L 10 R 2492/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 1 R 3994/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2492/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11.05.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1956 geborene Kläger hat keine abgeschlossene Berufsausbildung und war in verschiedenen Branchen tätig, zuletzt als Reifenmonteur. Seinen Rentenantrag vom 10.02.2009 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.2009 und Widerspruchsbescheid vom 19.11.2009 ab. Zu Grunde lag das von der Beklagten veranlasste Gutachten der Ärztin für Innere Medizin - Sozialmedizin - Dr. D. , die eine Lungenparenchymerkrankung mit intermittierender leichtgradiger respiratorischer Partialinsuffizienz, ein chronisch rezidivierendes belastungsabhängiges Wirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfälle und wechselnde belastungsabhängige Gelenksbeschwerden sowie Übergewicht diagnostizierte und den Kläger für leichte körperliche Arbeiten ohne erhöhte Stressbelastung/Zeitdruck, ohne Leiter- bzw. Gerüstarbeiten, ohne anhaltende Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne gehäuftes Bücken, Treppensteigen, Überkopfarbeiten und ohne inhalative Belastungen vollschichtig leistungsfähig hielt.

Das am 24.11.2009 angerufene Sozialgericht Mannheim hat zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Der Lungenfacharzt Dr. J. hat eine Einschränkung der Belastungsfähigkeit durch die Lungenerkrankung angenommen und wegen des Gesamtgesundheitszustandes eine halbschichtige Tätigkeit nicht mehr für möglich erachtet. Der Orthopäde Dr. B. hat insbesondere über Schmerzzustände im Zusammenhang mit Wirbelsäulen- und Schulterbeschwerden berichtet und ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus bejaht. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Überkopfarbeiten, Hebe- und Tragebelastungen über 10 kg sowie das Besteigen von Gerüsten und Leitern. Ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen hat auch der Orthopäde Dr. R. bejaht. Der behandelnde Nervenarzt Dr. N. hat über eine depressive Störung, eine Neurofibromatose sowie ein chronisches Schmerzsyndrom berichtet und ein unter dreistündiges Leistungsvermögen angenommen.

Daraufhin hat das Sozialgericht ein internistisch-pneumologisches Gutachten bei Dr. G. eingeholt. Der Sachverständige hat eine chronisch obstruktive Bronchitis, eine chronisch interstitielle Lungenerkrankung, eine arterielle Hypertonie, eine Fettstoffwechselstörung und Hyperurikämie bei Adipositas, die bekannte Neurofibromatose sowie ein chronisches Schmerzsyndrom diagnostiziert, den Kläger aber gleichwohl für leichte Tätigkeiten in vollschichtigem Umfang leistungsfähig erachtet. Nicht mehr zumutbar seien Arbeiten unter Zeitdruck, unter Einwirkung von Staub oder atemwegsreizenden Dämpfen bzw. Gasen sowie Arbeiten überwiegend im Freien bei Nässe und Kälte. Das Sozialgericht hat weiter ein Gutachten bei Dr. Sch. , Chefarzt der Klinik für Allgemeinpsychiatrie im Psychiatrischen Zentrum N. , eingeholt. Dieser Sachverständige hat eine leichtgradige depressive Störung diagnostiziert und ein vollschichtiges Leistungsvermögen bejaht. Berufliche Tätigkeiten mit erhöhter Stressbelastung (z.B. durch erhöhten Zeitdruck, aber auch Nachtarbeit), Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung für Personen oder Sachwerte sowie mit hoher Konzentrationsanforderung und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien auszuschließen.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht beim PD Dr. F. , Chefarzt der Inneren Klinik in Bad K. , ein Gutachten eingeholt. Dieser hat ein Fibromyalgie-Syndrom, eine Lungenparenchymerkrankung, ein chronisches HWS-, LWS-Syndrom, ein Impingementsyndrom und eine ACG-Arthrose der linken Schulter, eine Frozen Shoulder beidseits, eine Adipositas, eine arterielle Hypertonie, die Neurofibromatose sowie hypochondrische Ängste und eine mäßiggradige depressive Symptomatik diagnostiziert und das Leistungsvermögen wegen des Fibromyalgie-Syndroms auf unter sechs Stunden eingeschätzt. Das Zurücklegen einer Wegstrecke von 500 m viermal am Tag hat der Sachverständige nicht für möglich und die Zeitdauer für 500 m Wegstrecke wegen der angenommenen Notwendigkeit einer fünfminütigen Pause nach 300 m mit mehr als 15 Minuten angenommen.

Schließlich hat das Sozialgericht noch ein orthopädisches Gutachten bei Dr. S.-F. eingeholt, der ausgehend von den degenerativen Veränderungen der HWS und BWS mit Schmerzzuständen sowie mäßiggradigen Funktionseinschränkungen beider Schultergelenke, einer Gonarthrose sowie Coxarthrose beidseits und der Neurofibromatose ein vollschichtiges Leistungsvermögen für zumindest leichte Tätigkeiten bejaht hat. Das Heben und Tragen von Gegenständen von mehr als 12 kg, länger anhaltende und häufig wiederholende Tätigkeiten in wirbelsäulenbelastenden Zwangshaltungen, häufig wiederkehrende und länger anhaltende Tätigkeiten in Armvorhalte oder über Kopf, häufiges Besteigen von Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten in kalten und nassen Räumen sowie Nachtschichttätigkeiten hat er ausgeschlossen. Eine wesentliche Einschränkung der Gehfähigkeit hat er - wie schon Dr. G. und Dr. Sch. - nicht angenommen.

Mit Urteil vom 10.05.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach Darstellung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung hat es ausgeführt, dass der Kläger trotz der bei ihm vorhandenen Gesundheitsstörungen noch zumindest sechs Stunden täglich arbeiten kann. Einseitige Körper- sowie Zwangshaltungen der Wirbelsäule, häufiges Bücken und Treppensteigen, Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten in Armvorhalte, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Hebe- und Trageanforderungen über 10 kg, inhalative Belastungen durch Staub, Gase und Dämpfe sowie Tätigkeiten, die überwiegend im Freien zu verrichten seien oder mit Einwirkungen durch Nässe und Kälte einhergingen, seien zu vermeiden. Darüber hinaus sei eine Minderung der Stressbelastung sowie der kognitiven Spitzen- und Ausdauerleistungsfähigkeit zu beachten, sodass dem Kläger Fließband-, Schicht- und Nachtarbeiten, Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung oder besonderem Zeitdruck sowie Arbeiten, die hohe Konzentrationsanforderungen (Tätigkeiten an gefährlichen laufenden Maschinen, komplexe Kontrollfunktionen) beinhalteten, nicht mehr zumutbar seien. Es hat sich dabei der Beurteilung der gerichtlichen Sachverständigen Dr. G. , Dr. Sch. und Dr. S.-F. sowie dem Gutachten von Dr. D. und den sachverständigen Zeugenauskünften von Dr. B. und Dr. R. angeschlossen. Weiterhin hat es ausgeführt, aus welchen Gründen der Beurteilung der behandelnden Ärzte Dr. J. und Dr. N. eben so wenig gefolgt werden kann wie der Leistungsbeurteilung von PD Dr. F ...

Gegen das ihm am 15.06.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger noch am Tag der Zustellung Berufung eingelegt. Er rügt, dass die Schmerzproblematik nicht hinreichend gewürdigt worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10.05.2011 und den Bescheid vom 23.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger in erster Linie beanspruchte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch täglich sechs Stunden und mehr ausüben kann und auch nicht gehindert ist, die Wege zu und von der Arbeit zurückzulegen. Es hat dabei den von ihm umfassend ermittelten Sachverhalt in nicht zu beanstandender Weise gewürdigt und sich zu Recht der überzeugenden Beurteilung in den Gutachten von Dr. D. , Dr. G. , Dr. Sch. und Dr. S.-F. sowie den damit übereinstimmenden Einschätzungen der behandelnden Orthopäden angeschlossen; dass und aus welchen Gründen der abweichenden Beurteilung von PD Dr. F. sowie der übrigen behandelnden Ärzte nicht gefolgt werden kann, hat das Sozialgericht ebenso zutreffend dargelegt. Das Sozialgericht hat auch zu Recht einen Anspruch nach § 240 SGB VI - danach haben Versicherte, die (unter anderem) vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind, Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit - verneint, weil der Kläger keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Soweit der Kläger meint, seine chronischen Schmerzzustände seien nicht berücksichtigt worden, trifft dies nicht zu. Auf Seite 9 des angefochtenen Urteiles hat das Sozialgericht seiner Beurteilung gerade ein solches Schmerzsyndrom zu Grunde gelegt. Die beim Kläger bestehenden Schmerzzustände sind i. Ü. Gegenstand der Gutachten von Dr. D. (als Wirbelsäulensyndrom und Gelenksbeschwerden), Dr. G. (als chronisches Schmerzsyndrom), Dr. S.-F. (als Ausdruck der festgestellten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und der Gelenke) und PD Dr. F. (als Fibromyalgie) gewesen. Aus welchen Gründen der Leistungsbeurteilung von PD Dr. F. - auch wenn man von einer Fibromyalgie ausgeht - nicht zu folgen ist, hat das Sozialgericht dabei im Einzelnen dargelegt. Dem Umstand, dass der gerichtliche Sachverständige Dr. Sch. diesbezüglich in seinem Gutachten keine entsprechende Diagnose angeführt hat, kommt deshalb keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch und gerade die den Kläger wegen der Schmerzzustände, die sich allein auf den Bereich des Bewegungsapparates beziehen, behandelnden Orthopäden keine rentenrelevante Einschränkung des Leistungsvermögens angenommen haben.

Aus den vom Kläger zuletzt vorgelegten Befundberichten ergeben sich keine Hinweise auf weitere rentenrelevante Gesundheitsstörungen oder eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Auch der Kläger behauptet dies nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved