Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 4559/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5995/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12.11.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger höhere Verletztenrente zu gewähren hat.
Der am 1976 geborene Kläger erlitt am 13.08.2005 im Rahmen seiner Tätigkeit als Dachdecker einen Arbeitsunfall, als er beim Wechseln eines Dachziegels aus ca. vier Meter Höhe von einer Leiter stürzte. Hierbei zog sich der Kläger eine frontale Schädelbasisfraktur links, ein Schädelhirntrauma, eine distale Radiusfraktur links sowie multiple Prellungen zu. Der Kläger wurde zunächst in der Unfallchirurgischen Abteilung des Krankenhauses Bietigheim behandelt, wo am 19.08.2005 eine Plattenosteosynthese des linken Radius durchgeführt wurde. Vom 01. bis 09.09.2005 wurde der Kläger in der Neurochirurgischen Klinik des Klinikums L. und vom 15.09. bis 27.10.2005 in den Kliniken Sch. behandelt. Nach umfangreicher ambulanter physiotherapeutischer und ergotherapeutischer Behandlung, einer stationären Behandlung in der Neuropsychologischen Abteilung des Klinikums B. sowie mehreren Begutachtungen zur Steuerung der weiteren Behandlungen wurde in den Universitäts- und Rehabilitationskliniken U. (RKU) vom 10.01. bis 05.04.2007 eine stationäre Belastungserprobung des Klägers durchgeführt, bei der die psychologische Untersuchung eine verminderte kognitive Leistungsgeschwindigkeit, eine reduzierte Aufmerksamkeitskapazität und Daueraufmerksamkeit ergab. Mit der sodann vom 14.05. bis 06.07.2007 im RKU durchgeführten Arbeitstherapie wurde eine vollschichtige Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess nicht erreicht, worauf die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld zum 16.08.2007 einstellte.
Zur Feststellung der Unfallfolgen veranlasste die Beklagte das Gutachten des Prof. Dr. R. , Facharzt für Chirurgie im Kreiskrankenhaus L. , der den Kläger am 05.07.2007 von chirurgischer Seite untersuchte. Er beschrieb als Unfallfolgen einen Zustand nach Schädelhirntrauma mit basaler frontaler Deckung des Defektes, einen Zustand nach Schädeltrepanation mit eingewachsenem Knochendefekt, einen knöchern fest verheilten körperfernen Speichenbruch mit kleiner Gelenkstufe und beginnender Arthrose, eine verminderte Leistungsfähigkeit sowie Konzentrationsstörungen und bewertete die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab 19.02.2007 mit 20 vom Hundert (v.H.). Aufgrund seiner Untersuchung vom 11.07.2007 beschrieb Prof. Dr. L. , Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik der Universität U., von neurologischer Seite ein leichtes posttraumatisches hirnorganisches Psychosyndrom mit neurokognitiven Defiziten bei allerdings prämorbid als niedrig einzuschätzendem kognitiven Leistungsniveau. Es bestehe insbesondere eine reduzierte Belastbarkeit bei längerer beruflicher Tätigkeit sowie ein chronisches posttraumatisches Kopfschmerzsyndrom. Die MdE schätzte er ab 01.09.2006 auf 30 v.H. Der Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. Bogeschdorfer beschrieb aufgrund seiner Untersuchung vom 07.08.2007 unfallbedingt eine Hörminderung (prozentualer Hörverlust jeweils 0%), eine Nasenatmungsbehinderung rechts sowie ein Taubheitsgefühl an der linken Schläfe und bewertete die MdE mit 5 v.H.
Mit vorläufigem Bescheid vom 26.09.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 30 v.H. ab 17.08.2007. Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 80 v.H. geltend.
Mit Bescheid vom 06.02.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann ab 17.08.2007 Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. auf unbestimmte Zeit. Als Folgen des Versicherungsfalls anerkannte sie: Hörminderung beidseits, Nasenatmungsbehinderung rechts, Empfindungsstörungen an der linken Schädelseite, reduzierte Belastbarkeit, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzsyndrom, leichtes posttraumatisches hirnorganisches Psychosyndrom, Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk mit Bewegungsschmerzen sowie Arthrosebildung im linken Handgelenk nach offenem Schädelbasisbruch links mit nachfolgender Schädeltrepanation und knöchern eingeheiltem Defekt am linken Stirnbein, Bruch des Augenhöhlendaches links, Schädelhirntrauma mit Einblutung und Hirnödem sowie in achsengerechter Stellung verheilter körperferner osteosynthetisch versorgter körperferner Speichentrümmerbruch links. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger eine MdE um 80 v.H. geltend und bezog sich zur Begründung auf Bl. 18/19 des Gutachtens des Prof. Dr. L ... Hierzu holte die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme des Priv.-Doz. Dr. R. ein, der die psychischen Unfallfolgen zutreffend mit einer MdE um 30 v.H. bewertet sah. Im Hinblick darauf, dass von unfallchirurgischer Seite offensichtlich keine Unfallfolgen mehr bestünden und die HNO-fachärztlichen Unfallfolgen lediglich eine MdE um 5 v.H. bedingten, ergebe sich bei integrierender Betrachtung keine höhere MdE als 30 v.H. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2008 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Am 23.12.2008 hat der Kläger beim Sozialgericht Ulm (SG) Untätigkeitsklage erhoben und zunächst geltend gemacht, über seinen Widerspruch sei bisher nicht entschieden. Nach Einsicht in die Verwaltungsakten der Beklagten richtete der Kläger seine Klage gegen den Bescheid vom 06.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2008 und machte die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 40 geltend.
Das SG hat das Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. aufgrund Untersuchung des Klägers vom 25.06.2009 eingeholt. Diese hat als Unfallfolge ein leichtes hirnorganisches Psychosyndrom im Sinne einer Hirnleistungsschwäche beschrieben, das sie mit einer MdE um 30 v.H. bewertet hat.
Mit Urteil vom 12.11.2009 hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 19.11.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.12.2009Berufung eingelegt und sein Begehren auf Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. weiterverfolgt. Er hat nunmehr geltend gemacht, das SG sei seinen Angaben gegenüber der Sachverständigen Dr. A. , wonach bei ihm "Anfälle" aufträten, nicht hinreichend nachgegangen. Die Sachverständige habe in ihrem Gutachten insoweit zutreffend ausgeführt, dass es angesichts dessen um die entscheidungsrelevante Frage gehe, ob eine posttraumatische Epilepsie vorliege. Hierzu müsse der behandelnde Arzt Dr. H. gehört werden, ebenso die behandelnden Ärzte im Klinikum B. , da die dortigen Untersuchungen nähere Erkenntnisse erbracht hätten. Der Kläger beruft sich ferner auf den vorgelegten "neuropsychologischen Befund" des DiplomPsychologen H. , Abteilung Psychologie-Neuropsychologie in der Fachklinik I. , vom 20.10.2010.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12.11.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 06.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2008 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und macht geltend, ein posttraumatisches Anfallsleiden sei nicht belegt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 06.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die aus den Folgen des Unfalls vom 13.08.2005 resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers rechtfertigen nicht die Bemessung mit einer MdE um 40 v.H. Die Beklagte gewährt dem Kläger daher zutreffend Verletztenrente nicht nach einer höheren MdE als 30 v.H.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Gewährung höherer Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Dabei wird bei Verlust der Erwerbsfähigkeit Vollrente geleistet und bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit Teilrente in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze rechtfertigen die mit den angefochtenen Bescheiden als Unfallfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen nicht die Bemessung mit einer höheren MdE als 30 v.H.
Auf der Grundlage der im Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholten Gutachten sowie des vom SG eingeholten Gutachtens der Sachverständigen Dr. A. geht der Senat - ebenso wie das SG - davon aus, dass die anerkannten Unfallfolgen mit einer MdE um 30 v.H. angemessen bewertet sind. Für die Bemessung der MdE sind in erster Linie die von neurologischer Seite verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen - diese wurden von Prof. Dr. L. und Dr. A. übereinstimmend mit einer MdE um 30 v.H. bewertet - zu berücksichtigen, da von den von chirurgischer Seite verbliebenen Unfallfolgen keine nennenswerten Funktionsbeeinträchtigungen ausgehen und auch die auf hno-ärztlichem Fachgebiet verbliebenen Unfallfolgen nur gering sind und keine Bewertung mit einer MdE um mehr als 5 v.H. rechtfertigen, sodass weder bei der vorzunehmenden integrierenden noch mit einer - an sich unzulässigen - additiven Betrachtungsweise eine MdE um 40 v.H. erreicht wird.
Der Sache nach geht der Kläger im Berufungsverfahren ebenfalls davon aus, dass die anerkannten Unfallfolgen mit einer MdE um 30 v.H. zutreffend bewertet sind. Denn anders als zuvor im Klageverfahren hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr nur eine höhere Bewertung der (anerkannten) Unfallfolgen geltend gemacht. Er hat statt dessen vielmehr gerügt, das SG sei seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen, weil es der - gerade auch nach Auffassung des Sachverständigen Dr. A. - wichtigen Frage nicht nachgegangen sei, ob bei ihm auch eine posttraumatische Epilepsie vorliege, mit der eine höhere MdE gerechtfertigt sei. Der Kläger hat der Sache nach damit geltend gemacht, bei der Bemessung der MdE sei über die anerkannten Unfallfolgen hinaus zusätzlich eine Epilepsie zu berücksichtigen, wodurch sich die begehrte höhere MdE rechtfertige.
Dass beim Kläger unfallbedingt eine Epilepsie aufgetreten ist, ist nicht festzustellen. Hierzu bedarf es auch keiner weiteren Ermittlungen, die der Senat anstelle des SG nunmehr durchzuführen hätte. Denn mit Ausnahme der Angaben des Klägers gegenüber der Sachverständigen Dr. A. anlässlich ihrer gutachtlichen Untersuchung, wonach er wegen der Anfälle zweimal 75 mg Lyrica einnehme, finden sich in den umfangreichen Akten der Beklagten mit zahlreichen medizinischen Unterlagen keine Belege für das Auftreten von Anfällen beim Kläger oder Hinweise darauf, dass von ärztlicher Seite die Diagnose einer Epilepsie gestellt worden wäre. Hierauf hat bereits die Sachverständige Dr. A. in ihrem für das SG erstatteten Gutachten hingewiesen. Weiter hat sie dargelegt, dass das Auftreten einer posttraumatischen Epilepsie zwar durchaus möglich sei, wenn auch ihres Erachtens das Auftreten mehr als drei Jahren nach dem Ereignis recht spät sei und zudem computertomographisch auch kein Hirnsubstanzdefekt nachzuweisen sei. Entsprechend ist die Sachverständige schlüssig und überzeugend auch zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Bewertung der MdE mit mehr als 30 v.H. nicht in Betracht kommt, weil ein posttraumatisches Anfallsleiden nicht hinreichend belegt ist. Auch der behandelnde Neurologe des Klägers Dr. H. hat anlässlich seiner Untersuchungen keine Hinweise auf ein Anfallsleiden gefunden, wie er in seinem neurologischen Befundbericht an die Beklagte vom 15.09.2009 ausdrücklich dargelegt hat. Eine Anhörung des Dr. H. als sachverständiger Zeuge durch den Senat ist daher nicht veranlasst. Auch die auf Veranlassung des Dr. H. zuletzt im Klinikum B. anlässlich der stationären Aufnahme des Klägers vom 19.01. bis 06.02.2010 durchgeführten Untersuchungen haben keine entsprechenden Hinweise erbracht. In dem entsprechenden aktenkundigen Behandlungsbericht vom 03.02.2010 ist vielmehr ausgeführt, dass sich im EEG kein Hinweis auf eine erhöhte Anfallsbereitschaft ergeben hat. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat auch keinen Grund für die Anhörung der behandelnden Ärzte des Klinikums B. oder die Durchführung weiterer sonstiger Ermittlungen. Auch der vom Kläger zuletzt vorgelegte neuropsychologische Befund des Dipl.-Psychologen H. bietet keine Hinweise auf das Vorliegen einer Epilepsie. Darin sind im Wesentlichen die Funktionsbeeinträchtigungen beschrieben, wie sie auch von der Sachverständigen Dr. A. ihrer Beurteilung zugrunde gelegt worden sind.
Da die Berufung des Klägers nach alledem keinen Erfolg haben kann, ist diese zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger höhere Verletztenrente zu gewähren hat.
Der am 1976 geborene Kläger erlitt am 13.08.2005 im Rahmen seiner Tätigkeit als Dachdecker einen Arbeitsunfall, als er beim Wechseln eines Dachziegels aus ca. vier Meter Höhe von einer Leiter stürzte. Hierbei zog sich der Kläger eine frontale Schädelbasisfraktur links, ein Schädelhirntrauma, eine distale Radiusfraktur links sowie multiple Prellungen zu. Der Kläger wurde zunächst in der Unfallchirurgischen Abteilung des Krankenhauses Bietigheim behandelt, wo am 19.08.2005 eine Plattenosteosynthese des linken Radius durchgeführt wurde. Vom 01. bis 09.09.2005 wurde der Kläger in der Neurochirurgischen Klinik des Klinikums L. und vom 15.09. bis 27.10.2005 in den Kliniken Sch. behandelt. Nach umfangreicher ambulanter physiotherapeutischer und ergotherapeutischer Behandlung, einer stationären Behandlung in der Neuropsychologischen Abteilung des Klinikums B. sowie mehreren Begutachtungen zur Steuerung der weiteren Behandlungen wurde in den Universitäts- und Rehabilitationskliniken U. (RKU) vom 10.01. bis 05.04.2007 eine stationäre Belastungserprobung des Klägers durchgeführt, bei der die psychologische Untersuchung eine verminderte kognitive Leistungsgeschwindigkeit, eine reduzierte Aufmerksamkeitskapazität und Daueraufmerksamkeit ergab. Mit der sodann vom 14.05. bis 06.07.2007 im RKU durchgeführten Arbeitstherapie wurde eine vollschichtige Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess nicht erreicht, worauf die Beklagte die Zahlung von Verletztengeld zum 16.08.2007 einstellte.
Zur Feststellung der Unfallfolgen veranlasste die Beklagte das Gutachten des Prof. Dr. R. , Facharzt für Chirurgie im Kreiskrankenhaus L. , der den Kläger am 05.07.2007 von chirurgischer Seite untersuchte. Er beschrieb als Unfallfolgen einen Zustand nach Schädelhirntrauma mit basaler frontaler Deckung des Defektes, einen Zustand nach Schädeltrepanation mit eingewachsenem Knochendefekt, einen knöchern fest verheilten körperfernen Speichenbruch mit kleiner Gelenkstufe und beginnender Arthrose, eine verminderte Leistungsfähigkeit sowie Konzentrationsstörungen und bewertete die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab 19.02.2007 mit 20 vom Hundert (v.H.). Aufgrund seiner Untersuchung vom 11.07.2007 beschrieb Prof. Dr. L. , Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik der Universität U., von neurologischer Seite ein leichtes posttraumatisches hirnorganisches Psychosyndrom mit neurokognitiven Defiziten bei allerdings prämorbid als niedrig einzuschätzendem kognitiven Leistungsniveau. Es bestehe insbesondere eine reduzierte Belastbarkeit bei längerer beruflicher Tätigkeit sowie ein chronisches posttraumatisches Kopfschmerzsyndrom. Die MdE schätzte er ab 01.09.2006 auf 30 v.H. Der Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. Bogeschdorfer beschrieb aufgrund seiner Untersuchung vom 07.08.2007 unfallbedingt eine Hörminderung (prozentualer Hörverlust jeweils 0%), eine Nasenatmungsbehinderung rechts sowie ein Taubheitsgefühl an der linken Schläfe und bewertete die MdE mit 5 v.H.
Mit vorläufigem Bescheid vom 26.09.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 30 v.H. ab 17.08.2007. Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 80 v.H. geltend.
Mit Bescheid vom 06.02.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann ab 17.08.2007 Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. auf unbestimmte Zeit. Als Folgen des Versicherungsfalls anerkannte sie: Hörminderung beidseits, Nasenatmungsbehinderung rechts, Empfindungsstörungen an der linken Schädelseite, reduzierte Belastbarkeit, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzsyndrom, leichtes posttraumatisches hirnorganisches Psychosyndrom, Bewegungseinschränkung im linken Handgelenk mit Bewegungsschmerzen sowie Arthrosebildung im linken Handgelenk nach offenem Schädelbasisbruch links mit nachfolgender Schädeltrepanation und knöchern eingeheiltem Defekt am linken Stirnbein, Bruch des Augenhöhlendaches links, Schädelhirntrauma mit Einblutung und Hirnödem sowie in achsengerechter Stellung verheilter körperferner osteosynthetisch versorgter körperferner Speichentrümmerbruch links. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger eine MdE um 80 v.H. geltend und bezog sich zur Begründung auf Bl. 18/19 des Gutachtens des Prof. Dr. L ... Hierzu holte die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme des Priv.-Doz. Dr. R. ein, der die psychischen Unfallfolgen zutreffend mit einer MdE um 30 v.H. bewertet sah. Im Hinblick darauf, dass von unfallchirurgischer Seite offensichtlich keine Unfallfolgen mehr bestünden und die HNO-fachärztlichen Unfallfolgen lediglich eine MdE um 5 v.H. bedingten, ergebe sich bei integrierender Betrachtung keine höhere MdE als 30 v.H. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2008 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Am 23.12.2008 hat der Kläger beim Sozialgericht Ulm (SG) Untätigkeitsklage erhoben und zunächst geltend gemacht, über seinen Widerspruch sei bisher nicht entschieden. Nach Einsicht in die Verwaltungsakten der Beklagten richtete der Kläger seine Klage gegen den Bescheid vom 06.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2008 und machte die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 40 geltend.
Das SG hat das Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. aufgrund Untersuchung des Klägers vom 25.06.2009 eingeholt. Diese hat als Unfallfolge ein leichtes hirnorganisches Psychosyndrom im Sinne einer Hirnleistungsschwäche beschrieben, das sie mit einer MdE um 30 v.H. bewertet hat.
Mit Urteil vom 12.11.2009 hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 19.11.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.12.2009Berufung eingelegt und sein Begehren auf Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. weiterverfolgt. Er hat nunmehr geltend gemacht, das SG sei seinen Angaben gegenüber der Sachverständigen Dr. A. , wonach bei ihm "Anfälle" aufträten, nicht hinreichend nachgegangen. Die Sachverständige habe in ihrem Gutachten insoweit zutreffend ausgeführt, dass es angesichts dessen um die entscheidungsrelevante Frage gehe, ob eine posttraumatische Epilepsie vorliege. Hierzu müsse der behandelnde Arzt Dr. H. gehört werden, ebenso die behandelnden Ärzte im Klinikum B. , da die dortigen Untersuchungen nähere Erkenntnisse erbracht hätten. Der Kläger beruft sich ferner auf den vorgelegten "neuropsychologischen Befund" des DiplomPsychologen H. , Abteilung Psychologie-Neuropsychologie in der Fachklinik I. , vom 20.10.2010.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12.11.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 06.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2008 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und macht geltend, ein posttraumatisches Anfallsleiden sei nicht belegt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheidet, ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 06.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die aus den Folgen des Unfalls vom 13.08.2005 resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers rechtfertigen nicht die Bemessung mit einer MdE um 40 v.H. Die Beklagte gewährt dem Kläger daher zutreffend Verletztenrente nicht nach einer höheren MdE als 30 v.H.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Gewährung höherer Verletztenrente ist § 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Dabei wird bei Verlust der Erwerbsfähigkeit Vollrente geleistet und bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit Teilrente in Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente, der dem Grad der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze rechtfertigen die mit den angefochtenen Bescheiden als Unfallfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen nicht die Bemessung mit einer höheren MdE als 30 v.H.
Auf der Grundlage der im Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholten Gutachten sowie des vom SG eingeholten Gutachtens der Sachverständigen Dr. A. geht der Senat - ebenso wie das SG - davon aus, dass die anerkannten Unfallfolgen mit einer MdE um 30 v.H. angemessen bewertet sind. Für die Bemessung der MdE sind in erster Linie die von neurologischer Seite verbliebenen Funktionsbeeinträchtigungen - diese wurden von Prof. Dr. L. und Dr. A. übereinstimmend mit einer MdE um 30 v.H. bewertet - zu berücksichtigen, da von den von chirurgischer Seite verbliebenen Unfallfolgen keine nennenswerten Funktionsbeeinträchtigungen ausgehen und auch die auf hno-ärztlichem Fachgebiet verbliebenen Unfallfolgen nur gering sind und keine Bewertung mit einer MdE um mehr als 5 v.H. rechtfertigen, sodass weder bei der vorzunehmenden integrierenden noch mit einer - an sich unzulässigen - additiven Betrachtungsweise eine MdE um 40 v.H. erreicht wird.
Der Sache nach geht der Kläger im Berufungsverfahren ebenfalls davon aus, dass die anerkannten Unfallfolgen mit einer MdE um 30 v.H. zutreffend bewertet sind. Denn anders als zuvor im Klageverfahren hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr nur eine höhere Bewertung der (anerkannten) Unfallfolgen geltend gemacht. Er hat statt dessen vielmehr gerügt, das SG sei seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen, weil es der - gerade auch nach Auffassung des Sachverständigen Dr. A. - wichtigen Frage nicht nachgegangen sei, ob bei ihm auch eine posttraumatische Epilepsie vorliege, mit der eine höhere MdE gerechtfertigt sei. Der Kläger hat der Sache nach damit geltend gemacht, bei der Bemessung der MdE sei über die anerkannten Unfallfolgen hinaus zusätzlich eine Epilepsie zu berücksichtigen, wodurch sich die begehrte höhere MdE rechtfertige.
Dass beim Kläger unfallbedingt eine Epilepsie aufgetreten ist, ist nicht festzustellen. Hierzu bedarf es auch keiner weiteren Ermittlungen, die der Senat anstelle des SG nunmehr durchzuführen hätte. Denn mit Ausnahme der Angaben des Klägers gegenüber der Sachverständigen Dr. A. anlässlich ihrer gutachtlichen Untersuchung, wonach er wegen der Anfälle zweimal 75 mg Lyrica einnehme, finden sich in den umfangreichen Akten der Beklagten mit zahlreichen medizinischen Unterlagen keine Belege für das Auftreten von Anfällen beim Kläger oder Hinweise darauf, dass von ärztlicher Seite die Diagnose einer Epilepsie gestellt worden wäre. Hierauf hat bereits die Sachverständige Dr. A. in ihrem für das SG erstatteten Gutachten hingewiesen. Weiter hat sie dargelegt, dass das Auftreten einer posttraumatischen Epilepsie zwar durchaus möglich sei, wenn auch ihres Erachtens das Auftreten mehr als drei Jahren nach dem Ereignis recht spät sei und zudem computertomographisch auch kein Hirnsubstanzdefekt nachzuweisen sei. Entsprechend ist die Sachverständige schlüssig und überzeugend auch zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Bewertung der MdE mit mehr als 30 v.H. nicht in Betracht kommt, weil ein posttraumatisches Anfallsleiden nicht hinreichend belegt ist. Auch der behandelnde Neurologe des Klägers Dr. H. hat anlässlich seiner Untersuchungen keine Hinweise auf ein Anfallsleiden gefunden, wie er in seinem neurologischen Befundbericht an die Beklagte vom 15.09.2009 ausdrücklich dargelegt hat. Eine Anhörung des Dr. H. als sachverständiger Zeuge durch den Senat ist daher nicht veranlasst. Auch die auf Veranlassung des Dr. H. zuletzt im Klinikum B. anlässlich der stationären Aufnahme des Klägers vom 19.01. bis 06.02.2010 durchgeführten Untersuchungen haben keine entsprechenden Hinweise erbracht. In dem entsprechenden aktenkundigen Behandlungsbericht vom 03.02.2010 ist vielmehr ausgeführt, dass sich im EEG kein Hinweis auf eine erhöhte Anfallsbereitschaft ergeben hat. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat auch keinen Grund für die Anhörung der behandelnden Ärzte des Klinikums B. oder die Durchführung weiterer sonstiger Ermittlungen. Auch der vom Kläger zuletzt vorgelegte neuropsychologische Befund des Dipl.-Psychologen H. bietet keine Hinweise auf das Vorliegen einer Epilepsie. Darin sind im Wesentlichen die Funktionsbeeinträchtigungen beschrieben, wie sie auch von der Sachverständigen Dr. A. ihrer Beurteilung zugrunde gelegt worden sind.
Da die Berufung des Klägers nach alledem keinen Erfolg haben kann, ist diese zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
Login
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