L 11 R 858/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 3357/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 858/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Altersrente für Frauen und insbesondere die Kürzung der nach dem Fremdrentengesetz (FRG) anzurechnenden Entgeltpunkte (EP) streitig.

Die 1941 in Rumänien geborene Klägerin ist Mutter der 1968 geborenen A.-C,. und der am 1970 geborenen A.-P. V. Nach ihrer Schulzeit absolvierte sie von 1958 bis 1960 eine Fachschulausbildung und war sodann ab 1. August 1960 versicherungspflichtig in Rumänien beschäftigt. Es sind Pflichtbeitragszeiten bis zum 30. September 1991 vorhanden (vgl Versicherungsverlauf vom 26. Februar 2002, Bl 14 bis 15 der Verwaltungsakte). Am 18. November 1991 siedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland über und bezog zunächst Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Von März 1992 bis Oktober 1992 und ab 1. Januar 1995 bis 31. März 2002 war sie versicherungspflichtig beschäftigt.

Am 18. Dezember 2001 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) Altersrente für Frauen, die die Beklagte mit Bescheid vom 26. Februar 2002 ab dem 1. April 2002 bei einem monatlichen Zahlbetrag von 704,16 EUR bewilligte. Dabei berücksichtigte sie die EP für die in Rumänien zurückgelegten Pflichtbeitragszeiten nach dem FRG nur mit dem Faktor 0,6. Im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung der beitragsfreien Zeiten wurden EP für Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung entsprechend einer Bewertung von Kindererziehungszeiten mit dem Faktor 0,6 ermittelt. Schließlich berücksichtigte die Beklagte Ersatzzeiten und sonstige beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten nach der Gesamtleistungsbewertung - und hier der gegenüber der Grundbewertung günstigeren Vergleichsbewertung - auf der Grundlage von 0,0715 EP pro Kalendermonat (Anlage 4 des genannten Rentenbescheids).

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Das Widerspruchsverfahren wurde im Hinblick auf das beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auf Vorlage des Bundessozialgerichts (BSG) anhängige Verfahren zu § 22 Abs 4 FRG in der Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25. September 1996 ruhend gestellt. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 13. Juni 2006 (Az 1 BVL 9/00 ua = SozR 4-5050 § 22 Nr 5) wies die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 9. November 2007 auf die Vereinbarkeit des § 22 Abs 4 FRG mit dem Grundgesetz (GG) hin und führte zudem aus, dass die Klägerin nicht die Voraussetzungen des Art 6 § 4c Abs 2 Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) erfülle. Die Klägerin hielt an ihrem Widerspruch fest und machte geltend, das BVerfG habe deshalb auf den Stichtag 31. Dezember 1990 abgestellt, weil es sich um Fälle von Aussiedlern gehandelt habe, die einem anderen Aufnahmeverfahren unterlegen hätten als sie selbst. Sie sei nämlich Spätaussiedlerin. Für diese seien besondere Aufnahmevorschriften eingeführt worden, die eine Einreise verzögert hätten. Die Anknüpfung an den Stichtag 31. Dezember 1990 sei mit der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG und Art 3 GG nicht in Einklang zu bringen. Spätaussiedler hätten anders als Vertriebene und Aussiedler Beiträge zur Rentenversicherung geleistet, da der Bund entsprechende Beiträge vorgesehen habe. Nach dem FRG seien die Beitragszeiten der Spätaussiedler im Aussiedlungsgebiet mit Beitragszeiten im Inland gleichgestellt. Da die Entscheidung des BVerfG Spätaussiedler nicht betreffe, liege vorliegend eine Verletzung von Art 14 GG vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juni 2008 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, das BVerfG habe mit Beschluss vom 13. Juni 2006 entschieden, dass die Absenkung der EP für Zeiten nach den FRG auf 60 % nach § 22 Abs 4 FRG in der Fassung des WFG grundsätzlich mit dem GG vereinbar sei. Lediglich für Berechtigte, die vor dem 1. Januar 1991 nach Deutschland gekommen seien und deren Rente nach dem 30. September 1996 beginne, habe es noch eine weitere Übergangsregelung durch den Gesetzgeber gefordert. Diese Regelung liege mit Art 6 § 4c Abs 2 FANG vor. Danach hätten Berechtigte, die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland genommen hätten und deren Rente nach dem 30. September 1996 beginne und über deren Rentenantrag am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden sei, Anspruch auf einen Zuschlag an EP, der jedoch nur für Rentenbezugszeiten bis 30. Juni 2000 zu zahlen sei. Da die Klägerin erst am 18. November 1991 und damit nach dem Stichtag 31. Dezember 1990 zugezogen sei, erweise sich die bisherige gesetzliche Regelung als verfassungsgemäß. Sie erfülle auch nicht die Voraussetzungen für die Übergangsregelung.

Hiergegen hat die Klägerin am 7. Juli 2008 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, sie sei als Spätaussiedlerin nicht von der Entscheidung des BVerfG betroffen. Sie habe nicht entscheiden können, wann sie ins Bundesgebiet einreise. Ihre Zeiten nach dem FRG seien von dem grundrechtlichen Schutz des Eigentums umfasst, da der Gesetzgeber die von ihr an eine fremde Versicherung geleisteten Beiträge mit denen an deutsche Versicherungsträger gleichgesetzt habe. Im Falle der Spätaussiedler verstoße die Kürzung gegen Art 14 GG und Art 3 GG. Ferner sei die Kürzung der Kindererziehungszeiten rechtswidrig, da diese keine Fremdrentenzeiten seien. Die Kürzung dieser Zeiten verstoße gegen den Schutz nach Art 6 GG. Auch die weiteren Ersatz- und Berücksichtigungszeiten dürften nicht gekürzt werden. Der Stichtag sei willkürlich und diskriminierend. Zu berücksichtigen sei, dass sie es nicht in der Hand gehabt habe, ihren Wohnsitz in das Bundesgebiet zu verlegen, was gerade der Grund für die Anerkennung als Vertriebene sei.

Mit Urteil vom 14. Januar 2010 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin unterfalle nach § 1a FRG dem Anwendungsbereich des FRG. Denn sie sei Aussiedlerin im Sinne des § 1 Abs 2 Nr 3 Bundesvertriebenengesetz (BVFG), da sie im Wege des Aufnahmeverfahrens vor dem 1. Januar 1993 Rumänien verlassen habe. Sie sei damit jedoch nicht eine Spätaussiedlerin im Sinne des § 4 BVFG, da sie bereits am 18. November 1991 und damit nicht - wie von § 4 BVFG vorausgesetzt - nach dem 31. Dezember 1992 in das Bundesgebiet im Wege des Aufnahmeverfahrens eingereist sei. Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung der nach § 22 Abs 1 FRG ermittelten EP mit dem Faktor 0,6 sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und ergebe sich aus § 22 Abs 4 FRG. Auch die Kindererziehungszeiten seien nach § 22 Abs 1 Satz 9 FRG iVm § 28b FRG um 0,6 zu kürzen. Denn die Kindererziehungszeiten für die beiden Kinder der Klägerin seien während des Aufenthalts in Rumänien zurückgelegt worden und unterfielen mithin dem Geltungsbereich des FRG und nicht unmittelbar dem des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI). Die Beklagte habe die Kindererziehungszeiten nach §§ 14, 28b FRG iVm §§ 56, 249 SGB VI in korrektem Umfang von 12 Monaten nach Ablauf des Geburtsmonates berücksichtigt. Die Beklagte habe zudem der Rentenberechnung Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nach § 14 FRG iVm § 57 SGB VI bis zum vollendeten 10. Lebensjahr zugrunde gelegt. Die EP für Ersatzzeiten nach § 250 SGB VI seien hingegen nicht mit dem Faktor 0,6 gekürzt worden. Der Faktor 0,6 wirke sich jedoch über die Gesamtleistungsbewertung mittelbar auf die Bewertung beitragsfreier Zeiten aus. Aus der Entscheidung des BVerfG vom 13. Juni 2006 folge, dass die Regelungen des § 22 Abs 4 FRG für Berechtigte, die wie die Klägerin ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik erst ab dem 1. Januar 1991 genommen hätten, verfassungsgemäß sei. Das BVerfG habe auch ausdrücklich über einen Fall von Spätaussiedlern entschieden. Zudem sei der angenommene Stichtag (1. Januar 1991) nicht willkürlich, da er sich auf ein danach entstandenes schutzwürdiges Vertrauen auf die bis 1996 nach Art 6 § 4 Abs 5 FANG 1991 bestehende Rechtslage beziehe. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf einen Zuschlag nach der Übergangsregelung des Art 6 § 4c Abs 2 Satz 1 FANG. Einen solchen Zuschlag habe die Klägerin hier nicht ausdrücklich geltend gemacht. Die Übergangsregelung erfasse die Klägerin aber bereits deswegen nicht, da sie nicht vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen habe. Die Übergangsregelung entspreche zudem den Vorgaben des BVerfG.

Hiergegen richtet sich die am 9. Februar 2010 beim SG zum LSG eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend geltend macht, sie sei Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit und als solche anerkannt. Unabhängig davon, ob sie Vertriebene oder Spätaussiedlerin sei, komme es bei der Beurteilung der von ihr im Ausland erbrachten rentenrelevanten Beitrags- oder Beschäftigungszeiten ausschließlich darauf an, ob sie aufgrund eines Vertreibungsschicksals die Möglichkeit gehabt habe, sich vor dem Datum, an dem sie sich in der Bundesrepublik Deutschland nach ihrer Flucht niedergelassen habe, habe niederlassen können. Sie sei bis zum Zerfall des kommunistischen Regimes daran gehindert worden, sich als Deutsche im Bundesgebiet niederzulassen. Sie sei gezwungen gewesen, an einen fremden Versicherungsträger Leistungen zu erbringen. Bei der Berechnung der EP sei nicht danach differenziert worden, ob es sich um Beiträge, Pflichtbeiträge für Kindererziehung oder Ersatzzeiten nach § 250 SGB VI gehandelt habe. Auch habe sie ab dem 1. Januar 1992 bis zu ihrer Verrentung Beiträge im Bundesgebiet geleistet. Maßgeblich sei, dass das Gesetz, welches § 22 Abs 4 FRG in der derzeitigen Fassung in Kraft gesetzt habe, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da es nach dem 1. Januar 1993 in Kraft getreten sei. Dies ergebe sich aus § 100 Abs 1 BVFG, der regle, dass für Vertriebene im Sinne der §§ 1 bis 3 BVFG die gesetzlichen Vorschriften weiter gelten, die vor dem 1. Januar 1993 gegolten hätten. Damit sei auf sie das gesamte "Vertriebenenleistungsrecht" anzuwenden, das vor dem 1. Januar 1993 gegolten habe. Mit der Regelung in § 100 Abs 1 BVFG habe der Gesetzgeber einen klar umrissenen Personenkreis von den Folgen der nachträglich mit den Änderungen in den ehemaligen Ostblockstaaten gegründeten Kürzungen ausgenommen. Bisher sei diese Problematik noch nicht zur Diskussion gestanden, da man offenbar von der fehlerhaften Vorstellung ausgegangen sei, dass die in § 1 FRG geregelten Vertreibungstatbestände und die hierdurch betroffenen Personen allesamt durch die Veränderungen im ehemaligen Ostblock betroffen seien. Dies sei aber nicht der Fall. Solche Personen, die vor dem Zusammenbruch des Ostblocks aufgrund ihrer deutschen Volkszugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit festgehalten worden seien, hätten ein besonderes Vertreibungsschicksal erlitten. Ob der eine früher oder später in den Schutzbereich der Bundesrepublik Deutschland geraten sei, könne kein Differenzierungskriterium darstellen. Die bisherigen Entscheidungen sowie das Gesetz selbst (§ 22 Abs 4 FRG) verstießen mithin gegen Art 3 GG. Ebenfalls sei Art 14 GG verletzt. Die Kürzung der Zeiten nach § 250 SGB VI sowie der Kindererziehungszeiten verstoße bereits deshalb gegen Art 3 GG, da eine Diskriminierung vorliege, die ausschließlich auf der Herkunft und auf einem Vertreibungstatbestand beruhe. Nach § 28b FRG stehe die Erziehung eines Kindes im jeweiligen Herkunftsgebiet der Erziehung im Geltungsbereich des SGB VI gleich. Eine Kürzung dieser Zeiten sei genauso wie die Kürzung von Ersatzzeiten im Sinne des § 250 SGB VI schon deshalb ausgeschlossen, da sie aufgrund der durch direkte Beitragsleistung in das deutsche Rentensystem erworbenen Rentenanwartschaften sonst gegenüber den deutschen Staatsangehörigen, die diese Erziehungs- und Ersatzzeiten geltend machen können, diskriminiert werde. Hierfür gebe es keinen Grund.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14. Januar 2010 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Altersrente ohne Kürzung von Entgeltpunkten nach § 22 Abs 4 FRG zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich zur Begründung auf die Entscheidung des BSG vom 20. Oktober 2009 (Az: B 5 R 38/08 R) und auf die bereits genannte Entscheidung des BVerfG vom 13. Juni 2006.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2008 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die von der Beklagten bei der Rentenberechnung vorgenommene Absenkung der EP für die nach dem FRG anerkannten Beitragszeiten der Klägerin um 40 vH nach § 22 Abs 4 FRG ist gesetzeskonform und verfassungsgemäß und auch - soweit von der Beklagten vorgenommen - bei der Berechnung der Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten zu berücksichtigen.

Rechtsgrundlage des Begehrens der Klägerin auf höhere Altersrente sind die Regelungen der §§ 63 ff SGB VI über die Rentenhöhe. Danach richtet sich die Höhe der Rente vor allem nach der in EP umgerechneten Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 SGB VI). Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen EP, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit dem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (§ 64 SGB VI). Die persönlichen EP für die Ermittlung des Monatsbetrages der Rente ergeben sich, indem die Summe aller EP für Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten und Zuschläge mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt wird (§ 66 Abs 1 SGB VI). Für Beitragszeiten, die im Bundesgebiet zurückgelegten wurden, werden EP ermittelt, indem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt (Anlage 1) für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird (§ 70 Abs 1 Satz 1 SGB VI). Beitragszeiten sind Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind (§ 55 Abs 1 Satz 1 SGB VI).

Gemäß § 15 Abs 1 Satz 1 FRG stehen Beitragszeiten, die bei einem nicht deutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Beitragszeiten im Sinne des § 15 FRG sind zunächst alle Zeiten nach § 55 SGB VI.

Gemäß § 22 Abs 4 FRG in der hier maßgeblichen Fassung des Art 3 Nr 4 Buchst b WFG sind die nach § 22 Abs 1 und 3 FRG maßgeblichen EP – zu denen auch Kindererziehungszeiten gehören (§ 22 Abs 1 Satz 9 FRG) - mit dem Faktor 0,6 zu vervielfältigen, also um 40 vH abzusenken.

Als Übergangsregelung hierzu hat der Gesetzgeber durch Art 16 Nr 2 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl I 554) rückwirkend zum 1. Oktober 1996 (Art 27 Abs 2 aaO) die Bestimmung des Art 6 § 4c Abs 2 FANG 2007 angefügt. Zuvor hatte das BVerfG im bereits erwähnten Beschluss entschieden, dass es mit Art 2 Abs 1 GG iVm dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip unvereinbar ist, dass § 22 Abs 4 FRG auf Berechtigte, die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der BRD genommen haben und deren Rente nach dem 30. September 1996 begonnen hat, ohne eine Übergangsregelung für die zum damaligen Zeitpunkt rentennahen Jahrgänge zur Anwendung kommt.

Art 6 § 4c Abs 2 Satz 1 FANG 2007 lautet: "Für Berechtigte, 1. die vor dem 1. Januar 1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen haben, 2. deren Rente nach dem 30. September 1996 beginnt und 3. über deren Rentenantrag oder über deren bis 31. Dezember 2004 gestellten Antrag auf Rücknahme des Rentenbescheides am 30. Juni 2006 noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, wird für diese Rente einmalig zum Rentenbeginn ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten ermittelt."

Das SG hat zutreffend dargelegt, dass die Klägerin dem Anwendungsbereich des FRG unterliegt, da sie Aussiedlerin im Sinne des § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG und damit Vertriebene im Sinne des § 1 BVFG ist. Es hat darüber hinaus sowohl § 22 Abs 4 FRG als auch Art 6 § 4c Abs 2 FANG 2007 rechtsfehlerfrei angewandt und zutreffend dargelegt, dass die genannten Regelungen verfassungsgemäß sind. Dem schließt sich der Senat vollumfänglich an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück, weshalb von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen wird (§ 153 Abs 2 SGG).

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen wird ergänzend darauf hingewiesen, dass eine Verletzung von Art 14 Abs 1 GG auch dann nicht vorliegt, wenn die aus dem FRG abgeleiteten Anwartschaften der Klägerin dem Eigentumsschutz des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG unterliegen, weil sie zusammen mit den in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften eine rentenrechtliche Gesamtrechtsposition bildeten. Das BVerfG hat in seinem Nichtannahmebeschluss vom 15. Juli 2010 (1 BvR 1201/10 = SozR 4-5050 § 22 Nr 11 Rdnr 29) nochmals dargelegt, dass in diesem Fall zwar Art 14 Abs 1 GG grundrechtlicher Anknüpfungspunkt für die Berücksichtigung des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes wäre, ohne dass dies aber Auswirkungen auf den Spielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung der Übergangsregelung hätte. Das BVerfG hat zudem bereits in seiner Entscheidung vom 13. Juni 2006 darauf hingewiesen, dass insoweit die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Übergangsregelung im Ergebnis nicht davon abhängen, ob Art 14 GG oder Art 2 Abs 1 GG Prüfungsmaßstab ist (BVerfGE 116, 96, 124 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 Rdnr 84; hierzu auch BSG, Beschluss vom 19. April 2011 - B 13 R 187/10 B = veröffentlicht in juris). Die Klägerin muss hiernach, auch wenn sie sowohl in Rumänien als auch nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt war, ehe sie Altersrente bezogen hat, die Kürzung der ihr nach dem FRG aus Gründen besonderer staatlicher Fürsorge zuerkannten EP für in Rumänien zurückgelegte Beschäftigungszeiten um 40 vH hinnehmen (vgl hierzu auch Senatsurteil vom 28. Juni 2011 - L 11 R 2099/10).

An diesem Ergebnis ändert auch der von der Klägerin erhobene Einwand, nach § 100 Abs 1 BVFG sei § 22 Abs 4 FRG in der hier anzuwendenden Fassung nicht anzuwenden, nichts.

§ 100 BVFG, dessen heutige Regelung mit Wirkung vom 1. Januar 1993 durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2094) nach der neu eingefügten Überschrift "8. Abschnitt - Übergangs- und Schlussvorschriften" erstmals normiert wurde, hat folgenden Wortlaut:

"(1) Für Personen im Sinne der §§ 1 bis 3 finden die vor dem 1. Januar 1993 geltenden Vorschriften nach Maßgabe der Absätze 2 bis 8 Anwendung. (2) ... (7) § 90a Abs 2 ist bis zum 30. Juni 1993 in der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe für einen Zeitraum im Dezember 1992 bestanden haben. (8) § 90a Abs 1, 3 und 4 ist in der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden."

Das BSG hat in seinem Beschluss vom 19. April 2011 (B 13 R 187/10 B = aaO, Rdnr 14 ff) ausführlich dargelegt, dass § 100 BVFG lediglich die weitere Geltung der Vorschriften des BVFG im Hinblick auf die den besonderen Status als Vertriebener, Emigrant, Um- oder Aussiedler begründenden Tatbestände regelt, sich jedoch nicht mit den gemäß § 90 Abs 3 BVFG ohnehin in einem eigenen Bundesgesetz gesondert zu regelnden sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen dieser Personengruppe befasst. Dem schließt sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung vollumfänglich an. Aber selbst wenn § 100 Abs 1 BVFG in der ab 1. Januar 1993 geltenden Fassung in dem von der Klägerin reklamierten Sinne zu verstehen wäre, könnte - wie das BSG ebenfalls zutreffend dargelegt hat (aaO, Rdnr 19) - daraus nicht abgeleitet werden, dass diese Regelung der von der Klägerin angegriffenen späteren Änderung des FRG durch das WFG entgegensteht. Denn bereits nach der allgemeinen Rechtsregel, dass eine später erlassene themenidentische Norm die frühere verdrängt ("lex posterior derogat legi priori"), hat § 22 Abs 4 FRG in der Fassung des WFG iVm Art 6 § 4c FANG zur Folge, dass jedenfalls ab 1. Oktober 1996 aus der allgemeinen Übergangsvorschrift des § 100 Abs 1 BVFG keine weitergehenden Rechte mehr hergeleitet werden können.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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