben sich mithin als rechtmäßig erwiesen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 192, 193 SGG. Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG Verschuldenskosten aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Eine entsprechende Belehrung ist sowohl durch den Berichterstatter in dem Erörterungstermin vom 06.06.2011 gegenüber dem Kläger selbst als auch durch die Vorsitzende in der mündlichen Verhandlung vom 11.08.2011 gegenüber der Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgt.

Die Rechtsverfolgung ist im vorliegenden Fall auch missbräuchlich. Ein Missbrauch ist dann anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung offensichtlich unzulässig oder (wie hier) unbegründet ist und sie von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Diese Auslegung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Missbrauchsgebühr in § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.11.1995 - 2 BvR 1806/95 - NJW 1996 S. 1273, 1274). Die Rechtsprechung des BVerfG ist auch zur Auslegung des § 192 SGG heranzuziehen, denn Wortlaut und Zweck beider Vorschriften stimmen überein (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.06.2004 - L 12 AL 59/03, Thüringer LSG, Urteil vom 18.09.2003 - L 2 RA 379/03 - zit. nach Juris). Nachdem 3 Ärzte seines Vertrauens in ihren Gutachten nach § 109 SGG die behördliche Entscheidung für zutreffend erachtet haben, ist die Berufung offensichtlich unbegründet. Das Aufrechterhalten der Berufung in Kenntnis dieser Umstände stellt nach Auffassung des Senats einen gravierenden Fall des Missbrauchs verfahrensrechtlicher und prozessualer Rechte dar. Der Senat hält im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens deshalb die Auferlegung einer Verschuldensgebühr für geboten. Die Höhe der auferlegten Kosten entspricht der gesetzlichen Mindestgebühr (§ 192 Abs. 1 Satz 3 SGG in Verbindung mit § 184 Abs. 2 SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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