Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 556/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 957/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.
Der am 1951 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und siedelte im Jahr 1971 in die Bundesrepublik Deutschland über. Nach seinen eigenen Angaben erlernte er keinen Beruf und war zuletzt von 1972 bis 1999 in einer Papierfabrik als Entrindungsgehilfe und Klärwärter beschäftigt. Die Anlernzeit für diese Beschäftigung betrug 14 Tage. Zuletzt wurde der Kläger in die Lohngruppe 4 des Lohntarifvertrages der papier-, pappen-, zellstoff- und holzstofferzeugenden Industrie eingestuft. Aus gesundheitlichen Gründen wurde der Arbeitsvertrag aufgehoben (vgl Auskunft des letzten Arbeitgebers des Klägers, der Firma S. E., vom 12. September 2001). Seither bezieht der Kläger Leistungen der Bundesagentur für Arbeit, zuletzt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Beim Kläger wurde mit Bescheid des Landratsamts Ravensburg vom 11. Februar 2008 seit 11. Januar 2008 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 festgestellt (Az: 04/31/034279).
Erstmals hatte der Kläger im Dezember 2000 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeit beantragt. Nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahrens hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 28. Oktober 2002 (B 13 RJ 95/02 B) die gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ([LSG]; L 9 RJ 4506/01) erhobene Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen. Auch das im November 2002 eingeleitete Verfahren mit dem Ziel der Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hatte vor dem LSG mit einer Rücknahme der Berufung im Oktober 2004 (L 3 RJ 2506/04) geendet. Noch vor Rücknahme der Berufung hatte der Kläger im September 2004 zum wiederholten Mal die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente beantragt. Dieses Verfahren hatte letztlich ebenfalls in einer Berufungsrücknahme im Januar 2007 (L 10 R 4064/06) gemündet.
Anschließend hatte der Kläger im April 2007 die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beantragt. Nach erfolgloser Durchführung eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens hatte das Sozialgericht Konstanz ([SG] S 8 R 2736/07) von Amts wegen ein nervenfachärztliches Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. eingeholt. In seinem Gutachten vom 26. März 2008 hatte er dargelegt, der Kläger leide an einer Dysthymia, einer undifferenzierten Somatisierungsstörung, der Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen sowie einer koronaren Herzkrankheit ohne manifeste Herzinsuffizienzzeichen oder Herzrhythmusstörungen. Ferner neige er zu Wirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen ohne wesentliche Funktionseinschränkungen und ohne radikuläre Symptomatik. Neben einer Streckhemmung im linken Ellenbogengelenk liege noch eine hochgradige Sehminderung links vor. Unter Berücksichtigung dieser Leiden seien dem Kläger körperliche Schwerarbeiten sowie ständig mittelschwere Arbeiten nicht mehr zumutbar. Dies gelte auch für Tätigkeiten überwiegend in Zwangshaltung verbunden mit häufigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, ständigem Bücken sowie Steigen auf Leitern. Ferner seien Tätigkeiten im Freien sowie die Einwirkung von Kälte, starken Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe nicht mehr leidensgerecht. Auch solche Arbeiten, die mit Anforderungen an das beidäugige Sehen verbunden seien und mit besonderer Anforderung an die psychische Belastbarkeit seien zu vermeiden. Allerdings sei der Kläger noch in der Lage, unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt acht Stunden täglich bei fünf Tagen in der Woche auszuüben. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 9. Oktober 2008 hatte der Kläger seine Klage zurückgenommen.
Letztmals beantragte der Kläger am 17. Dezember 2008 die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Seit 1997 halte er sich für erwerbsgemindert. Die Beklagte veranlasste daraufhin die Untersuchung und Begutachtung des Klägers in der Ärztlichen Untersuchungsstelle Ravensburg. Der Arzt für Sozial- und Sportmedizin Dr. F. führte in seinem Gutachten vom 31. Juli 2009 aus, unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Befundberichte stehe die psychische Symptomatik im Vordergrund. Er empfahl dringend eine psychiatrische Zusatzbegutachtung. Aus seiner Sicht bestehe eine ausgeprägte Anpassungsstörung, eine Somatisierungsstörung sowie eine mittelgradige depressive Episode. Auf dem linken Auge sei der Kläger seit seiner Kindheit erblindet, rechts bestehe eine ausreichende Sehleistung mit Korrektur durch eine Brille. Aus orthopädischer Sicht liege eine aktuell ausgeprägte schmerzhafte Bewegungsstörung am rechten Schultergelenk vor. Ferner leide er an Gonalgien beidseits ohne Funktionsdefizit bei ausgeprägter Chondrokalzinose der Innen- und Außenmeniskiie beidseits. Internistischerseits bestehe eine koronare Herzerkrankung bei Stentimplantation 1995 und 1996 und guter kardialer Belastbarkeit, ein Diabetes mellitus Typ II sowie eine Adipositas. Im Ergebnis könne der Kläger sowohl seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Klärwerksarbeiter als auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Im darauf von der Beklagten beim Neurologen und Psychiater Dr. He. eingeholten Gutachten vom 21. Dezember 2009 wurden als Diagnosen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine inzwischen chronifiziert bestehende depressive Störung im Sinne einer Anpassungs- und Verbitterungsstörung mit Somatisierungsneigung genannt. Daneben bestehe eine Amaurosis links sowie ein sequestrierter Bandscheibenvorfall L 4/L 5 linksseitig. Aufgrund der inzwischen eingetretenen chronifizierten depressiven Störung sollten Arbeiten unter erhöhter emotionaler Belastung, Zeit-und Schichtarbeit vermieden werden. Ebenso sollte der Kläger Arbeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr vermeiden. Ferner sei von Tätigkeiten, die komplexe Anforderungen an das Umstellungsvermögen erforderten, abzusehen. Schließlich sollte er infolge des Bandscheibenvorfalls L 4/5 das schwere Heben und Tragen sowie das Arbeiten unter Zwangshaltungen einstellen. Aufgrund der genannten Einschränkungen sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich möglich, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihm hingegen weiter vollschichtig möglich. Mit Bescheid vom 14. Januar 2010 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag des Klägers ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2010 zurück.
Der Kläger hat am 10. März 2010 Klage beim SG erhoben. Zur Begründung beruft er sich ua auf einen Arztbrief des ihn behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. M.-J. vom 24. April 2010, wonach bei fortgeschrittener psychosozialer Chronifizierung der gravierenden psychischen Störung mit therapeutisch nicht mehr erreichbarer Gesamtsituation keine realistische Chance für eine Wiedereingliederung ins Arbeitsleben auch für einfache Tätigkeiten bestehe.
Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Dr. M.-J. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen und die SG-Akte in den Verfahren S 8 R 2736/07 und S 4 R 1723/05 beigezogen. Dr. M.-J. hat mitgeteilt (Auskunft vom 13. September 2010), der Kläger sei zuletzt am 28. April 2010 vorstellig geworden. Die auf seinen Fachgebieten 2010 erhobenen neurologischen Befunde stimmten im Wesentlichen mit denjenigen des Gutachters Dr. He. überein. Bei allerdings weiterer Fixierung und Chronifizierung der gravierenden psychischen Störung sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nur drei bis unter sechs Stunden täglich möglich. Leichte Tätigkeiten seien unter Berücksichtigung der Dr. He. genannten körperlichen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt theoretisch möglich. Allerdings sei nicht mit einer Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit und ausreichender emotionaler Belastbarkeit zu rechnen. Offensichtlich sei in dessen Beurteilung nicht eingegangen, inwieweit der Arbeitsmarkt für Patienten wie den Kläger verschlossen sei. Anschließend hat das SG den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. mit der Erstattung eines nervenfachärztlichen Gutachtens betraut. In seinem Gutachten vom 20. Dezember 2010 legt Dr. W. dar, der Kläger leide an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer Dysthymie sowie einer Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen. Aufgrund der Schmerzsymptomatik seien ihm dauerhaft keine mittelschweren und schweren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr zumutbar. Seine psychische Belastbarkeit sei durch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine Dysthymie herabgesetzt, sodass Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- oder Fließbandarbeiten sowie Arbeiten im Schichtbetrieb nicht ausgeübt werden könnten. Dies gelte auch für Beschäftigungen mit besonderen Anforderungen an Aufmerksamkeit und Konzentration sowie solche mit komplexen Steuerungsvorgängen. Arbeiten mit Publikumsverkehr seien ebenfalls nicht mehr möglich. Aufgrund einer möglichen Schmerzverstärkung könnten Tätigkeiten in Kälte, Nässe und Zugluft nicht verrichtet werden. Die zuletzt vom Kläger ausgeübte Tätigkeit sei diesem nicht mehr zumutbar. Darüber hinaus sei durch die langjährige Arbeitslosigkeit sowie die nahezu völlige Einengung auf die Gewährung einer Rente die Umstellungsfähigkeit erheblichst eingeschränkt, wenn nicht nahezu aufgehoben. Betrachte man hingegen allein die objektivierbaren Gesundheitsstörungen sei kein Grund erkennbar, warum er nicht leichteste anspruchslose Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich verrichten können solle. Dr. W. hat zudem darauf hingewiesen, dass sich bei der körperlich-neurologischen Untersuchung deutliche Hinweise für eine Aggravation bzw Simulation der geklagten Beschwerden ergeben hätten. So sei das Gangbild des Klägers außerhalb der direkten Begutachtung zwar schleppend, jedoch geradlinig mit normaler Schrittlänge; beim Aufruf sei hingegen das Gangbild deutlich breitbasig und unsicher gewesen; er habe sich immer wieder an den Wänden und Regalen festgehalten. Der Händedruck zur Begrüßung habe zu keinen Schmerzäußerungen geführt; demgegenüber seien bei der direkten Prüfung der Fingergelenksschmerzhaftigkeit erhebliche Schmerzen angegeben worden. Ferner habe der Kläger bei der Kraftprüfung eine globale Schwäche aller Muskeln demonstriert; im Gegensatz dazu seien beim An- und Auskleiden keine entsprechenden Bewegungseinschränkungen aufgefallen. Insbesondere habe sich auch hierbei auch keinerlei Muskelatrophie gezeigt. Ebenso auffällig sei das Verhalten des Klägers bei den Koordinationsprüfungen gewesen. Reflexauffälligkeiten, Sensibilitätsstörungen und relevante Hirnnervenstörungen seien nicht nachweisbar. In der Medianus-Neurografie hätten sich Hinweise für ein diskretes Karpaltunnelsyndrom beidseits ergeben; ausgerechnet für diese Störung habe er bei der Untersuchung keine relevanten Ausfälle angegeben.
Mit Urteil vom 17. Februar 2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, da er noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dies ergebe sich aus den Gutachten von Dr. F., Dr. He. und Dr. W. Die bestehenden Erkrankungen auf nervenärztlichem Fachgebiet begründeten lediglich qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens. Die Einengung des Klägers auf die Rentengewährung stehe einer möglichen Aufnahme einer Tätigkeit bei zumutbarer Gewissensanstrengung nach Überzeugung der Kammer nicht entgegen. Er sei zwar auf eine Rentengewährung fixiert und werde Ende 2011 in Altersrente gehen, sodass eine Tätigkeitsaufnahme tatsächlich wenig wahrscheinlich sei; allerdings hätten altersrentennahe Versicherte nicht schon deswegen einen Erwerbsminderungsrentenanspruch. Eine zeitliche Leistungsminderung bestehe beim Kläger nämlich nicht. Soweit Dr. M.-J. eine quantitative Leistungseinschränkung annehme, sehe das Gericht dies nach dem nachfolgend von Dr. W. eingeholten Gerichtsgutachten als widerlegt an. Eine tiefergehende Depression habe der Gutachter nicht feststellen können. Vielmehr habe er deutliche Hinweise für Aggravation und Simulation gesehen. Dr. M.-J. habe die nicht objektivierbaren Schmerzangaben nicht kritisch hinterfragt. Ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht, da dieser zuletzt eine kurzfristig angelernte Tätigkeit ausgeübt habe und damit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne.
Gegen das am 24. Februar 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. März 2011 Berufung beim LSG eingelegt. Unter Hinweis auf eine weitere fachärztliche Stellungnahme von Dr. M.-J. (14. März 2011) weist er darauf hin, die Beklagte habe die bei ihm vorhandenen Leistungsbeeinträchtigungen nicht in ausreichendem Umfang gewürdigt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Februar 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie verweist auf die Stellungnahme des prüfärztlichen Dienstes vom 12. April 2011. Darin führen der Facharzt für Innere Medizin Dr. B. und die Sozialmedizinerin Dr. K. aus, auch die neueste fachärztliche Stellungnahme von Dr. M.-J. führe nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Aus dessen Stellungnahme lasse sich eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers seit dem Gerichtsgutachten von Dr. W. nicht ableiten. Es bestehe keine Notwendigkeit, das durch das SG bestätigte Leistungsbild zu korrigieren.
Im ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss vom 11. Mai 2011 und in der nichtöffentlichen Sitzung am 9. Juni 2011 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, auf die beigezogenen Akten in den Verfahren L 9 RJ 4506/01, L 3 RJ 2506/04, L 4 R 1723/05, L 10 R 4064/06 und S 8 R 2736/07 sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf., die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1, 144 Abs 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2010 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt; er hat aber weder ab dem 1. Dezember 2008 noch ab einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, auch nicht wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da er noch in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I 2007, 554). Versicherte haben gemäß Abs 2 dieser Vorschrift Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw gemäß Abs 1 Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Art 1 Nr 61 des RV-Altergrenzenanpas-sungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl I, 554) auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach diesen Maßstäben ist der Kläger, wie das SG zutreffend entschieden hat, unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil er noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den er verweisbar ist, unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Beim Kläger bestehen insbesondere auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sich auf die berufliche Leistungsfähigkeit auswirken. Der Kläger leidet an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer Dysthymie. Ferner hat er aus psychischen Gründen körperliche Symptome entwickelt. Dies entnimmt der Senat dem vom SG nach § 106 SGG von Amts wegen eingeholten Gutachten von Dr. W. vom 20. Dezember 2010. Insbesondere aufgrund der Schmerzsymptomatik sind dem Kläger dauerhaft mittelschwere und schwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr zumutbar. Auch ist die psychische Belastbarkeit durch die anhaltende somatoforme Schmerzstörung und die Dysthymie herabgesetzt, sodass der Kläger Tätigkeiten unter Zeitdruck sowie Tätigkeiten im Schichtbetrieb nicht mehr ausüben kann. Dies gilt auch für Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an die Aufmerksamkeit und Konzentration fordern sowie für Beschäftigungen in Verbindung mit kompletten Steuerungsvorgängen. Tätigkeiten mit Publikumsverkehr sind dem Kläger ebenfalls nicht mehr möglich. Dies gilt auch für Beschäftigungen in Kälte, Nässe und Zugluft. Diese Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens führen jedoch nicht zu einer Herabsetzung des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers hinsichtlich leichter Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf ein untervollschichtiges Maß. Dies hat das SG zutreffend in seinem Urteil vom 17. Februar 2011 dargelegt. Die Auffassung von Dr. W. wird insbesondere durch die bereits zuvor im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Gutachter Dr. F. und Dr. He., sowie das Gutachten von Dr. H. im vorherigen Klageverfahren (S 8 R 2736/07) bestätigt, die ebenfalls keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens angenommen haben und deren Gutachten im Rahmen des Urkundsbeweises verwertet werden können. Der Senat vermag sich hingegen der Auffassung des den Kläger behandelnden Nervenfacharztes Dr. M.-J. in seiner Stellungnahme vom 14. März 2011 nicht anzuschließen. Danach leidet der Kläger an einer posttraumatischen Verbitterungsstörung als Sonderform einer Anpassungsstörung, die auch sein quantitatives Leistungsvermögen auf ein untervollschichtiges Maß herabsetzt. Dr. M.-J. hat allerdings seine Leistungsbeurteilung, die er bereits im Verfahren vor dem SG abgegeben und im Berufungsverfahren wiederholt hat, nicht nachvollziehbar begründet. Insbesondere hat der Gutachter Dr. W. deutliche Hinweise für Aggravation bzw Simulation beim Kläger gesehen. Dr. M.-J. hat demgegenüber nicht erkennbar die nicht objektivierbaren Schmerzangaben des Klägers kritisch hinterfragt. Auch seine Anmerkung, der Arbeitsmarkt sei für den Kläger nach zehnjähriger Arbeitslosigkeit im fortgeschrittenen Alter mit hinzugekommener Schwerbehinderung faktisch verschlossen, führt zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage und insbesondere nicht zu einem Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Der den Kläger behandelnde Arzt stellt damit auf die potenzielle Möglichkeit ab, einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhalten. Dies ist jedoch ein Risiko, das von der Arbeitslosenversicherung, nicht hingegen von der Rentenversicherung getragen wird.
Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit des Klägers - leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich - muss ihm eine konkrete Tätigkeit, die er noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die von den Gutachtern genannten qualitativen Leistungseinschränkungen gehen nicht über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte Arbeiten erfasst wird.
Nachdem der Kläger keinen Beruf erlernt hat und zuletzt bis 1999 in einer Papierfabrik als Entrindungsgehilfe und Klärwärter mit Tätigkeiten beschäftigt war, die keine Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten erfordert haben (vgl Auskunft der Firma S. E., dem letzten Arbeitgeber des Klägers, vom 12. September 2001, wonach eine Einarbeitungszeit von vierzehn Tagen erforderlich war), genießt er keinen qualifizierten Berufsschutz. Er ist dementsprechend auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar; da er derartige Tätigkeiten - wie oben ausgeführt - noch in einem mindestens sechsstündigen Umfang verrichten kann, scheidet die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit von vornherein aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.
Der am 1951 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und siedelte im Jahr 1971 in die Bundesrepublik Deutschland über. Nach seinen eigenen Angaben erlernte er keinen Beruf und war zuletzt von 1972 bis 1999 in einer Papierfabrik als Entrindungsgehilfe und Klärwärter beschäftigt. Die Anlernzeit für diese Beschäftigung betrug 14 Tage. Zuletzt wurde der Kläger in die Lohngruppe 4 des Lohntarifvertrages der papier-, pappen-, zellstoff- und holzstofferzeugenden Industrie eingestuft. Aus gesundheitlichen Gründen wurde der Arbeitsvertrag aufgehoben (vgl Auskunft des letzten Arbeitgebers des Klägers, der Firma S. E., vom 12. September 2001). Seither bezieht der Kläger Leistungen der Bundesagentur für Arbeit, zuletzt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Beim Kläger wurde mit Bescheid des Landratsamts Ravensburg vom 11. Februar 2008 seit 11. Januar 2008 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 festgestellt (Az: 04/31/034279).
Erstmals hatte der Kläger im Dezember 2000 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeit beantragt. Nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchs-, Klage- und Berufungsverfahrens hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 28. Oktober 2002 (B 13 RJ 95/02 B) die gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg ([LSG]; L 9 RJ 4506/01) erhobene Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen. Auch das im November 2002 eingeleitete Verfahren mit dem Ziel der Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hatte vor dem LSG mit einer Rücknahme der Berufung im Oktober 2004 (L 3 RJ 2506/04) geendet. Noch vor Rücknahme der Berufung hatte der Kläger im September 2004 zum wiederholten Mal die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente beantragt. Dieses Verfahren hatte letztlich ebenfalls in einer Berufungsrücknahme im Januar 2007 (L 10 R 4064/06) gemündet.
Anschließend hatte der Kläger im April 2007 die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beantragt. Nach erfolgloser Durchführung eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens hatte das Sozialgericht Konstanz ([SG] S 8 R 2736/07) von Amts wegen ein nervenfachärztliches Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. eingeholt. In seinem Gutachten vom 26. März 2008 hatte er dargelegt, der Kläger leide an einer Dysthymia, einer undifferenzierten Somatisierungsstörung, der Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen sowie einer koronaren Herzkrankheit ohne manifeste Herzinsuffizienzzeichen oder Herzrhythmusstörungen. Ferner neige er zu Wirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen ohne wesentliche Funktionseinschränkungen und ohne radikuläre Symptomatik. Neben einer Streckhemmung im linken Ellenbogengelenk liege noch eine hochgradige Sehminderung links vor. Unter Berücksichtigung dieser Leiden seien dem Kläger körperliche Schwerarbeiten sowie ständig mittelschwere Arbeiten nicht mehr zumutbar. Dies gelte auch für Tätigkeiten überwiegend in Zwangshaltung verbunden mit häufigem Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, ständigem Bücken sowie Steigen auf Leitern. Ferner seien Tätigkeiten im Freien sowie die Einwirkung von Kälte, starken Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe nicht mehr leidensgerecht. Auch solche Arbeiten, die mit Anforderungen an das beidäugige Sehen verbunden seien und mit besonderer Anforderung an die psychische Belastbarkeit seien zu vermeiden. Allerdings sei der Kläger noch in der Lage, unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt acht Stunden täglich bei fünf Tagen in der Woche auszuüben. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 9. Oktober 2008 hatte der Kläger seine Klage zurückgenommen.
Letztmals beantragte der Kläger am 17. Dezember 2008 die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Seit 1997 halte er sich für erwerbsgemindert. Die Beklagte veranlasste daraufhin die Untersuchung und Begutachtung des Klägers in der Ärztlichen Untersuchungsstelle Ravensburg. Der Arzt für Sozial- und Sportmedizin Dr. F. führte in seinem Gutachten vom 31. Juli 2009 aus, unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Befundberichte stehe die psychische Symptomatik im Vordergrund. Er empfahl dringend eine psychiatrische Zusatzbegutachtung. Aus seiner Sicht bestehe eine ausgeprägte Anpassungsstörung, eine Somatisierungsstörung sowie eine mittelgradige depressive Episode. Auf dem linken Auge sei der Kläger seit seiner Kindheit erblindet, rechts bestehe eine ausreichende Sehleistung mit Korrektur durch eine Brille. Aus orthopädischer Sicht liege eine aktuell ausgeprägte schmerzhafte Bewegungsstörung am rechten Schultergelenk vor. Ferner leide er an Gonalgien beidseits ohne Funktionsdefizit bei ausgeprägter Chondrokalzinose der Innen- und Außenmeniskiie beidseits. Internistischerseits bestehe eine koronare Herzerkrankung bei Stentimplantation 1995 und 1996 und guter kardialer Belastbarkeit, ein Diabetes mellitus Typ II sowie eine Adipositas. Im Ergebnis könne der Kläger sowohl seinen zuletzt ausgeübten Beruf als Klärwerksarbeiter als auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Im darauf von der Beklagten beim Neurologen und Psychiater Dr. He. eingeholten Gutachten vom 21. Dezember 2009 wurden als Diagnosen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eine inzwischen chronifiziert bestehende depressive Störung im Sinne einer Anpassungs- und Verbitterungsstörung mit Somatisierungsneigung genannt. Daneben bestehe eine Amaurosis links sowie ein sequestrierter Bandscheibenvorfall L 4/L 5 linksseitig. Aufgrund der inzwischen eingetretenen chronifizierten depressiven Störung sollten Arbeiten unter erhöhter emotionaler Belastung, Zeit-und Schichtarbeit vermieden werden. Ebenso sollte der Kläger Arbeiten mit vermehrtem Publikumsverkehr vermeiden. Ferner sei von Tätigkeiten, die komplexe Anforderungen an das Umstellungsvermögen erforderten, abzusehen. Schließlich sollte er infolge des Bandscheibenvorfalls L 4/5 das schwere Heben und Tragen sowie das Arbeiten unter Zwangshaltungen einstellen. Aufgrund der genannten Einschränkungen sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich möglich, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihm hingegen weiter vollschichtig möglich. Mit Bescheid vom 14. Januar 2010 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag des Klägers ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2010 zurück.
Der Kläger hat am 10. März 2010 Klage beim SG erhoben. Zur Begründung beruft er sich ua auf einen Arztbrief des ihn behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. M.-J. vom 24. April 2010, wonach bei fortgeschrittener psychosozialer Chronifizierung der gravierenden psychischen Störung mit therapeutisch nicht mehr erreichbarer Gesamtsituation keine realistische Chance für eine Wiedereingliederung ins Arbeitsleben auch für einfache Tätigkeiten bestehe.
Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Dr. M.-J. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen und die SG-Akte in den Verfahren S 8 R 2736/07 und S 4 R 1723/05 beigezogen. Dr. M.-J. hat mitgeteilt (Auskunft vom 13. September 2010), der Kläger sei zuletzt am 28. April 2010 vorstellig geworden. Die auf seinen Fachgebieten 2010 erhobenen neurologischen Befunde stimmten im Wesentlichen mit denjenigen des Gutachters Dr. He. überein. Bei allerdings weiterer Fixierung und Chronifizierung der gravierenden psychischen Störung sei die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nur drei bis unter sechs Stunden täglich möglich. Leichte Tätigkeiten seien unter Berücksichtigung der Dr. He. genannten körperlichen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt theoretisch möglich. Allerdings sei nicht mit einer Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit und ausreichender emotionaler Belastbarkeit zu rechnen. Offensichtlich sei in dessen Beurteilung nicht eingegangen, inwieweit der Arbeitsmarkt für Patienten wie den Kläger verschlossen sei. Anschließend hat das SG den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. mit der Erstattung eines nervenfachärztlichen Gutachtens betraut. In seinem Gutachten vom 20. Dezember 2010 legt Dr. W. dar, der Kläger leide an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer Dysthymie sowie einer Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen. Aufgrund der Schmerzsymptomatik seien ihm dauerhaft keine mittelschweren und schweren Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr zumutbar. Seine psychische Belastbarkeit sei durch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine Dysthymie herabgesetzt, sodass Tätigkeiten unter Zeitdruck wie Akkord- oder Fließbandarbeiten sowie Arbeiten im Schichtbetrieb nicht ausgeübt werden könnten. Dies gelte auch für Beschäftigungen mit besonderen Anforderungen an Aufmerksamkeit und Konzentration sowie solche mit komplexen Steuerungsvorgängen. Arbeiten mit Publikumsverkehr seien ebenfalls nicht mehr möglich. Aufgrund einer möglichen Schmerzverstärkung könnten Tätigkeiten in Kälte, Nässe und Zugluft nicht verrichtet werden. Die zuletzt vom Kläger ausgeübte Tätigkeit sei diesem nicht mehr zumutbar. Darüber hinaus sei durch die langjährige Arbeitslosigkeit sowie die nahezu völlige Einengung auf die Gewährung einer Rente die Umstellungsfähigkeit erheblichst eingeschränkt, wenn nicht nahezu aufgehoben. Betrachte man hingegen allein die objektivierbaren Gesundheitsstörungen sei kein Grund erkennbar, warum er nicht leichteste anspruchslose Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich verrichten können solle. Dr. W. hat zudem darauf hingewiesen, dass sich bei der körperlich-neurologischen Untersuchung deutliche Hinweise für eine Aggravation bzw Simulation der geklagten Beschwerden ergeben hätten. So sei das Gangbild des Klägers außerhalb der direkten Begutachtung zwar schleppend, jedoch geradlinig mit normaler Schrittlänge; beim Aufruf sei hingegen das Gangbild deutlich breitbasig und unsicher gewesen; er habe sich immer wieder an den Wänden und Regalen festgehalten. Der Händedruck zur Begrüßung habe zu keinen Schmerzäußerungen geführt; demgegenüber seien bei der direkten Prüfung der Fingergelenksschmerzhaftigkeit erhebliche Schmerzen angegeben worden. Ferner habe der Kläger bei der Kraftprüfung eine globale Schwäche aller Muskeln demonstriert; im Gegensatz dazu seien beim An- und Auskleiden keine entsprechenden Bewegungseinschränkungen aufgefallen. Insbesondere habe sich auch hierbei auch keinerlei Muskelatrophie gezeigt. Ebenso auffällig sei das Verhalten des Klägers bei den Koordinationsprüfungen gewesen. Reflexauffälligkeiten, Sensibilitätsstörungen und relevante Hirnnervenstörungen seien nicht nachweisbar. In der Medianus-Neurografie hätten sich Hinweise für ein diskretes Karpaltunnelsyndrom beidseits ergeben; ausgerechnet für diese Störung habe er bei der Untersuchung keine relevanten Ausfälle angegeben.
Mit Urteil vom 17. Februar 2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, da er noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dies ergebe sich aus den Gutachten von Dr. F., Dr. He. und Dr. W. Die bestehenden Erkrankungen auf nervenärztlichem Fachgebiet begründeten lediglich qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens. Die Einengung des Klägers auf die Rentengewährung stehe einer möglichen Aufnahme einer Tätigkeit bei zumutbarer Gewissensanstrengung nach Überzeugung der Kammer nicht entgegen. Er sei zwar auf eine Rentengewährung fixiert und werde Ende 2011 in Altersrente gehen, sodass eine Tätigkeitsaufnahme tatsächlich wenig wahrscheinlich sei; allerdings hätten altersrentennahe Versicherte nicht schon deswegen einen Erwerbsminderungsrentenanspruch. Eine zeitliche Leistungsminderung bestehe beim Kläger nämlich nicht. Soweit Dr. M.-J. eine quantitative Leistungseinschränkung annehme, sehe das Gericht dies nach dem nachfolgend von Dr. W. eingeholten Gerichtsgutachten als widerlegt an. Eine tiefergehende Depression habe der Gutachter nicht feststellen können. Vielmehr habe er deutliche Hinweise für Aggravation und Simulation gesehen. Dr. M.-J. habe die nicht objektivierbaren Schmerzangaben nicht kritisch hinterfragt. Ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht, da dieser zuletzt eine kurzfristig angelernte Tätigkeit ausgeübt habe und damit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden könne.
Gegen das am 24. Februar 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. März 2011 Berufung beim LSG eingelegt. Unter Hinweis auf eine weitere fachärztliche Stellungnahme von Dr. M.-J. (14. März 2011) weist er darauf hin, die Beklagte habe die bei ihm vorhandenen Leistungsbeeinträchtigungen nicht in ausreichendem Umfang gewürdigt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Februar 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie verweist auf die Stellungnahme des prüfärztlichen Dienstes vom 12. April 2011. Darin führen der Facharzt für Innere Medizin Dr. B. und die Sozialmedizinerin Dr. K. aus, auch die neueste fachärztliche Stellungnahme von Dr. M.-J. führe nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Aus dessen Stellungnahme lasse sich eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers seit dem Gerichtsgutachten von Dr. W. nicht ableiten. Es bestehe keine Notwendigkeit, das durch das SG bestätigte Leistungsbild zu korrigieren.
Im ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss vom 11. Mai 2011 und in der nichtöffentlichen Sitzung am 9. Juni 2011 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtige, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, auf die beigezogenen Akten in den Verfahren L 9 RJ 4506/01, L 3 RJ 2506/04, L 4 R 1723/05, L 10 R 4064/06 und S 8 R 2736/07 sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf., die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1, 144 Abs 1 Satz 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Februar 2010 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt; er hat aber weder ab dem 1. Dezember 2008 noch ab einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, auch nicht wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da er noch in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.
Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I 2007, 554). Versicherte haben gemäß Abs 2 dieser Vorschrift Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw gemäß Abs 1 Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben nach § 240 Abs 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Art 1 Nr 61 des RV-Altergrenzenanpas-sungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl I, 554) auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Nach diesen Maßstäben ist der Kläger, wie das SG zutreffend entschieden hat, unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil er noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den er verweisbar ist, unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Beim Kläger bestehen insbesondere auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet gesundheitliche Beeinträchtigungen, die sich auf die berufliche Leistungsfähigkeit auswirken. Der Kläger leidet an einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer Dysthymie. Ferner hat er aus psychischen Gründen körperliche Symptome entwickelt. Dies entnimmt der Senat dem vom SG nach § 106 SGG von Amts wegen eingeholten Gutachten von Dr. W. vom 20. Dezember 2010. Insbesondere aufgrund der Schmerzsymptomatik sind dem Kläger dauerhaft mittelschwere und schwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr zumutbar. Auch ist die psychische Belastbarkeit durch die anhaltende somatoforme Schmerzstörung und die Dysthymie herabgesetzt, sodass der Kläger Tätigkeiten unter Zeitdruck sowie Tätigkeiten im Schichtbetrieb nicht mehr ausüben kann. Dies gilt auch für Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an die Aufmerksamkeit und Konzentration fordern sowie für Beschäftigungen in Verbindung mit kompletten Steuerungsvorgängen. Tätigkeiten mit Publikumsverkehr sind dem Kläger ebenfalls nicht mehr möglich. Dies gilt auch für Beschäftigungen in Kälte, Nässe und Zugluft. Diese Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens führen jedoch nicht zu einer Herabsetzung des quantitativen Leistungsvermögens des Klägers hinsichtlich leichter Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf ein untervollschichtiges Maß. Dies hat das SG zutreffend in seinem Urteil vom 17. Februar 2011 dargelegt. Die Auffassung von Dr. W. wird insbesondere durch die bereits zuvor im Verwaltungsverfahren tätig gewordenen Gutachter Dr. F. und Dr. He., sowie das Gutachten von Dr. H. im vorherigen Klageverfahren (S 8 R 2736/07) bestätigt, die ebenfalls keine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens angenommen haben und deren Gutachten im Rahmen des Urkundsbeweises verwertet werden können. Der Senat vermag sich hingegen der Auffassung des den Kläger behandelnden Nervenfacharztes Dr. M.-J. in seiner Stellungnahme vom 14. März 2011 nicht anzuschließen. Danach leidet der Kläger an einer posttraumatischen Verbitterungsstörung als Sonderform einer Anpassungsstörung, die auch sein quantitatives Leistungsvermögen auf ein untervollschichtiges Maß herabsetzt. Dr. M.-J. hat allerdings seine Leistungsbeurteilung, die er bereits im Verfahren vor dem SG abgegeben und im Berufungsverfahren wiederholt hat, nicht nachvollziehbar begründet. Insbesondere hat der Gutachter Dr. W. deutliche Hinweise für Aggravation bzw Simulation beim Kläger gesehen. Dr. M.-J. hat demgegenüber nicht erkennbar die nicht objektivierbaren Schmerzangaben des Klägers kritisch hinterfragt. Auch seine Anmerkung, der Arbeitsmarkt sei für den Kläger nach zehnjähriger Arbeitslosigkeit im fortgeschrittenen Alter mit hinzugekommener Schwerbehinderung faktisch verschlossen, führt zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage und insbesondere nicht zu einem Anspruch auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Der den Kläger behandelnde Arzt stellt damit auf die potenzielle Möglichkeit ab, einen Arbeitsplatz auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu erhalten. Dies ist jedoch ein Risiko, das von der Arbeitslosenversicherung, nicht hingegen von der Rentenversicherung getragen wird.
Bei der noch vorhandenen Leistungsfähigkeit des Klägers - leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich - muss ihm eine konkrete Tätigkeit, die er noch verrichten kann, nicht benannt werden. Die von den Gutachtern genannten qualitativen Leistungseinschränkungen gehen nicht über das hinaus, was bereits mit der Begrenzung des Leistungsvermögens auf nur noch leichte Arbeiten erfasst wird.
Nachdem der Kläger keinen Beruf erlernt hat und zuletzt bis 1999 in einer Papierfabrik als Entrindungsgehilfe und Klärwärter mit Tätigkeiten beschäftigt war, die keine Anlernzeit von mehr als zwölf Monaten erfordert haben (vgl Auskunft der Firma S. E., dem letzten Arbeitgeber des Klägers, vom 12. September 2001, wonach eine Einarbeitungszeit von vierzehn Tagen erforderlich war), genießt er keinen qualifizierten Berufsschutz. Er ist dementsprechend auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar; da er derartige Tätigkeiten - wie oben ausgeführt - noch in einem mindestens sechsstündigen Umfang verrichten kann, scheidet die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit von vornherein aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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