L 12 AS 1302/09 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AS 36/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1302/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Einbeziehung der Klägerin Ziff. 2 in die Bedarfsgemeinschaft mit dem Kläger Ziff. 1 und die Berücksichtigung ihres Einkommens sowie die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung streitig.

Der Kläger Ziff. 1 (geb. 1949) ist mit der Klägerin Ziff. 2 (geb. 1951) verheiratet. Sie bewohnen gemeinsam eine Wohnung, für die sie eine Grundmiete von 447,69 EUR zuzüglich Heiz- und Nebenkosten von 81,80 EUR zu entrichten haben. Die Klägerin bezieht seit Februar 2004 eine zeitlich befristete (Arbeitsmarkt-)Rente wegen voller Erwerbsunfähigkeit und zwar im Jahr 2008 in Höhe von 662,26 EUR brutto/594,49 EUR netto.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger Ziff. 1 mit Bescheid vom 22. April 2008 Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 1. Juni bis zum 30. November 2008 in Höhe von 468,54 EUR (251,67 EUR zur Sicherung des Lebensunterhalts und 216,87 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung). Auf Überprüfungsantrag des Klägers Ziff. 1 (Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10. Juli 2008) änderte der Beklagte mit Bescheid vom 22. August 2008 den Bescheid vom 22. April 2008 und bewilligte nun den Klägern Alg II bzw. Sozialgeld für die Zeit vom 1. Juni bis zum 30. November 2008 in Höhe von insgesamt 519,89 EUR (jeweils 43,07 EUR zur Sicherung des Lebensunterhalts und 216,87 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) bzw. ab 1. Juli 2008 527,89 EUR (jeweils 47,07 EUR zur Sicherung des Lebensunterhalts und 216,87 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung). Er berücksichtigte dabei die Regelleistung von je 312,- EUR bzw. 316,- EUR (ab 1. Juli 2008) sowie anerkannte Kosten der Unterkunft von 433,75 EUR und setzte davon das um die Versicherungspauschale und Versicherungsaufwendungen (insgesamt 51,43 EUR) bereinigte Einkommen der Klägerin Ziff. 2 in Höhe von 537,86 EUR ab. Da die Klägerin Ziff. 2 eine befristete Erwerbsminderungsrente beziehe, werde sie als Sozialgeldempfängerin in die Bedarfsgemeinschaft aufgenommen. Den Überprüfungsantrag lehnte der Beklagte bzgl. der Höhe der Unterkunftskosten durch gesonderten Bescheid ab (Bescheid vom 22. August 2008). Den gegen den Änderungsbescheid eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2008 als unbegründet zurück.

Dagegen erhoben die Kläger am 2. Januar 2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG), mit der sie sich gegen die Einbeziehung der Klägerin Ziff. 2 in die Bedarfsgemeinschaft mit dem Kläger Ziff. 1 richten. Die Klägerin Ziff. 2 könne ihren Bedarf aus ihrem Einkommen decken. Lediglich aufgrund der Vorschrift des § 9 SGB II werde Hilfebedürftigkeit fingiert und qua Gesetz angeordnet. Diese Norm sein verfassungswidrig. Das Grundrecht auf Achtung und Schutz der Menschenwürde sei verletzt, wenn derjenige, der sich selbst helfen könne, verpflichtet werde, seine Mittel für andere einzusetzen, so dass er selbst mittellos werde und auf staatliche Hilfe angewiesen sei. Der Ansicht des BSG, dass die horizontale Berechnungsmethode mit der Folge des Einbezugs nicht hilfebedürftiger Personen in die Bedarfsgemeinschaft nicht verfassungswidrig sei, könne nicht gefolgt werden. Die Kosten der Unterkunft seien in Höhe der angemessenen Warmmiete zu übernehmen. Dabei seien neben der Kaltmiete als angemessene Betriebs- und Heizkosten mindestens die Beträge des Betriebskostenspiegels zu übernehmen. Bleibe die Miete innerhalb der so gebildeten Gesamtmiete, seien die Kosten der Unterkunft angemessen. Neben der von dem Beklagten anerkannten Kaltmiete von 5,20 EUR/m² fielen laut dem Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes 2,82 EUR /m² Betriebs- und Heizkosten an, mithin insgesamt 8,02 EUR/m². Daraus ergebe sich für einen 2-Personen-Haushalt eine Miete in Höhe von 481,20 EUR anstatt der vom Beklagten übernommenen 433,75 EUR.

Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 16. Februar 2009 abgewiesen. Die Frage der Einbeziehung der Klägerin Ziff. 2 in die Bedarfsgemeinschaft sei rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte habe entsprechend den gesetzlichen Regelungen der §§ 7 Abs. 3 Nr. 3a, 9 Abs. 1 und 2 SGB II die Kläger rechtsfehlerfrei als Bedarfsgemeinschaft angesehen, die Höhe des Bedarfs dieser Bedarfsgemeinschaft nach den §§ 20 ff. SGB II rechtsfehlerfrei berechnet und sodann nach den §§ 11, 19 S. 3 SGB II das Einkommen der Klägerin Ziff. 2 zutreffend berechnet. Es bestehe kein Anlass, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen, da die Kammer die Vorschriften des SGB II nicht für verfassungswidrig halte. Insofern folge sie der Entscheidung des BSG vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R -. Soweit die Kläger höhere Kosten der Unterkunft verlangen, sei die Klage unzulässig, da der Beklagte über diese Frage bereits bestandskräftig entschieden habe. Über die Kosten der Unterkunft und Heizung habe der Beklagte nicht erneut rechtsmittelfähig entschieden.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. Februar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 18. März 2009 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger, mit der sie die Einbeziehung der Klägerin Ziff. 2 in die Bedarfsgemeinschaft beanstanden. Es gelte der Grundsatzes, dass niemand, der sich selbst helfen könne, verpflichtet sei, seine Mittel für andere einzusetzen, so dass er selbst mittellos werde und auf staatliche Hilfe angewiesen sei. Die horizontale Berechnungsmethode des § 9 Abs. 2 S. 3 SGB II sei nicht nachvollziehbar. Diese Methode führe zur Abhängigkeit der eigentlich nicht hilfebedürftigen Ehefrau von staatlichen Leistungen, was gegen die in Art. 1 GG garantierte Menschenwürde verstoße und zu zahlreichen Problemen führe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 145 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist auch im Übrigen statthaft (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Beide Voraussetzungen sind in Anbetracht des Beschwerdewerts und des Bewilligungszeitraums von 6 Monaten nicht gegeben. Dabei ist bei einem eine Geldleistung betreffenden Rechtsmittel der Betrag maßgeblich, um den unmittelbar gestritten wird; rechtliche oder wirtschaftliche Folgewirkungen bleiben grundsätzlich außer Betracht (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, vgl. z.B. Beschluss vom 31. Januar 2006 - B 11a AL 177/05 B -). Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird danach bestimmt, was das SG dem Rechtsmittelführer versagt hat und was von ihm in der Rechtsmittelinstanz weiterverfolgt wird (vgl. bspw. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 144 Rdnr. 14 m.w.N.). Das ist unter Berücksichtigung des Vorbringens der Kläger höchstens ein Betrag von 591,84 EUR. Sie haben ihr Leistungsbegehren zwar nicht ausdrücklich beziffert, jedoch verlangen sie für den im angefochtenen Bescheid vom 22. August 2008 geregelten Bewilligungsabschnitt vom 1. Juni bis zum 30. November 2008 höhere Leistungen unter Berücksichtigung von monatlichen Kosten der Unterkunft in Höhe 481,20 EUR und unter der Prämisse, dass die Klägerin Ziff. 2 ihren Bedarf aus ihrem eigenen Einkommen selbst deckt und ihr Renteneinkommen nicht bei der Berechnung des Bedarfs des Klägers Ziff. 1 bedarfsmindernd zur Verfügung steht (anstatt des vom Beklagten bewilligten Monatsbetrages von insgesamt 519,89 EUR bzw. 527,89 EUR). Daraus ergibt sich ein monatlicher Gesamtbedarf des Klägers Ziff. 1 von 556,60 EUR (316,- EUR + [481,20 EUR / 2 =] 240,60 = 556,60 EUR), der sich im Hinblick auf die durch den Beklagten bewilligten Leistungen um 519,89 EUR auf 36,71 EUR reduziert. Damit ist die Beschwerdewertgrenze von 750,- EUR für den streitgegenständlichen Bewilligungsabschnitt von Juni bis November 2008 nicht überschritten (6 - 36,71 EUR = 220,26 EUR) und zwar selbst dann nicht, wenn in die Bedarfsberechnung die tatsächlichen Unterkunftskosten von monatlich 529,49 EUR (kopfteilig 264,75 EUR) eingestellt werden ([316,- EUR + 265,75 EUR =] 580,75 EUR - 519,89 EUR = 60,86 EUR - 6 = 365,16 EUR). Auch wenn davon ausgegangen wird, dass die Kläger als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft einen individuell zu ermittelnden Anspruch auf Leistungen geltend machen (vgl. bspw. BSG, Urteil vom 19. September 2008 - B 14/7b AS 10/07 R -) mit der Folge, dass die in subjektiver Klagehäufung geltend gemachten Individualansprüche der Kläger zusammenzurechnen sind, soweit es sich nicht um wirtschaftlich identische Streitgegenstände handelt (§§ 202 SGG, 5 ZPO), ergibt eine überschlägige Berechnung (unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten), dass die Beschwerdewertgrenze nicht überschritten wird ([2 - 316,- EUR = 632,- EUR + 529,49 EUR =] 1161,49 EUR - [594,49 EUR - 51,43 EUR =] 542,96 EUR = 618,53 EUR -519,89 EUR = 98,64 EUR - 6 = 591,84 EUR).

Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 16. Februar 2009 die Berufung auch nicht zugelassen. Eine Entscheidung über die Zulassung ist weder dem Tenor noch den Entscheidungsgründen zu entnehmen. Die Kläger haben das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG ist nicht gegeben. Die von den Klägern aufgeworfenen Fragen haben keine grundsätzliche Bedeutung, da es sich nicht um klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfragen im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG handelt. Eine Rechtssache hat dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung auch durch das Revisionsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit; vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage 2008, § 144 Rdnr. 28; § 160 Rdnr. 6 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts). Ein Individualinteresse genügt nicht (Leitherer a.a.O., § 144 Rdnr 28 f.). Die Rechtsfrage darf sich nicht unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lassen oder bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden sein. Hinsichtlich der horizontalen Bedarfsberechnung gem. § 9 Abs. 2 S. 3 SGB II und deren Verfassungsmäßigkeit ist ausreichend Rechtsprechung des BSG vorhanden (vgl. bspw. Urteile vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R -; vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 27/06 R -; 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R -; vom 19. September 2008 - B 14/7b AS 10/07 R -; vom 28. Oktober 2009 -B 14 AS 55/08 R -), so dass keine Klärungsbedürftigkeit vorliegt. Auch die Frage der Angemessenheit der Kosten von Unterkunft und Heizung ist in der Rechtsprechung des BSG geklärt (vgl. bspw. Urteile vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 27/09 R -; vom 18. Februar 2010 - B 14 AS 73/08 -; vom 19. Oktober 2010 - B 14 AS 2/10 R -; B 14 AS 15/09 R -).

Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, a.a.O., § 160 Rdnr. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen Rechtssatz in diesem Sinn hat das SG in seinem Gerichtsbescheid nicht aufgestellt, so dass eine Divergenz zu einer Entscheidung höherinstanzlicher Gerichte nicht vorliegt. Schließlich haben die Kläger auch keinen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Mangel des gerichtlichen Verfahrens gerügt, auf dem die Entscheidung des SG beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

Mangels Anfechtbarkeit der vorliegenden Nichtzulassungsentscheidung (§ 177 SGG) wird der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 16. Februar 2009 hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
Rechtskraft
Aus
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