Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 4301/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3099/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.04.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemanns (nur noch) die Feststellung seiner Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV - nachfolgend BK Nr. 1103: Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen) bzw. als sogenannte Wie-BK (heute: BK Nr. 4113 der Anlage 1 zur BKV: Lungenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe - PAK - bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 Benzo(a)pyren-Jahren).
Der am 02.12.1944 geborene Ehemann der Klägerin (nachfolgend: der Versicherte - V.) schloss im März 1962 eine Lehre zum Klischeeätzer ab. Als solcher war er bis Dezember 1971 in verschiedenen Betrieben ohne Expositionen gegenüber lungenkanzerogenen Arbeitsstoffen tätig (Arbeitsplatzanalyse des Diplomchemikers Dr. S. , Mitarbeiter des Technischen Aufsichtsdienstes - TAD - der Beklagten, vom 15.02.2005 Bl. 167 ff. VA). Ab April 1972 arbeitete V. in verschiedenen Betrieben im Tiefdruck als Zylinder-Korrigierer, zuletzt ab Juli 1985 bei der B. Verlag und Druckerei GmbH. Im Bereich der Korrektur wurde im Wesentlichen mit den Stoffen Toluol, Eisessig (Essigsäurelösung), Tripelpuder (Polierschiefer aus Kieselgur), verdünnte Schwefel- und Salzsäure, Chromätze, Kupfersulfathydrat sowie Asphaltlack und Eisenchloridlösung gearbeitet. V. war selbst nicht in der Galvanik an Verchromungsbädern eingesetzt, setzte jedoch während der Beschäftigungszeit bei der FI. B. im Zeitraum von 1985 bis ca. 1995 Chromsäurebäder einmal pro Monat in einem 200-Liter-Fass in einem kleinen Raum neben der Korrekturabteilung an. Hierzu wurde Kaliumdichromat mit Hilfe einer Schaufel in Wasser und Schwefelsäure gegeben und anschließend verrührt, wobei es zu kurzzeitigen Expositionen gegenüber Chrom(VI)-Verbindungen, einem krebserregenden Arbeitsstoff, kam. (siehe Bericht des Dr. S. Bl. 171/172 VA nebst seiner Klarstellung im Berufungsverfahren, Bl. 245 ff. LSG-Akte, dass es sich bei der von V. angesetzten Lösung nicht um Chromätze, sondern um ein Chromsäurebad gehandelt, hingegen die von V. im Rahmen der Arbeit in der Korrektur verwandte Chromätze zu keinem Zeitpunkt Chrom oder Chromverbindungen enthalten habe).
V. war Raucher. Im Januar 2005 gab er gegenüber Dr. S. an, seit seinem 18. Lebensjahr bis ungefähr in das Jahr 1999 1,5 Päckchen pro Tag geraucht zu haben (Bl. 23 VA). Andernorts hatte er angegeben, jahrelang 40 Zigaretten täglich geraucht zu haben (Entlassungsbericht der Reha-Klinik I. vom November 2004 Bl. 95 VA; ähnlich Arztbrief von Dr. R. vom Januar 2000 Bl. 46 VA). Die Aufgabe des Nikotinkonsums erfolgte nach den vorhandenen medizinischen Unterlagen im Frühjahr 2000 im Zusammenhang mit dem Auftreten einer hochgradigen Arteriosklerose nebst Gefäßsklerose in den Beinen, die mit einem Stent versorgt wurde (siehe u.a. Arztbrief des Prof. Dr. D. des Klinikums Karlsbad-Langensteinbach Bl. 49 VA). Von den behandelnden Ärzten wurden 40 bzw. 80 Packungsjahre (ein Packungsjahr = ein Päckchen Zigaretten zu 20 Stück täglich pro Jahr, s. Gutachten Prof. Dr. K. , Bl. 197 LSG-Akte) angenommen (Arztbrief Dr. Sch. vom Januar 2005, Bl. 161 VA, Arztbrief der R. Bretten vom April 2005 Bl. 103 LSG-Akte).
Ab März 2004 wurde V. zunächst wegen einer Tachyarrhythmie arbeitsunfähig geschrieben. Im Juni desselben Jahres ergab sich ein alsbald bestätigter Verdacht auf das Vorliegen eines Tumors des rechten Lungenoberlappens. Nach einer im Juli 2004 erfolgten Oberlappenresektion wurde ein großzelliges Plattenepithelkarzinom des rechten Lungenoberlappens diagnostiziert (u.a. Pathologieberichte Bl. 90 und 107 VA, Reha-Entlassungsbericht Bl. 92 VA), weshalb sich V. im Dezember 2004 im Hinblick auf seine Expositionen am Arbeitsplatz und eines Anspruchs auf Rente an die damalige Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagte) wandte. Wegen der Herzrhythmusstörungen musste beim Kläger im August 2004 zudem ein Herzschrittmacher implantiert werden. Trotz der durchgeführten Therapien wurde im März 2005 ein Rezidiv der Karzinomerkrankung festgestellt. V. verstarb am 13.07.2005. Damals, wie auch zuvor, lebte er mit der Klägerin in einem gemeinsamen Haushalt (Bl. 29 LSG-Akte).
Am 21.12.2004 hatte V. bei der Beklagten unter dem Hinweis auf eine Belastung durch Chromnickel als berufsbedingtes Risiko einen Antrag auf eine Berufsunfähigkeitsrente gestellt.
Mit Bescheid vom 12.05.2005 in der Gestalt des (in Unkenntnis des Todes des V. noch an diesen adressierten) Widerspruchsbescheids vom 28.09.2005 lehnte die Beklagte die Feststellung der BKen Nrn. 1103, 4101, 4104, 4109 und 4112 sowie im Hinblick auf eine Einwirkung von PAK auch die Feststellung einer Wie-BK ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden daher nicht. Dies gelte auch für Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer BK entgegenzuwirken. Dem lagen die arbeitstechnischen Ausführungen von Dr. S. (Bl. 167, 185, 215 VA) sowie eine Stellungnahme der Gewerbeärztin E. (Bl. 193 VA) zu Grunde. Relevant als krebserzeugender Arbeitsstoff hielt Dr. S. ausschließlich Chrom(VI)-Verbindungen. Er nahm zwar eine kurzzeitige Überschreitung des diesbezüglichen Grenzwertes (TRK-Wert) beim Ansetzen der Chromsäurebäder einmal monatlich an, ging aber gleichwohl von einer sicheren Einhaltung des Schichtmittelwertes (TRK-Wert 0,1 E (mg/m³) für Chrom(VI)-Verbindungen aus. Die verwandten Abdecklacke hätten nicht zu einer über das ubiquitäre Maß hinausgehenden Gefährdung durch PAK geführt. Insbesondere habe keine Exposition gegenüber Bitumendämpfen oder Aerosolen vorgelegen. Auf der Grundlage der Ausführungen von Dr. S. sah die Gewerbeärztin E. keine arbeitsmedizinisch relevante Exposition gegenüber krebserzeugenden Arbeitsstoffen. Demnach hätten zu dem Bronchialkarzinom außerberufliche Faktoren beigetragen, zu welchen der Nikotinabusus zähle.
Deswegen hat die Klägerin am 27.10.2005 beim Sozialgericht Karlsruhe Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den Internisten und Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. K. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat unter Annahme einer Nicht-Heißverarbeitung bitumenhaltiger Arbeitsstoffe nur eine vernachlässigbare PAK-Konzentration gesehen. Unter Einräumung von Datenlücken hinsichtlich der Wirkung von PAK könne lediglich sicher festgestellt werden, dass im Druckgewerbe die Anzahl der Lungenkrebspatienten bei Nichtrauchern selten sei. Der Kontakt zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen reduziere sich ausschließlich auf Chrom(VI)-Verbindungen. Insgesamt hat er die diesbezügliche Exposition, insbesondere was die Dauerexposition angeht, für zu gering erachtet und das inhalative Rauchen als sehr eindeutigen außerberuflichen Faktor, der auch zur Schädigung des übrigen Organismus geführt habe, angesehen.
Im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten von Dr. K. hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 25.04.2007 abgewiesen. Die Lungenkrebserkrankung des V. sei nicht als BK oder wie eine BK anzuerkennen und zu entschädigen. Zwar hat das Sozialgericht wegen des Hinweises von Dr. K. , eine Dosis-Wirkungsbeziehung bestehe bei Chrom nicht, zugunsten der Klägerin angenommen, dass insoweit die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien. Angesichts des jahrzehntelangen Zigarettenkonsums und des Hinweises von Dr. K. , dass der sogenannte "genetische Bruch", der zur Krebsentstehung führe, in der Regel mindestens 25 Jahre zurückliege, hat es die Chrombelastung für die Entstehung der Krebserkrankung jedoch nicht für ausreichend wahrscheinlich ursächlich gehalten. Unter Annahme eines nur zweimonatigen Kontakts mit Bitumen ohne Heißverarbeitung hat es auch eine Belastung durch PAK nicht als ursächlich für die Krebserkrankung angesehen.
Gegen das ihr am 25.05.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.06.2007 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, es könne nicht belegt werden, in welchem Umfang ihr Ehemann geraucht habe. Dabei räumt sie ein, dass er zum Zeitpunkt ihres Kennenlernens im Jahr 1975 bereits rauchte, bezweifelt jedoch, dass er schon ab dem 18. Lebensjahr rauchte, jedenfalls nicht 1,5 Packungen täglich. Es könne allenfalls von 25 Packungsjahren ausgegangen werden. Es sei nicht erwiesen, dass das Rauchen als alleinige Ursache der Krebserkrankung anzusehen sei. Sie hat Zweifel an den Ermittlungsergebnissen des TAD und bestreitet, dass Chromätze kein Chrom enthalte. Die jahrzehntelange Arbeit ihres Ehemanns in Druckereien mit entsprechenden Belastungen durch verschiedene Stoffe bei unterschiedlichen Arbeitsbedingungen seien bezüglich der hier maßgeblichen Stoffe Chrom und PAK nicht ausreichend gewürdigt worden. V. habe auch mit erwärmten Bitumen gearbeitet.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.04.2007 und des Bescheids der Beklagten vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2005 die Bronchialkarzinomerkrankung des V. als Berufskrankheit nach Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung bzw. wie eine Berufskrankheit festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. S. vorgelegt (Bl. 245 LSG-Akte) und sieht die vom Sozialgericht angenommene Bedeutung des Nikotinkonsums durch die Entscheidung des Landessozialgerichts Hessen vom 31.08.2010 (L 3 U 162/05, juris) bestätigt.
Dr. S. hat Protokolle zu Messungen bei der FI. B. Verlag und Druck GmbH aus den Jahren 1979 und 1981, ein Messprotokoll aus dem Jahr 1982 aus einem seiner Ansicht nach vergleichbaren Betrieb, TÜV-Messungen aus dem Jahr 1988 sowie Veröffentlichungen zu den Risiken bei Chrombelastungen am Arbeitsplatz (Pesch u.a. "Chrom und seine Verbindungen am Arbeitsplatz" in BGFA-Info 3/08, Pesch u.a. "Berufliche Chrom(VI)-Exposition und Lungenkrebsrisiko in ASU 2009 - Bl.359 ff., 356 ff. LSG-Akte) vorgelegt. Er hat klargestellt, dass Chromätze kein Chrom enthalte und der monatliche Ansetzvorgang ein Chromsäurebad betroffen habe, das auch im Bereich der Korrektur vorhanden gewesen sei. Die maßgeblichen Grenzwerte für die Chromexposition seien eingehalten worden. An sich sei eine Lebensdosis nicht zu ermitteln. Mit Sicherheit habe sie aber unter den in der Literatur vorgeschlagenen Werten gelegen. Die Annahme einer PAK-Exposition aus der Anwendung einer Bitumenlösung entbehre jeder technischen und wissenschaftlichen Grundlage. Bitumen sei nicht mit Teer vergleichbar. Bei Verarbeitungstemperaturen unter 80° C, von denen auszugehen sei, seien Messungen auf PAK ergebnislos verlaufen. Gegen eine Heißverarbeitung spreche auch, dass der Asphaltlack zu mehr als der Hälfte aus Toluol und Benzin bestanden habe, die extrem leicht in Brand geraten wären oder ein explosives Gemisch gebildet hätten.
Der Senat hat Prof. Dr. W. (R. ) und den vormals behandelnden Allgemeinmediziner T. schriftlich als sachverständige Zeugen zum Erkrankungsverlauf bei V. befragt. Der Allgemeinmediziner T. hat umfassend Befundunterlagen vorgelegt. Dr. K. hat auf eine ergänzende Befragung durch den Senat mitgeteilt, er habe das Gutachten für das Sozialgericht unter Einschaltung von Prof. Dr. M. und eines "Gutachter-Treffs" erstellt, da er nicht in der Lage gewesen sei, die Fragen zu beantworten. Zu ergänzenden Ausführungen in der Sache hat er sich außer Stande gesehen.
Sodann hat der Senat Prof. Dr. K. mit der Erstellung eines fachinternistisch-pneumologischen Gutachtens nebst ergänzender Stellungnahme unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. S. vom Januar 2011 beauftragt. Prof. Dr. K. hat dargestellt, dass das Krebsrisiko nach einer Einstellung des Nikotinkonsums nur langsam sinke. Nach den Feststellungen des TAD sei weder eine relevante Chrom-Exposition - maßgeblich seien nur Chrom(VI)-Verbindungen - noch eine maßgebliche PAK-Exposition oberhalb der allgemeinen Umweltbelastung nachgewiesen. Die täglich angewandte Chromätze habe - so die Berichtigung des TAD - kein Chrom oder Chromverbindungen enthalten. Aus einem Tabakkonsum seit dem 18. Lebensjahr bis in das Jahr 2000 von 1,5 Päckchen pro Tag resultierten 57 Packungsjahre. Bei 20 Packungsjahren sei das Lungenkrebsrisiko um das sechs bis siebenfache erhöht, bei 40 Packungsjahren würde für männliche Raucher das relative Risiko auf 31,7 ansteigen Im Zeitraum von zwei bis neun Jahren unter strikter Nikotinkarenz sei das relative Lungenkrebsrisiko bei ehemaligen Rauchern immer noch ca. 19-fach erhöht und sinke erst nach ca. 20 bis 29 Jahre auf ein relatives Risiko von 4,62 herab.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2005, mit dem die Beklagte die Anerkennung einer BK oder Wie-BK und die Gewährung von Leistungen nach § 3 BKV ablehnte, und zwar - da die Klägerin im Berufungsverfahren ihren Antrag hierauf beschränkt hat - nur bezogen auf die Feststellung der BK Nr. 1103 bzw. einer Wie-BK im Hinblick auf eine Exposition gegenüber PAK. Die übrigen im Bescheid vom 12.05.2005 genannten BKen und die im Bescheid erwähnte Leistungsgewährung nach § 3 BKV sind somit nicht (mehr) Streitgegenstand.
Die Frage, ob die Lungenkrebserkrankung des V. als Folge einer Exposition gegenüber PAK anzusehen ist, entscheidet der Senat unter dem Blickwinkel der Feststellung einer Wie-BK obwohl zwischenzeitlich - nach Bekanntgabe der angefochtenen Bescheide und auch nach dem Urteil des Sozialgerichts - insoweit mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.06.2009 (BGBl. I S. 1273) die BK Nr. 4113 in die Berufskrankheitenliste eingefügt wurde. Die Beklagte konnte in den angefochtenen Bescheiden hinsichtlich der Belastung durch PAK nicht über die damals noch nicht existierende BK Nr. 4113, sondern - was sie auch vornahm - nur über eine Wie-BK entscheiden; nur diese Entscheidung stellt sich nunmehr der gerichtlichen Überprüfung durch den Senat. Schließlich sind auch die Voraussetzungen für eine rückwirkende Geltung der BK Nr. 4113 nach dem Wortlaut des insoweit einschlägigen § 6 Abs.1 Satz 2 BKV nicht erfüllt. Gemäß dieser Regelung ist auf Antrag, wenn der Versicherungsfall nach dem 30.11.1997 eingetreten ist und der Versicherte am 01.07.2009 an einer Krankheit nach Nr. 4113 leidet, diese als BK anzuerkennen. Zwar ist die Lungenkrebserkrankung des V. nach dem 30.11.1997 aufgetreten. Der Zeitpunkt ihres Eintritts kann hier frühestens mit dem sicheren Nachweis der Erkrankung im Jahr 2004 angenommen werden. Jedoch war V. am 01.07.2009 bereits verstorben.
Die Klägerin ist als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs.1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I) hinsichtlich der Anfechtungs- und Feststellungsklage passiv legitimiert. Als Ehegattin des V. lebte sie zum Zeitpunkt seines Todes mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt. Zwar bezieht sich § 56 Abs. 1 SGB I allein auf fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen, was für eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nicht ohne Weiteres zu bejahen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 05.02.2008, B 2 U 18/06 in SozR 4-1200 § 56 Nr.3 und vom 12.01.2010, B 2 U 21/08 R, juris) ist von einer Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Abs.1 SGB I aber auch bei einer Feststellungsklage auszugehen, wenn aus der begehrten Feststellung Ansprüche auf (weitere) Geldleistungen erwachsen können. Insoweit ist der Begriff der "Fälligkeit" in der Weise zu handhaben, dass bereits das Entstehen des Rechtsanspruchs dem Grunde nach für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ausreicht. Im Hinblick auf die von V. ausdrücklich beantragte Rentenleistung könnten mithin aus der begehrten Feststellung einer (Wie-)BK Ansprüche auf Verletztengeld oder Verletztenrente aus übergegangenem Recht zu Gunsten der Klägerin entstehen.
Die Voraussetzungen für die Feststellung der vorliegend streitigen BK bzw. einer Wie-BK liegen nicht vor.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 1103 der Anlage 1 zur BKV Erkrankungen durch Chrom und seine Verbindungen.
Ferner haben die Unfallversicherungsträger nach § 9 Abs. 2 SGB VII eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören sowohl der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 7, 8 SGB VII versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachen (sog. gruppentypische Risikoerhöhung). Mit dieser Regelung soll nicht in der Art einer Generalklausel erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit im Einzelfall zumindest hinreichend wahrscheinlich ist, wie eine BK zu entschädigen ist (BSG, Urteil vom 04.06.2002, B 2 U 20/01 R m.w.N.). Vielmehr sollen dadurch Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht in die BK-Liste aufgenommen wurden, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten. Hierzu zähl(t)en - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - Lungenkrebserkrankungen durch PAK bei Nachweis einer bestimmten Belastungsdosis (inzwischen BK Nr. 4113).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteile vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 und vom 12.01.2010, B 2 U 5/08 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 17). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier Einwirkungen durch einen Arbeitsstoff - eine naturwissenschaftliche Teil-Ursache einer Krankheit ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne die Einwirkung des Arbeitsstoffes eingetreten wäre, anders gesagt, ob der Stoff des jeweiligen BK-Tatbestands nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele. Ist dies der Fall, war die Einwirkung des Arbeitsstoffs für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Einwirken des Arbeitsstoffs für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Bei der Lungenkrebserkrankung des V. handelte es sich um ein Krankheitsbild, das sowohl von der BK Nr. 1103 ("Chromatlungenkrebs", s. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 1103 III) als auch von der hier streitgegenständlichen Wie-BK, dies ergibt sich klar aus der Bezeichnung der jetzigen Listen-BK Nr. 4113, erfasst wird.
Im Hinblick auf die BK Nr. 1103 ist der Senat in Übereinstimmung mit den Beteiligten der Auffassung, dass V. den von dieser BK erfassten Listenstoffen ausgesetzt war. Übereinstimmend gehen insoweit Dr. S. und Prof. Dr. K. davon aus, dass nach den heutigen Erkenntnissen allein auf die Belastung durch Chrom(VI)-Verbindungen abzustellen ist. Diese wurde in früheren Jahrzehnten - so Prof. Dr. K. - mit einer erhöhten Lungenkarzinom-Mortalität in Zusammenhang gebracht. Dreiwertige Chromverbindungen und metallisches Chrom sind - so ebenfalls Prof. Dr. K. - hingegen nach den heutigen Erkenntnissen nicht krebserregend.
Allerdings kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die Exposition gegenüber Chrom(VI)-Verbindungen für sich genommen - monokausal - das Lungenkarzinom hinreichend wahrscheinlich verursachte insbesondere ein Ausmaß erreichte, das zu einer erhöhten Gefährdung des V., an Lungenkrebs - nur diese Erkrankung steht hier zur Prüfung - zu erkranken, führte. Das Bundessozialgericht ist im Urteil vom 12.01.2010 (B 2 U 5/08 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 17), wie es auch in der unfallmedizinischen Literatur vertreten wird (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. S. 1117, siehe auch Pesch u.a., a.a.O.), davon ausgegangen, dass für die Anerkennung der BK Nr. 1103 allein auf Grund der Einwirkung von Chrom und seinen Verbindungen eine Einwirkung in der Größenordnung von 2.000 µg/m³ x Jahre erforderlich ist. Dieser Wert wird in der unfallmedizinischen Literatur (s. eben) als Konsens eines wissenschaftlich belastbaren Dosiswertes für eine Verdoppelung des Lungenkrebsrisikos bei Schweißern angesehen. Er errechnet sich aus einem früheren TRK-Wert von 200 µg/m³ multipliziert mit zehn Jahren Expositionsdauer. Dr. S. hat zuletzt (Bl. 249f. LSG-Akte) - für den Senat nachvollziehbar - darauf hingewiesen, dass die Berechnung einer kumulativen Lebensdosis für V. nicht möglich ist, da hierzu nicht vorhandene Messdaten von Chrom(VI)-Verbindungen in der lungengängigen Fraktion benötigt würden. Er hat jedoch anhand von Messdaten aus einem vergleichbaren Betrieb überzeugend dargelegt, dass die am Arbeitsplatz Zylinderkorrektur gemessenen Werte für alle Chromverbindungen - nicht nur für die Chrom(VI)-Verbindungen - in der einatembaren Fraktion von 0,5 µg/m³ deutlich mehr als den Faktor 100 unter dem eben genannten TRK-Wert von 200 µg/m³ liegen und damit auch unter Berücksichtigung des monatlichen Ansetzvorgangs nicht von einem erhöhten Lungenkrebsrisiko ausgegangen werden kann. Dem hat sich Prof. Dr. K. angeschlossen. Soweit die Klägerin zuletzt pauschal bestritten hat, dass Chromätze kein Chrom enthalte, sieht der Senat genauso wie Prof. Dr. K. keine Veranlassung für Zweifel an der Richtigkeit der von Dr. S. vorgenommenen begrifflichen Klarstellung. Demnach handelt es sich bei Chromätze um eine Zubereitung aus in der Regel Salzsäure mit Zinkchlorid oder Aluminiumchlorid und wird zum Ätzen von verchromten Oberflächen eingesetzt.
Hinsichtlich der weiter streitgegenständlichen Wie-BK (jetzt BK Nr. 4113) sieht der Senat keine belastbare Grundlage für die Annahme einer Exposition durch PAK, die die allgemeine Umweltbelastung übersteigt, geschweige denn den in der jetzigen BK Nr. 4113 geforderten Dosiswert von 100 Benzo(a)pyren-Jahre erreicht. Einhellig gehen Dr. S. und Prof. Dr. K. betreffend der hier ganz im Vordergrund diskutierten Verwendung von Asphaltlack davon aus, dass angesichts der Inhaltstoffe - Bitumen und nicht Teer - und der Verarbeitungstemperaturen - keine Heißverarbeitung von mindestens 80 °- die Annahme einer besonderen PAK-Exposition jeder technischen und wissenschaftlichen Grundlage entbehrt. Damit ist nicht nachgewiesen, dass die im jetzigen BK-Tatbestand genannte und schon vor Einfügung dieses BK-Tatbestandes bekannte (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 4113 II und Anm. Rdnr. 5) Einwirkungsvoraussetzung (100 Benzo(a)pyren-Jahre) erfüllt ist. In einem solchen Fall kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12.01.2010, B 2 U 5/08 R, a.a.O) der Arbeitsstoff zwar grundsätzlich die anerkannte Krankheit mitverursacht haben, eine Anerkennung der BK (hier: Wie-BK) scheidet aber aus, weil deren Mindestanforderungen nicht gegeben sind.
Nachdem somit weder für die Belastung durch Chrom und seine Verbindungen, noch für die Belastung durch PAK von einer alleinigen Verursachung der Karzinomerkrankung ausgegangen werden kann, ist - zumal die BK Nr. 1103 keine Mindesteinwirkungsdosis enthält - zu prüfen, ob diese Stoffe Teil einer Gruppe von Stoffen sind, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist und ob ihnen innerhalb dieser Gruppe eine wesentliche Eigenbedeutung zukommt (BSG, Urteil vom 12.01.2010, B 2 U 5/08 R, a.a.O).
Davon kann sich der Senat weder für die Belastung durch Chrom und seine Verbindungen und selbst für eine unterstellte das umweltbedingte Normalmaß überschreitende Belastung durch PAK nicht überzeugen. Der Senat geht auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. K. vielmehr davon aus, dass die Lungenkrebserkrankung des V. ausreichend durch seinen langjährigen Nikotinkonsum zu erklären ist. Damit kann die schädigende Einwirkung durch die eben genannten Arbeitsstoffe hinweg gedacht werden, ohne dass die Karzinomerkrankung entfiele. Der Senat ist davon überzeugt, dass bei V. ein Nikotinkonsum von mindestens 57 Packungsjahren vorlag. Für wesentlich erachtet der Senat dabei die von V. selbst im Rahmen einer persönlichen Befragung gegenüber Dr. S. gemachten Angaben, ergänzt durch die in verschiedenen medizinischen Unterlagen dokumentierte Beendigung des Nikotinkonsums Anfang des Jahres 2000. Auf Grund der Angaben des V. ist der Senat davon überzeugt, dass dieser seit seinem 18. Lebensjahr durchschnittlich 1,5 Packungen pro Tag rauchte. Die Aufgabe des Rauchens ist beispielsweise im Arztbrief des Kardiologen Dr. U. (Bl. 53 VA) für den Januar 2000 dokumentiert, was sich im Wesentlichen mit der Angabe des V. über einen Nikotinkonsum bis ungefähr in das Jahr 1999 deckt. Daraus ergeben sich - so Prof. Dr. K. - 57 Packungsjahre - auf eine mögliche Ungenauigkeit hinsichtlich des genauen Beendigungszeitpunktes (1999 bzw. 2000) kommt es nicht an, da der nachfolgend dargestellten Argumentation von Prof. Dr. K. wissenschaftliche Erkenntnisse für Raucher mit 40 Packungsjahren zu Grunde liegen, die von V. sicher deutlich überschritten wurden (Zeitdauer 1962 bis 1999 = 38 Jahre, multipliziert mit 1,5 Päckchen Zigaretten = 57 Packungsjahre, entsprechend bei 35 Jahre 55,5 Packungsjahre). Der Senat teilt nicht die Zweifel, die die Klägerin an dem hier zu Grunde gelegten Ausmaß des Nikotinkonsums für einen Zeitraum äußert, in dem sie V. noch nicht persönlich kannte. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass V. bei der Befragung durch Dr. S. bewusst oder unbewusst falsche Angaben zu seinem Nikotinkonsum machte. Die Annahme, dass er wahrheitswidrig einen zu hohen Nikotinkonsum angab, ist insbesondere deswegen fernliegend, da zur Überzeugung des Senats schon zum Zeitpunkt seiner Befragung seit Jahren allgemein bekannt war, dass das Rauchen im Zusammenhang mit Lungenkrebserkrankungen gebracht wird und sich für V. damit aufdrängte, dass starkes Rauchen eher gegen die von ihm geltend gemachte berufliche Verursachung sprach. Dabei stellt der Senat nicht in Abrede, dass es im Laufe der Jahre zu Schwankungen im Ausmaß des Nikotinkonsums gekommen sein kann und V. die Größenordnung von 1,5 Packungen täglich als einen aus seiner - nachvollziehbaren - Sicht richtigen Durchschnittswert erachtete. Schließlich gab V. während der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2004 an, jahrelang 40 Zigaretten - also zwei Packungen - pro Tag geraucht zu haben (Bl. 95 VA).
Nach den Ausführungen von Prof. Dr. K. ist das relative Risiko bei männlichen Rauchern mit 40 Packungsjahren für die Entstehung von Lungenkrebs auf 31,7 angestiegen. Das bedeutet, dass das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken nach 40 Packungsjahren 31,7 mal höher ist als unter männlichen Nichtrauchern. Bei V. lagen - wie eben dargestellt - zum Zeitpunkt der Aufgabe des Rauchens sogar deutlich über 40 Packungsjahre vor. Auch wenn V. ca. fünf Jahre (Prof. Dr. K. nennt in seinem Gutachten irrtümlich sieben Jahre) vor seinem Tod den Nikotingenuss einstellte, war für den Zeitpunkt der Erstdiagnose der Krebserkrankung nach den von Prof. Dr. K. dargestellten Zahlen (Auswirkungen einer strikten Karenz von zwei bis neun Jahre) noch immer von einem ca. 19-fach erhöhten Lungenkrebsrisiko auszugehen.
Auf Grund dieser erheblichen Risikoerhöhung allein durch den Nikotinkonsum ist der Senat davon überzeugt, dass eine Belastung durch die Arbeitsstoffe - Chrom(VI)-Verbindungen und PAK - hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Eintritt der Lungenkrebserkrankung entfiele. Denn dem 19-fach erhöhten Risiko auf Grund des unversicherten Nikotinkonsums steht eine Belastung durch die genannten Arbeitsstoffe gegenüber, für die Prof. Dr. K. schon im Ansatz eine relevante, das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken erhöhende Exposition ausschließt. Damit fehlt es bereits an einer quantitativ fassbaren Risikoerhöhung, die in ein Verhältnis zu der Risikoerhöhung durch das Rauchen gesetzt werden könnte. Der Senat vermag mithin nicht davon auszugehen, dass die diskutierten Arbeitsstoffe als Teile einer Gruppe von Stoffen für die Krebserkrankung von Bedeutung waren. Zu diesem Ergebnis gelangte auch die Gewerbeärztin E. , die ebenfalls den langjährigen Nikotinabusus als einzigen "Faktor" benannte.
Das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten von Dr. K. ist nicht verwertbar. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat sich herausgestellt, dass Dr. K. sich durch die ihm gestellten Fragen überfordert gesehen und sein Gutachten wesentlich nicht auf seiner Sachkunde und Einschätzung, sondern auf der Sachkunde und den Auffassungen von Prof. Dr. M. und weiteren, nicht näher bekannten Ärzten, die an einem "Gutachter-Treff" teilgenommen haben, beruht. Die Grenze der erlaubten Mitarbeit anderer Personen bei der Erstellung des Gutachtens durch den vom Gericht bestellten Sachverständigen ist aber dann mit der Folge der Unverwertbarkeit überschritten, wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden Zentralaufgaben nicht selbst wahrgenommen, sondern delegiert (BSG, Beschluss vom 18.11.2008, B 2 U 101/08 R, juris). Dies ist hier der Fall.
Im Übrigen ergäbe sich auch aus dem Gutachten von Dr. K. kein für die Klägerin günstigeres Ergebnis. Auch er hat die außerberuflichen Faktoren als "sehr eindeutig" angesehen und hierzu insbesondere auf das Ausmaß der Schädigung des übrigen Organismus - hochgradige Arteriosklerose, Gefäßsklerose in den Beinen - hingewiesen.
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nochmals die Einholung eines Gutachtens zur Ermittlung der Schadstoffexpositionen durch einen "neutralen" Gutachter angeregt hat, besteht hierfür keine Veranlassung. Der Senat stützt sich auf die Ausführungen des TAD. Es sind keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an deren Richtigkeit ersichtlich. Nicht ausreichend ist der pauschale Hinweis der Kläger, dass der TAD im Lager der Beklagten stehe. Zudem können die damaligen Arbeitsplatzverhältnisse insbesondere im Hinblick auf die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung behaupteten unzureichende Lüftung heute nicht mehr hergestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemanns (nur noch) die Feststellung seiner Lungenkrebserkrankung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV - nachfolgend BK Nr. 1103: Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen) bzw. als sogenannte Wie-BK (heute: BK Nr. 4113 der Anlage 1 zur BKV: Lungenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe - PAK - bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 Benzo(a)pyren-Jahren).
Der am 02.12.1944 geborene Ehemann der Klägerin (nachfolgend: der Versicherte - V.) schloss im März 1962 eine Lehre zum Klischeeätzer ab. Als solcher war er bis Dezember 1971 in verschiedenen Betrieben ohne Expositionen gegenüber lungenkanzerogenen Arbeitsstoffen tätig (Arbeitsplatzanalyse des Diplomchemikers Dr. S. , Mitarbeiter des Technischen Aufsichtsdienstes - TAD - der Beklagten, vom 15.02.2005 Bl. 167 ff. VA). Ab April 1972 arbeitete V. in verschiedenen Betrieben im Tiefdruck als Zylinder-Korrigierer, zuletzt ab Juli 1985 bei der B. Verlag und Druckerei GmbH. Im Bereich der Korrektur wurde im Wesentlichen mit den Stoffen Toluol, Eisessig (Essigsäurelösung), Tripelpuder (Polierschiefer aus Kieselgur), verdünnte Schwefel- und Salzsäure, Chromätze, Kupfersulfathydrat sowie Asphaltlack und Eisenchloridlösung gearbeitet. V. war selbst nicht in der Galvanik an Verchromungsbädern eingesetzt, setzte jedoch während der Beschäftigungszeit bei der FI. B. im Zeitraum von 1985 bis ca. 1995 Chromsäurebäder einmal pro Monat in einem 200-Liter-Fass in einem kleinen Raum neben der Korrekturabteilung an. Hierzu wurde Kaliumdichromat mit Hilfe einer Schaufel in Wasser und Schwefelsäure gegeben und anschließend verrührt, wobei es zu kurzzeitigen Expositionen gegenüber Chrom(VI)-Verbindungen, einem krebserregenden Arbeitsstoff, kam. (siehe Bericht des Dr. S. Bl. 171/172 VA nebst seiner Klarstellung im Berufungsverfahren, Bl. 245 ff. LSG-Akte, dass es sich bei der von V. angesetzten Lösung nicht um Chromätze, sondern um ein Chromsäurebad gehandelt, hingegen die von V. im Rahmen der Arbeit in der Korrektur verwandte Chromätze zu keinem Zeitpunkt Chrom oder Chromverbindungen enthalten habe).
V. war Raucher. Im Januar 2005 gab er gegenüber Dr. S. an, seit seinem 18. Lebensjahr bis ungefähr in das Jahr 1999 1,5 Päckchen pro Tag geraucht zu haben (Bl. 23 VA). Andernorts hatte er angegeben, jahrelang 40 Zigaretten täglich geraucht zu haben (Entlassungsbericht der Reha-Klinik I. vom November 2004 Bl. 95 VA; ähnlich Arztbrief von Dr. R. vom Januar 2000 Bl. 46 VA). Die Aufgabe des Nikotinkonsums erfolgte nach den vorhandenen medizinischen Unterlagen im Frühjahr 2000 im Zusammenhang mit dem Auftreten einer hochgradigen Arteriosklerose nebst Gefäßsklerose in den Beinen, die mit einem Stent versorgt wurde (siehe u.a. Arztbrief des Prof. Dr. D. des Klinikums Karlsbad-Langensteinbach Bl. 49 VA). Von den behandelnden Ärzten wurden 40 bzw. 80 Packungsjahre (ein Packungsjahr = ein Päckchen Zigaretten zu 20 Stück täglich pro Jahr, s. Gutachten Prof. Dr. K. , Bl. 197 LSG-Akte) angenommen (Arztbrief Dr. Sch. vom Januar 2005, Bl. 161 VA, Arztbrief der R. Bretten vom April 2005 Bl. 103 LSG-Akte).
Ab März 2004 wurde V. zunächst wegen einer Tachyarrhythmie arbeitsunfähig geschrieben. Im Juni desselben Jahres ergab sich ein alsbald bestätigter Verdacht auf das Vorliegen eines Tumors des rechten Lungenoberlappens. Nach einer im Juli 2004 erfolgten Oberlappenresektion wurde ein großzelliges Plattenepithelkarzinom des rechten Lungenoberlappens diagnostiziert (u.a. Pathologieberichte Bl. 90 und 107 VA, Reha-Entlassungsbericht Bl. 92 VA), weshalb sich V. im Dezember 2004 im Hinblick auf seine Expositionen am Arbeitsplatz und eines Anspruchs auf Rente an die damalige Rechtsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagte) wandte. Wegen der Herzrhythmusstörungen musste beim Kläger im August 2004 zudem ein Herzschrittmacher implantiert werden. Trotz der durchgeführten Therapien wurde im März 2005 ein Rezidiv der Karzinomerkrankung festgestellt. V. verstarb am 13.07.2005. Damals, wie auch zuvor, lebte er mit der Klägerin in einem gemeinsamen Haushalt (Bl. 29 LSG-Akte).
Am 21.12.2004 hatte V. bei der Beklagten unter dem Hinweis auf eine Belastung durch Chromnickel als berufsbedingtes Risiko einen Antrag auf eine Berufsunfähigkeitsrente gestellt.
Mit Bescheid vom 12.05.2005 in der Gestalt des (in Unkenntnis des Todes des V. noch an diesen adressierten) Widerspruchsbescheids vom 28.09.2005 lehnte die Beklagte die Feststellung der BKen Nrn. 1103, 4101, 4104, 4109 und 4112 sowie im Hinblick auf eine Einwirkung von PAK auch die Feststellung einer Wie-BK ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden daher nicht. Dies gelte auch für Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer BK entgegenzuwirken. Dem lagen die arbeitstechnischen Ausführungen von Dr. S. (Bl. 167, 185, 215 VA) sowie eine Stellungnahme der Gewerbeärztin E. (Bl. 193 VA) zu Grunde. Relevant als krebserzeugender Arbeitsstoff hielt Dr. S. ausschließlich Chrom(VI)-Verbindungen. Er nahm zwar eine kurzzeitige Überschreitung des diesbezüglichen Grenzwertes (TRK-Wert) beim Ansetzen der Chromsäurebäder einmal monatlich an, ging aber gleichwohl von einer sicheren Einhaltung des Schichtmittelwertes (TRK-Wert 0,1 E (mg/m³) für Chrom(VI)-Verbindungen aus. Die verwandten Abdecklacke hätten nicht zu einer über das ubiquitäre Maß hinausgehenden Gefährdung durch PAK geführt. Insbesondere habe keine Exposition gegenüber Bitumendämpfen oder Aerosolen vorgelegen. Auf der Grundlage der Ausführungen von Dr. S. sah die Gewerbeärztin E. keine arbeitsmedizinisch relevante Exposition gegenüber krebserzeugenden Arbeitsstoffen. Demnach hätten zu dem Bronchialkarzinom außerberufliche Faktoren beigetragen, zu welchen der Nikotinabusus zähle.
Deswegen hat die Klägerin am 27.10.2005 beim Sozialgericht Karlsruhe Klage erhoben. Das Sozialgericht hat den Internisten und Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. K. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat unter Annahme einer Nicht-Heißverarbeitung bitumenhaltiger Arbeitsstoffe nur eine vernachlässigbare PAK-Konzentration gesehen. Unter Einräumung von Datenlücken hinsichtlich der Wirkung von PAK könne lediglich sicher festgestellt werden, dass im Druckgewerbe die Anzahl der Lungenkrebspatienten bei Nichtrauchern selten sei. Der Kontakt zu krebserzeugenden Arbeitsstoffen reduziere sich ausschließlich auf Chrom(VI)-Verbindungen. Insgesamt hat er die diesbezügliche Exposition, insbesondere was die Dauerexposition angeht, für zu gering erachtet und das inhalative Rauchen als sehr eindeutigen außerberuflichen Faktor, der auch zur Schädigung des übrigen Organismus geführt habe, angesehen.
Im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten von Dr. K. hat das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 25.04.2007 abgewiesen. Die Lungenkrebserkrankung des V. sei nicht als BK oder wie eine BK anzuerkennen und zu entschädigen. Zwar hat das Sozialgericht wegen des Hinweises von Dr. K. , eine Dosis-Wirkungsbeziehung bestehe bei Chrom nicht, zugunsten der Klägerin angenommen, dass insoweit die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien. Angesichts des jahrzehntelangen Zigarettenkonsums und des Hinweises von Dr. K. , dass der sogenannte "genetische Bruch", der zur Krebsentstehung führe, in der Regel mindestens 25 Jahre zurückliege, hat es die Chrombelastung für die Entstehung der Krebserkrankung jedoch nicht für ausreichend wahrscheinlich ursächlich gehalten. Unter Annahme eines nur zweimonatigen Kontakts mit Bitumen ohne Heißverarbeitung hat es auch eine Belastung durch PAK nicht als ursächlich für die Krebserkrankung angesehen.
Gegen das ihr am 25.05.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.06.2007 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, es könne nicht belegt werden, in welchem Umfang ihr Ehemann geraucht habe. Dabei räumt sie ein, dass er zum Zeitpunkt ihres Kennenlernens im Jahr 1975 bereits rauchte, bezweifelt jedoch, dass er schon ab dem 18. Lebensjahr rauchte, jedenfalls nicht 1,5 Packungen täglich. Es könne allenfalls von 25 Packungsjahren ausgegangen werden. Es sei nicht erwiesen, dass das Rauchen als alleinige Ursache der Krebserkrankung anzusehen sei. Sie hat Zweifel an den Ermittlungsergebnissen des TAD und bestreitet, dass Chromätze kein Chrom enthalte. Die jahrzehntelange Arbeit ihres Ehemanns in Druckereien mit entsprechenden Belastungen durch verschiedene Stoffe bei unterschiedlichen Arbeitsbedingungen seien bezüglich der hier maßgeblichen Stoffe Chrom und PAK nicht ausreichend gewürdigt worden. V. habe auch mit erwärmten Bitumen gearbeitet.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.04.2007 und des Bescheids der Beklagten vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2005 die Bronchialkarzinomerkrankung des V. als Berufskrankheit nach Nr. 1103 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung bzw. wie eine Berufskrankheit festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. S. vorgelegt (Bl. 245 LSG-Akte) und sieht die vom Sozialgericht angenommene Bedeutung des Nikotinkonsums durch die Entscheidung des Landessozialgerichts Hessen vom 31.08.2010 (L 3 U 162/05, juris) bestätigt.
Dr. S. hat Protokolle zu Messungen bei der FI. B. Verlag und Druck GmbH aus den Jahren 1979 und 1981, ein Messprotokoll aus dem Jahr 1982 aus einem seiner Ansicht nach vergleichbaren Betrieb, TÜV-Messungen aus dem Jahr 1988 sowie Veröffentlichungen zu den Risiken bei Chrombelastungen am Arbeitsplatz (Pesch u.a. "Chrom und seine Verbindungen am Arbeitsplatz" in BGFA-Info 3/08, Pesch u.a. "Berufliche Chrom(VI)-Exposition und Lungenkrebsrisiko in ASU 2009 - Bl.359 ff., 356 ff. LSG-Akte) vorgelegt. Er hat klargestellt, dass Chromätze kein Chrom enthalte und der monatliche Ansetzvorgang ein Chromsäurebad betroffen habe, das auch im Bereich der Korrektur vorhanden gewesen sei. Die maßgeblichen Grenzwerte für die Chromexposition seien eingehalten worden. An sich sei eine Lebensdosis nicht zu ermitteln. Mit Sicherheit habe sie aber unter den in der Literatur vorgeschlagenen Werten gelegen. Die Annahme einer PAK-Exposition aus der Anwendung einer Bitumenlösung entbehre jeder technischen und wissenschaftlichen Grundlage. Bitumen sei nicht mit Teer vergleichbar. Bei Verarbeitungstemperaturen unter 80° C, von denen auszugehen sei, seien Messungen auf PAK ergebnislos verlaufen. Gegen eine Heißverarbeitung spreche auch, dass der Asphaltlack zu mehr als der Hälfte aus Toluol und Benzin bestanden habe, die extrem leicht in Brand geraten wären oder ein explosives Gemisch gebildet hätten.
Der Senat hat Prof. Dr. W. (R. ) und den vormals behandelnden Allgemeinmediziner T. schriftlich als sachverständige Zeugen zum Erkrankungsverlauf bei V. befragt. Der Allgemeinmediziner T. hat umfassend Befundunterlagen vorgelegt. Dr. K. hat auf eine ergänzende Befragung durch den Senat mitgeteilt, er habe das Gutachten für das Sozialgericht unter Einschaltung von Prof. Dr. M. und eines "Gutachter-Treffs" erstellt, da er nicht in der Lage gewesen sei, die Fragen zu beantworten. Zu ergänzenden Ausführungen in der Sache hat er sich außer Stande gesehen.
Sodann hat der Senat Prof. Dr. K. mit der Erstellung eines fachinternistisch-pneumologischen Gutachtens nebst ergänzender Stellungnahme unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. S. vom Januar 2011 beauftragt. Prof. Dr. K. hat dargestellt, dass das Krebsrisiko nach einer Einstellung des Nikotinkonsums nur langsam sinke. Nach den Feststellungen des TAD sei weder eine relevante Chrom-Exposition - maßgeblich seien nur Chrom(VI)-Verbindungen - noch eine maßgebliche PAK-Exposition oberhalb der allgemeinen Umweltbelastung nachgewiesen. Die täglich angewandte Chromätze habe - so die Berichtigung des TAD - kein Chrom oder Chromverbindungen enthalten. Aus einem Tabakkonsum seit dem 18. Lebensjahr bis in das Jahr 2000 von 1,5 Päckchen pro Tag resultierten 57 Packungsjahre. Bei 20 Packungsjahren sei das Lungenkrebsrisiko um das sechs bis siebenfache erhöht, bei 40 Packungsjahren würde für männliche Raucher das relative Risiko auf 31,7 ansteigen Im Zeitraum von zwei bis neun Jahren unter strikter Nikotinkarenz sei das relative Lungenkrebsrisiko bei ehemaligen Rauchern immer noch ca. 19-fach erhöht und sinke erst nach ca. 20 bis 29 Jahre auf ein relatives Risiko von 4,62 herab.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 12.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2005, mit dem die Beklagte die Anerkennung einer BK oder Wie-BK und die Gewährung von Leistungen nach § 3 BKV ablehnte, und zwar - da die Klägerin im Berufungsverfahren ihren Antrag hierauf beschränkt hat - nur bezogen auf die Feststellung der BK Nr. 1103 bzw. einer Wie-BK im Hinblick auf eine Exposition gegenüber PAK. Die übrigen im Bescheid vom 12.05.2005 genannten BKen und die im Bescheid erwähnte Leistungsgewährung nach § 3 BKV sind somit nicht (mehr) Streitgegenstand.
Die Frage, ob die Lungenkrebserkrankung des V. als Folge einer Exposition gegenüber PAK anzusehen ist, entscheidet der Senat unter dem Blickwinkel der Feststellung einer Wie-BK obwohl zwischenzeitlich - nach Bekanntgabe der angefochtenen Bescheide und auch nach dem Urteil des Sozialgerichts - insoweit mit der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.06.2009 (BGBl. I S. 1273) die BK Nr. 4113 in die Berufskrankheitenliste eingefügt wurde. Die Beklagte konnte in den angefochtenen Bescheiden hinsichtlich der Belastung durch PAK nicht über die damals noch nicht existierende BK Nr. 4113, sondern - was sie auch vornahm - nur über eine Wie-BK entscheiden; nur diese Entscheidung stellt sich nunmehr der gerichtlichen Überprüfung durch den Senat. Schließlich sind auch die Voraussetzungen für eine rückwirkende Geltung der BK Nr. 4113 nach dem Wortlaut des insoweit einschlägigen § 6 Abs.1 Satz 2 BKV nicht erfüllt. Gemäß dieser Regelung ist auf Antrag, wenn der Versicherungsfall nach dem 30.11.1997 eingetreten ist und der Versicherte am 01.07.2009 an einer Krankheit nach Nr. 4113 leidet, diese als BK anzuerkennen. Zwar ist die Lungenkrebserkrankung des V. nach dem 30.11.1997 aufgetreten. Der Zeitpunkt ihres Eintritts kann hier frühestens mit dem sicheren Nachweis der Erkrankung im Jahr 2004 angenommen werden. Jedoch war V. am 01.07.2009 bereits verstorben.
Die Klägerin ist als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 Abs.1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I) hinsichtlich der Anfechtungs- und Feststellungsklage passiv legitimiert. Als Ehegattin des V. lebte sie zum Zeitpunkt seines Todes mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt. Zwar bezieht sich § 56 Abs. 1 SGB I allein auf fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen, was für eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nicht ohne Weiteres zu bejahen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 05.02.2008, B 2 U 18/06 in SozR 4-1200 § 56 Nr.3 und vom 12.01.2010, B 2 U 21/08 R, juris) ist von einer Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Abs.1 SGB I aber auch bei einer Feststellungsklage auszugehen, wenn aus der begehrten Feststellung Ansprüche auf (weitere) Geldleistungen erwachsen können. Insoweit ist der Begriff der "Fälligkeit" in der Weise zu handhaben, dass bereits das Entstehen des Rechtsanspruchs dem Grunde nach für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ausreicht. Im Hinblick auf die von V. ausdrücklich beantragte Rentenleistung könnten mithin aus der begehrten Feststellung einer (Wie-)BK Ansprüche auf Verletztengeld oder Verletztenrente aus übergegangenem Recht zu Gunsten der Klägerin entstehen.
Die Voraussetzungen für die Feststellung der vorliegend streitigen BK bzw. einer Wie-BK liegen nicht vor.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählen nach Nr. 1103 der Anlage 1 zur BKV Erkrankungen durch Chrom und seine Verbindungen.
Ferner haben die Unfallversicherungsträger nach § 9 Abs. 2 SGB VII eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören sowohl der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 7, 8 SGB VII versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachen (sog. gruppentypische Risikoerhöhung). Mit dieser Regelung soll nicht in der Art einer Generalklausel erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit im Einzelfall zumindest hinreichend wahrscheinlich ist, wie eine BK zu entschädigen ist (BSG, Urteil vom 04.06.2002, B 2 U 20/01 R m.w.N.). Vielmehr sollen dadurch Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht in die BK-Liste aufgenommen wurden, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage 1 zur BKV noch nicht vorhanden waren oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten. Hierzu zähl(t)en - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - Lungenkrebserkrankungen durch PAK bei Nachweis einer bestimmten Belastungsdosis (inzwischen BK Nr. 4113).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteile vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15 und vom 12.01.2010, B 2 U 5/08 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 17). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier Einwirkungen durch einen Arbeitsstoff - eine naturwissenschaftliche Teil-Ursache einer Krankheit ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne die Einwirkung des Arbeitsstoffes eingetreten wäre, anders gesagt, ob der Stoff des jeweiligen BK-Tatbestands nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele. Ist dies der Fall, war die Einwirkung des Arbeitsstoffs für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Einwirken des Arbeitsstoffs für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Bei der Lungenkrebserkrankung des V. handelte es sich um ein Krankheitsbild, das sowohl von der BK Nr. 1103 ("Chromatlungenkrebs", s. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheiten-Verordnung, M 1103 III) als auch von der hier streitgegenständlichen Wie-BK, dies ergibt sich klar aus der Bezeichnung der jetzigen Listen-BK Nr. 4113, erfasst wird.
Im Hinblick auf die BK Nr. 1103 ist der Senat in Übereinstimmung mit den Beteiligten der Auffassung, dass V. den von dieser BK erfassten Listenstoffen ausgesetzt war. Übereinstimmend gehen insoweit Dr. S. und Prof. Dr. K. davon aus, dass nach den heutigen Erkenntnissen allein auf die Belastung durch Chrom(VI)-Verbindungen abzustellen ist. Diese wurde in früheren Jahrzehnten - so Prof. Dr. K. - mit einer erhöhten Lungenkarzinom-Mortalität in Zusammenhang gebracht. Dreiwertige Chromverbindungen und metallisches Chrom sind - so ebenfalls Prof. Dr. K. - hingegen nach den heutigen Erkenntnissen nicht krebserregend.
Allerdings kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die Exposition gegenüber Chrom(VI)-Verbindungen für sich genommen - monokausal - das Lungenkarzinom hinreichend wahrscheinlich verursachte insbesondere ein Ausmaß erreichte, das zu einer erhöhten Gefährdung des V., an Lungenkrebs - nur diese Erkrankung steht hier zur Prüfung - zu erkranken, führte. Das Bundessozialgericht ist im Urteil vom 12.01.2010 (B 2 U 5/08 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 17), wie es auch in der unfallmedizinischen Literatur vertreten wird (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. S. 1117, siehe auch Pesch u.a., a.a.O.), davon ausgegangen, dass für die Anerkennung der BK Nr. 1103 allein auf Grund der Einwirkung von Chrom und seinen Verbindungen eine Einwirkung in der Größenordnung von 2.000 µg/m³ x Jahre erforderlich ist. Dieser Wert wird in der unfallmedizinischen Literatur (s. eben) als Konsens eines wissenschaftlich belastbaren Dosiswertes für eine Verdoppelung des Lungenkrebsrisikos bei Schweißern angesehen. Er errechnet sich aus einem früheren TRK-Wert von 200 µg/m³ multipliziert mit zehn Jahren Expositionsdauer. Dr. S. hat zuletzt (Bl. 249f. LSG-Akte) - für den Senat nachvollziehbar - darauf hingewiesen, dass die Berechnung einer kumulativen Lebensdosis für V. nicht möglich ist, da hierzu nicht vorhandene Messdaten von Chrom(VI)-Verbindungen in der lungengängigen Fraktion benötigt würden. Er hat jedoch anhand von Messdaten aus einem vergleichbaren Betrieb überzeugend dargelegt, dass die am Arbeitsplatz Zylinderkorrektur gemessenen Werte für alle Chromverbindungen - nicht nur für die Chrom(VI)-Verbindungen - in der einatembaren Fraktion von 0,5 µg/m³ deutlich mehr als den Faktor 100 unter dem eben genannten TRK-Wert von 200 µg/m³ liegen und damit auch unter Berücksichtigung des monatlichen Ansetzvorgangs nicht von einem erhöhten Lungenkrebsrisiko ausgegangen werden kann. Dem hat sich Prof. Dr. K. angeschlossen. Soweit die Klägerin zuletzt pauschal bestritten hat, dass Chromätze kein Chrom enthalte, sieht der Senat genauso wie Prof. Dr. K. keine Veranlassung für Zweifel an der Richtigkeit der von Dr. S. vorgenommenen begrifflichen Klarstellung. Demnach handelt es sich bei Chromätze um eine Zubereitung aus in der Regel Salzsäure mit Zinkchlorid oder Aluminiumchlorid und wird zum Ätzen von verchromten Oberflächen eingesetzt.
Hinsichtlich der weiter streitgegenständlichen Wie-BK (jetzt BK Nr. 4113) sieht der Senat keine belastbare Grundlage für die Annahme einer Exposition durch PAK, die die allgemeine Umweltbelastung übersteigt, geschweige denn den in der jetzigen BK Nr. 4113 geforderten Dosiswert von 100 Benzo(a)pyren-Jahre erreicht. Einhellig gehen Dr. S. und Prof. Dr. K. betreffend der hier ganz im Vordergrund diskutierten Verwendung von Asphaltlack davon aus, dass angesichts der Inhaltstoffe - Bitumen und nicht Teer - und der Verarbeitungstemperaturen - keine Heißverarbeitung von mindestens 80 °- die Annahme einer besonderen PAK-Exposition jeder technischen und wissenschaftlichen Grundlage entbehrt. Damit ist nicht nachgewiesen, dass die im jetzigen BK-Tatbestand genannte und schon vor Einfügung dieses BK-Tatbestandes bekannte (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 4113 II und Anm. Rdnr. 5) Einwirkungsvoraussetzung (100 Benzo(a)pyren-Jahre) erfüllt ist. In einem solchen Fall kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12.01.2010, B 2 U 5/08 R, a.a.O) der Arbeitsstoff zwar grundsätzlich die anerkannte Krankheit mitverursacht haben, eine Anerkennung der BK (hier: Wie-BK) scheidet aber aus, weil deren Mindestanforderungen nicht gegeben sind.
Nachdem somit weder für die Belastung durch Chrom und seine Verbindungen, noch für die Belastung durch PAK von einer alleinigen Verursachung der Karzinomerkrankung ausgegangen werden kann, ist - zumal die BK Nr. 1103 keine Mindesteinwirkungsdosis enthält - zu prüfen, ob diese Stoffe Teil einer Gruppe von Stoffen sind, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist und ob ihnen innerhalb dieser Gruppe eine wesentliche Eigenbedeutung zukommt (BSG, Urteil vom 12.01.2010, B 2 U 5/08 R, a.a.O).
Davon kann sich der Senat weder für die Belastung durch Chrom und seine Verbindungen und selbst für eine unterstellte das umweltbedingte Normalmaß überschreitende Belastung durch PAK nicht überzeugen. Der Senat geht auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. K. vielmehr davon aus, dass die Lungenkrebserkrankung des V. ausreichend durch seinen langjährigen Nikotinkonsum zu erklären ist. Damit kann die schädigende Einwirkung durch die eben genannten Arbeitsstoffe hinweg gedacht werden, ohne dass die Karzinomerkrankung entfiele. Der Senat ist davon überzeugt, dass bei V. ein Nikotinkonsum von mindestens 57 Packungsjahren vorlag. Für wesentlich erachtet der Senat dabei die von V. selbst im Rahmen einer persönlichen Befragung gegenüber Dr. S. gemachten Angaben, ergänzt durch die in verschiedenen medizinischen Unterlagen dokumentierte Beendigung des Nikotinkonsums Anfang des Jahres 2000. Auf Grund der Angaben des V. ist der Senat davon überzeugt, dass dieser seit seinem 18. Lebensjahr durchschnittlich 1,5 Packungen pro Tag rauchte. Die Aufgabe des Rauchens ist beispielsweise im Arztbrief des Kardiologen Dr. U. (Bl. 53 VA) für den Januar 2000 dokumentiert, was sich im Wesentlichen mit der Angabe des V. über einen Nikotinkonsum bis ungefähr in das Jahr 1999 deckt. Daraus ergeben sich - so Prof. Dr. K. - 57 Packungsjahre - auf eine mögliche Ungenauigkeit hinsichtlich des genauen Beendigungszeitpunktes (1999 bzw. 2000) kommt es nicht an, da der nachfolgend dargestellten Argumentation von Prof. Dr. K. wissenschaftliche Erkenntnisse für Raucher mit 40 Packungsjahren zu Grunde liegen, die von V. sicher deutlich überschritten wurden (Zeitdauer 1962 bis 1999 = 38 Jahre, multipliziert mit 1,5 Päckchen Zigaretten = 57 Packungsjahre, entsprechend bei 35 Jahre 55,5 Packungsjahre). Der Senat teilt nicht die Zweifel, die die Klägerin an dem hier zu Grunde gelegten Ausmaß des Nikotinkonsums für einen Zeitraum äußert, in dem sie V. noch nicht persönlich kannte. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass V. bei der Befragung durch Dr. S. bewusst oder unbewusst falsche Angaben zu seinem Nikotinkonsum machte. Die Annahme, dass er wahrheitswidrig einen zu hohen Nikotinkonsum angab, ist insbesondere deswegen fernliegend, da zur Überzeugung des Senats schon zum Zeitpunkt seiner Befragung seit Jahren allgemein bekannt war, dass das Rauchen im Zusammenhang mit Lungenkrebserkrankungen gebracht wird und sich für V. damit aufdrängte, dass starkes Rauchen eher gegen die von ihm geltend gemachte berufliche Verursachung sprach. Dabei stellt der Senat nicht in Abrede, dass es im Laufe der Jahre zu Schwankungen im Ausmaß des Nikotinkonsums gekommen sein kann und V. die Größenordnung von 1,5 Packungen täglich als einen aus seiner - nachvollziehbaren - Sicht richtigen Durchschnittswert erachtete. Schließlich gab V. während der Rehabilitationsmaßnahme im Jahr 2004 an, jahrelang 40 Zigaretten - also zwei Packungen - pro Tag geraucht zu haben (Bl. 95 VA).
Nach den Ausführungen von Prof. Dr. K. ist das relative Risiko bei männlichen Rauchern mit 40 Packungsjahren für die Entstehung von Lungenkrebs auf 31,7 angestiegen. Das bedeutet, dass das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken nach 40 Packungsjahren 31,7 mal höher ist als unter männlichen Nichtrauchern. Bei V. lagen - wie eben dargestellt - zum Zeitpunkt der Aufgabe des Rauchens sogar deutlich über 40 Packungsjahre vor. Auch wenn V. ca. fünf Jahre (Prof. Dr. K. nennt in seinem Gutachten irrtümlich sieben Jahre) vor seinem Tod den Nikotingenuss einstellte, war für den Zeitpunkt der Erstdiagnose der Krebserkrankung nach den von Prof. Dr. K. dargestellten Zahlen (Auswirkungen einer strikten Karenz von zwei bis neun Jahre) noch immer von einem ca. 19-fach erhöhten Lungenkrebsrisiko auszugehen.
Auf Grund dieser erheblichen Risikoerhöhung allein durch den Nikotinkonsum ist der Senat davon überzeugt, dass eine Belastung durch die Arbeitsstoffe - Chrom(VI)-Verbindungen und PAK - hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Eintritt der Lungenkrebserkrankung entfiele. Denn dem 19-fach erhöhten Risiko auf Grund des unversicherten Nikotinkonsums steht eine Belastung durch die genannten Arbeitsstoffe gegenüber, für die Prof. Dr. K. schon im Ansatz eine relevante, das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken erhöhende Exposition ausschließt. Damit fehlt es bereits an einer quantitativ fassbaren Risikoerhöhung, die in ein Verhältnis zu der Risikoerhöhung durch das Rauchen gesetzt werden könnte. Der Senat vermag mithin nicht davon auszugehen, dass die diskutierten Arbeitsstoffe als Teile einer Gruppe von Stoffen für die Krebserkrankung von Bedeutung waren. Zu diesem Ergebnis gelangte auch die Gewerbeärztin E. , die ebenfalls den langjährigen Nikotinabusus als einzigen "Faktor" benannte.
Das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten von Dr. K. ist nicht verwertbar. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat sich herausgestellt, dass Dr. K. sich durch die ihm gestellten Fragen überfordert gesehen und sein Gutachten wesentlich nicht auf seiner Sachkunde und Einschätzung, sondern auf der Sachkunde und den Auffassungen von Prof. Dr. M. und weiteren, nicht näher bekannten Ärzten, die an einem "Gutachter-Treff" teilgenommen haben, beruht. Die Grenze der erlaubten Mitarbeit anderer Personen bei der Erstellung des Gutachtens durch den vom Gericht bestellten Sachverständigen ist aber dann mit der Folge der Unverwertbarkeit überschritten, wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden Zentralaufgaben nicht selbst wahrgenommen, sondern delegiert (BSG, Beschluss vom 18.11.2008, B 2 U 101/08 R, juris). Dies ist hier der Fall.
Im Übrigen ergäbe sich auch aus dem Gutachten von Dr. K. kein für die Klägerin günstigeres Ergebnis. Auch er hat die außerberuflichen Faktoren als "sehr eindeutig" angesehen und hierzu insbesondere auf das Ausmaß der Schädigung des übrigen Organismus - hochgradige Arteriosklerose, Gefäßsklerose in den Beinen - hingewiesen.
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nochmals die Einholung eines Gutachtens zur Ermittlung der Schadstoffexpositionen durch einen "neutralen" Gutachter angeregt hat, besteht hierfür keine Veranlassung. Der Senat stützt sich auf die Ausführungen des TAD. Es sind keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an deren Richtigkeit ersichtlich. Nicht ausreichend ist der pauschale Hinweis der Kläger, dass der TAD im Lager der Beklagten stehe. Zudem können die damaligen Arbeitsplatzverhältnisse insbesondere im Hinblick auf die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung behaupteten unzureichende Lüftung heute nicht mehr hergestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Aus
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