L 8 SF 2916/11 AB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SF 2916/11 AB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Befangenheitsantrag des Klägers vom 10.06.2011 wird abgelehnt.

Gründe:

Der Ablehnungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg.

Der am 10.06.2011 beim Sozialgericht ... (SG) eingegangene Befangenheitsantrag des Klägers ist nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger in der öffentlichen Sitzung des SG am 12.05.2011 seine Klage (S 10 U 3121/10) gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten gegenüber dem Richter V (künftig V.) zurückgenommen hat. Der Kläger hat gleichzeitig mit seinem Befangenheitsantrag die Rücknahme der Klage widerrufen, und damit die Klagerücknahme streitig gestellt, weshalb das Verfahren jedenfalls zur Klärung der Wirksamkeit der erklärten Klagerücknahme vom Richter V. fortzuführen ist (S 10 U 1963/11).

Der Ablehnungsantrag ist allerdings unzulässig, soweit der Kläger seinen Antrag pauschal gegen das SG richtet. Ein Ablehnungsgesuch kann sich nur gegen einzelne Richter richten. Werden mehrere Richter eines Spruchkörpers oder gar des gesamten Gerichts abgelehnt, ist ein Ablehnungsgesuch unzulässig, wenn keine individualisierte Ablehnungsgründe genannt werden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 60 RdNr. 10b). Dies trifft hinsichtlich der pauschalen Ablehnung des SG zu.

Soweit das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Richter V. - wegen seiner Tätigkeit im Verfahren S 10 U 3121/10 - gerichtet ist, ist es unbegründet.

Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit von einem Prozessbeteiligten abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, a.a.O, § 60 RdNr. 7). Es muss ein objektiver vernünftiger Grund vorliegen, der geeignet ist, den Antragsteller von seinem Standpunkt aus befürchten zu lassen, der abgelehnte Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden. Allein die unrichtige Anwendung von Verfahrens- oder materiellem Recht ist mithin kein für die Richterablehnung ausreichender Grund, denn diese ist grundsätzlich kein geeignetes Mittel, sich gegen für unrichtig gehaltenes prozessuales Vorgehen oder für unzutreffend angesehene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, es sei denn, die mögliche Fehlerhaftigkeit beruhte auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder Willkür (vgl. BVerfG NVwZ 2009, 581; Bundesarbeitsgericht NZA 1993, 238; BFH NVwZ 1998, 663, 664). Danach ist eine Besorgnis der Befangenheit nur dann begründet, wenn das prozessuale Vorgehen eines Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt, dass sich für den betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt. Ein Verfahrensfehler des Gerichts vermag für sich allein noch nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Allerdings kann eine Häufung prozessualer Fehler stets zum Nachteil einer Partei auch bei einem besonnenen und vernünftigen Beteiligten den Eindruck einer unsachlichen Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des Richters erwecken. Eine sachliche Meinungsäußerung über die Aussichten der Klage oder die Rechtslage rechtfertigt keine Besorgnis der Befangenheit (Bundesverwaltungsgericht NJW 79, 1316). Nicht ausreichend ist auch die Äußerung einer unrichtigen Rechtsauffassung, soweit sie nicht auf unsachlicher Einstellung des Richters oder auf Willkür beruht (vgl. Meyer-Ladewig a.a.O., RdNr. 8g, 8j).

Auf der Grundlage dieser Beurteilungskriterien vermag der Senat eine begründete Besorgnis der Befangenheit des Richters V. nicht zu erkennen. Das Vorbringen des Klägers lässt nicht erkennen, dass die vom Kläger beanstandende Rechtsansicht des Richters V. zum Unternehmensbegriff des SGB VII (§ 123) auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder auf Willkür beruht. Sie entspricht vielmehr - entgegen der eigenen Ansicht des Klägers - der Rechtsprechung des BSG. Danach knüpft der unfallversicherungsrechtliche Begriff des Unternehmens nicht an eine bestimmte Rechtsform oder das Vorliegen einer organisatorischen Einheit an und setzt weder einen Geschäftsbetrieb noch eine auf Erwerb oder Gewinnerzeilung gerichtete Tätigkeit voraus (vgl. BSG, Urteil vom 18.01.2011 - B 2 U 16/10 R -, m.w.N.). Auch die vom Kläger gerügte Aussage des Richters V., dass bei Rücknahme der Klage Gerichtskosten gespart werden könnten, trifft nach dem Gerichtskostengesetz Kostenverzeichnis Teil 7 Ziff. 7111 Nr. 1a zu, da sich bei einer Klagerücknahme vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung der Gebührensatz nach Kostenverzeichnis Ziff. 7110 von 3,0 auf 1,0 ermäßigt. Eine Beleidigung oder eine Beihilfe der Beklagten kann der Kläger in der gerügten Aussage des Richters V. nicht begründet sehen. Für die Richtigkeit seines Vorbringens, ihm scheine, dass das Gericht keinerlei Interesse habe, ein unabhängiges Urteil zu fällen, fehlt schließlich jeder Anhaltspunkt.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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