L 4 KR 5345/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 KR 560/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 5345/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 23.711,50 festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob das klagende Universitätsklinikum (im Folgenden Klägerin) Anspruch auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe weiterer EUR 23.711,50 hat.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes Hochschulklinikum. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte und am 1948 geborene W. H. (Versicherter) wurde dort vom 30. April bis 28. Mai 2007 stationär behandelt. Am 01. Mai 2007 wurde bei ihm eine simultane allogene Pankreas-/Nierentransplantation mit portal-venös-enteraler Drainage und simultaner Appendektomie durchgeführt. Im Anschluss daran war der Versicherte sofort dialysefrei. Die Kreatinin-Werte fielen auf Werte um 1,5 mg/dl ab. Die Funktion des Transplantat-Pankreas verschlechterte sich nach anfänglich guten Blutzuckerwerten postoperativ zunehmend. Zeitweise hatte der Versicherte einen Insulinbedarf von über 20 IE. Die MR-Angio vom 09. Mai 2007 zeigte ein homogen perfundiertes Transplantat ohne Zeichen der Pankreatitis. Bei Verdacht auf isolierte Pankreas-Abstoßung wurde aber dennoch am 09. Mai 2007 eine Cortison-Stoß-Therapie durchgeführt. Der eingelegte Splint wurde am 15. Mai 2007 zystoskopisch entfernt. Die anschließend durchgeführte abdominelle Sonographie ergab einen regelrechten Befund. Die duplex-sonographisch durchgeführten Kontrollen des Nierentransplantates ergaben eine homogen perfundierte Niere mit normalen Widerstands-Indices ohne Hinweise für eine Transplantatarterienstenose. Auch die am 25. Mai 2007 bei schwankenden Kreatininwerten durchgeführte perkutane Nierenbiopsie ergab keinen Hinweis für eine Abstoßung. Bei Entlassung aus der stationären Behandlung am 28. Mai 2007 war der Versicherte seit fünf Tagen insulinfrei (Entlassungsbericht des Prof. Dr. H., Ärztlicher Direktor der Chirurgischen Klinik der Klägerin, vom 28. Mai 2007). Am 06. August und 28. September 2007 stellten die den Versicherten behandelnden Internisten Dres. Seuffert, Reyher und Vögtle Verordnungen von Krankenhausbehandlungen bei der Klägerin aus. Als Diagnose in der Verordnung vom 06. August 2007 wurde angegeben: Zustand nach simultaner Nieren-/Pankreastransplantation am 01. Mai 2007, simultane Appendektomie, verzögerte Funktionsaufnahme des PTX bei Verdacht auf Abstoßung mit Cortison-Stoß-Therapie. Die Diagnose in der Verordnung vom 28. September 2007 lautete: Stat. Transplant Freiburg bei Hb-Abfall 7,1 g/dl -G-; Zustand nach simultaner Nieren-/Pankreastransplantation am 01. Mai 2007, simultane Appendektomie, verzögerte ..., handschriftlich ergänzt, Dialyse, NTx-Versagen unklarer Genese. Im November 2007 wurde der Versicherte erneut auf die Warteliste zur Nierentransplantation bei Eurotransplant aufgenommen.

Die Klägerin stellte für die Behandlung des Versicherten am 14. Juni 2007 die Diagnosis Related Groups (DRG) nach dem Fallpauschalen-Katalog 2007 A02A (Transplantation von Niere und Pankreas mit Transplantat-Abstoßung) in Rechnung. Sie kodierte nach der Internationalen Statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme 10. Revision, Version 2004 (ICD 10) als Diagnose u. a. T86.82 (Versagen und Abstoßung sonstiger transplantierter Organe und Gewebe - Pankreastransplantat) und gab als Prozeduren u.a. am 02. Mai 2007 OPS 8-930 (Monitoring von Atmung, Herz und Kreislauf ohne Messung des Pulmonalarteriendruckes und des zentralen Venendruckes), am 12. Mai 2007 8-931 (Monitoring von Atmung, Herz und Kreislauf mit Messung des zentralen Venendruckes) und am 19. Mai 2007 erneut 8-930 an. Der Rechnungsbetrag belief sich unter Berücksichtigung weiterer Leistungen auf insgesamt EUR 57.996,37. Am 18. Juni 2007 beanstandete die Beklagte, da alle Transplantate (Niere und Pankreas) funktionierten und deshalb auch kein Insulinbedarf mehr bestehe, die zur Anwendung gekommene Klassifikation T86.82. Die Beklagte bat um Übersendung einer DRG-korrigierten Rechnung. Die Klägerin wandte dagegen unter dem 06. Juli 2007 unter nochmaliger Übersendung der ursprünglichen Rechnung ein, T 86.82 sei zu Recht kodiert. Bei Zweifeln an der Abrechnung sei gemäß § 275 SGB V der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) einzuschalten. Letzteres lehnte die Beklagte am 12. Juli 2007 ab. Sie vertrat die Auffassung, die Einschaltung des MDK sei entbehrlich, da der Versicherte mitgeteilt habe, dass beide transplantierten Organe (Niere und Pankreas) gut funktionierten. In der Folge kodierte die Beklagte DRG A02B (Transplantation von Niere und Pankreas ohne Transplantatabstoßung) und überwies an die Klägerin am 23. Juli 2007 einen Betrag in Höhe von EUR 34.128,53. Am 06. September 2007 übersandte die Klägerin der Beklagten noch einmal ihre erste Rechnung. Sie wies erneut darauf hin, dass T 86.82 "Versagen und Abstoßung eines Pankreastransplantats" gelesen werden müsse als "Versagen und/oder Abstoßung". Dies ergebe sich aus dem Regelwerk ICD 10, dort Kapitel "Benutzung der ICD" 3.1.4 Formale Vereinbarungen für die Benutzung des Systems. Im Übrigen sei eine verzögerte Funktionsaufnahme auch ein "teilweises" Versagen des Transplantats und deshalb mit T86.82 zu kodieren. Mit Schreiben vom 10. September 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sich an ihrer bisherigen Auffassung nichts ändere. Ergänzend führte sie mit Schreiben vom 12. September 2007 aus, bei einer direkt nach der Transplantation auftretenden akuten Abstoßungsreaktion komme es zur Unterversorgung und zum Absterben des transplantierten Organs. Der Versicherte habe erklärt, dass es bei ihm zu keinem Versagen und keiner Abstoßung des Pankreastransplantats gekommen sei. T86.82 sei deshalb nicht kodierfähig. Für eine verzögerte Funktionsaufnahme eines Pankreastransplantats sehe ICD 10 keinen Diagnoseschlüssel vor. Dies könne nicht dazu führen, dass mangels eines solchen Diagnoseschlüssels ausweichend die Diagnose T86.82 kodiert werde. Die Interpretation der Klägerin, dass es sich bei einer verzögerten Funktionsaufnahme eines Transplantats um ein teilweises Transplantatversagen handle, sei nicht plausibel, da Synonyme für das Wort "Versagen" "Scheitern" und "Misslingen" seien. Eine Einschaltung des MDK sei nur notwendig für - hier nicht geltend gemachte - Einwendungen gegen die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung. Mit Schreiben vom 10. Januar 2008 forderte die Klägerin die Beklagte noch einmal zur Begleichung des noch zur Zahlung offenstehenden Restbetrags in Höhe von EUR 23.711,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2007 auf. Sie verwies erneut auf die Verpflichtung der Beklagten, bei Zweifeln an der Rechnungslegung den MDK einzuschalten. Dies sei nicht erfolgt. Aus Gründen der Verfristung sei dies auch nicht mehr nachzuholen. Die Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf die erneute Aufnahme des Versicherten auf die Warteliste für ein Nierenspenderorgan, nicht jedoch auch ein Pankreasspenderorgan, weshalb ein Versagen des Pankreastransplantats nach wie vor nicht erkennbar sei, ab (Schreiben vom 14. Februar 2008).

Am 05. Februar 2008 machte die Klägerin den Differenzbetrag in Höhe von EUR 23.711,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2007 bei dem Sozialgericht Freiburg (SG) im Klageweg geltend. Sie legte die Patientenakte des Versicherten vor und führte zur Begründung aus, die Beklagte gehe mit ihrer Auffassung, dass die Diagnose T86.82 nicht kodierfähig sei, fehl. Die verzögerte Funktionsaufnahme eines Pankreas-Transplantats sei unter das (zeitweise) Versagen zu subsumieren. Zudem entspreche die Vorgehensweise der Beklagten aber auch nicht den zwischen den Parteien geltenden gesetzlichen und vertraglichen Regelungen. Krankenhausrechnungen seien von Krankenkassen nur dann nicht in voller Höhe zu begleichen, wenn innerhalb der Zahlungsfrist substantiierte und der Höhe nach bezifferte Einwendungen gegen die Abrechnung geltend gemacht würden (Verweis auf Bundessozialgericht - BSG - , Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 KR 20/03 R - in SozR 4-2500 § 112 Nr. 3). Bei Zweifeln an der Rechnungslegung sei die Beklagte gemäß § 275 Abs. 1 SGB V verpflichtet, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Nach der Neuregelung des § 275 Abs. 1c SGB V sei eine solche Prüfung zeitnah, spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse zu veranlassen. Spätestens seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26. März 2007 zum 01. April 2007 sei die Beklagte bei jeglichen (Unterstreichung im Original) Beanstandungsgründen verpflichtet, das Prüfverfahren einzuleiten. Dies sei nicht erfolgt. Damit verfüge die Beklagte über keinerlei substantiierte Einwendungen, die ihrem Zahlungsanspruch entgegenzuhalten wären. Da die Frist gemäß § 275 Abs. 1c SGB V verstrichen sei, bestehe auch keinerlei Möglichkeit mehr, den MDK noch zu beauftragen und substantiierte Einwendungen nachzureichen. Darüber hinaus habe die Beklagte gegen die landesvertraglichen Regelungen des § 19 des Vertrags nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V (im Folgenden: Landesvertrag), wonach die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von 30 Tagen nach Übermittlung des Rechnungssatzes zu bezahlen habe, verstoßen. Beanstandungen sachlicher Art könnten nach Ausgleich der Rechnung geltend gemacht werden. Nach § 19 Abs. 2 des Landesvertrages habe die Beklagte die Möglichkeit, Differenzbeträge nach Ausgleich der Rechnung gegebenenfalls zu verrechnen. Die Möglichkeit der Verrechnung impliziere keine kassenseitige Rechnungskürzung innerhalb der Zahlungsfrist vor kompletter Rechnungsbegleichung.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie trug Bezug nehmend auf die Krankenhausverordnungen vom 06. August und 28. September 2007 sowie den Entlassungsbericht vom 28. Mai 2007 vor, dass jeweils eine "verzögerte Funktionsaufnahme" und kein Versagen des Pankreastransplantats ausgewiesen sei. Zu einer Abstoßung des Pankreastransplantats sei es nicht gekommen. Die Interpretation der Klägerin, dass es sich bei einer verzögerten Funktionsaufnahme eines Transplantats um ein teilweises Transplantatversagen handle, sei nicht plausibel. Für eine verzögerte Funktionsaufnahme eines Pankreastransplantats und auch für den Verdacht auf eine Abstoßungsreaktion sehe ICD 10 keinen Diagnoseschlüssel vor. Die Diagnose T 86.82 sei deshalb nicht kodierfähig. Die mangels eines ICD-Schlüssels für die "verzögerte Funktionsaufnahme eines Pankreastransplantats" vorgenommene Schlussfolgerung, dass dieses Krankheitsbild deshalb unter das Transplantatversagen zu subsumieren sei, stehe im Widerspruch zur Systematik des offiziellen ICD-Schlüsselkatalogs. Der offizielle ICD-Schlüsselkatalog weise explizit für die "verzögerte Aufnahme der Transplantatfunktion" eines Nierentransplantats einen ICD-Schlüssel aus (T86.12). Somit sei es der Wille des Gesetzgebers gewesen zwischen verzögerter Funktionsaufnahme, Abstoßung und Versagen eines transplantierten Organs bei der Kodierung zu differenzieren, um die anfallenden unterschiedlichen Behandlungsschemata und damit verbundenen unterschiedlichen Aufwendungen DRG-mäßig abzubilden. Der Umkehrschluss, dass mangels eines ICD-Schlüssels für die verzögerte Funktionsaufnahme eines Pankreastransplantats hilfsweise der ICD für sein Versagen und/oder Abstoßung verwendet werden könne, sei unzulässig. Ein "teilweises Transplantatversagen" sei nicht definierbar. Die bei ihr vorliegenden medizinischen Dokumentationen ermöglichten ihr auch das Vorbringen von substantiellen sachlichen Rechnungsbeanstandungsgründen innerhalb der vertraglichen Frist, sodass es keinen Grund für eine MDK-Beauftragung gegeben habe. Hinzu komme, dass die landesvertraglichen Bestimmungen nur für Einwendungen gegen die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung die MDK-Beauftragung voraussetzten. Ein solcher Beanstandungsgrund habe nicht vorgelegen. Daran habe sich durch das GKV-WSG nichts geändert. Die landesvertragliche Bestimmung sehe auch die Möglichkeit der Verrechnung vor.

Mit Urteil vom 13. Oktober 2009 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Klägerin stehe keine höhere als die bisher von der Beklagten gewährte Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten im April und Mai 2007 zu. Bei einer Transplantation von Niere und Pankreas ohne Transplantatabstoßung sei im Jahr 2007 die DRG A02B abgerechnet worden. Nur wenn zusätzlich eine Abstoßung der beiden Transplantate aufgetreten sei, habe die DRG A02A angesteuert werden können. Dies habe vorausgesetzt, dass neben der Transplantation auch der Kode T86.10 , T86.11, T86.19 oder T86.82 kodierfähig gewesen seien. Die - hier allein streitgegenständliche - Abstoßung des Pankreastransplantats komme nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen des ICD T86.82 vorgelegen hätten. Dieser Kode setze die Abstoßung und/oder das Versagen eines Pankreastransplantats voraus. Diese Voraussetzungen hätten nicht vorgelegen. Die hier aufgetretene verzögerte Funktionsaufnahme sei diesen Reaktionen auch nicht gleichzustellen. Dies ergebe sich aus der Auslegung des ICD nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie dem systematischen Zusammenhang. Die Beklagte könne die Einwendung der fehlenden Kodierbarkeit der verzögerten Funktionsaufnahme des Pankreastransplantats auch (noch) gegen die Rechnung der Klägerin geltend machen. Nach § 19 des Landesvertrages sei die Beklagte weder verpflichtet, Krankenhausrechnungen auch dann in voller Höhe zu begleichen, wenn sie schon innerhalb der Zahlungsfrist substantiierte und der Höhe nach bezifferte Einwendungen gegen die Abrechnung geltend machen könne, noch könne dieser Bestimmung entnommen werden, dass Rechnungen stets innerhalb der Zahlungsfrist zu begleichen seien, wenn sie nur formal richtig seien. Die Einwendung gegen die Kodierung von T86.82 sei auch nicht nach § 19 Abs. 2 Satz 3 des Landesvertrages ausgeschlossen. Danach sei Voraussetzung für Einwendungen gegen die Notwendigkeit und die Dauer der Krankenhausbehandlung die Durchführung eines MDK-Überprüfungsverfahren gemäß dem Landesvertrag zu § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die Beklagte beanstande weder die Notwendigkeit noch die Dauer der Behandlung ihres Versicherten bei der Beklagten (richtig: Klägerin). Auch § 275 Abs. 1c i. V. mit Abs. 1 Nr. 1 SGB V schließe die Beanstandung der Beklagten gegen die Rechnung der Klägerin nicht aus. Die Verpflichtung zur Einschaltung des MDK trete nur ein, wenn dies nach dem Krankheitsverlauf erforderlich sei. Erforderlich sei eine Überprüfung eines bestimmten Falls durch den MDK, wenn u.a. der Umfang der Leistung des Krankenhauses aufgeklärt werden müsse. Dabei könne sich das Merkmal der Erforderlichkeit nur auf den medizinischen Sachverhalt eines Falls beziehen. Erforderlich sei die Einschaltung des MDK nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V deshalb nur dann, wenn die medizinischen Voraussetzungen eines Leistungsfalls nach Grund oder Höhe - unklar seien. Die Forderung, dass die Beklagte eine Rechnungsprüfung und -kürzung nur nach Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen durch den MDK vornehmen dürfe, würde die Beklagte praktisch handlungsunfähig machen. Der MDK wäre in diesem Fall personell überfordert. Diese Schlussfolgerung würde auch der Intention des Gesetzgebers entgegenlaufen, der die Frist und Aufwandspauschale in § 275 Abs. 1c SGB V eingeführt habe, um "Anreize (zu setzen), um Einzelfallprüfungen zukünftig zielorientierter und zügiger einzusetzen" (Verweis auf Bundestags-Drucksache 16/3100 S. 171). Der MDK sei deshalb nur dann einzuschalten, wenn Aufklärungsbedarf betreffend dem medizinischen Sachverhalt bestehe. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die von der Klägerin übermittelten Informationen einschließlich der Angaben des Versicherten selbst hätten ausgereicht, um Art und Umfang der Krankenhausbehandlung durch die medizinisch zwar laufend fortgebildeten, aber nicht spezifisch ausgebildeten Mitarbeiter der Beklagten zur Prüfung der Rechnung der Klägerin zu befähigen. Der medizinische Sachverhalt sei insoweit geklärt gewesen. Der MDK sei auch nicht dazu berufen, anstelle der Beklagten die ICD auszulegen. Dies sei in erster Linie eine Rechtsfrage und kein Sachverhalt, der der ärztlichen Begutachtung bedürfe.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30. Oktober 2009 zugestellte Urteil richtet sich deren am 17. November 2009 eingelegte Berufung. Die Klägerin ist weiter der Ansicht, dass T86.82 zu Recht als Nebendiagnose kodiert worden sei. Unstreitig sei es zu einer verzögerten Funktionsaufnahme des Pankreastransplantats gekommen. Bei einer Pankreastransplantation gebe es keinen Unterpunkt für die Funktionsstörung oder die verzögerte Aufnahme, es seien (nur) die Oberbegriffe Versagen und Abstoßung existent. Die verzögerte Aufnahme sei ein zumindest teilweises/zeitweises Versagen des Transplantats. Da eine verzögerte Aufnahme eines Pankreastransplantats seltener vorkomme, sei bis dato noch keine weitere Untergliederung im ICD erfolgt, wie dies bei der sehr häufigen Nierentransplantation, bei der es die Untergruppierung "verzögerte Aufnahme der Transplantatfunktion" gebe, im Laufe der Jahre geschehen sei. Daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass eine verzögerte Funktionsaufnahme bei einem Pankreastransplantat nicht kodiert werden könne. Dass aus der Begrifflichkeit des Versagens der definitive Verlust einer Funktion des entsprechenden Organs zu entnehmen sei, ergebe sich nicht aus dem Wortlaut. Es sei nicht auf eine spätere (Wieder-)Aufnahme der Funktion, sondern auf das zunächst eingetretene (Teil-)Versagen des Transplantats zu setzen. Es sei auch nicht zutreffend, dass die Behandlung einer verzögerten Funktionsaufnahme nicht mit den gleichen Schwierigkeiten einhergehe wie die Behandlung bei einem Versagen eines Transplantats. Eine abstrakte Bewertung könne insoweit nicht vorgenommen werden. Im Übrigen wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, das Prüfverfahren gemäß §§ 275, 276 SGB V einzuleiten. Die Begutachtungsanlässe seien in § 275 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 lit. b SGB V aufgeführt. Danach seien die Krankenkassen u.a. bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, wozu auch die Kodierung und die ordnungsgemäße Anwendung der Abrechnungsbestimmungen gehöre, gesetzlich zwingend (Fettdruck im Original) verpflichtet, den MDK mit einer gutachterlichen Stellungnahme zu beauftragen. Der MDK sei nicht nur dann einzuschalten, wenn Aufklärungsbedarf betreffend den medizinischen Sachverhalt bestehe. Die hier erfolgte sozialmedizinische Begutachtung lediglich auf der Grundlage von § 301 SGB V-Daten oder Epikrise sei nicht gesetzeskonform. Eine solche Stellungnahme könne nicht Gegenstand eines substantiierten Einwands der Beklagten gegen die Krankenhausrechnung sein. Bei der sechswöchigen Frist zur Einschaltung des MDK, die § 275 Abs. 1c SGB V vorsehe, handle es sich um eine Ausschlussfrist. Nachdem die Einleitung eines solchen Prüfverfahrens nicht erfolgt sei, liege nunmehr ein Einwendungsausschluss vor. Insoweit werde auch auf die jüngst ergangene schriftlich noch nicht vorliegende Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13. Juli 2011 verwiesen. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen habe, weil die Krankenkasse den MDK nicht innerhalb der Sechs-Wochen-Frist eingeschaltet habe und es sich hierbei um eine Ausschlussfrist handele, der Klage stattgegeben. In dem dort zu entscheidenden Fall habe die beklagte Krankenkasse ohne Einschaltung des MDK eine primäre Fehlbelegung behauptet. Die Behauptung einer fehlerhaften Kodierung sei hierzu analog zu bewerten. Darüber hinaus unterliege die Beklagte auch dem Einwendungsausschluss des § 19 Abs. 2 des Landesvertrages. § 19 Abs. 2 des Landesvertrages beinhalte, dass Einwendungen gegen die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung sowie gegen die Art der Abrechnung nur innerhalb von sechs Monaten nach Rechnungszugang geltend gemacht werden könnten. Unter die Art der Abrechnung sei die vorgenommene Kodierung zu subsumieren. Zwar sehe der Landesvertrag explizit nicht die Einschaltung des MDK vor, gleichwohl sei es ohne Einsichtnahme in die Patientenunterlagen nicht möglich, Abrechnungseinwendungen zu erheben. Nicht nachvollziehbar sei, wie das SG zu der Erkenntnis gelange, dass sich die Beklagte lediglich gegen die Höhe der in Rechnung gestellten Summe wende und dieser Fall von § 19 Abs. 2 Satz 3 des Landesvertrages nicht umfasst werde. Die Rechnung sei auch fällig, weil diese die formalen Voraussetzungen des § 301 SGB V erfülle. Die Beklagte habe kein Zurückbehaltungsrecht. Der Beklagten sei es nicht gestattet zunächst den unbestrittenen Teil der Forderung zu zahlen und den bestrittenen zurückzubehalten. Die vertraglichen Regelungen seien ersichtlich in Umsetzung des gesetzlichen Gebots auf eine zügige Bezahlung der Rechnung ausgerichtet, was durch eine - unbefristete - Verschiebung des Fälligkeitszeitpunkts der Rechnung schon beim Äußern von Zweifeln an der Richtigkeit der Rechnung gefährdet würde. Die landesvertraglichen Regelungen seien - so das BSG mit Urteil vom 22. Juli 2004 (aaO) - dahingehend auszulegen, dass die Beklagte zunächst die volle Summe zahlen müsse und im Übrigen auf den Weg der Aufrechnung verwiesen werden dürfe. Dadurch, dass die Beklagte lediglich eine Teilzahlung geleistet habe, sei von einem gravierenden Fall vertragswidrigen Verhaltens auszugehen, welches ebenfalls zum Einwendungsausschluss führe (vgl. BSG, Urteil vom 20. November 2008 - B 3 KN 4/08 KR R - in SozR 4-2500 § 109 Nr. 16; Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KN 3/08 KR R - in SozR 4-2500 § 109 Nr. 15). Auch bezüglich der von der Beklagten im Berufungsverfahren erhobenen erstmaligen Einwendungen betreffend mehrerer Prozedurenschlüssel gelte ein Einwendungsausschluss. Im Übrigen seien die OPS-Kodes 8-930 und 8-931.0 korrekt verschlüsselt worden. Die von der Beklagten geforderte Unterteilung auf der Ebene 8-93 wäre sinnlos. Im OPS-Verzeichnis 2007 sei die Spezifizierung der OPS-Kodes vorgenommen worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 13. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere EUR 23.711,50 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des SG, denen sie sich in vollem Umfang anschließt, und weist ergänzend darauf hin, die Voraussetzungen für die Kodierung T86.82 hätten weder inhaltlich definitorisch noch therapeutisch hinsichtlich einer lediglich ex juvantibus verabreichten Cortison-Stoß-Therapie wegen verzögerter Funktionsaufnahme des Pankreastransplantats bestanden. Die Vorgaben des BSG (Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 12/08 R - in SozR 4-2500 § 109 Nr. 20) in Form der strengen Wortlautauslegung ließen keinen Spielraum für die seitens der Klägerin vorgenommene Interpretation der Diagnose T86.82 zu. Im Übrigen habe es sich bei der nach dem übermittelten Datensatz nach § 301 SGB V ergebenden 8-93-Dreifachkodierung um eine Fehlkodierung gehandelt. Der Amtliche OPS- und Prozedurenschlüssel-Katalog 2007 habe insoweit vorgesehen, dass ein Kode aus dem Bereich 8 93 nur einmal pro stationärem Aufenthalt und nur für intensivmedizinische Patienten anzugeben sei. Die Klägerin habe damit gegen ihre gesetzliche Übermittlungspflicht einer fehlerfreien Krankenhausrechnung verstoßen, sodass sie - die Beklagte - aus dem rein formalen Grund der aufgezeigten Prozeduren - Fehlkodierung nicht nur zur Zahlungsverweigerung des Teilrechnungsbetrags, sondern des kompletten Rechnungsbetrags berechtigt gewesen sei (BSG, Urteil vom 22. April 2009 - B 3 KR 24/07 R - in SozR 4-2500 § 109 Nr. 18).

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Krankenhausakte und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch sonst zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, denn die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung weiterer EUR 23.711,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2007. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Behandlung des Versicherten nach DRG A02B abzurechnen war. Den sich hieraus ergebenden Vergütungsanspruch in Höhe von EUR 34.284,87 hat die Beklagte am 23. Juli 2007 erfüllt. Die Beklagte war durch die nicht erfolgte Einschaltung des MDK auch nicht daran gehindert war, Einwendungen gegen die Rechnung der Klägerin geltend zu machen.

Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klageart gewählt. Ein Verwaltungsakt konnte nicht ergehen, weil die Klägerin und die Beklagte sich gleichgeordnet gegenüberstehen. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteil vom 18. September 2008 - B 3 KR 15/07 R - in SozR 4-2500 § 109 Nr. 11).

Rechtsgrundlage des geltend gemachten restlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und der Anlage 1 Teil a der Verordnung zum Fallpauschalen-System für Krankenhäuser für das Jahr 2007 vom 19. September 2006 (Fallpauschalen-Verordnung 2007 - KFPV 2007) sowie dem durch Entscheidung der Landesschiedsstelle vom 21. September 2005 ab 01. Januar 2006 in Kraft getretenen Landesvertrages, wobei zu beachten ist, dass der Beschluss der Schiedsstelle zu § 19 Abs. 2 Satz 2 des Landesvertrages seit dem Inkrafttreten und der Beschluss zu § 19 Abs. 2 Satz 3 des Landesvertrages mit Wirkung ab 01. April 2007 durch Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 09. März 2011 aufgehoben wurde (L 5 KR 3136/09). Ob diese Normen aufgrund der gegen dieses Urteil anhängigen Revision (B 1 KR 38/11 B) weiterhin Anwendung finden, kann dahingestellt bleiben denn auf § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Vertrags kommt es - hierzu im Folgenden - nicht an. Auf dieser Rechtsgrundlage steht der Klägerin die von ihr weiter geltend gemachte Vergütung nicht zu.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. hierzu z.B. Urteil des BSG vom 18. September 2008 a.a.O.) entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung festgelegt wird (§ 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 23. April 2002, BGBl. I 1412). Die hier einschlägige Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2007 beruht auf den Regelungen des KHG und des KHEntG und nicht auf der BPflV, weil das von der Klägerin betriebene Krankenhaus in das DRG-Vergütungssystem einbezogen ist (§ 1 Abs. 1 BPflV).

Gemäß § 7 Satz 1 KHEntG in der im Jahre 2007 geltenden Fassung werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nrn. 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (bis 30. Juni 2008: die Spitzenverbände der Krankenkassen) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KHEntG mit der deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragspartner auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien (§ 11 KHEntG i.V.m. § 18 Abs. 2 KHG: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesem zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren.

Die Grundlage dieser Regelungen des KHEntG findet sich in § 17b KHG, auf den § 9 KHEntG auch mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach § 17b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Komorbiditäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden nach § 17b Abs. 1 Satz 3 KHG die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet.

Nach § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (bis 30. Juni 2008: Die Spitzenverbände der Krankenkassen) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam entsprechend den Vorgaben der Abs. 1 und 3 mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein Vergütungssystem, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der DRG orientiert, seine jährliche Weiterentwicklung und Anpassung, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen, Verweildauer, Verkürzungen und Leistungsverlagerungen zu und von anderen Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen, soweit diese nicht im KHEntG vorgegeben werden. Gemäß § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG wurde dieses Vergütungssystem für alle Krankenhäuser mit einer ersten Fassung eines deutschen Fallpauschalenkatalogs verbindlich zum 01. Januar 2004 eingeführt. Am 19. September 2006 einigten sich die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung auf die Fallpauschalenvereinbarung 2007.

Der Fallpauschalenkatalog 2007 ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG in zwei Schritten. In einem ersten Schritt wird die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß den vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen "Operationen" und "Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V" (OPS-301) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung dieser Verschlüsselung ("Kodierung") haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die DKR und der OPS-301 in der Version 2007. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als "Groupierung" bezeichneten Prozess der Fallgruppenzuordnung (DRG-Zuordnung) liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde. Auf der Basis eines "Entscheidungsbaumes" wird anhand verschiedener Kriterien eine exakte DRG-Zuordnung vorgenommen.

Die Klägerin hat beim Versicherten der Beklagten am 01. Mai 2007 simultan Niere und Pankreas transplantiert. Der Versicherte war anschließend sofort dialysefrei, die Kreatinin-Werte fielen rasch auf Werte um 1,5 mg/dl ab. Postoperativ verschlechterte sich die Funktion des Pankreastransplantats nach anfänglich guten Blutzuckerwerten. Die am 09. Mai 2007 durchgeführte MR-Angio zeigte jedoch ein homogen perfundiertes Transplantat ohne Zeichen der Pankreatitis. Es wurde am 09. Mai 2007 dennoch ex juvantibus eine Cortison-Stoß-Therapie durchgeführt. Der eingelegte Splint wurde am 15. Mai 2007 zystoskopisch entfernt. Die anschließend durchgeführte abdominelle Sonographie ergab einen regelrechten Befund. Auch die duplex-sonographisch durchgeführten Kontrollen des Nierentransplantats ergaben eine homogen perfundierte Niere. Die am 25. Mai 2007 durchgeführte Nierenbiopsie ergab keinen Hinweis auf eine Abstoßung. Zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus am 28. Mai 2007 war der Versicherte seit fünf Tagen insulinfrei. Dies ergibt sich aus dem Entlassungsbericht des Prof. Dr. H. vom 28. Mai 2007.

In der Rechnung der Klägerin vom 14. Juni 2007 wurde die Behandlung des Versicherten u.a. mit dem Kode T86.82 (Versagen und Abstoßen sonstiger transplantierter Organe und Gewebe -Pankreastransplantat) verschlüsselt, woraus sich die Zuordnung zur DRG A02A (Transplantation von Niere und Pankreas mit Transplantatabstoßung) ergab. Außerdem wurden ein Monitoring von Atmung, Herz und Kreislauf nach dem OPS-Schlüssel 2007 am 02., 12. und 19. Mai 2007 abgerechnet.

Ob die Klägerin das während des stationären Aufenthalts durchgeführte dreimalige Monitoring von Atmung, Herz und Kreislauf fehlkodiert hat bzw. ob der Beklagten, falls die Kodierung zu Unrecht erfolgte, diese Einwendung noch möglich ist, kann dahingestellt bleiben. Denn wie das SG kommt auch der Senat zu dem Ergebnis, dass schon die Kodierung T86.82 zu Unrecht erfolgte und deshalb fehlerhaft DRG A02A angesteuert wurde. Für die Kodierung nach T86.82 fehlt es an der hierfür notwendigen Abstoßung und/oder dem Versagen des Pankreastransplantats. Das Pankreastransplantat wurde vom Versicherten zu keiner Zeit abgestoßen. Auch in der Folge wurde der Versicherte erneut auf die Eurotransplantatliste nur für eine Niere, nicht jedoch für ein Pankreastransplantat gesetzt. Auch zu einen Versagen des Pankreastransplantats kam es nicht. Die Blutzuckerwerte des Versicherten verbesserten sich unmittelbar nach der Operation. Bei Entlassung aus der stationären Behandlung am 28. Mai 2007 war der Versicherte seit fünf Tagen insulinfrei. Ein volles oder ein teilweises Versagen des Transplantats ist auch nicht darin zu sehen, dass sich die Funktion des Pankreastransplantats nach der Operation vorübergehend verschlechterte und der Versicherte zeitweise einen Insulinbedarf von über 20 IE hatte. Die verzögerte Funktionsaufnahme des Pankreastransplantats ist dem Versagen eines Pankreastransplantats nicht gleichzusetzen. Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen sind streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben und lassen keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen zu (z.B. Urteil des BSG vom 18. September 2008 a.a.O.) Eine erweiterte Auslegung von T86.82 über den eigentlichen Wortlaut hinaus kommt deshalb nicht in Betracht. Eine verzögerte Funktionsaufnahme ist nach dem Wortlaut kein Versagen. Ein Versagen liegt nur dann vor, wenn die Funktion ausfällt. Dies war hier nicht der Fall. Dass die verzögerte Funktionsaufnahme des Pankreastransplantats nicht kodierfähig ist, ergibt sich auch aus dem systematischen Zusammenhang im Hinblick auf die unter T8 kodierten Komplikationen bei chirurgischen Eingriffen und medizinischer Behandlung, andernorts nicht klassifiziert. Dort sind die verzögerte Funktionsaufnahme des Nierentransplantats (T86.1) und auch des Lebertransplantats (T86.4) ausdrücklich kodiert. Wenn dies beim Pankreastransplantat nicht der Fall ist, dann kann eine entsprechende Kodierung unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs der ICD zu erfolgen. Wenn - wie die Klägerin vorgetragen hat - die verzögerte Funktionsaufnahme eines Pankreastransplantats zwischenzeitlich häufiger vorkomme, kann ein Handlungsbedarf bestehen, auch einen Kode für die verzögerte Funktionsaufnahme eines Pankreastransplantats aufzunehmen. Dies hat allerdings durch die für die Änderung des Fallpauschalenkatalogs zuständigen Stellen zu erfolgen. Ob die von der Klägerin geltend gemachte Gleichstellung einer verzögerten Funktionsaufnahme mit einem Versagen auch deshalb nicht in Betracht kommt, weil dies dem Sinn und Zweck der Kodierung des Versagens oder der Abstoßung des Pankreastransplantats widerspricht, wofür den Ausführungen des SG folgend wegen des wohl dann zwingend erforderlichen weiteren Handlungsbedarfs einiges sprechen dürfte, kann ebenso wie die Frage, ob dies einen weiteren Handlungsbedarf erfordert, offenbleiben, nachdem bereits die Auslegung nach dem Wortlaut und auch die Systematik eindeutig gegen die Gleichstellung sprechen. Unter Außerachtlassung der damit fehlerhaften Kodierung T86.82 hat die Beklagte deshalb zu Recht der Klägerin nur entsprechend DRG A02B einen Betrag in Höhe von EUR 34.284,87 überwiesen und den Betrag von EUR 23.711,50 von der Rechnung vom 14. Juni 2007 in Abzug gebracht.

Die Klägerin kann entgegen ihrem Vorbringen nicht mit Erfolg einwenden, dass die Beklagte stets zunächst den vollen Rechnungsbetrag zu zahlen habe und erst nach Ausgleich der Rechnung die Möglichkeit habe, Beanstandungen zu äußern.

Dies ergibt sich insbesondere nicht aus § 19 Abs. 1 Satz 1 des Landesvertrags. Danach ist die Beklagte zwar verpflichtet, die Rechnung innerhalb von 30 Tagen nach Übermittlung des Rechnungssatzes zu zahlen. Dies stellt jedoch nur eine Fälligkeitsvorschrift dar und bedeutet - worauf das SG ebenfalls bereits zu Recht hingewiesen hat - nicht, dass die Rechnung von der Beklagten zunächst voll bezahlt werden muss und während der Zahlungsfrist - wie hier am 18. Juni 2007 - bereits substantiierte und bezifferte Einwendungen erst im Nachhinein geltend gemacht werden können (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 22. Juli 2004, aaO, und 20. November 2008, aaO, zum Bundesrecht).

Auch auf § 19 Abs. 2 Satz 1 des Landesvertrags, wonach bei Beanstandungen sachlicher oder rechnerischer Art der Differenzbetrag verrechnet werden kann, lässt sich dies nicht stützen. Es handelt sich insoweit, was sich auch aus dem Wortlaut, wonach verrechnet werden "kann", ergibt, um eine Verrechnungsmöglichkeit, jedoch keine Verrechnungspflicht. § 19 Abs. 2 Satz 1 des Landesvertrags bestimmt nur, dass bei Beanstandungen sachlicher oder rechtlicher Art die Beklagte den beanstandeten Betrag nicht einklagen muss, sondern diesen verrechnen kann. Dies hat für die Beklagte auch den weiteren Vorteil, dass Verzugszinsen nach § 19 Abs. 3 des Landesvertrags nicht anfallen. Wenn die Beklagte schon innerhalb der Zahlungsfrist des § 19 Abs. 1 des Landesvertrages substantiierte und der Höhe nach bezifferte Einwendungen gegen die Abrechnung geltend macht, dann kann sie diesen Betrag bei Begleichung der Rechnung innerhalb der Zahlungsfrist direkt in Abzug bringen. Sie muss nicht den Weg der Verrechnung wählen (BSG, Urteil vom 28. September 2006 - B 3 KR 23/05 R - in SozR 4-2500 § 112 Nr. 6).

Die Beklagte ist mit ihren Einwendungen gegen die Rechnung vom 14. Juni 2007 auch nicht nach § 19 Abs. 2 Satz 2 des Landesvertrags ausgeschlossen. Danach können Einwendungen gegen die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung sowie gegen die Art der Abrechnung nur innerhalb von sechs Monaten nach Rechnungszugang geltend gemacht werden. Es kann insoweit - wie bereits erwähnt - dahin gestellt bleiben, ob § 19 Abs. 2 Satz 2 des Landesvertrages, der vom Fünften Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 09. März 2011- L 5 KR 3136/09 - nicht veröffentlicht) aufgehoben wurde, weiterhin Gültigkeit beanspruchen kann. Denn wenn § 19 Abs. 2 Satz 2 des Landesvertrages weiterhin anwendbar wäre, hätte die Beklagte mit ihren am 18. Juni 2007 gegen die Rechnung vom 14. Juni 2007 vorgebrachten Einwendungen die in § 19 Abs. 2 Satz 2 des Landesvertrages festgelegte Sechs-Monats-Frist eingehalten.

Auch § 19 Abs. 2 Satz 3 des Landesvertrags führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach ist Voraussetzung für Einwendungen gegen die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung außerdem die Durchführung des MDK-Überprüfungsverfahrens, das innerhalb der Zahlungsfrist nach (§ 19) Abs. 1 (des Landesvertrages) einzuleiten ist. Es kann auch insoweit offen bleiben, ob die Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 3 des Landesvertrages - wie vom Fünften Senat des LSG entschieden - ab 01. April 2007 aufgehoben ist und deshalb nicht zur Anwendung kommt. Denn die Einschaltung des MDK und die Durchführung eines MDK-Überprüfungsverfahrens war hier nach § 19 Abs. 2 Satz 3 des Landesvertrages nicht erforderlich. § 19 Abs. 2 Satz 3 des Landesvertrag sieht nur dann die Durchführung des MDK-Überprüfungsverfahrens vor, wenn Einwendungen gegen die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung erfolgen. Die Notwendigkeit und Dauer des Krankenhausaufenthalts des Versicherten hat die Beklagte indessen nicht beanstandet. Sie hat allein die Kodierung von T86.82 und damit die Höhe der Rechnung gerügt. § 19 Abs. 2 Satz 3 des Landesvertrags ist deshalb nicht einschlägig.

Ein Einwendungsausschluss ergibt sich schließlich auch nicht aus § 275 Abs. 1c SGB V. Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Nach § 275 Abs. 1c SGB V ist bei Krankenhausbehandlung nach § 39 (SGB V) eine Prüfung nach Abs. 1 Nr. 1 zeitnah durchzuführen. Die Prüfung nach Satz 1 ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK anzuzeigen. Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus in der vom 01. April 2007 bis zum 24. März 2009 geltenden Fassung der Norm eine Aufwandspauschale in Höhe von EUR 100,00 zu entrichten. Es kann insoweit wiederum offenbleiben, ob es sich bei der in § 275 Abs. 1 SGB V gesetzten Sechs-Wochen-Frist tatsächlich um eine Ausschlussfrist handelt, denn es bestand im Hinblick auf die beanstandete Kodierung nicht die Notwendigkeit, den MDK einzuschalten. Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V besteht eine Verpflichtung der Beklagten, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen, wenn es nach Art, Schwere, Dauer und Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist. Hierbei handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe. Die Beklagte hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen, ob nach den genannten Kriterien eine Begutachtung erforderlich ist. Die Einschaltung des MDK kann demzufolge erforderlich sein, wenn die Erkrankung des Versicherten dies bedingt und es notwendig ist, dass der medizinische Sachverhalt abzuklären ist. Dazu gehört jedoch nicht, die Kodierung einer unstreitigen Erkrankung. Hierbei handelt es sich um eine Frage der Abrechnung. Bei einer Abrechnung ist jedoch nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der MDK nur bei Auffälligkeiten im Hinblick auf die ordnungsgemäße Abrechnung einzuschalten. Auch ein solcher Fall war hier jedoch nicht gegeben. Es handelte sich nicht um eine Auffälligkeit der Abrechnung, die Fehlkodierung trat angesichts der Auskunft des Versicherten, wonach beide Transplantate gut funktionierten und sich dies auch aus den der Beklagten vorliegenden Unterlagen eindeutig ergab, klar zu Tage. Es bedurfte insoweit nicht der Überprüfung durch den MDK. Dass der MDK nicht bei jeder Beanstandung eingeschaltet werden soll, ergibt sich letztlich auch daraus, dass der Gesetzgeber in § 275 Abs. 1c SGB V die Aufwandspauschale eingeführt hat, womit - wie bereits das SG unter Hinweis auf die Bundestags-Drucksache 16/3100 S. 171 ausgeführt hat - Anreize gesetzt werden sollten, um Einzelfallprüfungen zukünftig zielorientierter und zügiger einzusetzen. Dem widerspricht die Forderung der Klägerin, den MDK bei jeglicher Beanstandung zwingend zu beteiligen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i. V. mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor

Die endgültige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i. V. mit §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 sowie § 47 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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