Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2197/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 337/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB), dabei insbesondere streitig, ob der Kläger schwerbehindert ist.
Der 1946 geborene Kläger türkischer Staatsangehörigkeit, der als angelernter Schleifer vollschichtig versicherungspflichtig beschäftigt war, stürzte im April 2004 mit dem Fahrrad auf die Schulter. Mit Bescheid vom 3. November 2005 stellte der Beklagte den GdB mit 20 ab 22. August 2005 wegen degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und psychovegetativer Störungen fest. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolgslos (Widerspruchsbescheid vom 10. März 2006).
Am 1. Juni 2007 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB wegen chronischer Schulterschmerzen, Bandscheibenvorfall und Diabetes. Der Internist Dr. K. führte unter Beifügung von Befundberichten (u. a. Orthopäde Dr. H.: multiple generalisierte Tendomyalgien, chronisches WS-Schmerzsyndrom, somatoforme Schmerzstörung, muskuläre Dysbalancen) aus, Herz und Lunge seien klinisch und physikalisch unauffällig und der Diabetes allein diätetisch eingestellt ohne jegliche Sekundärschäden. In Auswertung der Unterlagen führte der Beratungsarzt Dr. Z. aus, die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule bei Nervenwurzelreizerscheinungen, die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und die psychovegetativen Störungen seien mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Für den Diabetes mellitus sei ein Einzel-GdB von 10 ausreichend. Der Gesamt-GdB betrage weiterhin 20. Gestützt hierauf lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 2. Oktober 2007 die Neufeststellung des GdB ab.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke mit erheblichen Schmerzen bei entsprechender Schmerzbehandlung sei unzureichend berücksichtigt worden. Die Schmerzen strahlten in Nacken- und Kopfbereich aus, weswegen er in ständiger orthopädischer Behandlung sei. Außerdem sammle sich in den Beinen/Füßen Wasser an. Auf Nachfrage führte Dr. K. aus, der Diabetes mellitus Typ II werde nach wie vor diätetisch ohne Medikation behandelt. Der Kläger leide an einer chronisch venösen Insuffizienz mit leichten Ödemen ohne weitere Einschränkungen. Dazu führte OMRin Sch. aus, bei den Behinderungen müsse zusätzlich eine chronisch-venöse Insuffizienz beidseits mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt werden. Die im Vordergrund stehenden orthopädischen Behinderungen müssten mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet werden, sodass auch der Gesamt-GdB 30 betrage. Dem trug der Beklagte mit Teil-Abhilfebescheid vom 12. Juni 2008 Rechnung, mit dem ein GdB von 30 seit 1. Juni 2007 anerkannt wurde. Den aufrechterhaltenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2008 mit der Begründung ab, die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen seien in vollem Umfang erfasst und angemessen mit einem GdB von 30 bewertet worden.
Mit seiner dagegen am 21. Juli 2008 beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft weiter verfolgt.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und den Kläger anschließend auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) orthopädisch und internistisch-rheumatologisch begutachten lassen.
Der Orthopäde Dr. H., bei dem sich der Kläger dreimal jährlich in Behandlung befindet, hat ausgeführt, er habe weder eine Änderung noch Befundbesserung feststellen können. Der Kläger sei immer sehr kläglich und jämmerlich gewesen. Er habe insgesamt über Schmerzen geklagt, sodass von einer somatoformen Schmerzstörung ausgegangen werden müsse. HWS, BWS und LWS seien bewegungseingeschränkt, sodass der GdB auf orthopädischem Fachgebiet mit insgesamt 40 eingeschätzt werden müsse. Der Internist Dr. K., bei dem sich der Kläger seit November 1993 in regelmäßiger Behandlung befindet, hat den im Vordergrund stehenden Diabetes mellitus ohne Erforderlichkeit einer medikamentösen Therapie beschrieben. Seitens des Bewegungsapparates werde der Kläger mit Analgetikum sowie lokalen Salbenanwendungen behandelt. Auf internistischem Fachgebiet liege kein GdB vor, es sei auch keine Änderung zu verzeichnen.
Der orthopädische Sachverständige Prof. Dr. H. diagnostizierte rezidivierende Schmerzen sowie eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Schultergelenks im Rahmen eines subacromialen Impingement-Syndroms sowie eines Zustandes nach Acromioplastik 2004, rezidivierende belastungsabhängige Schmerzen des rechten mehr als des linken Kniegelenks, rechts mit Einklemmungserscheinungen bei Verdacht auf freien Gelenkkörper und initialer Gonarthorse, rezidivierende Lumboischialgien links bei umschriebenen Verschleißerscheinungen und verstärkter Lendenwirbellordose im Rahmen eines degenerativen LWS-Syndroms, Verschleißerscheinungen mit rezidivierenden Cervicalgien im Bereich eines degenerativen HWS-Syndroms und rezidivierende, belastungsabhängige Schmerzen im Bereich beider Ellenbogen bei initialer Cubitalarthrose beidseits. Der Gesamt-GdB der Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet inklusive des chronischen Schmerzsyndroms/der psychovegetativen Störung sei mit 30 zu bewerten. Dabei stehe das rechte Kniegelenk im Vordergrund.
Der Internist/Rheumatologe Dr. M. hat über Aggravationshinweise des sehr klagsam wirkenden Klägers bei guter Koordination im Rahmen der körperlichen Untersuchung berichtet. Es liege eine Bluthochdruckerkrankung vor, die unter Medikation mäßig gut eingestellt sei. Auch der Diabetes mellitus sei vom Langzeitwert her mäßig gut eingestellt. Außerdem bestehe eine chronisch-venöse Insuffizienz der unteren Extremitäten mit mäßiger Ödemneigung. Eine entzündlich rheumatische Erkrankung lasse sich nicht nachweisen. Der Kläger leide an einer chronifizierten Schmerzerkrankung, die anamnestisch weitgehend nach einem Trauma des rechten Schultergelenks entstanden sei und die Kriterien einer Fibromyalgie erfülle. Die Bluthochdruckerkrankung sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Der Diabetes mellitus müsse, nachdem deutliche Hinweise auf eine Polyneuropathie beständen, auf 20 bis 30 angehoben werden. Die Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, die Funktionsbehinderung der Schultergelenke und die depressive und psycho-vegetative Symptomatik müssten im Sinne einer Ganzkörperschmerzerkrankung, die den Kriterien einer Fibromyalgie entspreche, eingeordnet werden. Dies gelte auch für die leichte Symptomatik der Finger-Polyarthrose. Da die Fibromyalgie therapeutisch nur schwer zu beeinflussen sei, müsse für die Schmerzerkrankung ein GdB von 40 veranschlagt werden, sodass der Gesamt-GdB unter Beachtung des Diabetes mellitus mit 50 zu bewerten sei.
Der Beklagte unterbreitete unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. ein Vergleichsangebot des Inhalts, dass der GdB mit 40 ab 15. Juli 2010 zu bewerten sei, da ein Teil-GdB von 40 für das chronische Schmerzsyndrom zumindest vertretbar sei. Der Diabetes mellitus werde medikamentös so behandelt, dass keine regelhaften Hypoglykämien zu berücksichtigen seien, sodass insoweit nur ein Teil-GdB von 10 angemessen sei. In der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2010 hat der Beklagte ein Teil-Anerkenntnis des Inhalts abgegeben, dass ab 15. Juli 2010 ein GdB von 40 bestehe. Der Klägervertreter hat das Teilanerkenntnis des Beklagten angenommen. Mit Urteil vom selben Tag hat das SG die Klage im Übrigen abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung eines höheren GdB als 30 bis 14. Juli 2010 und als 40 ab 15. Juli 2010 habe. Bis 14. Juli 2010 habe der Beklagte zu Recht die orthopädischen Beschwerden des Klägers mit einem GdB von 30 bewertet. Die abweichende Einschätzung von Dr. H. sei durch konkrete Befunde und Funktionsdaten nicht begründet worden. Auch Prof. Dr. H. habe die Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet lediglich mit einem Gesamt-GdB von 30 bewertet. Ab 15. Juli 2010 ergebe sich auf Grund des Fibromyalgiesyndroms ein GdB von 40, welches der Beklagte mit seinem Teil-Anerkenntnis nachvollzogen habe. Denn entgegen der Annahme von Dr. M. sei für den Diabetes lediglich ein Teil-GdB von 10 angemessen. Der Kläger habe angegeben, dass er Metformin einmal täglich einnehme, d. h. ein Medikament, das die Hypoglykämieneigung nicht erhöhe.
Gegen das am 28. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Januar 2011 Berufung eingelegt. Durch den GdB von 40 werde der chronischen Schmerzerkrankung und deren Gesamtdimension im körperlichen, seelischen und geistigen Bereich nicht ausreichend Rechnung getragen. Außerdem habe der Beklagte die Funktionsminderung des rechten Kniegelenks nicht akzeptiert.
Der Kläger beantragt (teilweise) sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Dezember 2010 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2007 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 12. Juni 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2008 sowie des Teil-Anerkenntnisses vom 14. Dezember 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 3. November 2005 abzuändern und den Grad der Behinderung mit wenigstens 50 festzustellen, hilfsweise ein Obergutachten von Amts wegen, höchst hilfsweise ein weiteres Gutachten nach § 109 Sozialgerichtgesetz bei Dr. H. einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass der Senat nach § 153 Abs. 4 SGG die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann über die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss entscheiden, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet erachten, eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten und die Beteiligten hierzu gehört worden sind.
Die nach den §§ 143 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, 151 Abs. 1 form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage, soweit der Kläger eine Verurteilung des Beklagten über das Teil-Anerkenntnis vom 14. Dezember 2010 hinaus begehrt, mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung eines höheren GdB als 30 bis 14. Juli 2010 und als 40 ab 15. Juli 2010.
Die vom Kläger geltend gemachte Verschlimmerung seiner Funktionseinschränkungen richtet sich nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit es in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass, hier des bestandskräftigen Bescheides vom 3. November 2005, vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB X).
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Die VG haben die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Gesamt-GdB ist vorliegend in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Ausgehend hiervon steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 3. November 2005 zugrunde lagen, zwar eine Verschlimmerung eingetreten ist, der aber durch den Teil-Abhilfebescheid vom 12. Juni 2008 und das Teilanerkenntnis des Beklagten vom 14. Dezember 2010 ausreichend Rechnung getragen wird. Dass auch unter Berücksichtigung des von Dr. M. erstatteten Gutachtens der GdB mit 40 ab 15. Juli 2010 zu bewerten ist, hat das SG ausführlich begründet dargelegt. Dem ist aus Sicht des Senats auch in Abwägung der mit der abweichenden Einschätzung des behandelnden Orthopäden Dr. H. sowie des nach § 109 SGG erstatteten Gutachtens von Prof. Dr. H. nichts hinzuzufügen.
Soweit der Beklagte für die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks einen Teil-GdB von 10 für angemessen erachtet hat, so ist dies aus Sicht des Senats angesichts der von Prof. Dr. H. befundeten Normalbeweglichkeitsmaße beidseits von Extension/Flexion 0-0-140° bei Angabe von ventralen Knieschmerzen links mehr als rechts bei zunehmender Flexion angemessen (vgl. AHP Teil A Nr. 26.18; VersMedV Teil 3 Nr. 18.14). Diese Bewegungsmaße wurden im Wesentlichen auch anlässlich der Begutachtung von Dr. M. bestätigt (Extension/Flexion beider Kniegelenke 5-0-140°). Insoweit kommt es allein auf die Funktionsbeeinträchtigungen an, die bei normaler Beweglichkeit allenfalls geringfügig sind.
Die abweichende Einschätzung des GdB mit 50 von Dr. M. beruht allein auf der nicht im Einklang mit den versorgungsärztlichen Grundsätzen stehenden Bewertung des Diabetes mellitus Typ II mit 20. Dieser Bewertung kann - wie bereits das SG dargelegt hat - angesichts der 2008 noch nicht durchgeführten (so der behandelnde Internist Dr. K. am 4. Dezember 2008), dann aber spätestens im Oktober 2009 eingeleiteten medikamentösen Therapie (vgl. Gutachten Prof. Dr. H.) nicht gefolgt werden. Denn nach damaliger Entscheidungslage (Zweite Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14. Juli 2010) kam es maßgebend darauf an, ob mit Hypoglykämien zu rechnen war. Das kann angesichts der vom Kläger eingenommenen Medikamente (Glitazonpräparate sowie Metformin) verneint werden, worauf auch der Beratungsarzt Dr. W. zutreffend hingewiesen hat. Nach der aktuellen VersMedV kommt es allein darauf an, ob eine Insulintherapie und wenn ja mit welchen Beeinträchtigungen für die Teilhabe durchgeführt werden muss, so dass der Diabetes des Klägers nunmehr sogar mit 0 zu bewerten ist.
Soweit Dr. M. seine Bewertung des Diabetes auf die Folgeerkrankungen (Verdacht auf Polyneuropathie) gestützt hat, vermag das ebenso wenig zu überzeugen, zumal die Untersuchung des Klägers auf Grund der Aggravationstendenzen erschwert war. Denn anlässlich der Begutachtung von Prof. Dr. H. war eine Polyneuropathie nicht zu diagnostizieren. Der Kläger imponierte vielmehr mit einem flüssigen, wenn auch verlangsamten Gangbild.
Einer weiteren Sachaufklärung von Amts wegen bedarf es nicht, ein fachübergreifendes Obergutachten muss nicht eingeholt werden. Das Gericht ist in der Würdigung der Sachverständigengutachten grundsätzlich frei; er kann auch ohne Einholung eines weiteren Gutachtens von einem Gutachten abweichen (BSG, Beschluss vom 6. Dezember 1989 - 2 BU 146/89). Einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten" sehen die Prozessordnungen - auch das SGG - nicht vor (BSG, Beschluss vom 17. November 2003 - B 3 P 23/03 B). Bei sich widersprechenden Gutachten ist das Gericht gehalten, sich mit dem Gutachten, dem es nicht folgt, auseinanderzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 23. Mai 2006 - B 13 RJ 272/05).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist lediglich eine Auseinandersetzung des Gerichts mit den Gutachten von Prof. Dr. H. und Dr. M. insoweit erforderlich, als deren Bewertung der Funktionseinschränkungen seitens des rechten Kniegelenks und des Diabetes mellitus so nicht gefolgt werden kann (siehe oben). Dadurch wird kein Anspruch auf ein Obergutachten begründet.
Gleichfalls war der Antrag des Klägers auf Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG abzulehnen. Nach der Rechtsprechung ist das Antragsrecht nach § 109 SGG verbraucht, wenn wie hier bereits in erster Instanz ein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt worden ist (vgl. Keller, Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 109, Rdnr. 11 b; Urteil des Senats vom 2. März 2011 - L 6 SB 4878/08). Es entspricht dem Beweisrecht, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer bestimmten Tatsache beliebig oft nachzukommen (BSG, Urteil vom 15. April 1991 - 5 RJ 32/90 - SozR 3-1500 § 109 Nr. 1; BSG, Beschluss vom 17. März 2010 - B 3 P 33/09 B, juris). Außerdem ist § 109 SGG als Ausnahmevorschrift (§ 103 Satz 2 SGG) eng auszulegen und bezieht sich die Vorschrift nur auf die gutachterliche Anhörung eines bestimmten Arztes. Eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG rechtfertigt sich daher nur bei Vorliegen besonderer Umstände (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 109 SGG Rdnr. 10b). Diese Umstände liegen im Fall des Klägers nicht vor, denn der Kläger sieht sich durch die bereits eingeholten Gutachten in seinem Begehren bestätigt, macht also gerade nicht eine unvollständige Sachverhaltsermittlung oder gar besondere Umstände geltend.
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 30 bis 14. Juli 2010 und als 40 ab 15. Juli 2010. Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB), dabei insbesondere streitig, ob der Kläger schwerbehindert ist.
Der 1946 geborene Kläger türkischer Staatsangehörigkeit, der als angelernter Schleifer vollschichtig versicherungspflichtig beschäftigt war, stürzte im April 2004 mit dem Fahrrad auf die Schulter. Mit Bescheid vom 3. November 2005 stellte der Beklagte den GdB mit 20 ab 22. August 2005 wegen degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und psychovegetativer Störungen fest. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolgslos (Widerspruchsbescheid vom 10. März 2006).
Am 1. Juni 2007 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB wegen chronischer Schulterschmerzen, Bandscheibenvorfall und Diabetes. Der Internist Dr. K. führte unter Beifügung von Befundberichten (u. a. Orthopäde Dr. H.: multiple generalisierte Tendomyalgien, chronisches WS-Schmerzsyndrom, somatoforme Schmerzstörung, muskuläre Dysbalancen) aus, Herz und Lunge seien klinisch und physikalisch unauffällig und der Diabetes allein diätetisch eingestellt ohne jegliche Sekundärschäden. In Auswertung der Unterlagen führte der Beratungsarzt Dr. Z. aus, die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule bei Nervenwurzelreizerscheinungen, die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke und die psychovegetativen Störungen seien mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Für den Diabetes mellitus sei ein Einzel-GdB von 10 ausreichend. Der Gesamt-GdB betrage weiterhin 20. Gestützt hierauf lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 2. Oktober 2007 die Neufeststellung des GdB ab.
Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke mit erheblichen Schmerzen bei entsprechender Schmerzbehandlung sei unzureichend berücksichtigt worden. Die Schmerzen strahlten in Nacken- und Kopfbereich aus, weswegen er in ständiger orthopädischer Behandlung sei. Außerdem sammle sich in den Beinen/Füßen Wasser an. Auf Nachfrage führte Dr. K. aus, der Diabetes mellitus Typ II werde nach wie vor diätetisch ohne Medikation behandelt. Der Kläger leide an einer chronisch venösen Insuffizienz mit leichten Ödemen ohne weitere Einschränkungen. Dazu führte OMRin Sch. aus, bei den Behinderungen müsse zusätzlich eine chronisch-venöse Insuffizienz beidseits mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt werden. Die im Vordergrund stehenden orthopädischen Behinderungen müssten mit einem Einzel-GdB von 30 bewertet werden, sodass auch der Gesamt-GdB 30 betrage. Dem trug der Beklagte mit Teil-Abhilfebescheid vom 12. Juni 2008 Rechnung, mit dem ein GdB von 30 seit 1. Juni 2007 anerkannt wurde. Den aufrechterhaltenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2008 mit der Begründung ab, die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen seien in vollem Umfang erfasst und angemessen mit einem GdB von 30 bewertet worden.
Mit seiner dagegen am 21. Juli 2008 beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft weiter verfolgt.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt und den Kläger anschließend auf eigenes Kostenrisiko nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) orthopädisch und internistisch-rheumatologisch begutachten lassen.
Der Orthopäde Dr. H., bei dem sich der Kläger dreimal jährlich in Behandlung befindet, hat ausgeführt, er habe weder eine Änderung noch Befundbesserung feststellen können. Der Kläger sei immer sehr kläglich und jämmerlich gewesen. Er habe insgesamt über Schmerzen geklagt, sodass von einer somatoformen Schmerzstörung ausgegangen werden müsse. HWS, BWS und LWS seien bewegungseingeschränkt, sodass der GdB auf orthopädischem Fachgebiet mit insgesamt 40 eingeschätzt werden müsse. Der Internist Dr. K., bei dem sich der Kläger seit November 1993 in regelmäßiger Behandlung befindet, hat den im Vordergrund stehenden Diabetes mellitus ohne Erforderlichkeit einer medikamentösen Therapie beschrieben. Seitens des Bewegungsapparates werde der Kläger mit Analgetikum sowie lokalen Salbenanwendungen behandelt. Auf internistischem Fachgebiet liege kein GdB vor, es sei auch keine Änderung zu verzeichnen.
Der orthopädische Sachverständige Prof. Dr. H. diagnostizierte rezidivierende Schmerzen sowie eine endgradig eingeschränkte Beweglichkeit des rechten Schultergelenks im Rahmen eines subacromialen Impingement-Syndroms sowie eines Zustandes nach Acromioplastik 2004, rezidivierende belastungsabhängige Schmerzen des rechten mehr als des linken Kniegelenks, rechts mit Einklemmungserscheinungen bei Verdacht auf freien Gelenkkörper und initialer Gonarthorse, rezidivierende Lumboischialgien links bei umschriebenen Verschleißerscheinungen und verstärkter Lendenwirbellordose im Rahmen eines degenerativen LWS-Syndroms, Verschleißerscheinungen mit rezidivierenden Cervicalgien im Bereich eines degenerativen HWS-Syndroms und rezidivierende, belastungsabhängige Schmerzen im Bereich beider Ellenbogen bei initialer Cubitalarthrose beidseits. Der Gesamt-GdB der Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet inklusive des chronischen Schmerzsyndroms/der psychovegetativen Störung sei mit 30 zu bewerten. Dabei stehe das rechte Kniegelenk im Vordergrund.
Der Internist/Rheumatologe Dr. M. hat über Aggravationshinweise des sehr klagsam wirkenden Klägers bei guter Koordination im Rahmen der körperlichen Untersuchung berichtet. Es liege eine Bluthochdruckerkrankung vor, die unter Medikation mäßig gut eingestellt sei. Auch der Diabetes mellitus sei vom Langzeitwert her mäßig gut eingestellt. Außerdem bestehe eine chronisch-venöse Insuffizienz der unteren Extremitäten mit mäßiger Ödemneigung. Eine entzündlich rheumatische Erkrankung lasse sich nicht nachweisen. Der Kläger leide an einer chronifizierten Schmerzerkrankung, die anamnestisch weitgehend nach einem Trauma des rechten Schultergelenks entstanden sei und die Kriterien einer Fibromyalgie erfülle. Die Bluthochdruckerkrankung sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Der Diabetes mellitus müsse, nachdem deutliche Hinweise auf eine Polyneuropathie beständen, auf 20 bis 30 angehoben werden. Die Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule mit Nervenwurzelreizerscheinungen, die Funktionsbehinderung der Schultergelenke und die depressive und psycho-vegetative Symptomatik müssten im Sinne einer Ganzkörperschmerzerkrankung, die den Kriterien einer Fibromyalgie entspreche, eingeordnet werden. Dies gelte auch für die leichte Symptomatik der Finger-Polyarthrose. Da die Fibromyalgie therapeutisch nur schwer zu beeinflussen sei, müsse für die Schmerzerkrankung ein GdB von 40 veranschlagt werden, sodass der Gesamt-GdB unter Beachtung des Diabetes mellitus mit 50 zu bewerten sei.
Der Beklagte unterbreitete unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. ein Vergleichsangebot des Inhalts, dass der GdB mit 40 ab 15. Juli 2010 zu bewerten sei, da ein Teil-GdB von 40 für das chronische Schmerzsyndrom zumindest vertretbar sei. Der Diabetes mellitus werde medikamentös so behandelt, dass keine regelhaften Hypoglykämien zu berücksichtigen seien, sodass insoweit nur ein Teil-GdB von 10 angemessen sei. In der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2010 hat der Beklagte ein Teil-Anerkenntnis des Inhalts abgegeben, dass ab 15. Juli 2010 ein GdB von 40 bestehe. Der Klägervertreter hat das Teilanerkenntnis des Beklagten angenommen. Mit Urteil vom selben Tag hat das SG die Klage im Übrigen abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung eines höheren GdB als 30 bis 14. Juli 2010 und als 40 ab 15. Juli 2010 habe. Bis 14. Juli 2010 habe der Beklagte zu Recht die orthopädischen Beschwerden des Klägers mit einem GdB von 30 bewertet. Die abweichende Einschätzung von Dr. H. sei durch konkrete Befunde und Funktionsdaten nicht begründet worden. Auch Prof. Dr. H. habe die Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet lediglich mit einem Gesamt-GdB von 30 bewertet. Ab 15. Juli 2010 ergebe sich auf Grund des Fibromyalgiesyndroms ein GdB von 40, welches der Beklagte mit seinem Teil-Anerkenntnis nachvollzogen habe. Denn entgegen der Annahme von Dr. M. sei für den Diabetes lediglich ein Teil-GdB von 10 angemessen. Der Kläger habe angegeben, dass er Metformin einmal täglich einnehme, d. h. ein Medikament, das die Hypoglykämieneigung nicht erhöhe.
Gegen das am 28. Dezember 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. Januar 2011 Berufung eingelegt. Durch den GdB von 40 werde der chronischen Schmerzerkrankung und deren Gesamtdimension im körperlichen, seelischen und geistigen Bereich nicht ausreichend Rechnung getragen. Außerdem habe der Beklagte die Funktionsminderung des rechten Kniegelenks nicht akzeptiert.
Der Kläger beantragt (teilweise) sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Dezember 2010 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 2. Oktober 2007 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheides vom 12. Juni 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 3. Juli 2008 sowie des Teil-Anerkenntnisses vom 14. Dezember 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 3. November 2005 abzuändern und den Grad der Behinderung mit wenigstens 50 festzustellen, hilfsweise ein Obergutachten von Amts wegen, höchst hilfsweise ein weiteres Gutachten nach § 109 Sozialgerichtgesetz bei Dr. H. einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass der Senat nach § 153 Abs. 4 SGG die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann über die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss entscheiden, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet erachten, eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten und die Beteiligten hierzu gehört worden sind.
Die nach den §§ 143 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, 151 Abs. 1 form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage, soweit der Kläger eine Verurteilung des Beklagten über das Teil-Anerkenntnis vom 14. Dezember 2010 hinaus begehrt, mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung eines höheren GdB als 30 bis 14. Juli 2010 und als 40 ab 15. Juli 2010.
Die vom Kläger geltend gemachte Verschlimmerung seiner Funktionseinschränkungen richtet sich nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit es in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass, hier des bestandskräftigen Bescheides vom 3. November 2005, vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden (§ 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB X).
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (vgl. Art. 63, 68 des Gesetzes vom 19.06.2001 BGBl. I S. 1046). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Die VG haben die AHP - jedenfalls soweit vorliegend relevant - übernommen und damit gewährleistet, dass gegenüber dem bisherigen Feststellungsverfahren keine Schlechterstellung möglich ist.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Der Gesamt-GdB ist vorliegend in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP).
Ausgehend hiervon steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers und den sich daraus ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen gegenüber den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem Bescheid vom 3. November 2005 zugrunde lagen, zwar eine Verschlimmerung eingetreten ist, der aber durch den Teil-Abhilfebescheid vom 12. Juni 2008 und das Teilanerkenntnis des Beklagten vom 14. Dezember 2010 ausreichend Rechnung getragen wird. Dass auch unter Berücksichtigung des von Dr. M. erstatteten Gutachtens der GdB mit 40 ab 15. Juli 2010 zu bewerten ist, hat das SG ausführlich begründet dargelegt. Dem ist aus Sicht des Senats auch in Abwägung der mit der abweichenden Einschätzung des behandelnden Orthopäden Dr. H. sowie des nach § 109 SGG erstatteten Gutachtens von Prof. Dr. H. nichts hinzuzufügen.
Soweit der Beklagte für die Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks einen Teil-GdB von 10 für angemessen erachtet hat, so ist dies aus Sicht des Senats angesichts der von Prof. Dr. H. befundeten Normalbeweglichkeitsmaße beidseits von Extension/Flexion 0-0-140° bei Angabe von ventralen Knieschmerzen links mehr als rechts bei zunehmender Flexion angemessen (vgl. AHP Teil A Nr. 26.18; VersMedV Teil 3 Nr. 18.14). Diese Bewegungsmaße wurden im Wesentlichen auch anlässlich der Begutachtung von Dr. M. bestätigt (Extension/Flexion beider Kniegelenke 5-0-140°). Insoweit kommt es allein auf die Funktionsbeeinträchtigungen an, die bei normaler Beweglichkeit allenfalls geringfügig sind.
Die abweichende Einschätzung des GdB mit 50 von Dr. M. beruht allein auf der nicht im Einklang mit den versorgungsärztlichen Grundsätzen stehenden Bewertung des Diabetes mellitus Typ II mit 20. Dieser Bewertung kann - wie bereits das SG dargelegt hat - angesichts der 2008 noch nicht durchgeführten (so der behandelnde Internist Dr. K. am 4. Dezember 2008), dann aber spätestens im Oktober 2009 eingeleiteten medikamentösen Therapie (vgl. Gutachten Prof. Dr. H.) nicht gefolgt werden. Denn nach damaliger Entscheidungslage (Zweite Verordnung zur Änderung der VersMedV vom 14. Juli 2010) kam es maßgebend darauf an, ob mit Hypoglykämien zu rechnen war. Das kann angesichts der vom Kläger eingenommenen Medikamente (Glitazonpräparate sowie Metformin) verneint werden, worauf auch der Beratungsarzt Dr. W. zutreffend hingewiesen hat. Nach der aktuellen VersMedV kommt es allein darauf an, ob eine Insulintherapie und wenn ja mit welchen Beeinträchtigungen für die Teilhabe durchgeführt werden muss, so dass der Diabetes des Klägers nunmehr sogar mit 0 zu bewerten ist.
Soweit Dr. M. seine Bewertung des Diabetes auf die Folgeerkrankungen (Verdacht auf Polyneuropathie) gestützt hat, vermag das ebenso wenig zu überzeugen, zumal die Untersuchung des Klägers auf Grund der Aggravationstendenzen erschwert war. Denn anlässlich der Begutachtung von Prof. Dr. H. war eine Polyneuropathie nicht zu diagnostizieren. Der Kläger imponierte vielmehr mit einem flüssigen, wenn auch verlangsamten Gangbild.
Einer weiteren Sachaufklärung von Amts wegen bedarf es nicht, ein fachübergreifendes Obergutachten muss nicht eingeholt werden. Das Gericht ist in der Würdigung der Sachverständigengutachten grundsätzlich frei; er kann auch ohne Einholung eines weiteren Gutachtens von einem Gutachten abweichen (BSG, Beschluss vom 6. Dezember 1989 - 2 BU 146/89). Einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten" sehen die Prozessordnungen - auch das SGG - nicht vor (BSG, Beschluss vom 17. November 2003 - B 3 P 23/03 B). Bei sich widersprechenden Gutachten ist das Gericht gehalten, sich mit dem Gutachten, dem es nicht folgt, auseinanderzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 23. Mai 2006 - B 13 RJ 272/05).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist lediglich eine Auseinandersetzung des Gerichts mit den Gutachten von Prof. Dr. H. und Dr. M. insoweit erforderlich, als deren Bewertung der Funktionseinschränkungen seitens des rechten Kniegelenks und des Diabetes mellitus so nicht gefolgt werden kann (siehe oben). Dadurch wird kein Anspruch auf ein Obergutachten begründet.
Gleichfalls war der Antrag des Klägers auf Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 109 SGG abzulehnen. Nach der Rechtsprechung ist das Antragsrecht nach § 109 SGG verbraucht, wenn wie hier bereits in erster Instanz ein Gutachten nach § 109 SGG eingeholt worden ist (vgl. Keller, Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 109, Rdnr. 11 b; Urteil des Senats vom 2. März 2011 - L 6 SB 4878/08). Es entspricht dem Beweisrecht, dass das Gericht nicht verpflichtet ist, einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer bestimmten Tatsache beliebig oft nachzukommen (BSG, Urteil vom 15. April 1991 - 5 RJ 32/90 - SozR 3-1500 § 109 Nr. 1; BSG, Beschluss vom 17. März 2010 - B 3 P 33/09 B, juris). Außerdem ist § 109 SGG als Ausnahmevorschrift (§ 103 Satz 2 SGG) eng auszulegen und bezieht sich die Vorschrift nur auf die gutachterliche Anhörung eines bestimmten Arztes. Eine wiederholte Antragstellung nach § 109 SGG rechtfertigt sich daher nur bei Vorliegen besonderer Umstände (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 109 SGG Rdnr. 10b). Diese Umstände liegen im Fall des Klägers nicht vor, denn der Kläger sieht sich durch die bereits eingeholten Gutachten in seinem Begehren bestätigt, macht also gerade nicht eine unvollständige Sachverhaltsermittlung oder gar besondere Umstände geltend.
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 30 bis 14. Juli 2010 und als 40 ab 15. Juli 2010. Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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